Читать книгу Vampiralarm - Thurid Neumann - Страница 6
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Herbstferien am Bodensee
„Uahhh, ich bin Igor, der schreckliche Vampir!“, rief Flo und stürmte in Laras Kinderzimmer.
„Mensch, Flo! Musst du mich so erschrecken!“, schimpfte Lara, doch im nächsten Moment musste sie lachen. „Puh, auf den ersten Blick siehst du wirklich aus wie ein Vampir, Flo. Wie hast du das Gesicht so weiß bekommen?“
„Mit Mehl“, erklärte Flo stolz und ließ dabei ihre spitzen Plastikzähne im Mund aufblitzen.
Lara schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Und was sagt Mama dazu, dass du ihren roten Lippenstift genommen hast?“
Flo zuckte unschuldig mit den Schultern. „Nichts. Sie weiß es ja nicht.“ Dann breitete sie ihre Arme zum Flug aus und flatterte mit ihrem schwarzen Umhang wieder aus Laras Zimmer, bevor diese auch nur noch ein weiteres Wort über den Lippenstift verlieren konnte.
„Hey, Flo!“, rief sie ihr hinterher. „Willst du nicht sehen, wie ich mich an unserer Halloweenparty verkleide?“
Kaum hatte Lara dies gesagt, kam der kleine Vampir auch schon zurückgeflogen. „Au ja! Weißt du es denn jetzt endlich?“, fragte Flo neugierig und kletterte auf Laras Bett, wo sie gleich zu hüpfen begann.
„Wenn das Mama sieht“, murmelte Lara nur, öffnete ihren Schrank und zog ein weißes Kleid mit langen Spitzenärmeln heraus, das bis zum Boden reichte. Flo runzelte die Stirn, als ihre Schwester das Kleid vor sich hielt und sich im Spiegel betrachtete. „Willst du etwa eine Braut spielen?“, fragte sie enttäuscht. „Ich dachte, wir geben eine Halloweenparty und spielen nicht Märchenbraut.“
Langsam drehte sich Lara zu Flo um und verzog ihre Augen zu schmalen Schlitzen, sodass nur noch etwas Schwarzes zu sehen war. „Ich bin die weiße Frau aus dem Nebel“, zischte sie zwischen zusammengepressten Lippen hervor. Mit einem Satz hüpfte Flo nach hinten und drückte sich gegen die Wand, als wolle sie versuchen, durch sie zu verschwinden. „Lara?“, fragte sie verunsichert. „Bist du das?“
„Lara?“, lachte die weiße Frau spöttisch. „Ich kenne keine Lara. Ich kenne nur Rache! Rache an all denen, die mir bei Nacht und Nebel meinen Geliebten genommen haben. Haben ihn mir entrissen und ...“
„Lara!“, ertönte in dem Moment die Stimme von Laras und Flos Mutter. „Telefon!“
„Ich komme!“, rief Lara, ließ das Kleid fallen und rannte aus ihrem Zimmer.
Die weiße Frau lag in sich zusammengefallen auf dem Boden. Flo lehnte immer noch auf Laras Bett an der Wand und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den mit Spitzen besetzten Stoff. Hatte da soeben wirklich die weiße Frau aus dem Nebel zu ihr gesprochen? Was hatte sie mit Rache gemeint? An wem? Und ... wie sollte diese Rache aussehen? Flos Atem ging schwer.
Schon kam ihre Schwester zurück. Aber ... wieso sah sie auf einmal so blass um die Nase herum aus? Hatte sie sich etwa auch Mehl ins Gesicht gepudert? Flo schüttelte den Kopf. Nee, das konnte ja nicht sein. Sie hatte doch gerade noch telefoniert. Wie hätte sie da noch Mehl aus der Küche holen sollen. Flo durchfuhr ein gewaltiger Schrecken. Hatte etwa die weiße Frau aus dem Nebel sie angerufen?
„Marie ist krank“, sagte Lara plötzlich mit tränenerstickter Stimme. „Sie kann diese Woche nicht zu unserer Halloweenparty kommen.“ Die weiße Frau schien sich augenblicklich in Luft aufgelöst zu haben.
„Marie ist krank?“, wiederholte Flo ungläubig. Mit einem Satz war sie vom Bett zu Lara gesprungen. „Was hat sie denn? Halloween ist doch erst ...“ Sie zählte an ihren Fingern ab. „Halloween ist doch erst in sieben Tagen. Vielleicht ist sie bis dahin ja wieder gesund!“ Sie stellte sich vor Lara und nickte ihr aufmunternd zu.
Doch Lara schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht“, seufzte sie, „sie hat die Masern.“
„Die was?“, wollte Flo wissen. Die Masern? Hatte das irgendetwas mit Außerirdischen vom Mars zu tun?
