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Vom Wesen der Seele

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Angenommen, Sie würden auf der Strasse angesprochen und gefragt werden: „Wo in ihnen befindet sich gerade ihre Seele?”

Was würden Sie antworten?

Würden Sie die Frage als völlig aus der Luft gegriffen uninteressiert beiseite wischen oder sich ernsthaft damit beschäftigen und auf die Suche nach einer möglichen Antwort machen? Oder haben Sie gar die passende Antwort schon gefunden?

Um sich dem Wesen der Seele zu nähern, bedarf es nicht unbedingt philosophischer oder wissenschaftlicher Konzepte und Konstrukte. Manchmal liegt der so genannte ‚gesunde Menschenverstand‘ viel näher an der Wahrheit als es selbst die Wissenschaft für möglich hält.

Kürzlich wurde ich gefragt, ob ich als wissenschaftlich ausgebil­deter Mensch an ein Leben nach dem Tode glaube. Es gäbe ja schließlich keinen wissenschaftlichen Beweis dafür.

Mir fiel auf diese Frage die Geschichte einer ehemaligen Klientin ein: Sie war eine einfache und vom katholischen Glauben geprägte ältere Dame, die stark depressive Züge hatte und immer wieder von dem Wunsch zu sterben sprach. Eines Tages ging ich mit ihr über einen Friedhof und fragte sie, ob sie an ein Leben nach dem Tode glaube. Sie antwortete: „Ja, schon. Es ist eben beim Menschen wie bei allem in der Natur - im Herbst fallen die Blätter, im Frühling wachsen neue.”

In diesen wenigen, einfachen Worten drückte sie ein für sie selbst vollkommen natürlich erscheinendes Konzept aus, über das sich Generationen von Philosophen, Theologen und Wissenschaftlern den Kopf zerbrochen haben. Das Konzept von Tod und Wiedergeburt findet man tatsächlich in allen großen Weltreligionen, wenn auch in verschiedenen Formen und Ausführungen. Ganze Heerscharen von Wissenschaftlern haben sich daran versucht, Beweise oder wenigstens Gegenbeweise für dieses Konzept zu finden. Für die ältere Dame hingegen schien es ein Teil ihrer natürlichen Überzeugung zu sein, dass es ein Leben nach dem Tode zwangsläufig geben müsse.

Mir geht es ähnlich: Ich benötige nicht den letztendlichen wissenschaftlichen Beweis für ein Phänomen, das ich mir durch eigene Erfahrungen und die Erfahrungswerte vieler anderer Menschen selbst bewiesen habe. Zwar heißt es „Wer nichts weiß, muss alles glauben”, aber manchmal sind die Erfahrungswerte des eigenen Lebens eine größere Gewissheit, als noch so viele wissenschaftliche Studien es bewirken können. Oder, um es etwas poetischer mit den Worten von Ernst Jünger auszudrücken: „Ein Garten gibt größere Gewissheit als jedes philosophische oder politische System.”

Die Suche nach der Seele

Um zur Ausgangsfrage zurückzukehren: Immer wieder wurde im Laufe der Menschheitsgeschichte der Versuch unternommen, das Wesen und den Sitz der Seele zu erforschen. Menschen wurden bei lebendigem Leibe wie auch nach ihrem Ableben untersucht, analysiert und seziert. Das Ergebnis enttäuscht: Niemand konnte bisher den definitiven Nachweis erbringen, weder für die Existenz, geschweige denn für den Sitz der Seele im menschlichen Körper. Manche hielten den Solar Plexus (das ‚Sonnengeflecht‘ des Brustkorbs) für das Zentralgestirn im menschlichen Körper und damit den wahrscheinlichsten Platz, für andere war und ist das Gehirn das eigentliche Zentrum des Menschen und die zentral darin verankerte Epiphyse (Zirbeldrüse) der Sitz der Seele. Die definitive und allgemein gültige Antwort steht demnach auch von wissenschaftlicher Seite noch aus, so dass man bei der Beantwortung der Ausgangsfrage wiederum auf Erfahrungswerte angewiesen ist und dabei in erster Linie auf die eigenen. Manchmal können natürlich auch die Erfahrungen und Erkenntnisse anderer Menschen zur Meinungsbildung hinzugezogen werden. Man muss nicht alles selbst erlebt haben, um sich ein Bild machen zu können.

Immerhin: Das Zugeständnis, dass es letztendlich so etwas wie eine Seele tatsächlich gibt - auch wenn sie uns immer wieder als nicht wirklich greifbar und daher unfassbar erscheint - darüber sind sich eigentlich fast alle einig, von der Theologie über die Philosophie bis hin zur Naturwissenschaft. Zumindest kamen viele großen Naturwissenschaftler - von Newton über Darwin bis zu Einstein - zu dem Schluss, dass sie das menschliche Leben nicht ohne eine Art von ‚Unfassbarem‘ erklären können. Heisenberg, einer der einflussreichsten Physiker der Moderne, drückte es so aus: „Der erste Schluck vom Becher der Naturwissenschaft ist Atheismus. Trinkt man jedoch weiter, so wartet am Grunde des Bechers Gott.”

