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Hertz ist Trumpf

Wie Freunde der Dichtkunst spätestens seit Hermann Hesse wissen, wohnte jedem Anfang ein Zauber inne. Aber leider ist es genauso wahr, dass der Bruder des Zaubers Desinteresse heißt. So liegen die Anfänge des Fernsehens unter anderem deshalb teilweise im Dunkeln, weil buchstäblich kein Schwein hinsah. Das Radio war noch Anfang der zwanziger Jahre etwas für Nerds und Bastler gewesen, die mit ihren selbstgebauten Kisten irgendwelche Signale aus der Luft filterten, da konnte man kaum glauben, dass schon ein paar Jahre später die nächste industrielle Revolution auf der Lauer liegen sollte.

Erschwerend kommt für das Fernsehen hinzu, dass man es ursprünglich als eine Art Wurmfortsatz des Rundfunks betrachtete. Und selbst der war erst in den 1920ern in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen. In den Jahren 1887/1888 experimentierte der Physiker Heinrich Hertz an der Technischen Hochschule Karlsruhe mit elektromagnetischen Wellen. Eigentlich wollte er ganz was anderes erforschen, aber schließlich baute er eine primitive Antenne, mit der Funkwellen sage und schreibe 20 Meter weit übertragen werden konnten. Anfang des 20. Jahrhundert verbesserten unter anderem der Italiener Marconi und der Russe Popow das Verfahren. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs gab es zwischen Landstationen und großen Schiffen regelmäßigen Funkverkehr, im Krieg wurde die neue Technik militärisch genutzt und weiterentwickelt.

Da Deutschland den Ersten Weltkrieg verloren hatte, schränkten die Siegermächte die zivile Nutzung des Rundfunks ein. Erst am 24. Oktober 1923 wurde der Rundfunkempfang für private Nutzer freigegeben. Und fünf Tage später, am 29. Oktober 1923 meldete sich dann der erste Rundfunksender: „Achtung, Achtung, hier ist die Sendestelle Berlin im Vox-Haus auf Welle 400 Meter. Meine Damen und Herren, wir machen Ihnen davon Mitteilung, dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telefonischem Wege beginnt. Die Benutzung ist genehmigungspflichtig.“

Das Vox-Haus in Berlin stand damals in der Potsdamer Straße Nr. 10, und „genehmigungspflichtig“ bedeutete, dass jeder Hörer sich mittels eines Schreibens als rechtmäßiger Besitzer eines Radios ausweisen musste. Die erste Sendung dauerte eine Stunde, wurde von der „Deutschen Stunde AG“ finanziert und nannte sich: „An Alle“. Inhaltlich ging es um Musik, und das Ganze war so aufregend, wie man sich eine Show vorstellen kann, die von einem „Unterhaltungsrundfunkdienst“ veranstaltet wird. Am Flügel saß der möglicherweise zu Unrecht vergessene Otto Urack, außerdem wurden dem Hörer beschwingte Melodien aus der Oper „Der Troubadour“ ans Herz gelegt. Zum Ende der Sendung gab es ebenfalls noch eine Schallplatte. Die Kapelle des Infanterie-Regiments III/9 spielte unter der Leitung von Obermusikmeister Adolf Becker die Nationalhymne, die damals noch mit „Deutschland, Deutschland über alles“ begann.

Idee zur Rundfunkabgabe

Wie gesagt, das erste Programm dürfte bei niemandem, und bei den wenigen lauschenden Bastlern wohl erst recht nicht, zu Herzrasen und Aufregung geführt haben, aber ein Anfang war gemacht. Im folgenden Jahr gingen acht weitere Rundfunkgesellschaften auf Sendung. Das Innere der Sender sah damals noch aus wie die Schaltpulte von Kraftwerken. Und die neuen Antennen, oft über hundert Meter hoch, wurden immer mal wieder von Postflugzeugen beschädigt. Aber nicht nur deshalb kostete der Rundfunk Geld. Die Investitionen waren enorm, weshalb der Rundfunkpionier Hans Bredow auf eine Idee kam. 1908 war über Friedrichshafen ein Zeppelin-Luftschiff abgestürzt, was die Nation in Trauer und Bestürzung versetzte. Die Luftschifffahrt galt damals als Zukunftstechnologie, von so einem Rückschlag durfte man sich nicht entmutigen lassen, weshalb zu einer nationalen Zeppelin-Spende aufgerufen wurde. Ein ähnliches Modell schwebte Bredow für den Rundfunk vor. Jeder Deutsche – egal ob er einen Empfänger hatte oder nicht oder ob er überhaupt den Wunsch hatte, Radio zu hören – sollte mit einer Gebühr den neu aufzubauenden Rundfunk finanzieren. Zwar wurde damals noch von dieser Idee Abstand genommen, aber in gewisser Weise ist Bredow damit auch der geistige Vorvater der Rundfunkabgabe, die den öffentlich-rechtlichen Sendern heutzutage milliardenschweren Grundumsatz garantiert. Es ist schön zu wissen, dass offenbar so gut wie alles in Deutschland eine Tradition hat.

