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Miriam

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Miriam Ahlers wuchs in der neuen Vahr, einem Stadtteil Bremens, der nicht gerade als Vorzeigestadtteil galt, in einem für diesen Stadtteil typischen Mehrfamilienplattenbau auf. Ihre Eltern ließen sich vor zwei Jahren, kurz vor ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag scheiden. Sie blieb bei ihrer Mutter Cornelia. Ihr Vater Kurt, war Alkoholiker, was auch der Grund der Scheidung war. Es war auch der Grund, warum Miriam bei ihrer Mutter blieb.

Miriam hatte eine unbeschwerte Kindheit, mit wenig Geld, aber viel Liebe. Zuviel Liebe, schien sie zu bekommen, soviel, dass es für sie schon zur Selbstverständlichkeit wurde.

So entwickelte sie sich zu einer intelligenten, attraktiven aber arroganten Prinzessin. Sie wusste genau, wie sie andere Menschen um den Finger wickeln konnte und stets bekommen konnte, was sie wollte.

Da sich Miriam weder um eine Ausbildung, noch um eine Arbeit scherte und daher auch nicht wirklich über genügend Geld verfügte, wohnte sie noch immer bei ihrer Mutter.

Wenn sie etwas brauchte, fragte sie einfach ihre Mutter, die ihr auch ihr letztes Hemd vermachen würde. Ihre Mutter war der Annahme, dass Miriam sehr unter der Scheidung der Eltern litt, doch das ganze Scheidungsgeschehen nahm Miriam weniger mit als man meinen würde. Sie war sich selbst stets die nächste. Miriam sah gut aus, was sie sich auch im Umgang mit anderen Menschen zunutze machte. Sie war mit ihren 1,65 Meter Größe nicht unbedingt groß, was bei einer jungen Frau auch nicht wirklich eine große Rolle spielte. Sie hatte schulterlanges glattes brünettes Haar und war stets gut gekleidet und gekonnt geschminkt. Mit ihren großen blauen Augen, ihrer kleinen Stupsnase und ihrer seidigen Haut wurde ihr schon oft nachgesagt, dass man sie sofort knuddeln möchte, wenn man sie sah. Sie war aufgeweckt und hatte immer einen frechen Spruch auf den Lippen, ganz egal, wen sie vor sich hatte.

An diesem Freitag war Miriam voll entschlossen, wild abzufeiern. Sie trennte sich am Montag gerade nach einem Jahr Beziehung von ihrem Freund Marc getrennt. Marc liebte Miriam über alles. Er hätte alles für sie getan, aber darauf setzte sie nicht viel. Sie wollte damals unbedingt mit ihm zusammen sein, weil er gut aussah und alle ihre Freundinnen auf ihn standen. Nach einem Jahr wurde er ihr aber zu langweilig und sie schoss ihn einfach ab. Nicht zuletzt, weil sie wusste, dass er alles für sie tun würde und das machte ihn noch unattraktiver für sie. Für Marc brach die Welt zusammen und er fiel in ein tiefes Loch. Für Miriam drehte sich die Welt einfach weiter, wie immer. Für sie war er nun einfach nur noch jemand, den sie mal kannte, was sie ihn auch jedes Mal rücksichtslos spüren lies, wenn sie sich mal zufällig sahen. Dies passierte relativ oft, da sie ja im selben kleinen Stadtteil wohnten.

Für diesen Freitagabend hatte sich Miriam mit all ihren Freundinnen verabredet. Sie wollten sich erst bei ihr treffen, da ihre Mutter als Krankenschwester bis spät in die Nacht Dienst hatte.

Am Nachmittag fuhr Miriam noch in den Weserpark, ein großes Einkaufszentrum in der östlichen Bremer Vorstadt.

Sie wollte sich noch etwas neues Schickes zum Anziehen für den Abend kaufen. Von Mutters Geld versteht sich. Als sie das Einkaufszentrum betrat, lief ihr Christina entgegen, eine ihrer zahlreichen Freundinnen. Christina hatte blondes, fast weißes kurzgeschnittenes Haar. Sie war schlank, etwas größer als Miriam. Obwohl ihr Gesicht etwas Plattes hatte und ihre Nase etwas größer war, als man es von einer Frau erwarten würde, sah sie trotzdem sehr gut aus.