„Masern. Na, da hast du am ganzen Körper so rote Punkte ...“ Weiter kam Lara nicht. Sie hatte sich doch so auf die Halloweenparty gefreut, die sie zusammen mit ihrer besten Freundin Marie in den letzten zwei Wochen geplant hatte. Und nun das!
„Rote Punkte?“, piepste Flo. „Auch am Hals?“
Lara nickte und schaute mit wässrigen Augen auf ihr weißes Spitzenkleid, das sie vorhin noch voller Vorfreude vor sich gehalten hatte. Und nun war alles vorbei. Ein einziger Anruf und der Traum war zerplatzt. Zack! Wie eine Seifenblase, die man mit dem Finger berührte.
Plötzlich spürte sie Flos Hand in ihrer. „Vielleicht wurde sie ja von einem Vampir gebissen?“, hauchte Flo neben ihr.
Lara schaute verdutzt zu Flo hinunter, die ihren Griff verstärkte. „Wie kommst du denn auf die Idee?“, wollte Lara stirnrunzelnd wissen und wischte sich mit der freien Hand über das Gesicht.
„Na ja, rote Punkte am Hals ... du weißt doch, was das bedeutet ...“, erklärte Flo und ihre Stimme zitterte jetzt ein wenig.
„Ach Flo, könntest du bitte mit deinem Vampirtick aufhören? Seit du Igor, der schreckliche Vampir, gelesen hast, scheinst du an nichts anderes mehr denken zu können. Nicht einmal, wenn nun nichts aus der Halloweenparty wird.“ Lara holte tief Luft.
„Aber ich habe doch noch Luisa eingeladen“, gab Flo zu bedenken. „Und außerdem ... außerdem habe ich keinen Vampirtick“, wollte sie noch hinzufügen. Doch da klopfte es plötzlich an der Zimmertür. Flo riss erschrocken ihre Augen auf und klammerte sich an Lara. Waren sie jetzt die Nächsten, die gebissen werden sollten? Trieb wirklich ein Vampir in Freiburg sein Unwesen? Aber ... klopften Vampire vorher an?
Da steckte ihre Mutter Kerstin den Kopf ins Zimmer. „Ich weiß gar nicht, wie ich es euch sagen soll ...“, fing sie mit schwerer Stimme an und trat ein. Dann setzte sie sich gegenüber von Lara und Flo auf das Bett, ohne sich zu fragen, weshalb sich Flo so an ihre Schwester krallte. Auch dass die Bettdecke zerwühlt war, schien sie nicht zu bemerken. Sie wunderte sich nicht einmal darüber, weshalb Flo so weiß im Gesicht war und warum ihre Lippen rot glänzten. Jetzt senkte sie ihren Blick und sah auf das Kleid am Boden. Dann atmete sie einmal kräftig durch.
„Luisa hat ebenfalls die Masern“, sagte sie schließlich leise, aber es war doch laut genug, dass Lara und Flo es hören konnten.
„Luisa? Sie hat auch die roten Punkte?“, rief Flo entsetzt und Lara spürte, wie sich die Fingernägel ihrer Schwester in ihren Arm bohrten. Doch sie fühlte sich wie betäubt. Sie spürte fast nichts.
„Das war´s dann wohl“, sagte sie und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Alles umsonst.“
Flo sah stumm von einem zum anderen. Sie war sich sicher, dass das nicht mit rechten Dingen zuging. Rote Punkte? Marie und Luisa? Die beiden waren ja noch nicht einmal auf derselben Schule. Wieso hatten sie auf einmal beide rote Punkte? Und dann auch noch so kurz vor Halloween? Für Flo war die Sache eindeutig: Hinter all dem steckte ein Vampir. Bald würden alle Menschen in Freiburg rote Punkte haben und ... zu Vampiren werden.
„Nun macht mal nicht so lange Gesichter“, versuchte ihr Vater Thomas sie zu trösten, als die Mädchen später gemeinsam beim Abendbrot saßen. „Ihr könnt die Party ja nachholen.“
Lara löffelte lustlos in ihrer Kürbissuppe herum. „An Weihnachten vielleicht?“, murrte sie.
„Ach Lara, ich kann ja verstehen, dass ihr nun enttäuscht seid. Aber so etwas kann man leider nicht ändern. Und mit dem Nachholen müsst ihr ja nicht bis Weihnachten warten. Halloween unter dem Weihnachtsbaum ist wirklich keine so gute Idee. Aber im November gibt es doch auch einige Wochenenden, an denen es so richtig schön neblig ist.“
Flo sah aus dem Fenster und schauderte, als sie sah, wie in der Freiburger Innenstadt der Nebel aufzog. Sofort musste sie wieder an die weiße Frau denken. Sie hatte so echt geklungen. Flo hatte sie auch ganz eindeutig gesehen. Es war nicht Lara, die da gesprochen hatte. Dann noch die plötzliche Erkrankung von Marie und Luisa. Die roten Punkte. Der Vampir. Oder waren es vielleicht schon mehrere?