In vielen Darstellungen der Rundfunkgeschichte wird der Eindruck erweckt – oft mit dem Verweis auf die Propagandasender der Nazis und den Staatsfunk der DDR –, dass der öffentliche-rechtlich organisierte Rundfunk so etwas wie der natürliche Aggregatzustand des Mediums sei, aber das ist nicht ganz richtig. Als die Reichsrundfunkgesellschaft gegründet wurde, gab es vielerlei Kooperationen zwischen privaten Unternehmen und der öffentlichen Hand. Im Rückblick ist dabei auffällig, dass sich nur eine Nachrichtenagentur an den neuen Gesellschaften beteiligte und dass die Zeitungsverleger in der Weimarer Republik kaum Interesse am neuen Medium zeigten. Das sollte sich später ändern.

Waren die ersten Rundfunkgesellschaften noch in einer Rechtsform organisiert, die man heute als Public Private Partnership bezeichnen würde, arbeitete schon 1932 Reichskanzler Franz Papen daran, beim Rundfunk für absolute Staatsnähe zu sorgen. „Der Rundfunk soll dem Reich und den Ländern gemeinsam gehören“, lautete sein Credo, Minderheitsgesellschafter wurden sukzessive rausgekauft. Als die Nazis im Januar 1933 an die Macht kamen, mussten sie sich ein Propagandainstrument nicht neu schaffen. Sie konnten Papens Vorarbeit problemlos fortsetzen. 1933 mussten die Regionalgesellschaften ihre Anteile an das Propagandaministerium verkaufen, 1936 ging der letzte Werbespot durch den Äther, und 1939 war der Großdeutsche Rundfunk geboren.

Was das neue Medium betraf, war die Privatwirtschaft von nun an für lange Zeit auf die Geräteherstellung beschränkt. Aber nicht nur das gesendete Programm hatte sich geändert, auch die Bezeichnung der Wellen sollte sich ändern. Der praktizierende lutherisch-evangelische Christ Heinrich Hertz galt nach den Rassevorstellungen des Dritten Reichs als Jude, dummerweise war sein Name „Hertz“ ausgerechnet 1933 als Maßeinheit für die Frequenz bestimmt wurden. Da man an der Abkürzungen „Hz“ nichts ändern konnte, versuchte man in Deutschland, „Hertz“ durch die Bezeichnung „Helmholtz“ zu ersetzen. Durchsetzen konnte sich diese Idee jedoch nicht.


Preußen Münster – Arminia Bielefeld vor 6.000 Zuhörern

Doch nun zurück zum Programm. Nun war es ja ganz schön, wenn jemand im Funkhaus eine Schellackplatte auflegte oder die Kohlenmikrofone bald so gut gedämpft waren, dass mittlerweile sogar Konzerte übertragen werden konnten, aber die wahre Macht des neuen Mediums zeigte sich erst bei der Übertragung von Großereignissen. Dafür musste die Technik mobil gemacht werden. Das sah oft abenteuerlich aus – Bilder von den ersten Liveübertragungen erinnern entfernt an den verrückten Doc Brown aus Zurück in die Zukunft –, aber es funktionierte. Am 28. Juni 1925 wurde zum ersten Mal eine Ruderregatta aus Frankfurt vom Main übertragen. Reporter war hier Dr. Paul Laven, der später zu einigem Ruhm gelangen sollte. Am 1. November 1925 lief auch das erste Fußballspiel über den Äther. Dr. Bernhard Ernst war ein junger Journalist (und Preußen-Mitglied), um die Jahrhundertwende geboren und früher selbst aktiver Sportler, der 1922 an der Uni Münster zum Thema „Sportpresse und Sportberichterstattung. Mit besonderer Berücksichtigung Westdeutschlands“ promovierte. Da war er gerade mal 23 Jahre alt. Dr. Ernst holte also seinen Doktortitel in einem Alter, wo damals viele Studenten gerade mal das Thema für die erste Hausarbeit zusammenhatten. Im Frühjahr ging er zur „Westdeutschen Funkstunde“. Natürlich wäre schon damals Köln der naheliegende Standort für einen westdeutschen Radiosender gewesen, aber da das Rheinland noch besetzt war, fiel die Wahl eben auf Münster, wo auf dem Betriebsgelände der Stadtwerke am Albersloher Weg ein Funkhaus eingerichtet worden war.