Miriam schloss sie sofort mit den Worten „Hey Uschi!“, in die Arme, wie es sich in ihrer Clique gehörte.

„Kommst du heute Abend mit ins Modernes?“, fragte Miriam.

„Klaro, Schnittchen“, erwiderte Christina.

„Wann soll es denn losgehen?“, fragte sie grinsend.

„Gegen sieben bei mir, Uschi“, antwortete Miriam.

„Okay okay, dann bis nachher!“, verabschiedete sich Christina mit einem Kuss auf Miriams Wange. Sie ging weiter zum Ausgang.

Miriam führte ihren Weg in die heiligen Hallen des Einkaufszentrums hastig fort.

Da es in den heiligen Hallen recht stickig und heiß war, schlug sie zuerst den Weg zu einem der drei Eisstände ein, die es im Weserpark gab und kaufte sich an dem Stand ein Eis zur Abkühlung. Schoko und Vanille waren ihre Lieblingssorten. Sie bevorzugte immer ihr Eis aus der Waffel zu genießen. Nachdem sie das Eis bei dem südländisch wirkenden Eisverkäufer bezahlt hatte, schlenderte sie in Richtung eines naheliegenden Kleidungsgeschäfts, während sie genüsslich an ihrem Eis nippte. An dem Geschäft angekommen, drehte sie verträumt einen Kleiderständer herum an dem eine Reihe von Sommertops hingen.

Als sie das Eis aufgegessen hatte, nahm sie ihre zweite Hand zur Hilfe um genauer in den Sachen zu stöbern.

Sie bemerkte nicht, dass sich jemand neben sie stellte und dort einige Sekunden stehen blieb bis sie angesprochen wurde.

„Tschuldigung“, hörte sie von ihrer rechten Seite. Sie blickte auf und wandte sich in Richtung der Stimme zu, die sie ansprach. Vor ihr stand ein Mann, nicht viel größer als sie, Ende zwanzig. Er hatte dunkles kurzes Haar, fast dieselbe Farbe, wie sie. Er hatte auch ähnlich blaue Augen wie sie. Eine schmale fast schmächtige Gestalt, mit einem schwarzen T-Shirt und einer schwarzen Jeans gekleidet. Die weißen Turnschuhe, die er trug, waren schon etwas aus dem Trend und sahen abgelatscht aus.

„Tschuldigung“, wiederholte er, nachdem Miriam ihn von oben bis unten und wieder zurück musterte.

„Ich saß eben da vorne auf der Bank und bist du mir sofort aufgefallen.“, sagte er.

„Ich wollte dich fragen, ob ich dich vielleicht auf einen Kaffee oder eine Kola einladen dürfte.“, fügte er hinzu. Er grinste dabei etwas verlegen und zögerlich und blickte ihr tief in die Augen.

„Was?“, lachte sie schon fast laut.

„Guck Dich mal an und dann guck mich mal an, Rumpelstilzchen“, sagte sie so laut, dass eine Frau, die an dem benachbarten Kleiderständer stand und diesen drehte, es hören konnte und den Kopf schüttelte.

Sein lächeln verschwand von seinen Lippen, jedoch blieb sein Blick unverändert.

„Junge, du passt wahrlich nicht in mein Beuteschema und jetzt mach nen Abgang!“, fügte sie noch hinzu, während sie ihm schon fast bösartig in die Augen blickte. Dann bewegte sie sich von ihm weg. Als sie ein paar Schritte gegangen war, blickte sie noch einmal hämisch grinsend zurück, aber sie sah ihn nicht mehr. Wahrscheinlich waren ihre Worte so durchschlagend, dass er sofort im Boden versank, dachte sie noch witzelnd. Sie konnte sich aber auch gar nicht mehr klar an sein Aussehen erinnern. Das lag wahrscheinlich daran, dass dieses „Rumpelstilzchen“ so eine unscheinbare Gestalt war.

Miriam stolzierte in Richtung des nächsten Klamottengeschäfts um sich noch einmal in Ruhe etwas zum Anziehen für den anstehenden Abend auszusuchen. Sie wusste, dass ihre Laune bis in den Keller gehen würde, wenn sie heute Abend etwas anziehen müsste, was sich bereits in ihrem Schrank befand oder etwas, was eine ihrer Freundinnen schon besaß.

