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2. Einfach nur ein großer Corgi

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„Mr. Maddock, ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.“ Der wohlbeleibten Dame im fliederfarbenen Sommerkleid kullerte eine Träne über die gerötete Wange. Die Baronetess Ermingtrude Blooming-Broomfield – sehr betucht und um die sechzig – wäre John wohl am liebsten um den Hals gefallen. Er betete zu allen altägyptischen Göttern, dass sie es nicht tat. Der Überschwang seiner Auftraggeberinnen, wenn er ihnen ihre Haustiere zurückbrachte, nahm manchmal beängstigende Züge an. Erst letzte Woche hatte eine Dame, deren Pekinesen er gerettet hatte, ihn so fest an ihren ausladenden Busen gedrückt, dass John befürchtet hatte, sie würde ihm die Rippen brechen.

Nun ja, solange die Baronetess Blooming-Broomfield sich als großzügig herausstellte, nahm er die ein oder andere gebrochene Rippe in Kauf.

„Oh, keine Ursache, Baronetess. Ich bin froh, dass ich Ihnen Filou unbeschadet zurückbringen konnte.“ Während John das mit seinem charmantesten Lächeln sagte, schob er der Baronetess die Rechnung mit den aufgelisteten Auslagen zu, die sie anstandslos entgegennahm.

„Nicht vorstellbar, was passiert wäre, wenn diese Einheimischen meinen armen kleinen Filou ... oh nein, ich mag gar nicht daran denken.“ Sie wischte sich eine weitere Träne aus dem Auge und betrachtete das vor Aufregung zitternde Hündchen auf ihrem Schoß.

John nickte scheinbar verständnisvoll. Die Baronetess war der festen Überzeugung, dass die Besitzer der Garküche, bei denen er Filou gefunden hatte, den Yorkshire Terrier hatten kochen und den Gästen servieren wollen. John hatte sie nicht davon überzeugen können, dass diese Menschen das herumstreunende und hilflose Schoßhündchen aus purer Freundlichkeit durchgefüttert und nicht hatten mästen wollen. Nichts konnte die Baronetess von ihrer Meinung abbringen. Also hatte John ihr kurzerhand zugestimmt. Es war besser, zahlungswillige Kundinnen nicht zu verärgern.

John warf Sir Tiny, der neben dem Schreibtisch lag und dem Gespräch folgte, einen kurzen Blick zu. Eigentlich war er der Held des Tages, wie bei den meisten seiner gelösten Fälle. Sir Tiny spürte die verschwundenen Hunde auf, aber was noch viel wichtiger war: Die Haustiere schienen ihm zu vertrauen. Ohne Sir Tiny wäre seine Erfolgsquote weitaus geringer gewesen. Stumm versprach John der Dogge ein großes Stück Roastbeef für ihre tatkräftige Hilfe.

„Nicht auszudenken, wenn Filou in einem Kochtopf gelandet wäre“, bekräftigte er die Worte der Baronetess und zählte im Kopf die Pfundnoten mit, die sie ihm auf den Schreibtisch legte. Der Auftrag war einfach und lukrativ gewesen. Außerdem hatte John ein paar Zusatzposten berechnet, um die Besitzer der Garküche für die Beherbergung und Beköstigung Filous sowie die entgegengebrachten Beschuldigungen zu entschädigen.

„Sie leisten wundervolle Arbeit. Ich habe einige Freundinnen, denen ihre Lieblinge abhandengekommen sind und werde Sie weiterempfehlen, Mr. Maddock.“

Sich als Privatdetektiv für verschwundene Haustiere etabliert zu haben, war für John Fluch und Segen zugleich. Einerseits war seine Tätigkeit krisensicher, denn es gab unzählige ältliche Damen, die ihre Haustiere als Kindersatz in einer längst zur Gewohnheit gewordenen Ehe nutzten und sie mit ihrer Liebe fast erdrückten. Da wunderte es kaum, dass die armen Tiere jede Gelegenheit nutzen, der gut gemeinten Umklammerung ihrer Besitzerinnen zu entkommen.