Standpunkte suchen und finden

Um in dieser scheinbar eher widersprüchlichen beziehungsweise verwirrenden Welt der Seelenkunde einen eigenen Standpunkt zu entwickeln und einzunehmen, bedarf es also einiger Nach­forschungen, da es das schlüssige Seelenkonzept offensicht­­lich so nicht gibt. Die Erfahrungen und Einsichten, die hierzu im Laufe der Menschheitsgeschichte gesammelt wurden, geben uns zwar jede Menge wertvoller Hinweise: Eine nahezu unüberschaubare Zahl von Seelen- und sonstigen Forschern hat diesen Planeten schon bevölkert und durch ihre Forschungen wichtige Erkenntnisse für das Verständnis der Zusammenhänge geliefert. Man kann also als Einzelner bei der Suche nach der Natur des Seelenlebens durchaus auf die Erfahrungswerte anderer zurückgreifen. Um die Notwendigkeit der persönlichen Beschäftigung und Auseinandersetzung mit diesen Fragen kommt man bei einem bewusst und individuell gestalteten Leben jedoch - zumindest nach meiner Erfahrung - nun einmal nicht herum. Gemäß der Sokratischen These: „Das Leben ist es nicht wert, gelebt zu werden, wenn man es nicht überprüft“ könnte man formulieren: Wenn ich mich nicht bemühe, die eigenen Antworten auf die grundsätzlichen Fragen des Lebens zu finden, werde ich letzten Endes immer auf die Antworten anderer angewiesen sein.

Gleichzeitig bietet diese Auseinandersetzung ja durchaus Mög­lichkeiten, das eigene (Seelen-)Leben zu bereichern. Vielleicht liegt gerade in der Herausforderung, meine eigenen Antworten finden zu müssen, die Chance zur persönlichen Entwicklung. Ohne sie wäre es unter Umständen ein Leben ‚von der Stange‘, ohne wirkliche Einzigartigkeit und Inspiration. Es ist wie im richtigen Leben: Um das nicht wirklich greifbare Gefühl der Verliebtheit oder der Liebe tatsächlich spüren und erleben zu können, genügt es eben nicht, auf die Schilderung Anderer zurückzugreifen oder mir herzerweichende Filme anzuschauen. Der Moment, in dem ich selbst verliebt bin, ist der entscheidende. Das Gefühl, das ich in diesen Momenten mit allen Sinnen spüren kann, macht letztlich den Unterschied aus.

Andererseits führt der Versuch, die Dinge in ihrer Ganzheit zu erfassen und zu verstehen, nicht immer und zwangsläufig zur wahren Erleuchtung oder zu größerer Lebenszufriedenheit. Manchmal ist es wahrscheinlich sogar besser und gesünder, nicht zu viel über alles nachzudenken und alles verstehen zu wollen. Manch einer ist schon verzweifelt bei dem Versuch, zu ergründen, was den Menschen oder gar die ‚Welt im Innersten zusammenhält‘. Dennoch ist es meine feste Überzeugung, dass die Intensität der Suche und der Grad der Bewusstheit das Zünglein an der Waage ist, wenn es darum geht, die Fülle des Lebens wahrzunehmen und sie im eigenen Leben zur Blüte zu entfalten. Genau hierzu möchte dieses Buch einen Beitrag leisten ohne gleichzeitig den Anspruch zu erheben, der Weisheit letzter Schluss zu bieten.

Seele als unergründliches Wesen

Die Sehnsucht nach der letztendlichen Wahrheit sowohl über die Seele, wie auch des Lebens an sich, ist in diesem irdischen Leben vielleicht nicht wirklich zu stillen. So wie die Seele als Wesen unergründlich erscheint, so ist auch der Zugang über die Psychologie als der ‚Lehre über und von der Seele‘ manchem Zeitgenossen verwehrt, weil so gar nichts wirklich klar und eindeutig zu sein scheint. Im Gegenteil: Alles, was der Mensch so denkt, sagt und tut, erscheint als mindestens zweideutig, wenn nicht gar mehrdeutig. Mit einer eindeutigen und klaren Aussage über die Natur der Seele und ihrer Wirkungsmechanismen kann man auch seitens dieser Seelenspezialisten scheinbar nicht rechnen.

Dies mag einerseits durchaus auch an den Spezialisten selbst liegen, hat aber wohl in erster Linie mit dem oben beschriebenen Phänomen des ‚Nicht-Greifbaren‘ und Unergründlichen der Seele selbst zu tun. Schon der Ursprung des Wortes ‚Seele‘ deutet auf diese Unergründlichkeit hin: Das aus dem Germanischen sele oder sela stammende Wort leitet sich ab von dem Wort See, da die Germanen glaubten, dass die Seelen der Ungeborenen und der Toten in den Tiefen des Wassers, bzw. der Seen wohnen.

Wenn ich daher so etwas scheinbar Abstraktes wie die menschliche Seele nicht definitiv greifen kann, liegt es nahe, dass ich mich mit dem Begreifen des dazugehörigen Seelenlebens ähnlich schwer tue. Es geht eben nicht wie beispielsweise bei der Technik und Mechanik um physisch vorhandene Dinge und ihre im Zusammenspiel messbaren Kräfte. Es geht um immaterielle (‚ungesehene‘) Vorgänge im und um den Menschen herum, die nichtsdestoweniger real existent sind und das Leben des Einzelnen massiv beeinflussen.

