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Am folgenden Tag sind wir bereits zum ersten Elternabend geladen. Ich bringe die Zeichnung der Schultüte mit und erklärte Frau Herzig die prekäre Situation. Sie soll ja nicht gleich denken, dass unsere Julia eine Schlamperliesl ist. Weil wenn man schon am Anfang so einen unguten Eindruck hinterlässt, dann hängt einem der am Ende ewig nach.

Als feinfühlige Pädagogin zeigt sie natürlich vollstes Verständnis. Die Zeichnung hängt nun bei den anderen Schultüten und ist auch von der letzten Schulbank aus betrachtet noch sehr plakativ.

Der Elternabend verläuft so weit ganz gemütlich, einige Leute kennt man bereits aus dem Kindergarten. Wir bekommen mitgeteilt, dass wir bitte unsere drei Schulbücher beschriften sollen. Zum Glück gibt es auch noch keine Ansage was man mit den Kindern alles so üben soll. Frau Herzig ist nämlich der Meinung, in den ersten beiden Schuljahren soll man die Kinder bitte komplett in Ruhe lassen und rein gar nichts zusätzlich üben, damit ihnen für die Dritte und Vierte genügend Kraft bliebe. Das käme alles noch früh genug mit dem Übertrittsstress, nicht dass den Kindern vorher schon die Lust an der Schule vergeht. Rasch werden noch die Elternsprecher gewählt, es finden sich zum Glück gleich zwei Freiwillige, die wahrscheinlich hoffen, als Elternsprecher hätte ihr Kind sicherlich irgendwelche Vorteile, vielleicht bekommt es sogar den Übertrittsschein gratis und man verabschiedet sich.

Eines Nachmittags sitze ich gemeinsam mit anderen Eltern im Eislaufstadion. Julia fährt nämlich im Eiskunstlaufverein. Nicht professionell, sondern rein hobbymäßig. Weil bei den Leistungssportlern muss man täglich stundenlang trainieren und sitzt Sommer wie Winter mit überehrgeizigen, vorwiegend russischen Müttern im Stadion. Natürlich holen die Russinnen oft die Goldmedaille, das kann man mit Bayern überhaupt nicht vergleichen. Dort herrschen ganz andere Prioritäten. Sport ist Karriere und die Schule läuft nebenher. Gerade der Eiskunstlaufsport wird ja heutzutage immer abartiger. Die Mädchen immer jünger, die Sprünge immer höher, die Pirouetten immer schwieriger, die Mütter immer stolzer und wofür? Da widmen die Kinder ihr komplettes Leben dieser einen Sache und sitzen bei der Olympiade weinend auf dem Bankerl, nur weil sie einmal verkanten oder womöglich vor der ganzen Welt auf dem Allerwertesten landen und folglich die Enttäuschung ihrer Eltern, des Präsidenten, ihres ganzen Landes und der Welt fürchtend. Hinfallen tut ja fast jede zweite bei der Kür wegen der Nerven, ich kann es gar nicht mit anschauen. Hinterher fließen dann die Tränen, weil es wieder mal zu wenig Punkte gab. Also sparen wir uns das gleich von vornherein und begnügen uns mit dem einstündigen Wochenprogramm. Für Bayern tuts das schon.

Neben mir sitzt ein vielbeschäftigter Vater. Seit einer halben Stunde sehe ich ihn aus dem Augenwinkel schwungvoll hantieren. Schick ist er nicht, also kann er schon mal kein Geschäftsmann sein, vielleicht ist er gar ein Autor, wenn er so viel schreibt, oder ein Lehrer, weil er nachmittags Zeit hat hier zu sitzen und nicht im Anzug daherkommt wie ein BWLer? Neugierig lure ich zu ihm hinüber und erkenne, dass er in einem Erstklass- Schreibübungsheft wie wild herumradiert und misslungene Buchstaben ausbessert. Das kann kein Lehrer sein, der würde mit dem Rotstift korrigieren, nicht mit dem Radierstift. Alles, was über die Linie hinausläuft, wird akribisch eliminiert.

So einen Radierstift benutzen eigentlich nur Künstler, aber auf die Idee bin selbst ich jetzt noch nicht gekommen, die ersten Schreibübungen meines Kindes damit in eine Reinzeichnung zu verwandeln. Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Der Mann fühlt sich gleich ermuntert und spricht mich an:

„Ja, das muss er schon ordentlich machen!“

Mit „er“ ist sein Sohn gemeint.

„Ja, ER aber doch nicht SIE!“, entgegne ich schmunzelnd.