Die Baronetess erhob sich von ihrem Stuhl, der ächzend seine Erleichterung kundtat.

Mit Filou auf dem Arm, der noch immer zitterte, ging sie Richtung Tür und verabschiedete sich mit einem wohlwollenden Nicken von John, während dieser sich fragte, ob das Zittern des Hündchens rassebedingt war oder von der Aussicht herrührte, in sein altes Leben zurückzukehren. John war sich ziemlich sicher, dass es Filou in der Garküche gut gefallen hatte. Die Menschen waren freundlich zu ihm gewesen – und das Wichtigste: Sie hatten ihn wie einen Hund behandelt und nicht wie einen lebendigen Dekorationsartikel. „Ich frage mich, wie du diesen winzigen Hund in der Garküche gefunden hast“, wandte sich John an Sir Tiny, sobald die Baronetess fort war. „Manchmal denke ich wirklich, dass ihr euch untereinander unterhaltet. Sogar du und Miss Kitty. Auch wenn Patricia das als Unsinn abtut.“

Als hätte Sir Tiny seine Worte verstanden, bellte er in einem tiefen Bariton, erhob sich von seinem Platz, und kam schwanzwedelnd zu John, um sich seine Streicheleinheiten abzuholen. Zugegeben – Sir Tiny war vielleicht nicht das, was man von einem Hund seiner Rasse erwartete … weder Furcht einflößend noch schien er sich seiner Größe wirklich bewusst zu sein. Aber die entlaufenen Haustiere vertrauten ihm, und das war für Johns Detektei fast wie ein Jackpotgewinn.

Sir Tiny sah ihn erwartungsvoll an, und John zog einen von Fatimas selbst gebackenen Hundekeksen aus der Hosentasche.

„Den Rest deines Honorars bekommst du heute Abend“, versprach John und stopfte sich die Pfundnoten in die Tasche seines Panama-Anzugs. Heute konnte er die Detektei etwas früher schließen und sich einen neuen Hut kaufen, nachdem das garstige Katzenvieh den letzten mit ihren Krallen zerfetzt hatte. Außerdem musste er etwas für sein niedergetrampeltes Selbstwertgefühl tun.

John warf einen Blick in den Spiegel. Der Anzug stand ihm ausgesprochen gut, wie er fand. Ohnehin hatte sich sein Leben in den letzten zwei Monaten mehr als verbessert. Seit er Patricia getroffen hatte, bemühte er sich, ehrlich und anständig zu sein – zumindest für seine Verhältnisse. Trotzdem nagte das erneute Scheitern vor Patricias Schlafzimmertür nach dem Silvesterball vorgestern Abend an ihm. Noch immer hatte sie ihm die Sache mit dem Kostüm nicht verziehen.

Aber John wollte sich den Tag nicht mit düsteren Gedanken verderben. Außerdem konnte er sich Besseres vorstellen, als in seinem zugegebenermaßen deutlich komfortableren Büro als dem Rattenloch, das er von Rashad gemietet hatte, auf eine neue Kundin zu warten. Zu viele Pflichten waren auf Dauer erdrückend, und dafür war er nicht geschaffen.

„Sollen wir ein wenig Kairo unsicher machen?“

Die Dogge sprang auf, als hätte sie seine Worte verstanden.

Gerade als John die Tür öffnete, stand überraschend eine neue Kundin davor. Er zuckte vor der Frau zurück, die ihr Gesicht hinter einem schwarzen Hutschleier verbarg, besann sich dann jedoch auf seinen Geschäftssinn und setzte sein gewinnendes John-Maddock-Lächeln auf. „Willkommen in der Detektei Maddock. Wir garantieren eine hundertprozentige Erfolgsquote“, leierte er seinen Werbespruch herunter. Das war es dann wohl mit dem freien Tag. Andererseits … zu ein paar Pfundnoten sagte er nicht Nein. Vielleicht wären dann zum Hut noch ein paar neue Schuhe im Budget.