Viele Psychologen und große Teile der wissenschaftlichen Psychologie haben während der letzten Jahrzehnte den philoso­phischen Teil der Seelenkunde ausgeklammert. Sie beschäftigen sich stattdessen lieber mit den nachweisbaren Auswirkungen des Seelenlebens auf der Verhaltens- und Handlungsebene. Dies ist ein durchaus legitimer Versuch, die Kenntnisse der Psychologie auch für den Einzelnen nachvollziehbar und anwendbar zu machen - und dies ohne die großen Sinnfragen des Lebens tief­gründig zu erörtern.

Nach meiner Auffassung wird dabei jedoch ein wesentliches Element der Seelenheilung fast schon sträflich vernachlässigt: Wenn man vom Ursprung des Wortes ‚heil‘ ausgeht, nämlich ‚ganz, vollständig‘, dann ist es für eine wirklich tiefgreifende und vor allen Dingen nachhaltige Heilung der Seele unabdingbar, auch den nicht greifbaren Aspekt des Seelenlebens in die Behandlung oder Therapie mit einzubeziehen. Nur wenn ich dem Menschen das Gefühl von Verbundenheit mit der inneren und äußeren Wirklichkeit vermitteln kann, besteht Hoffnung auf Erhaltung beziehungsweise Wiederherstellung der seelischen und körperlichen Gesundheit. Zu dieser inneren und äußeren Wirklichkeit gehört nun einmal untrennbar die Frage nach dem Sinn der eigenen Existenz, die Frage nach den übergeordneten Zusammenhängen. Die gesamte bisherige Menschheitsgeschichte spricht immer wieder und unaufhörlich von diesem wichtigen Element der Sinnsuche und -findung. Wenn wir uns in dieser - von Wissen und Informationen geprägten - modernen Zeit anmaßen, solche wesentlichen Aspekte bei der Frage nach dem ‚Seelenheil‘ zu vernachlässigen, müssen wir uns über die Folgen nicht wundern: In der Behandlung der rapide zunehmenden seelischen Störungen wird weitaus häufiger an den Symptomen herumgedoktert, als nach tiefer liegenden Ursachen und Zusammenhängen geforscht. Noch immer scheint ein mechanistisches Bild vom Seelenleben des Menschen vorzuherrschen: Seelische Beeinträchtigungen werden entweder gleich mit chemischen Mitteln (= Psychopharmaka) oder aber auf der eher oberflächlichen Verhaltensebene behandelt. Man gewinnt den Eindruck, dass es im Umgang mit seelischen Beeinträchtigungen in erster Linie um die Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit des Einzelnen als Zahnrad im gesellschaftlichen Räderwerk geht. Die Frage nach dem übergeordneten Sinn und Wert der eigenen Existenz wird meist ausgeklammert. Die wenigen Ausnahmen im Bereich der Psychotherapie, die ihren eigentlichen Auftrag der ‚Seelsorge‘ ernst nehmen - wie beispielsweise die Logotherapie - bestätigen dabei wohl eher die Regel. Dies ist einer der Gründe, warum nach meiner Auffassung bei der nachhaltigen Heilung des Einzelnen und der Gesellschaft im Allgemeinen keine tatsächlichen Fortschritte erzielt werden. Es geht eben nicht um die Entwicklung neuer ‚Seelenmedikamente‘ oder mechanistischer Therapieverfahren, sondern um die Erfassung des ganzen Menschen mit all den damit verbundenen Fragen nach Sinn und innerer Ausrichtung. In diesem Zusammenhang gilt sicherlich der Satz von Jean Giono: „Fortschritt an sich ist noch keine Leistung, es kommt auf die Richtung an.“

Wissen um jeden Preis?

Einerseits leben wir in einer Zeit, die durchdrungen ist von Wissen in jeglicher Form. Von der Teilbarkeit des Atoms bis hin zur Beschaffenheit des Universums reicht das Spektrum der angehäuften Kenntnisse. Bei der Frage nach unserem eigenen, inneren Universum, dem ‚einen Vers‘ (uni-vers) unserer menschlichen Seele scheinen wir aber immer noch am Anfang zu stehen. Jedenfalls könnte man dies glauben, wenn man die stete Zunahme seelischer Verunsicherung des modernen Menschen betrachtet. Da scheint es kein Zufall zu sein, dass man das Wörtchen ‚modern‘ auf zwei verschiedene Arten betonen kann, die zwei sehr unterschiedliche Zustände beschreiben (modern und modern).

Die Frage stellt sich: Wo finden wir in unserer heutigen Zeit die nötige Gewissheit und Sicherheit, um unser Leben in einer für uns und unsere Umwelt gleichermaßen stimmigen Art und Weise führen zu können? Wie kann ich als Einzelner in der Vielfalt beziehungsweise Flut von Informationen und Erkenntnissen, die tagtäglich auf mich einströmt, die für mein persönliches Lebensglück notwendigen herausfiltern?