Da erzählt er mir stolz, dass sie täglich gemeinsam überlegen, welche Gegenstände sie in sein Buchstabenheft zeichnen und dass er hinterher alles Korrektur liest. So ein Buchstabenheft geht von A bis Z und bei jedem Buchstaben zeichnet man diverse Begriffe, die mit dem jeweiligen Buchstaben beginnen. Also A wie Affe, man zeichnet einen Affen und verschiedene andere Dinge mit A und schreibt die Begriffe daneben. Auch hier radiert er drumherum und verbessert sogar die Rechtschreibung. Ich frage mich schon länger, jetzt sind die meinetwegen erst beim Buchstaben E angelangt, wie kann man dann in dem Stadium das Wort Ente selbständig schreiben, wenn die restlichen Buchstaben offiziell noch gar nicht dran waren?

Jetzt muss man erwähnen, dass die Kinder heutzutage ganz frei von Rechtschreibregeln die Freude am Schreiben entdecken sollen und wenn die Eltern da mitmischen und korrigieren, ist das negativ für das Selbstwertgefühl und man verdirbt denen den ganzen Spaß. So hat es uns die Frau Herzig jedenfalls erklärt, damit wir uns da ja nicht einmischen!

Ich sehe ihn jeden Mittwoch Nachmittag radieren, mit ernster Miene, äußerst konzentriert immer sehr beschäftigt mit den Hausaufgaben, während sein Sohn Pirouetten trainieren muss bis er speibt.

Keinesfalls möchte ich auch nur annähernd so sein wie dieser Herr im Stadion, daher halte ich mich weitgehend raus. Selbst als die Julia beim Buchstaben P eine scheinbar überdimensionale Weißwurst quer über die Doppelseite kritzelt.

„Ist das die lange Nase vom Papa?“ fragt meine Schwiegermutter wegen dem P.

„Nein, ein Penis!“

„Ach, weißt du denn überhaupt schon, was ein Penis ist?“

„Ja, den hat der Opa an der Mumu!“

Bin ich froh, dass die Julia ihre Hausaufgaben im Hort erledigt. Zwar stelle ich fest, dass die Hausis relativ schlampig sind und recht fehlerhaft, aber das wird schon werden. Komisch finde ich es schon, dass der Hort das so durchgehen lässt. Auch anderen Eltern fällt das auf. Man beschwert sich beim Elternabend der Einrichtung. Der Hort sei schließlich keine Privatschule und könne nicht mehr leisten, heißt es. Als ich meine Tochter eines Tages abhole und sie noch nicht mit den Hausaufgaben fertig ist, sehe ich eine Oma mit gebrochenem Deutsch in Julias Heft rumfuhrwerken, ähnlich dem Eislaufvater. Das musst du schreiben richtig, ich dir aufschreiben... und schreibt ihr die Lösungen vor. Was soll man da jetzt sagen, womöglich heißt es gleich man diskriminiert die gute Frau, die ehrenamtlich im Hort aushilft. Ergo schweige ich.

Ich denke mir bloß, oh mein Gott, das ist ja alles falsch, „für“ mit v, „und“ mit t, egal, das ist jetzt die neue Methode. Julia schreibt gerne und ist motiviert, das wird sich schon einpendeln, von Pädagogen entwickelt muss das letztendlich zu etwas führen.

Eines Tages bringt die Julia ihre Lernzielkontrollen nach Hause, so heißen die Tests in der Grundschule. Alle werden abgeheftet in einem Schnellhefter, damit auch ja keine verloren geht und den bekommen die Eltern dann vierteljährlich zu sehen. Nur was nützt es, wenn man mit dreimonatiger Verzögerung erfährt, dass die Rechtschreibung an Legasthenie grenzt.

Lauter Fehler im Diktat! Na klar, wenn man der Fantasie Monatelang freien Lauf lässt und keine Regeln lernt. Julia weint und ist frustriert. Wer hat sich denn den Schmarrn nur ausgedacht? Wochen später lese ich in der Zeitung, die neue Methode habe sich als erwiesener Schwachsinn entpuppt, wer ein Jahr lang „und“ mit t schreibt, bekomme das NIE wieder raus im Leben. Jetzt wird das wohl noch eine Weile dauern, bis die Mühlen der Bürokratie eine neue Methode entwickeln und etablieren. Spontan beschließe ich, das Ganze ab heute selbst in die Hand zu nehmen. Ab heute wird jede Woche ein Diktat geübt!