Gegen halb drei soll der Anstoß erfolgt sein, in der Bezirksklasse (die damals höchste Spielklasse) spielte Preußen Münster gegen Arminia Bielefeld. Wie viele Zuschauer live den 5:0-Sieg der Arminen sahen, ist nicht überliefert. Nicht wenige Quellen orientieren sich an der Kapazität des Preußenstadions, das in den zwanziger Jahren ca. 40.000 Zuschauer fasste. Allerdings wurde nach Angaben auf der Vereinsseite das Stadion erst ein Jahr später erbaut. Dennoch kann man wohl davon ausgehen, dass im Stadion mehr Zuschauer waren als Zuhörer vor den Rundfunkgeräten, denn Dr. Ernst erreichte nur um die 6.000 Hörer. Darüber hinaus hatte er mit diversen Schwierigkeiten zu kämpfen. Um den Reporter vor Kopfschüssen zu schützen, wurde ihm aus einem Hockeytor eine Art Käfig gebaut, in dem sich auch das Mikro befinden sollte, allerdings nützte ihm das nichts, denn ein Postbeamter im Funkhaus fand es äußerst merkwürdig, dass da eine seltsame Leitung aus dem Studio in Richtung Stadion lief, und kappte sie vorsichtshalber. (Möglicherweise war dieser Zwischenfall auch die Geburtsstunde des Fußballschlachtrufs „Ostwestfalen – Idioten!“, aber das ist nur so eine Vermutung.) Bis die Leitung wieder hergestellt war, musste Dr. Ernst übers Telefon kommentieren. Es sollte nicht der letzte technische Zwischenfall sein, der einen Live-Reporter zum Improvisieren zwingt.

Aber über solche Pannen sah das schnell wachsende Publikum huldvoll hinweg. Das neue Medium war an sich so faszinierend, dass die Leute erst mal alles anhörten, Hauptsache es kam durch den Äther.

Göttliche Dimension

Eine Stimme, die durch die Luft kam und sich scheinbar aus dem Nirgendwo materialisierte, hatte eine göttliche Dimension, und genauso müssen sich die Sprecher auch gefühlt haben, als sie sich an ihr unsichtbares Publikum wandten.

Die großen Reporter der zwanziger und dreißiger Jahre – neben dem bereits erwähnten Dr. Bernhard Ernst auch Leute wie Paul Laven oder Rolf Wernicke – waren Superstars. Paul Laven, ein Name, der klingt wie aus einem Ufa-Schinken („Das Kabinett des Dr. Laven“), bezog damals eine monatliche Gage von 3.000 Reichsmark, hinzu kam ein Spesenkonto von 7.000 Reichsmark. Wenn man das inflationsbereinigt auf heutige Verhältnisse umrechnet, ist man schnell bei Gagen in Thomas-Gottschalk’schen Dimensionen.

Hört man sich die Tondokumente aus dieser Zeit heute an, kann man diese Begeisterung nur schwer nachvollziehen. Besonders Rolf Wernicke, der mit seinem Stil noch Generationen von Reportern prägen sollte, klingt in unseren Ohren mit seiner gewollt markigen Ansprache wie ein Feldwebel, der das Nibelungenlied über den Exerzierplatz brüllt. Außerdem unterliefen den Stars immer wieder Formulierungen, die noch nie politisch korrekt waren, aber heute höchstens unfreiwillig komisch wirken. Bei den Olympischen Spielen in Berlin erzählte Paul Laven anlässlich des 10.000-m-Laufs über den japanischen Läufer Kohei Murakoso: „Der kleine, strampelnde gelbe Mann hat die Spitze erkämpft.“ Und Rolf Wernicke lautmalte noch 1952 über den amerikanischen Kugelstoßer O’Brien: „Da geht er vor, der amerikanische Hüne, und lässt seine Hose herunter zu seinem letzten Stoß.“ Das klingt schon verdächtig nach Heinz Maegerleins „Tausende standen an den Hängen und Pisten“.