In dem Kleidungsgeschäft drehte sie wieder an einem Kleiderständer und wühlte hin und wieder darin herum. Irgendwann wurde sie fündig. Ein rosafarbenes, Bauch freies Top mit der weißen Aufschrift „Honey Bunny“. Sie mochte knappe Shirts mit billigen Sprüchen drauf. Nicht zuletzt, weil ihre Art sich zu kleiden auch offensichtlich ihrem Charakter entsprach. Miriam nahm das Shirt von dem Ständer und stolzierte mit einem siegessicheren Gesichtsausdruck zur naheliegenden Kasse.

„8 Euro 95 Cent“, sagte die Verkäuferin, während sie das Shirt zusammenlegte und in eine weiße Plastiktüte mit roter Aufschrift verschwinden ließ.

Miriam legte einen zwanzig Euroschein auf die weiße Verkaufstheke. Die Verkäuferin nahm diesen entgegen und tat ihn in die Kasse, während sie mit der anderen Hand das Wechselgeld aus den Geldfächern suchte.

„Vielen Dank und noch einen schönen Tag“, sagte sie, als sie Miriam das Wechselgeld reichte.

Miriam nahm das Geld entgegen und ging ohne sie eines Blickes zu würdigen Richtung Ausgang.

Da sie gefunden hatten, was sie in dem Einkaufszentrum suchte, entschloss sie sich, auch nicht länger in den stickigen Hallen umher zu wandeln. Ihr fiel auf dem Weg zum Ausgang ein, dass sie noch Getränke für den Abend brauchte.

Sie machte eine Kehrtwendung, wobei sie elegant ihre Haarpracht herumschleuderte, wie sie es schon in vielen schlechten Filmen und noch schlechteren TV-Shows gesehen hat und ging in Richtung eines großen Supermarktes.

Als sie in dem Korridor mit den Regalen, in dem sich Massen von Getränken befanden ankam, suchte sie zielstrebig das Regal in dem sich unzählige Sorten von Weinen, Prosecco und Sekt befanden. Da sie zwar Muttis Geld hatte, es aber auch nicht in Unmengen vorhanden war, griff sie sich zwei Flaschen Billigsekt der Marke „Morgen dicken Kopf“. Sie klemmte sich eine Flasche unter den linken Arm, wodurch ihr, von der plötzlichen Kälte ein kurzer heftiger Schauer durch den Körper fuhr und nahm die zweite Flasche in die linke Hand. In rechten Hand trug sich ja noch die weiße Plastiktüte mit ihrer neusten Errungenschaft. Sie machte sich zackigen Schrittes, so wie ihre ganze Art war, auf zur nächsten Kasse. Dort angekommen, stellte sie sich als letzte Person in einer Schlange von etwa 10 Leuten an. Ungeduldig blickte sie hin und her und warf jedes Mal ihre Haarpracht durch die Gegend. Sie bemerkte nicht, dass sich eine ältere korpulente Frau hinter ihr anstellte, die zwei Mal ihre Haare direkt ins Gesicht bekam. Die Frau schmatzte genervt mit der Zunge zwischen den Zähnen.

Miriam drehte sich zu ihr.

„Was ist?“, fragte sie bockig.

„Können sie bitte etwas mit ihren Haaren aufpassen? Die schmecken nicht so gut.“, sagte die Frau lächelnd.

„Halt den Sabbel, Dickie!“, sagte Miriam laut und wandte ihr den Rücken zu. So bemerkte sie nicht, wie das Lächeln aus dem Gesicht der Frau verschwand und diese verständnislos den Kopf schüttelte. Miriam holte sich eine Einkaufstüte aus dem Fach unter dem Fließband und legte sie zu den Flaschen, die sie schon auf selbigem standen. Nach dem sie bezahlt hatte, packte sie die beiden Sektflaschen in die Plastiktüte, drehte sich noch einmal zu „Dickie“, zeigte ihr den Mittelfinger und stolzierte hastig in Richtung des Ausgangs des Weserparks.

Als sie den Ausgang erreichte fing sie an zu rennen, um noch die Straßenbahn der Linie 1 zu kriegen, sie hasste es, an Haltestellen ihre wertvolle Zeit zu verschwenden.

Als Miriam etwa 25 Minuten später den Hausflur ihres Wohnhauses betrat, kam ihr die Nachbarin entgegen, die unter Miriam und ihrer Mutter wohnte. Miriam warf ihr im Vorbeigehen zu, dass es heute etwas lauter werden könnte, weil ihre Freundinnen zu Besuch kommen würden. Sie hatte nicht mehr mitbekommen, wie ihre Nachbarin leise vor sich hin nuschelte: „Ja, wie jeden Freitag...“.