Wie ermutigt man jetzt ein Kind zum Diktat wenn die Lehrerin erlaubt, dass man schreiben darf wie einem der Sinn steht, außer natürlich in den Tests? Das ist jetzt die Aufgabe der Eltern. Hier ist man echt gefordert die Kurve hinzubekommen, ohne vor dem Kind die Methoden der Lehrerin in Frage zu stellen.

„Wir schreiben jetzt richtig, wie die Erwachsenen und spielen Sekretärin,“ schlage ich Julia vor.

„Blödes Spiel, hab‘ keine Lust.“

Dann eben lustlose Sekretärin, auf geht’s. Und so fingen wir an, jede Woche lustlose Sekretärin zu spielen. Ohne Wiederrede.

Die Qualität der Hausaufgaben im Hort bessert sich nicht, im Gegenteil.

„Aber das ist doch alles falsch, das kannst du doch!“

„Wenn die Kindergartenkinder schlafen, läuft nebenbei Musik oder eine Geschichte, da kann ich mich nicht konzentrieren, das ist so anstrengend“, klagt Julia.

„Wie bitte? Hausaufgaben mit Musik?“

„Ja, hab ich das noch nie erzählt?“

Was das Lesen betrifft, macht sie längere Zeit keine Anstalten. Sie möchte lieber Griechisch lernen, so wie ich. Das ist nämlich viel exklusiver, das kann nicht ein jeder, weil Deutsch liest ja bereits die halbe Klasse, zum Teil fließend. Das macht ihr dann natürlich keinen Spaß, wenn sie nicht mit vorne mit dabei ist. Ihre beste Freundin die Nelly beispielsweise liest, seit sie vier Jahre alt ist. Jetzt muss man dazu sagen, dass die Eltern von der Nelly ihr selten etwas vorgelesen haben, dadurch wollte sie unbedingt selber lesen können, quasi der Unabhängigkeit wegen und hat sich das einfach selbst beigebracht. So etwas scheint es zu geben. Überhaupt ist die Nelly in ihrer geistigen Entwicklung den anderen Kindern weit voraus, damit kann man sich als Normalsterblicher sowieso nicht vergleichen.

Julia schon und hat gleich gar keine Lust überhaupt ernsthaft anzufangen, weil so gut wie die Nelly das kann, schafft sie es ihrer Meinung nach sowieso nie.

„Das kommt schon noch,“ baue ich sie auf. Manche Kinder können Ende des ersten Schuljahres noch nicht richtig lesen.

Es kamen weitere Lernzielkontrollen und teilweise hat Julia da gar keine Antworten hingeschrieben, weil sie die Fragen noch nicht lesen konnte. Sie hatten offiziell ja auch noch nicht einmal alle Buchstaben durch.

„Wie sollen die Kinder die Fragen verstehen, wenn sie noch gar nicht lesen können müssen?“, wende ich mich an die Lehrerin.

„Wir sprechen das schon vorher mündlich durch,“ heißt es.

Nur weiß mein Kind natürlich nicht mehr auswendig, was es bei Frage eins hinschreiben soll, nachdem Frage zehn vorgelesen wurde.

Die 1b sei eine ganz besonders leistungsstarke Klasse, die sind alle so toll, sie kann als Lehrerin doppelt so schnell voranpreschen als sonst. Das einzige türkische Mädchen liest fließend und kann sogar schon die Schreibschrift.

Ja nur weil die alle ein halbes Jahr vorauslernen sind wir hier die Bummerl oder was? Man geht doch zur Schule, um dort Lesen und Schreiben zu lernen und nicht, damit man zeigen kann, dass man schon Lesen und Schreiben kann. Beim Elternabend hieß es noch, man brauche überhaupt nichts zu üben.

Dass ich halbe Perserin bin, geht zum Glück nicht aus meinem Namen hervor, sonst würden Sie die Julia glatt in den Kurs Förderdeutsch stecken. Endet der Familienname auf –vic, -owski oder noch Exotischeres und das Kind ist jetzt nicht mit der Nase ganz vorne im Lesen und Schreiben, muss beziehungsweise darf es Nachmittags mit Verdacht auf LRS – sprich Lese-Rechtschreib-Schwäche in den Deutschkurs für Förderkinder. Das sind die Kinder mit Migrationshintergrund, Legasthenie oder diejenigen, die nicht bereits im Kindergarten mit Lesen und Schreiben begonnen haben. Julia als Frühgeburt mit Migrationshintergrund bewegt sich daher auf sehr gefährlichem Pflaster.