Da der Mensch nun einmal ein vielschichtiges Wesen zu sein scheint, wäre es vielleicht wichtiger, das entsprechende Wissen nicht ständig breitzutreten, sondern zu erhöhen oder zu vertiefen. Heutzutage kann man eher den Eindruck gewinnen, dass sich Wissen in erster Linie wie eine Art Metastase - also eine krankhafte Wucherung - ausbreitet. Den tatsächlichen Nutzen von manchen Fakten und Daten rund ums irdische Dasein kann man mitunter auch beim besten Willen nicht mehr erkennen.

Kürzlich las ich einen Artikel über eine mehrjährige, weltweit durchgeführte wissenschaftliche Studie, die besagte, dass die meisten Kühe dieser Welt sich beim Grasen natürlicherweise in Nord-Süd-Richtung ausrichten. Abgesehen von dem interessanten Zusammenhang mit dem Erdmagnetismus - der in dieser Studie jedoch bezeichnenderweise nicht weiter vertieft wurde - kann ich mir den praktischen Nutzen dieser Studie, und vor allen Dingen ihrer Veröffentlichung, maximal beim Kuhstallbau vorstellen. Dafür jedoch jahrelang hochkarätige Wissenschaftler mit entsprechendem Kostenaufwand zu beschäftigen, erscheint mir dann doch, gelinde gesagt, als reichlich unverhältnismäßig. Derlei mehr oder weniger nützliches Wissen gibt es mittlerweile zuhauf. Bei der Frage nach den natürlichen Grundlagen irdischen Lebens scheinen wir uns dagegen immer weiter von der eigentlichen Wirklichkeit zu entfernen.

Wie unbefangen können wir noch sein in einer Welt, in der Wissen mit Macht gleichgesetzt wird und in der unsere Gehirnzellen mit tausenderlei Daten und Fakten zweifelhaften Nutzens gesättigt sind? Und in wie weit hat unser Seelenheil schon Schaden genommen, weil wir unsere Energien und Kräfte für oberflächliche Themen und Aktivitäten verausgaben? Als Ausweg aus dem Dilemma nützt es wohl kaum, wenn wir gemäß dem alten Protestmotto „Wissen ist Macht - nichts wissen macht nichts“ uns dem allgemeinen Wissenszuwachs verweigern. Niemand kann den eigenen Grad der Bewusstheit wieder rückgängig machen, zumindest nicht willentlich. Einmal im Gehirn gespeichert, geht unser Wissen und unsere Erfahrung unter normalen Lebensumständen - also abgesehen von Krankheiten, die die Gehirnfunktionen beeinträchtigen - nicht mehr verloren. Es gilt vielmehr, aus dem großen Topf des Wissens und der Erkenntnisse die für die persönliche Zufriedenheit und Entwicklung notwendigen herauszufischen und zu filtern. Dazu bedarf es unter Umständen keiner jahrelangen, wissenschaftlichen Studien. Sondern der Entdeckung und Beachtung einfacher natürlicher Gesetzmäßigkeiten, wie sie schon seit Jahrtausenden auf diesem Planeten existieren und angewendet werden. Dies in Verbindung mit den zweifelsohne wichtigen, weil bewusstseinserweiternden Erkenntnissen der heutigen Zeit wäre die geeignete Vorgehensweise um in eine lebenswerte, weil ‚beseelte‘ Zukunft zu schreiten.

Wo sind also die Wissenschaftler, die erkennen, dass unser planetarisches Leben auf fundamentalen und einfach nachzuvollziehenden natürlichen Gesetzmäßigkeiten aufbaut? Welcher Physiker hat erkannt und es als natürliches Prinzip verankert, dass beispielsweise jegliches Leben und jede Form von Entwicklungsprozess auf diesem Planenten in Spiralen verläuft? Vom spiralförmigen Erbgut der Lebewesen, der DNS, über die spiralförmige Anordnung der Pflanzenblätter um den Stiel beziehungsweise Stamm bis hinauf zu Spiralgalaxien im Weltall kann diese natürliche Gesetzmäßigkeit beobachtet werden. Wenn ich nun die ‚Stufenleiter‘ der menschlichen Entwicklung durch eben diese Spiralform ersetze, verstehe ich vielleicht etwas besser, warum man manchmal im Laufe seiner persönlichen Entwicklung den Eindruck gewinnt, als würde man immer wieder in eine Art Zeitschleife eintreten - umgeben von und beschäftigt mit sich scheinbar stets wiederholenden Dingen und Aufgaben. Bei der Vorstellung von einer spiralförmigen Entwicklung sind es eben keine wirklichen Wiederholungen oder gar ‚Rückfälle‘ (von der Stufenleiter) in unserem Lebenslauf, sondern ähnliche Situationen und Aufgabenstellungen auf der nächst höheren Ebene.

Ob dieses Wissen wiederum der persönlichen Befriedigung und Bereicherung dient, dies bleibt dem geschätzten Leser an dieser Stelle selbst überlassen. Es geht jedenfalls insgesamt um ein Wissen und tatsächliche Erkenntnisse, die dem Menschen auf dem Weg seiner persönlichen Weiterentwicklung verlässliche Orientierung und Sicherheit geben können. Dazu kann es oft hilfreicher sein, in der Natur selbst Ausschau zu halten, als sich von so genannten ‚Natur‘wissenschaft am Ende gar in die Irre leiten zu lassen.