„Womit kann ich Ihnen helfen?“ Die verschleierte Dame machte keine Anstalten, zu antworten. Vielleicht hatte sie vor Kurzem jemanden verloren? Warum sonst der dunkle Schleier vor dem Hut, der sie wie eine Gestalt aus einer dieser Gruselgeschichten aussehen ließ, die sich Damen abends in geselliger Runde erzählten?

Endlich kam Leben in die schwarze Gestalt. „Ha! Meine Tarnung scheint zu funktionieren. Ich hatte schon befürchtet, jemand würde mich auf dem Weg hierher erkennen.“

Die Stimme kam John vertraut vor, aber er erkannte Gräfin Walburga erst, als sie ihren Hutschleier lüftete. „Gräfin Walburga?“

Mit einer resoluten Bewegung, schob die Gräfin John beiseite und schloss dann die Tür hinter ihnen.

„Für Sie Walli! Haben Sie vergessen, dass wir auf dem Silvesterball Brüderschaft getrunken haben?“

John erinnerte sich vage daran, dass der Silvesterball zu späterer Stunde etwas überschwänglich geworden war. Der Champagner hatte ihm zugesetzt, genau wie der Gräfin und dem General. Sogar Patricia hatte ein paar Gläser zu viel gehabt. John entsann sich, dass sie sich irgendwann wie alte Freunde in den Armen gelegen hatten. Allerdings war er nicht davon ausgegangen, dass sich diese Freundschaft über einen Champagnerrausch hinaus erstrecken würde.

„Ich brauche Ihre Hilfe, John! Sie haben doch auf dem Silvesterball erzählt, dass Sie Privatdetektiv sind.“

„Ja ...“, antwortete John zögerlich, weil er sich beim besten Willen nicht mehr genau daran erinnern konnte, was er so alles von sich gegeben hatte. „Wunderbar, denn ich habe einen Auftrag für Sie!“

Ohne Aufforderung nahm Walli auf dem Stuhl Platz, der erneut gequält aufächzte, und tätschelte Sir Tiny nebenbei den Kopf. Er war zu ihr getrabt, in der Hoffnung, die Gräfin hätte etwas Essbares für ihn dabei.

„Was für ein netter Hund.“ Auffordernd tippte Walli mit dem Finger auf die Schreibtischplatte, damit John sich ebenfalls setzte.

John folgte der Aufforderung. „Wie kann ich Ihnen helfen? Vermissen Sie Ihren Hund?“

Sie hob die Brauen. „Nein! Ich vermisse Huddi!“

„Den General? Aber er war doch vorgestern noch auf dem Silvesterball.“

„Oh, ja. Das war eine gelungene Silvesterfeier, oder?“ Auf ihrem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, nur um gleich wieder einer finsteren Miene zu weichen. „Und gestern wurde mein Huddi entführt!“

Wer konnte ein Interesse daran haben, den General zu entführen … und warum? „Wäre es da nicht besser, Sie gingen gleich zur örtlichen Gendarmerie?“

Entschlossen schüttelte die Gräfin den Kopf. „Das geht nicht. Der General wurde aus dem Lotusgarten entführt. Es hat mich bereits eine Menge Bakschisch gekostet, die Damen zum Schweigen zu verpflichten. Besonders diese Madame Mona war schwer zufriedenzustellen.“

„Ich verstehe.“ John dachte daran, wie viel Geld die gewiefte Geschäftsfrau ihm bereits aus der Tasche gezogen hatte. Dann erst wurde ihm die Tragweite von Wallis Worten bewusst. „Der General war im Lotusgarten? Und Sie … ich meine, Sie wussten davon?“

Ihr Blick zeigte nicht die geringste Scham. „Nun hören Sie mal, John! Huddi und ich sind fast fünfzig Jahre verheiratet, und die Kunst einer glücklichen Ehe basiert auf Arrangements. Wir schätzen uns gegenseitig und lassen uns unsere Freiheiten. Allerdings feiern wir, wie Sie wissen, in zwei Wochen unsere Goldene Hochzeit. Es werden viele Gäste kommen, auch Huddis Militärfreunde, dazu wichtige Persönlichkeiten aus Politik und Adel. Ich kann denen ja kaum erzählen, dass die Hochzeit nicht stattfindet, weil Huddi aus einem Etablissement der Sünde entführt wurde.“

Wallis Gründe leuchteten John ein, allerdings fragte er sich, was sie sich von einem Detektiv erhoffe, der verschwundene Haustiere aufspürte.