Bei Dr. Paul Laven war Pathos Programm. Seine Stimme schlug die Hörer in ihren Bann. Während er von Ereignissen berichtete, soll es vorgekommen sein, dass die Menge sich um ihn versammelte, anstatt sich dem Gegenstand der Reportage zu widmen. Dr. Lavens Anspruch war hoch: „Das Match der Stadt und der Atem der um Leben und Dasein kämpfenden Menschen, die Dynamik der schaffenden, in der Not um sich schlagenden oder resignierenden Kreatur, ihre Gedanken und Empfindungen – dies alles war es, was ich in Worte zu fassen und in den Sprachklang zu bannen versuchte.“


Olympia 1936. Die Bezeichnung „Foto-Kanone“ ließ Schlimmes ahnen – zu Recht.

Laven arbeitete nicht nur als Sportreporter, damals gab es auch noch Kulturreportagen – zum Beispiel über Italien –, aber Lavens große Momente waren die Sportereignisse, die Automobilrennen, die Fußballspiele, die Olympiaden.

„Das Mikrofon kämpft mit“

Man kann sich leicht ausmalen, wie bei solchen Hochtönern eine simple Verkehrsdurchsage geklungen hätte, aber das Radio war noch weit davon entfernt, einfach nur ein Gebrauchsgegenstand zu sein. Und bei einem Publikum, dem die englische Schnöseligkeit immer etwas hüftsteif erschein und die amerikanische Lockerheit immer etwas zu frivol, kamen die Rundfunkherolde ohne Zweifel an. Sport war für die gedemütigte verunsicherte Nation ein Strohhalm, an dem man sich in unsicheren Zeiten festhalten konnte und wenigstens ab und an mal das Gefühl des Sieges und respektierter Größe atmen konnte.

Unter den begeisterten Hörern vor den Apparaten draußen im Lande, war auch ein gewisser Adolf Hitler, der seine Lieblingsreporter wie Rolf Wernicke dazu ermunterte, nicht nur über Sportereignisse zu berichten. Und man kann feststellen, dass sie sich gegen diese Aufgaben nicht sonderlich gesträubt haben. Sie berichteten nicht nur von Sportereignissen, sondern traten auch in Propagandastreifen auf. „Das Mikrofon kämpft mit“, lautete die Parole. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass besonders zackiges Auftreten vor dem Mikrofon vermutlich eine gute Methode war, sich vor einem Fronteinsatz zu drücken, der Umfang und die Begeisterung beim damaligen Mittun ist schon bemerkenswert.

Rolf Wernicke, der karrieretechnisch Dr. Laven beerbte, soll zeitlebens ohne Manuskript gearbeitet haben, seine Verehrer bewunderten an ihm seine Improvisationsfähigkeit und sein lautmalerisches Vermögen, mit dem er in seinen besten Momenten Klanggemälde schuf.

Wolfgang Hempel, der für Radio DDR das Endspiel in der Weltmeisterschaft 1954 aus Bern übertrug, wird von Erik Eggers in dem kenntnisreichen Buch „Die Stimme von Bern“ mit den Worten zitiert, dass er als 14-Jähriger 1941 von Erfurt nach Berlin zum Finale der Deutschen Fußballmeisterschaft fuhr. Es spielten Schalke 04 gegen Rapid Wien. Und wie so oft galt Schalke als Favorit, ging mit 3:0 in Führung und verlor am Ende doch noch 3:4. Die 95.000 im Stadion waren nicht nur von den spielerischen Finessen begeistert, sondern auch von der Ansprache des Reporters Rolf Wernicke, der sie kurz vor dem Anpfiff en passant darüber informierte, dass die Wehrmacht gerade in Russland einmarschiert war. Wie diese Auseinandersetzung ausging, konnte man vier Jahre später am selben Ort besichtigen.

Mit dem Zusammenbruch des Dritten Reichs ging auch Paul Lavens Reporterkarriere zu Ende. Als die Amerikaner ihn nach Kriegsende vernahmen, war er für sie der „Furtwängler des Rundfunks“, während der Reporter seinerseits darauf verwies, dass er niemals Mitglied der NSDAP gewesen sei und in Hessen mit Gauverbot belegt worden war. Doch sein Reportagestil galt inzwischen als antiquiert, und außerdem spricht einiges dafür, dass er sich bei seinem Versuch der Wiedereingliederung nicht unbedingt geschickt angestellt hatte. Der frühere Star des Mediums sollte nun für eine Funkbehörde arbeiten, bei der das Regelhonorar für eine Reportage 100 Mark betrug. Das frühere Reporteridol arbeitete fortan als Autor. Rolf Wernicke hingegen fasste auch in der neuen Zeit schnell Fuß, wiewohl ihm auch dann noch immer mal wieder sprachliche Fehlleistungen unterliefen.