In der Wohnung angekommen, stellte Miriam die Sektflaschen in den Kühlschrank und pfefferte die leere Plastiktüte in die

Spüle der für heutige Zeiten altmodisch eingerichteten Küche.

Dann hopste sie in ihr Schlafzimmer und zog sich hastig ihr Shirt aus und probierte das neue an.

„Für mich gemacht.“, flüsterte sie vor sich hin, während sie sich in ihrem großen Wandspiegel betrachtete.

Gegen 19:30 Uhr trafen die ersten zwei Freundinnen ein, Christina und Nicole, die eine Flasche Prosecco mitbrachten. Sie öffneten die zwei Flaschen Billigsekt, die ja schon eine Weile gekühlt waren und füllten die ersten Gläser. Während sich die Flaschen leerten trafen noch zwei weitere „Damen“ ein, Marta und Alex. Bei lauter Musik und noch lauterem Hühnchengegackere wurden alle Flaschen geleert und die Stunden vergingen.

Es war etwa 23:30 Uhr, als sie sich entschlossen, langsam in Richtung Modernes zu fahren. Miriam ging vom Wohnzimmer, wo alle Hühnchen versammelt waren, in ihr Schlafzimmer, um sich „hübsch“ zu machen. Sie zog ihre blaue Jeans, die sie schon den ganzen Tag trug, aus und streifte sich eine schwarze Leggins über, weil sie wusste, dass sie immer etwas fror, wenn sie nachts an der Haltestelle auf die Nachtlinien wartete. Über die Leggins zog sie einen Jeans-Minirock. Zu guter Letzt warf sie sich ihre neue Errungenschaft, das rosafarbene Top über und packte ihre weiße Lackhandtasche. Ein kleines Handspiegelchen, ein kleines Makeup-Etui, ihr Portmonee und ein Condom. Schon war ihre Tasche gepackt. Knapp 15 Minuten später befand sich der ganze Hühnerstall an der Haltestelle der Linie 1, die direkt in die Innenstadt fuhr. Am Bremen Hauptbahnhof mussten sie in die Straßenbahn der Linie 6 umsteigen. Die Linie 6 fuhr durch bis zum Bremer Flughafen. Aber soweit brauchten die „Damen“ gar nicht zu fahren. Sie stiegen 4 Haltestellen später, an der Wilhelm-Kaisen-Brücke, aus. Um zum Modernes zu gelangen, hätten sie auch noch eine Station weiterfahren können, aber sie wollten sich vorm Betreten der Diskothek noch etwas zu trinken, bei einem nahegelegenen Kiosk, besorgen. Jede der fünf „Damen“ kaufte sich einen Piccolo und eine Dose eines bekannten Energie-Drinks. Sie mixten selber. Sie tranken schnell.

Nach dem die „Vogelschar“ (Hühnchen sind auch Vögel) etwa eine dreiviertel Stunde in der Schlange am Eingang des Modernes verbrachten, versammelten sie sich endlich im Foyer der Diskothek. Sie machten Treffpunkt und Uhrzeit für den Rückweg aus und fingen an, sich in dem Gedränge der Diskothek zu verteilen. Christina, Alex und Nicole stürmten an die nächste Bar, es war die lange Theke, auf die man gleich zuging, nachdem man aus dem Foyer kam. Marta verschwand auf der Toilette und Miriam beschloss, erst einmal ordentlich zu tanzen. Sie tanzte geschlagene zehn Songs lang, bis sie merkte, dass sie schon sehr verschwitzt war. Sie hatte Durst. So beschloss sie, sich einen Weg zu einer der Bars im hinteren Teil der Disko zu bahnen um dort gemütlich etwas zu trinken. Trotz gewohnter Überfülltheit der Lokalität, fand Miriam einen freien Barhocker direkt an der Theke. Sie saß dort keine fünf Minuten und wollte sich gerade einen Vodka-Redbull beim dem vorbeihuschenden Barkeeper bestellen, als ihr ein großer, blonder, junger Mann ein Glas anbot. Sie nahm das Angebot an, nahm das Glas entgegen und roch kurz dran. Es war Vodka-Redbull, genau das was sie gern trinkt. Der Typ kam ihr nicht sonderlich attraktiv vor, aber Gratisgetränke von Stelzböcken, nimmt sie immer gerne an. Sie warf ihm einen aufreizenden Blick zu, um ihm grünes Licht zum Baggern zu geben. Sie bekam eine Zeit lang blöde Witze und Komplimente im Wechsel, bis er sie fragte ob sie für eine Weile in sein Auto wollten, er habe dort etwas Lustiges für die Beiden. „Oh“, dachte Miriam. Ein Stelzbock mit Drogen kam ihr jetzt sehr gelegen, da sie für solche Dinge selten Geld hatte. Sie willigte ein und kippte das Getränk noch hastig in sich hinein. Dann griff sie sich seine Hand und hüpfte vom Barhocker. Der „Stelzbock“ ging vor und schob jeden bei Seite, der gerade im Weg stand. So bahnte er den beiden den Weg frei. Vom hinteren Teil des Modernes bis zum Ausgang sind es etwa 50 Meter, so brauchten die Beiden schon gute zwanzig Minuten durch die Menge, bis sie am Ausgang angelangten.