„Sie müssen Huddi für mich finden und ihn rechtzeitig zur Goldenen Hochzeit zurückbringen. Und das Ganze muss äußerst diskret verlaufen. Niemand darf etwas mitbekommen.“

John wusste nicht recht, was er sagen sollte. Einerseits reizte ihn dieser Auftrag – ein richtiger Auftrag. Keine entlaufenen Haustiere. Endlich! Mit einem Blick auf Sir Tiny, der es sich neben der Gräfin bequem gemacht hatte und leise schnarchte, holte ihn jedoch die bittere Realität wieder ein. Reiche Damen um ihr Vermögen zu erleichtern, war eine Sache, aber hier ging es um mehr. Der General und Walli hatten jemanden verdient, der wusste, was er tat.

„Ich fühle mich geehrt, dass Sie mich mit diesem Auftrag betrauen wollen, aber die Wahrheit ist – ich suche verschwundene Haustiere. Corgis, Yorkshire Terrier und Pudel sind meine Klientel.“

Unbeeindruckt zuckte Walli die Schultern. „Na und? Sie haben Huddi doch gesehen. Er ist vollkommen hilflos, wenn er nicht gerade eine Armee hat, die er befehligen und herumkommandieren kann. Stellen Sie ihn sich einfach als großen Corgi vor.“

Ehe John weitere Einwände vorbringen konnte, zog die Gräfin ein Bündel aus ihrem Handbeutel und legte ein kleines Vermögen an Pfundnoten vor John auf den Schreibtisch.

„Werden Sie mir helfen?“

Nein!, schrie sein Verstand. Doch sein Mund antwortete, ohne darüber nachzudenken, angesichts der Pfundnoten: „Aber natürlich, Walli. Ich stehe zu Ihrer Verfügung.“

„Sehr gut!“ Erneut zog Walli etwas aus ihrem Handbeutel. “Es gibt einen Erpresserbrief mit einer Geldforderung.“

John nahm den Brief und las ihn. Er war mit Schreibmaschine geschrieben und forderte eine Summe von einigen hundert Pfund für die Herausgabe des Generals – und zwar in genau acht Tagen. Das Geld sollte vor dem Ägyptischen Museum in Kairo in einer Motordroschke, die an besagtem Tag um zwölf Uhr mittags dort warten würde, hinterlegt werden. Die Motordroschke würde daran zu erkennen sein, dass an dem Griff der Beifahrertür ein rotes Band befestigt wäre.

„Das ist eine seltsame Forderung. Die Summe erscheint mir außerdem nicht besonders hoch.“

„Ganz davon abgesehen, dass ich nicht bezahlen werde“, stellte Walli unbeeindruckt klar. „Aber wäre es nicht das Einfachste, die Forderung zu begleichen? Ich meine, es handelt sich um weniger, als Sie mir für meine Arbeit zahlen. Ich nehme deshalb an, es wäre kein großer Betrag für Sie.“

In Wallis Augen funkelte Kampfeslust. „Darum geht es nicht. Ich lasse mich nicht erpressen. Wenn so etwas Schule macht, werden die Entführer es wieder versuchen. Dann ist niemand mit einem adeligen Namen oder einem gewissen Wohlstand in Kairo mehr sicher. Außerdem treffen die ersten Gäste schon in einer Woche ein. Was soll ich ihnen sagen, wo Huddi ist?“

„Wie erklären Sie denn jetzt Huddis Abwesenheit?“

„Ich habe gesagt, dass Huddi sich auf einer Nilkreuzfahrt befindet und ich meine Suite im Mena Hotel einem unbequemen Flussdampfer vorgezogen habe.“

„Ich verstehe“, antwortete John. „Es wäre sinnvoll, diese Ausrede so lange aufrechtzuerhalten, wie es geht. Weiß noch jemand von der Entführung?“

„Nur unser einheimischer Diener, Anen. Er war ebenfalls im Lotusgarten, als Huddi entführt wurde. Sie können ihn befragen.“

„Vertrauen Sie ihm, dass er schweigt?“ John kannte die Vorliebe für Tratsch unter dem Personal.