Direktfernsehen

Während das Radio sich als Massenmedium etablierte, wurden die Entwicklungsarbeiten am Fernsehen intensiviert. 1929 kam es zur Gründung der Deutschen Fernseh AG, Ziel war es, zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin die Welt mit Fernsehbildern beglücken zu können.

Dieses Ziel wurde nach der Machtübernahme der Nazis weiter forciert, mit mehr als deutlichen propagandistischen Untertönen. Für Joseph Goebbels war das Fernsehen die „achte Großmacht“ (in diesem Zusammenhang ist nicht bekannt, welche aus seiner Sicht die anderen sieben waren), und er sah natürlich die Möglichkeiten, die sich hier für das Regime auftaten.

In Berlin begann der Sendebetrieb am 15. Januar 1936. Es wurden zwei Stunden Programm am Abend und zwei am Vormittag ausgestrahlt. Weil damals noch kaum jemand ein TV-Gerät besaß, wurden in der Reichshauptstadt 15 Fernsehstuben eröffnet, die sich über das gesamte Stadtgebiet verteilten. So gab es Einrichtungen in Steglitz und Reinickendorf ebenso wie in Lichtenberg und Pankow. Meist waren diese Stuben in Postämtern eingerichtet worden. Hier konnten bis zu 30 Leute gleichzeitig und kostenlos fernsehen, allerdings dürfte das bei den kleinen Bildschirmen ein eher zweifelhaftes Vergnügen gewesen sein. Dennoch geht man davon aus, dass während der Olympischen Spiele 1936 bis 150.000 Zuschauer das Geschehen vor dem Bildschirm verfolgten. Die Live-Übertragungen heißen damals übrigens „Direktfernsehen“. Psychologisch dürften die Fernsehstuben in den späteren Jahren vor allem eine Wirkung gehabt haben: Als nach dem Zweiten Weltkrieg die ersten Privatgeräte auftauchten, sank die Hemmschwelle, beim Nachbarn vorbeizuschauen, um mal zu gucken, „was so läuft“.

Jenseits von Olympia tat sich Fußball im Fernsehen am Anfang schwer. Weshalb die ersten Sportübertragungen vor allem Boxkämpfe zeigten. Ein Ring war kleiner als ein Fußballfeld und konnte zur Not auch im Studio aufgebaut werden.

Die großen Fußballarenen stellten die primitiven Kameras bei wechselnden Witterungsbedingungen vor enorme Herausforderungen. Trotzdem gelang es am 26. November 1939, das Länderspiel Deutschland gegen Italien aus dem Berliner Olympiastadion zu übertragen, und das war dann auch die Premiere dieser Form der Berichterstattung. Kommentatoren mussten damals noch ohne Monitore auskommen, was ihre Berichterstattung manchmal zu einem Ratespiel werden ließ. Schließlich wussten sie nicht immer, welche Ecke des Spielfelds gerade von den Kameras eingefangen wurde. Davon abgesehen, dass in dieser Zeit also noch so einiges anders lief, hörte man da schon eine Zuschauerklage, die sich bis in die heutige Zeit erhalten hat: Reporter sollten doch bitte weniger reden und mehr das Geschehen wirken lassen.

Da der Zweite Weltkrieg etwas anders verlief als es sich Goebbels & Co. vorgestellt hatten – möglicherweise spielten bei den enttäuschten Erwartungen auch einige der anderen sieben Großmächte eine Rolle –, fanden die hoffnungsvollen Fernsehanfänge bald ein jähes Ende. Von dem analog zum Volkswagen geplanten Fernseheinheitsempfänger E1 (geplanter Kaufpreis 650 Reichsmark) wurden bis 1944 nur gerade mal 500 Stück abgesetzt. Und zu gucken gab es, nachdem 1943 der Sender Witzleben bombardiert worden war, sowieso nichts mehr. Bis dahin waren immerhin noch Gruppenspiele der Deutschen Meisterschaft und ein Länderspiel gegen Spanien übertragen worden. Was es danach noch an Fernsehtechnik gab, wurde in Versuchsmodellen für intelligente Bomben verwendet.

Am Ball oder balla-balla?

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