Natürliche Gesetze und ihre Auswirkungen

Es soll an dieser Stelle nicht der Eindruck vermittelt werden, dass wir am Besten das während der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte gewonnene Wissen wieder über Bord werfen und zu den schlichten Wurzeln unseres Daseins zurückkehren sollten. Dieser Versuch, das Rad der Entwicklung wenn nicht zurückzudrehen, so doch wenigstens aufhalten zu wollen, ist sowohl auf persönlicher wie auf globaler Ebene wohl ein eher müßiges Unterfangen und bietet denn auch keine wirklich viel versprechende Zukunftsperspektive.

Es geht vielmehr um die Nutzung des vorhandenen Wissens auf eine Art und Weise, die der Natur des menschlichen und organischen Lebens auf diesem wunderbaren Planeten entspricht, nicht widerspricht. Wenn an dieser Stelle daher von ‚Natürlichen Gesetzen‘ die Rede ist, dann sind damit die mit dem normalen, so genannten ‚gesunden‘ Menschenverstand erfassbaren Grundlagen des Lebens gemeint. Diese sind nicht in dicken und jährlich dicker werdenden Gesetzesbüchern verzeichnet, sondern lassen sich auf wenige fundamentale Erkenntnisse und Erklärungsmuster zurückführen.

Als Beispiel hierfür sei an dieser Stelle das ‚Gesetz der Zwei‘ oder auch das Prinzip der Dualität genannt, das sich als Grundmuster durch alle Lebensvorgänge zieht und mit hundertfachen Beispielen verdeutlichen lässt: Angefangen von den einfachen Dingen des täglichen Lebens wie hell und dunkel, Tag und Nacht, Hitze und Kälte, über die Beispiele des organischen Lebens wie Ein- und Ausatmen, An- und Entspannung, Wachheit und Schlaf bis hin zu den übergeordneten Prinzipien wie Leben und Sterben, männliches und weibliches Prinzip. In der Form von These und Antithese bildet diese Gesetzmäßigkeit ein Erklärungsmuster für alle möglichen Arten von lebendigen Prozessen. Im Kapitel ‚Männliches und Weibliches‘ werden diese Prozesse noch näher beleuchtet und eingehender untersucht.

Gerade das Beispiel von einer These, die immer eine Antithese nach sich zieht (und, wenn es gut geht, in einer Synthese mündet), lässt sich hervorragend auf das eigentliche Thema dieser Ausführungen - der Natur der Seele - anwenden: In dem Moment, in dem ich eine gesehene und materielle Welt wahrnehme und erforsche, muss ich gemäß diesem Gesetz zwangsläufig von der Existenz einer ungesehenen, also immateriellen Welt ausgehen, die somit ebenso Gegenstand meiner Betrachtungen sein sollte. Weiter gedacht: Wenn es ein Leben noch vor der Geburt gibt (beim Menschen natürlicherweise neun Monate), kann ich mit einem ähnlichen Prozess nach dem physischen Ableben rechnen. Vorläufige Schlussfolgerung: Die ersten neun Monate nach dem Tode eines Menschen könnten eine nicht zu unterschätzende Auswirkung auf die Art und Weise des Abschieds von der irdischen Existenz haben. Wenn ich nun noch die zahlreichen Totenrituale der verschiedensten Kulturen und Religionen studiere, von den aufwendigen Einbalsamierungszeremonien der alten Ägypter bis hin zu den früher auch bei uns üblichen mehrtägigen Totenwachen - die Wahrscheinlichkeit steigt, dass diese Art der ‚Beweisführung‘ letzten Endes nur einen Schluss erlaubt: Es gibt mehr gute Gründe für ein Leben nach dem Tod, als es sie dagegen gibt. Wenn man ganz wagemutig sein wollte, könnte man in diesem Zusammenhang sogar die Erkenntnisse der Naturwissenschaften hinzuziehen und auf den so genannten ‚Energieerhaltungssatz‘ verweisen, der da lautet: „Keine Energie, die einmal freigesetzt wird, geht wieder verloren.“ Das heißt im Bezug zur Seele: Wenn es tatsächlich keine gesehene ohne ungesehene Welt, kein materielles ohne immaterielles Leben gibt, einmal freigesetzte Energien tatsächlich nicht mehr verloren gehen, dann könnte eine der Seelenfunktionen sein: als Medium oder Vehikel für den Transport dieser ungesehenen Energien zu dienen und dies über das physische Leben hinaus. Zumindest ist ‚Seele‘ wohl in diesem Zusammenhang der vom Menschen meist verwendete Begriff, um dieser zwar real spürbare, aber materiell (noch) nicht nachweisbare Kraft und Energie einen Namen zu geben. Dabei spricht man auch von ‚beseelten‘ Daseinsformen und -zuständen, die sich dadurch auszeichnen, dass ihnen ein Zauber und eine Lebendigkeit innewohnt. Besonders spürbar wird diese Energieübertragung, wenn man einem Menschen in die Augen sieht: Der Gemütszustand und damit auch die seelische Verfassung eines Menschen ist gerade bei diesen zwei einzigen, auch von außen als lebendig erkennbaren Punkten des menschlichen Körpers in Sekundenbruchteilen erfass- oder zumindest erahnbar. Nicht umsonst werden die Augen auch als ‚Spiegel der Seele‘ bezeichnet. Noch deutlicher wird dieser Art des seelischen Ausdrucks im Moment des Todes, wenn von einer Sekunde auf die andere das Leben nicht nur ausgehaucht wird, sondern auch der Augenausdruck und damit die Strahlkraft der menschlichen Seele scheinbar schlagartig verschwindet. Wenn nun aber keine Energie auf diesem Planeten wieder verloren geht - also auch die Seelenenergie nicht - wohin geht sie dann?