Walli legte die Hand auf das Herz. „Anen ist ein Goldstück. Wir hatten nie einen besseren Diener.“

„Also gut, ich werde ihn trotzdem zur Sicherheit noch einmal befragen.“

„Anen steht zu Ihrer Verfügung, John. Ich erwarte bis morgen früh den Plan, wie Sie vorgehen wollen.“

Die Gräfin schien mehr Vertrauen in seine Fähigkeiten zu besitzen, als er selbst. Aber es war zu spät, einen Rückzieher zu machen. „Selbstredend“, versprach John der Gräfin gegen besseres Wissen.

„Wunderbar. Sie sind meine und Huddis Rettung.“ Lächelnd fügte sie hinzu: „Ach, und grüßen Sie die reizende Patricia von mir.“

Walli stand auf und wogte gleich einer Naturgewalt Richtung Tür. Bevor sie sein Büro verließ, zog sie ihren Schleier wieder vor das Gesicht. John hatte keinen Zweifel daran, dass die Gräfin den Entführern des Generals eigenhändig den Hals umdrehen würde, wenn ihr die Unglücklichen in die Finger fielen. Andererseits … vielleicht war Huddi ernsthaft in Gefahr. Egal, wie er es drehte und wendete – er musste den General finden. Alles andere hätte er sich niemals verziehen.


„Auf keinen Fall! Das werde ich nicht tun!“ Patricia konnte nicht fassen, dass John es auch nur in Erwägung zog, das von ihr zu verlangen.

„Aber Darling ...“

„Hören Sie auf, mich Darling zu nennen! Das wird Ihnen auch nicht helfen. Dieser Plan ist absurd und wird niemals funktionieren.“

„Memsahib, meinen Sie ...“ Abdul betrat den Salon, spürte die knisternde Stimmung, die wie ein Gewitter in der Luft lag, wandte sich wortlos um, und ging wieder.

Patricia überlegte, ihm zu folgen und John mit seinem zwischen einem Zigarillo und zu viel Whiskey erdachten Plan sitzen zu lassen.

„Darling, Sie mögen Walli und Huddi doch auch.“

Mit spitzem auf ihn gerichteten Finger wies sie ihn zurecht. „Versuchen Sie ja nicht, mich moralisch in die Defensive zu drängen, John!“ Warum verging nicht ein einziger Tag, an dem er sie nicht in eine furchtbare Situation brachte? Patricia erinnerte sich an das Versprechen, das sie sich gegeben hatte – John aufzufordern, sich ein eigenes Domizil in Kairo zu suchen. Wann, wenn nicht heute, war der richtige Tag dafür?

„Wie kommen Sie mit Ihrer Wohnungssuche voran, John?“

„Die Ergebnisse sind vielversprechend.“

Sie kniff die Augen zusammen. „Weichen Sie mir nicht aus!“

„Dann weichen Sie mir nicht aus, Darling. Denken Sie doch nur … der arme Huddi allein in den Händen der Entführer. Ich brauche Ihre Hilfe bei diesem Fall.“

„Aber sie sind der Detektiv!“ Vergeblich versuchte Patricia die aufkommenden Bilder vor ihrem inneren Auge zu verdrängen – der General, wie er gefesselt und geknebelt irgendwo in einem dunklen verliesartigen Raum saß … Nein! Sie würde sich nicht einwickeln lassen! Dieses Mal nicht!

„Aber Sie sind nun einmal die Einzige, die sich unauffällig in diesen Kreisen bewegen kann. Sie haben bereits als Gesellschafterin für Lady Blanford gearbeitet.“

„Und ich habe mir geschworen, dass ich das nie mehr tun werde!“ Noch immer spürte Patricia die Empörung über seinen Vorschlag in ihren Schläfen pochen. Wie stellte er sich das überhaupt vor? Dass sie zum Schein eine Stelle als Wallis Gesellschafterin annahm und heimlich im Mena Hotel und im Bekanntenkreis von Walli und Huddi herumschnüffelte, um irgendetwas zu finden, was vielleicht auf die Entführer hinwies? Und dann die Umstände – schlimm genug, dass der General aus dem Lotusgarten entführt worden war. Patricia musste sich auf das unbequeme Sofa setzen, um diese Neuigkeiten zu verdauen.