„Flo? Was hast du denn?“, hörte sie da ihre Mutter besorgt sagen. „Du siehst aus, als hättest du draußen ein Gespenst gesehen!“
„Nebelgeister“, flüsterte Flo.
Ihr Vater folgte ihrem Blick, während er sich von dem Salat nahm. „Ja, sieht wirklich gruselig aus dort draußen“, meinte er. Dann schob er sich eine Gabel Rote-Beete-Salat in den Mund.
Flo starrte ihn an.
„Was schaust du mich denn so merkwürdig an?“, fragte Thomas, während er genüsslich kaute.
„Dir ... dir läuft Blut aus dem Mund ...“, stammelte Flo und merkte gar nicht, wie sie ihr Brot auf dem Teller zerkrümelte.
„Jetzt ist aber Schluss mit dem Quatsch“, schimpfte ihre Mutter und nahm ihr das Brot aus der Hand. „Ihr macht einen noch ganz verrückt mit dem ganzen Halloweenkram. Ich möchte jetzt nichts mehr von Geistern und Vampiren hören, die hier ihr Unwesen treiben. Marie und Luisa haben die Masern. Das ist alles. Es gibt keine Geister ... und keine Vampire und ... Oh Mann! Jetzt läutet schon wieder das Telefon! Was ist heute nur los?“
Mit einem Stöhnen stand Kerstin auf und ging ins Wohnzimmer nebenan, um den Hörer abzunehmen. ... „Oh, ihr seid das! Wie schön, von euch zu hören!“
Lara hörte nur mit halbem Ohr hin. Die Herbstferien hatten gerade erst begonnen und waren für sie eigentlich schon gelaufen. Und jedes Mal war das blöde Telefon daran schuld. Auch Flo schob ihren Teller von sich.
... „Ja, super! Das wird Lara und Flo wieder aufheitern!“
Aufheitern? Hatte ihre Mutter gerade aufheitern gesagt? Mit wem telefonierte sie da überhaupt? Und was würde sie aufheitern? Lara legte ihren Löffel zur Seite. Mist! Wieso hatte sie nur nicht genau hingehört? Jetzt erzählte ihre Mutter irgendetwas von der Arbeit. Was sollte das denn nun? War es gerade nicht noch um sie und Flo gegangen?
... „Ja, zum Glück sind die beiden geimpft. Sie können also keine roten Punkte bekommen. Das dürfte kein Problem sein. Prima. Ja, so machen wir das.“
„Und? Wer wurde dieses Mal von einem Vampir gebissen?“, frotzelte Thomas, als seine Frau wieder ins Esszimmer zurückkam.
„Ich glaube, du bist hier der Vampir“, lachte sie und gab ihrem Mann eine Serviette.
„Oh danke“, sagte er verlegen, nachdem er sich über den Mund gewischt und den roten Saft auf der Serviette bemerkt hatte.
„Also, wollt ihr alle eine gute Nachricht hören?“, fragte Kerstin.
„Nun mach es nicht so spannend“, platzte Lara heraus.
„Warum hast du eigentlich so rote Lippen?“, wandte sich ihre Mutter plötzlich an Flo.
Diese riss erschrocken die Augen auf und sah Hilfe suchend zu ihrer Schwester. Oh nein! Warum hatte sie nur vergessen, den roten Lippenstift vor dem Abendessen wegzuwischen? Ihre Mutter konnte es nicht leiden, wenn sie ihre Schminksachen benutzten.
„Willst du uns nicht endlich sagen, wer gerade eben angerufen hat?“, fragte Lara schnell, während Flo unschuldig mit den Schultern zuckte.
„Nun gut. Wie auch immer. Ich kann es sowieso nicht länger für mich behalten. Markus und Sibylle laden euch beide über die Herbstferien an den Bodensee ein!“ Bevor Laras und Flos Mutter weiter reden konnte, sprangen die Mädchen auf und fielen ihr um den Hals.
„Jipiiih! Wir fahren nach Konstanz an den Bodensee!“, jubelte Lara. „Wir werden Max und Tim wiedersehen. Und auf Jerry, Louis, Sissi und Romeo reiten!“ Laras Augen blitzten vor Freude.
„Igor, der Schreckliche, wird Max und Tim das Fürchten lernen!“, gruselte Flo und schwebte mit ihrem schwarzen Umhang einmal um den Tisch herum. Doch dabei sah sie alles andere als furchterregend aus. Dafür lachte sie viel zu vergnügt.