Es ist also nahe liegend, zu schlussfolgern, dass die so genannte Seelenenergie real existent ist und nach der ‚Beseelung‘ des physischen Körpers nicht verschwindet, sondern in irgendeiner Form umgewandelt oder transformiert wird.

Das Ungesehene

Glauben Sie an eine wie auch immer gestaltete ‚überirdische‘ Instanz, an Phänomene, die sich nicht immer rational erklären lassen? Mit anderen Worten: Sind Sie gläubig?

Die wenigsten Menschen lehnen den Glauben an ‚Überirdisches‘ aus tiefster innerer Überzeugung und kategorisch ab. Die allermeisten Menschen schließen die Existenz überirdischer Kräfte und Mächte zumindest nicht aus, auch wenn sie sich selbst vielleicht nicht als wirklich ‚gläubig‘ bezeichnen würden. Die Offenheit für andere Erklärungsansätze als die streng naturwissenschaftlichen ist weit verbreitet. Zwar wird gerne auf der wissenschaftlich-rationalen Ebene argumentiert und diskutiert. Die von dieser Sichtweise stark geprägten Medien werden in diesem Zusammenhang immer wieder mit ihren veröffentlichten, scheinbar eindeutigen Studien und Statistiken zur Argumentation herangezogen. Bei genauerem Hinterfragen offenbaren jedoch viele Menschen, dass in ihnen ein Fragezeichen bestehen bleibt, ob denn nun die Wirklichkeit tatsächlich so logisch und rational erklärbar sei. Der Drang des Menschen, sich mit den ungesehenen und nicht eindeutig erklärbaren Phänomenen zu beschäftigen, ist so alt wie die Menschheit selbst. Die alten Kulturvölker dieser Erde lebten scheinbar in einem Zustand von permanenter Verbindung mit den ungesehenen Welten. Bei den Aborigines beispielsweise - den Ureinwohnern Australiens, einem der ältesten Kulturvölker der Erde überhaupt - gilt die physische Wirklichkeit, das Offensichtliche des menschlichen Lebens, als ‚zweite Realität‘. Sie wird gespeist und am Leben erhalten von der ‚ersten Realität‘, der so genannten ‚Ungesehenen Welt‘. Daher wirkt ihre Kultur auf der physischen und sichtbaren Ebene für unsere moderne Zivilisation als rückständig und ärmlich, als höchst fremdartig und eigentlich unverständlich. Die Mythologie und Verbundenheit der Aborigines mit der Schöpfung an sich, sprich der von Göttlichkeit durchwirkten Natur, scheint dagegen eine magische Anziehungskraft auf viele ‚zivilisierte‘ Menschen auszuüben. Zumindest könnte man zu diesem Schluss gelangen, wenn man die Vielzahl der Dokumentationen über die Aborigineskultur in den Medien sowie den stetig anwachsenden ‚Kulturtourismus‘ in Australien selbst in Betracht zieht. Dabei sind die Aborigines nur ein Beispiel von vielen. Das Interesse der modernen Zivilisation an alten und mehr oder weniger unverfälschten Kulturvölkern wächst seit Jahren beständig an.

Vielleicht ist ja der Umstand, dass unsere moderne Industrie­gesellschaft genau auf der anderen Seite der Realität ihren Schwerpunkt setzt - nämlich auf der Seite der sichtbaren, erklärbaren und materialistisch ausgerichteten Wirklichkeit - der Grund für die zunehmende Sehnsucht auch zivilisierter Menschen nach dem Ungesehenen, dem Unerklärlichen und nach der Verbundenheit auch und vor allem mit diesem Teil der Schöpfung.

Seelenmythologie

Über die Art und Weise des Umwandlungs- oder Transformations-prozesses vom ‚Gesehenen zum Ungesehenen‘ gibt es eine Vielzahl von Überlieferungen, Mythen und Erfahrungsberichten. Zur weiteren Erforschung der natürlichen Gesetzmäßigkeiten des Seelenlebens sei daher an dieser Stelle ein kleiner Ausflug in die mythologischen Gefilde erlaubt. Die Seelenverständnisse früherer Kulturen und Zivilisationen erlauben nämlich einen weniger naturwissenschaftlich und materialistisch geprägten Blick. Stattdessen besteht die Hoffnung, dass die darin zum Ausdruck kommenden Seelenverständnisse noch etwas näher an den natürlichen Gesetzmäßigkeiten ausgerichtet und orientiert sind, als es in unserer modernen, materiell ausgerichteten Welt der Fall ist.