John ließ sich unaufgefordert neben sie fallen und schnarrte mit Verführerstimme: „Ich weiß, dass Sie die beiden mögen. Walli bat mich übrigens, Ihnen Grüße auszurichten. An die reizende Patricia … das waren ihre Worte. Wollen Sie Walli denn wirklich enttäuschen?“

„Hören Sie auf!“ Patricia stand wieder vom Sofa auf. Sie würde nicht nachgeben. Ihr reichte das letzte Abenteuer, in das John sie verwickelt hatte! Fast wäre sie in einem Pharaonengrab gestorben, von einem dicken Anwalt mit seltsamen Vorlieben erschossen worden und wieder in Lady Blanfords Klauen gelandet. Auf diese Art von Aufregung konnte sie gut verzichten.

Sie musste Johns Blicken und seiner Stimme entkommen, wenn sie stark bleiben wollte, und dabei half offenbar nur, die Flucht zu ergreifen.

„Wohin gehen Sie, Darling?“, rief John ihr hinterher, während sie aus dem Salon lief.

„Zu Fatima und Miss Kitty in die Küche.“ John betrat niemals die Küche, wenn es sich vermeiden ließ. Seine Abneigung gegen Katzen und sein Respekt vor Fatimas Pfanne hielten ihn davon ab. Das kam ihr gerade recht. Sie brauchte Zeit, um ihre Entrüstung in den Griff zu bekommen.

Fatima runzelte die Stirn, als Patricia in die Küche gestürmt kam. „Sie sehen aus, als wäre Ihnen etwas Schweres auf den Fuß gefallen, Miss.“

„So etwas Ähnliches“, antworte Patricia ausweichend, aber leider besaß Fatima ein untrügliches Gespür, wenn es um John ging.

„Was hat der lüsterne Ziegenbock jetzt wieder getan?“ Ebenso wie John sie an den Rand des Wahnsinns brachte, gelang das Fatima mit ihrem unermüdlichen Lamentieren über John.

Miss Kitty sprang auf die Anrichte, und Fatima streichelte ihr über den Rücken. „Sie sollten den Amerikaner endlich vor die Tür setzen, Miss Peacock! Warum lassen Sie ihn weiter hier im Haus wohnen?“

Mit einem Mal fühlte Patricia sich von gleich zwei vorwurfsvollen Augenpaaren beobachtet. Außerdem argwöhnte Patricia, dass Fatima und Abdul längst von ihren Treffen mit John in der Gartenlaube wussten.

„Ich fürchte, ich muss mich um etwas kümmern.“ Patricia floh aus der Küche. Das konnte nicht wahr sein – sie war eine Vertriebene in ihrem eigenen Haus. Bei ihrer Suche nach einem Ort, an dem ihr niemand zusetzte, mied Patricia den Salon, in dem sie John wusste. Ihr gemütliches Heim wurde zu einem Hindernisparcours. Vielleicht brauchte sie wirklich etwas Abstand, um sich über einige Dinge klar zu werden. Denn wenn John in der Nähe war, konnte sie nicht klar denken. Sie musste dieses schlechte Gewissen loswerden, das John ihr einredete.

Nachdem ihr als einziger Rückzugsort ihr Schlafzimmer blieb, und sie ein paar Minuten Zeit hatte, nachzudenken, kam Patricia zu einem Entschluss. Es konnte ja nicht schaden, sich zumindest einmal mit Walli unterhalten – und bei der Gelegenheit konnte sie versuchen, ihr Johns absurden Plan auszureden. Zudem mochte Patricia Walli wirklich und freute sich darauf, sie wiederzusehen.

Patricia Peacock und der verschwundene General

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