Sie verließen die Diskothek und überquerten die schmale Straße, die direkt an der Lokalität vorbeiführte. Aus der anderen Straßenseite gingen sie über den dunklen Parkplatz bis sie an einem großen schwarzen Mercedes angelangt waren. „piüp piüp piüp“ klang es aus Richtung des Autos, als der „Stelzbock“ den Türöffner an seinem Schlüssel betätigte. Er führte sie zur Fahrertür und öffnete sie. Mit einer einladenden Handbewegung geleitete er Miriam auf den Sitz der Beifahrerseite. Er warf die Beifahrertür zu, huschte zur Fahrerseite und stieg selbst ein. Noch nicht ganz sitzend, schaltete er laute Schimpfe-Rapper-Musik ein. Das war eigentlich nicht im Geringsten Miriams Musikrichtung, aber das war ihr im Moment egal. Er lehnte sich halbwegs über ihren Schoß, als er zum Handschuhfach griff. Dabei machte das weiße edle Leder seines Sitzes ein leicht furzendes Geräusch. Er holte einen kleinen Handspiegel, ein poliertes metallenes Röhrchen und eine Tüte mit einem weißen Pulver aus dem Fach. „Herrlich, Speed oder Koks“, dachte Miriam sich im Stillen.

Er holte eine Plastikkarte aus seinem Portmonee, welches er sich zuvor noch aus seiner Gesäßtasche gefummelt hatte, schüttete etwas Pulver auf den Handspiegel, und fing an geübt das Pulverhäufchen zu zerhacken. Er fragte sie während er weiter hackte, wie sie eigentlich heißt.

„Miriam“ antwortete sie.

„Cooler Name“, sagte er. „Ich bin Phillip“, fügte er hinzu.

Dann formte er zwei Bahnen und reichte ihr das Spieglein und das Metallröhrchen herüber. Miriam nahm beides entgegen und zog sich ohne zu zögern eine der beiden Bahnen durch ihr rechtes Nasenloch ein. Während ihr Schniefen in der lauten Musik unterging, öffnete er sein Fenster. Als sie mit ihrer Bahn fertig war, reichte sie ihm den Spiegel und das Röhrchen zurück, ohne hinzusehen. Sie war bereits damit beschäftigt, sich nach hinten zu lehnen und den Sitz in Liegestellung zu bringen, um den Kick abzuwarten.

„Herrlich, Koks“, dachte sie.

Trotz der lauten Musik bemerkte sie eine ruckartige Bewegung auf der Fahrerseite.

„Aaaahh!“, hörte Miriam vom Fahrersitz, sie wollte sich gerade aufrichten und zu Phillip hinübersehen, als sich die Beifahrertür öffnete und sie einen harten Schlag im Gesicht verspürte. Während sie zusammensackte wurde sie am Kragen gepackt und aus dem Auto gezerrt. Sie vernahm noch schemenhaft, wie sie in den Kofferraum des Mercedes geworfen wurde. „Ich habe Platzangst.“, sagte sie benommen, als sie langsam das Bewusstsein verlor. Sie hörte noch, wie sich die Kofferraumhaube über ihr schloss, dann trat sie weg.

Das Rauschen im Hintergrund

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