In einer der frühesten Hochkulturen dieser Erde, in Ägypten, ist die Vorstellung eines Lebens nach dem Tode und damit die Annahme einer nicht körpergebundenen Substanz besonders gut erkennbar: Der Aufwand, der rund um das Thema Tod betrieben wurde, war enorm. Von den akribisch geregelten Mumifizierungspraktiken bis zu der sehr aufwendigen Gestaltung der Grabstätten wirkt der Umgang mit dem jenseitigen Leben sehr umfangreich und methodisch. Offenbar ging es in dieser Kultur weniger um die Frage nach dem ob als vielmehr um das wie eines außerkörperlichen Lebens. Vielleicht ist es gerade diese scheinbare Gewissheit, die das nicht nachlassende Interesse an der ägyptischen Kultur in der heutigen Zeit zumindest teilweise erklärt. Die Begräbnisstätten und die damit verbundenen Kunstwerke machen schließlich einen guten Teil der Überlieferung aus. Dabei wird diese äußerliche Darstellung des Todes genährt von einer sehr bildhaften mythologischen Sprache, die den Übergang von einem Bewusstseinszustand, dem physischen Leben, in einen anderen, jenseitigen Zustand erklärt. Ohne an dieser Stelle auf alle Details dieser sehr umfangreichen Mythologie eingehen zu wollen, lässt sich in Bezug auf das Seelenverständnis Folgendes zusammenfassen:

Im Mittelpunkt des Geschehens steht die Idee einer nicht materiellen Substanz, dem ‚Ba‘, die im Augenblick des Todes als Seelenvogel aus dem Körper austritt und in des Totenreich des Osiris überwechselt. Dieses ‚Ba‘ war zuvor bei der Geburt des Menschen wie ein Vogel in einen Käfig in ihn hineingeflogen, um ihn nach dem Tode in die wieder gewonnene Freiheit zu verlassen. Interessanterweise wird zusätzlich zum seelischen ‚Ba‘ die Existenz einer göttlichen Schaffenskraft, dem ‚Ka‘, erwähnt, die als grundlegendes Lebensprinzip allen Lebewesen gegeben ist. Diese Unterscheidung zwischen der eher persönlichen Seele, dem ‚Ba‘ und einer eher unpersönlichen göttlichen Energie, dem ‚Ka‘, wird uns an anderer Stelle noch beschäftigen. Die Kombination dieser zwei bedeutungsvollen Silben findet man übrigens auch in anderen religiösen Zusammenhängen, wie z.B. in der „Kaaba“, dem größten Heiligtum des Islams oder auch in der jüdischen ‚Kabbala‘.

Vollkommen unabhängig (?) von dieser mythologischen Seite des ägyptischen Seelenverständnisses werden Sie aber vielleicht beim nächsten Einkauf des köstlichen Plantagentranks, genannt ‚Kaba‘, mit etwas anderen Augen betrachten.

Im frühgeschichtlichen China wurde ebenfalls von zwei verschiedenen Seelen gesprochen: Man nahm eine Körperseele (P‘o) und eine Hauchseele (Hun) als zwei separate Entitäten im Menschen an. Die Körperseele ist für körperliche Funktionen zuständig, die Hauchseele für Bewusstsein und Verstand. Die Hauchseele kann den Körper schon zu Lebzeiten verlassen und trennt sich bei seinem Tod endgültig von ihm. Auch die Körperseele besteht nach dem Tode fort, doch bleibt sie mit dem Körper verbunden und begleitet ihn normalerweise ins Grab, wo die Grabbeigaben für ihr Wohlergehen sorgen sollen. Die P‘o-Seele ist dem dunklen, weiblichen Yin-Prinzip und der Erde zugeordnet, sie entsteht zugleich mit dem Embryo, die Hun-Seele ist dem männlichen, hellen Yang-Prinzip und dem Himmel zugeordnet, sie entsteht, wenn der Mensch bei seiner Geburt ins Licht kommt. Die Hun-Seele kann sich nach einem natürlichen Tod des Körpers in den Himmel oder in einen anderen Jenseitsbereich begeben.

Diese schon in den ersten so genannten Hochkulturen der Menschheitsgeschichte getroffene Unterscheidung zwischen mindestens zweierlei Seelenformen oder -arten zieht sich wie ein roter Faden durch eine Vielzahl von mythologischen und religiösen Vorstellungen. Die griechischen Philosophen, allen voran Platon, sprechen gar von einer Dreiteilung der seelischen Vorgänge: Die inneren Konflikte der Menschen erklärt Platon damit, dass die Seele aus wesensverschiedenen Teilen bestehe, einem vernunftbegabten Teil (logistikón) mit Sitz im Gehirn, einem triebhaften, begehrenden (epithymētikón) mit Sitz im Unterleib und einem muthaften (thymoeidēs) mit Sitz in der Brust. Dafür verwendet Platon das Bild eines Pferdewagens: Die Vernunft hat als Wagenlenker ein Zweigespann von zwei verschiedenen Rossen (Wille und Begehren) zu lenken und dabei das ungezügelte Ross des Begehrens zu bändigen, damit jeder Seelenteil die ihm zukommende Funktion in rechter Weise erfüllt. Wenn darin die frühen Vorboten einer von Sigmund Freud Jahrhunderte beziehungsweise Jahrtausende später postulierten Dreiteilung in Form des Es-Ich-Überichs erkennbar sind, so spricht dies wiederum dafür, dass es bestimmte übergeordnete Gesetzmäßigkeiten gibt, nach denen sich die Menschen über Jahrhunderte hinweg orientierten, um sie je nach den jeweiligen Zeitgeistern auszuformen.

Seele und persönliche Entwicklung

Platon war es auch, der in der Überwindung der sich im schein­­baren Widerspruch und Gegensatz zueinander befinden­den Seelenanteile die eigentliche Entwicklungsaufgabe des Menschen sah: Die Sorge um das Wohlergehen der Seele sei vorrangige Aufgabe, um dem Menschen zur Unsterblichkeit und Teilhabe an der von ihm so genannten unvergänglichen, weil geistigen ‚Ideenwelt‘ zu verhelfen. Dabei kommt gerade dem Menschen, der als einziges Lebewesen mit einer Vernunftseele ausgestattet ist, eine besondere und hervorgehobene Stellung zu, während das Tier- und Pflanzenreich auf niederer Stufe beseelt ist.

Der Gedanke von einer Entwicklung hin zu einer persönlichen seelischen Reife als Lebensaufgabe für den Menschen taucht in den meisten Kulturen und Religionen der Welt auf. Diese ‚Individualisierung‘ des Seelenlebens scheint jedoch eng verknüpft zu sein mit dem jeweiligen geistigen Überbau der jeweiligen Kultur: Im Bereich der Naturreligionen, wie die der Kelten, Germanen oder auch der Indianer Nordamerikas findet man dagegen eine viel ausgeprägtere Identifikation des Menschen mit den überpersönlichen, irdischen Vorgängen und Kreisläufen. Die Kelten beispielsweise bezeichneten den Tod als ‚die Mitte eines langen Lebens‘. Es herrscht weiterhin der gleiche Geist, nur in einem anderen Körper und in einer anderen Welt. Das heißt, beim Eintritt des Todes verlässt die Seele den einen Körper, um in einem anderen Körper weiter zu existieren. Der damit zum Ausdruck gebrachte Prozess der Seelenwanderung oder Seelenwandlung ist jedoch im Gegensatz zur Reinkartnationslehre des Hinduismus nicht persönlich und individuell gedacht. Vielmehr folgt diese Anschauung von der Unsterblichkeit der Seele dem Grundsatz von den fließenden Übergängen der sicht- und greifbaren Welt und der so genannten ‚Anderwelt‘. Wie alle Naturreligionen waren auch die Kelten durchdrungen von der Überzeugung, dass es keine wirkliche Trennung zwischen physischer und geistiger Wirklichkeit gibt, weder im Leben des einzelnen Menschen, noch in der Welt als Ganzem. Alles ist mit allem verbunden. Folglich wurde den persönlichen und individuellen Unterschieden zwischen den Menschen viel weniger Gewicht beigemessen. An erster Stelle stand nicht die Einzelperson, sondern die Gemeinschaft und die gemeinsame Teilhabe am übergeordneten ewigen Kreislauf von Wachsen und Sterben, von Leben und Tod, wie er auch in der Natur zu beobachten ist. Daher war auch die Seele nicht wirklich individuell, sondern Teil eines übergeordneten Ganzen.

Vermutlich liegt gerade in diesem Aspekt der untrennbaren seelischen Verbundenheit mit der Natur der große Reiz der animistischen Naturreligionen in unserer heutigen Zeit. Wo Kelten, Germanen und Indianer einen scheinbar ganzheitlichen Zugang zur diesseitigen und jenseitigen Welt hatten, leben wir heutzutage in einer ‚verkopften‘, einseitig rational ausge­richteten Welt. Wir scheinen eher im Gegensatz denn im Einklang mit der Natur in und um uns herum zu leben. Doch Vorsicht: Das Rad der Entwicklung lässt sich nun einmal auch in diesem Zusammenhang nicht zurückdrehen. Die damaligen Naturreligionen hatten vermutlich keinen wirklichen Sinn für Weiterentwicklung oder das Bedürfnis für nennenswerte Veränderungen. Warum bestehende Ordnungen in Frage stellen, wenn sie sich seit Generationen bewährt haben? Diejenigen, die es dennoch wagten, den Kopf aus der Masse zu erheben, liefen ständig Gefahr, denselbigen zu verlieren. Die Vorstellung von Völkern und Kulturen, die ganz im Einklang mit sich und der Natur leben, kann vermutlich nur mit dem entsprechenden Bewusstseinszustand überhaupt erlebt und schließlich ertragen werden. Von einem durch und durch individualisierten Menschen der so genannten zivilisierten Welt ist kaum zu erwarten, dass er diese Individualität wie einen Mantel abstreift und sich als mehr oder weniger unpersönlichen Bestandteil einer übergeordneten Gemeinschaft empfindet.

Daher sei an dieser Stelle die Bemerkung erlaubt, dass bei aller Inspiration, die man durch die Beschäftigung mit der mythologischen Seite der Seele erfahren kann, die eigentliche Aufgabe wohl darin besteht, sich über die zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten klar zu werden und auf das eigene seelische Erleben und dessen Weiterentwicklung anzuwenden.

Genau dieser Weg soll in den weiteren Kapiteln beschritten werden.

Seelenheilung

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