Frau Herzig empfiehlt uns dennoch täglich 15 Minuten zu lesen. Das sei kein zusätzliches Üben, sondern eigentlich so selbstverständlich wie das Amen in der Kirche und fünf Minuten Kopfrechnen gleich noch dazu, weil beim Rechnen benutzt Julia noch immer die Finger. Ehrlich gesagt, ich benutze heute noch die Finger.

Wir beginnen zu üben, täglich die 20 Minuten Dosis, wie verordnet. Wir gehen zur Bücherei aber Julia zeigt noch recht wenig Begeisterung am Lesen. Sie liest aus Pflichtgefühl und ist froh, wenn die obligatorischen 15 Minuten vorbei sind.

Eines Tages schnappt sich Julia „Harry Potter und der Stein der Weisen“ und liest und liest und hört nicht mehr auf zu lesen. Ob Sie es glauben oder nicht, es soll sogar noch dazu kommen, dass ich ihr eines Tages das Buch aus der Hand reißen werde. Man liest ja eigentlich auch nicht um des Lesens Willen, sondern weil man erfahren möchte, wie die Geschichte endet, quasi pure Neugierde und was die Erstlesebücher betrifft sind die alles Andere als spannend. Das sind einfach keine richtigen Abenteuer, da gibt es Schulgeschichten, Ballettgeschichten, Piratengeschichten, Ponyhofgeschichten, Zaubergeschichten, Julia gähnt. Ob sie Harry Potter bereits versteht? Das ist mir eigentlich egal, Hauptsache sie hat lesen gelernt. Zumindest beim Film kommentiert sie andauernd: aber im Buch war das so und so und der hatte aber dies und jenes an. Was der Hannes rein erzieherisch zu all dem meint? Also rein schulisch meint der jetzt nicht so viel, da hält er sich fein raus.

Eine Leseprobe war der Hit. Da hatte Julia bereits meterweise Bücherstapel verschlungen, dann kam so ein Pipifaxtext und sie kreuzelt einen kompletten Unsinn an. Ach das war eine Probe? Das hat sie jetzt gar nicht mitbekommen.

„Kind, aber da steht die Antwort doch bereits in Zeile vier, hast du das denn nicht gelesen?“

„Ach so, das hätte man nachlesen dürfen? Im Text nachlesen, das ist ja geschummelt, das kann ja jeder.“

Manche Kinder sind so grundehrlich, die glauben, man müsse den Text überfliegen, ihn sich gleich auswendig merken, die Fragen zum Inhalt beantworten und dürfe da nicht mehr hinschauen.

Man muss fairerweise zugeben, dass die Frau Herzig ihre Schüler mit Lernzielkontrollen rein gar nicht stresst. Im Gegenteil, sie macht überhaupt keinen Druck. Die Julia merkte anfangs gar nicht, wenn ein Test geschrieben wurde, weil sie das Wort Lernzielkontrolle nicht lesen konnte. Sie dachte das sei ein Arbeitsblatt und je nach Laune hat sie es besser oder schlechter ausgefüllt. So kann gleich gar kein Schulstress oder Adrenalin aufkommen. Da geht es bei Frau Grantel in der Parallelklasse schon anders rund. Die schreiben jede Woche mindestens einen Test, die Kinder werden gedrillt und fit gemacht im Hinblick auf das, was da noch kommen wird. Das muss die reinste Bundeswehr sein, verglichen mit unserem Dasein. Anscheinend ist bei der 1a bereits jegliche Freude an der Schule dahin.

In Julias Klasse gibt es den Linus. Der ist so aufgeweckt, dem müsste man das Mundwerk extra erschlagen, wie meine Oma sagen würde. Der wäre ein prima Früchtchen für die Frau Grantel. Den könnte sie wunderbar zurechtstutzen aber nicht unsere Frau Herzig. Weil ihr Sohn als Kind auch recht aufgeweckt war, ist sie den lebhaften Schülern gegenüber sehr tolerant. Linus rennt laut plärrend durch die Klasse und stört permanent. In Mathe kritzelt er aus purer Langeweile irgendetwas aufs Papier, marschiert durchs Klassenzimmer und delegiert den andern Schülern, was sie zu schreiben haben. Er möchte außerdem gescheit rechnen, nicht nur bis 20, das kann er seit dem Kindergarten und vor allem richtig Lesen und Schreiben, nicht nur Silben wie in der „Mimi und Bibu“ Fibel. Eines Tages geht er einfach während des Unterrichts nach Hause mit der Begründung er hätte jetzt keinen Bock mehr. Da hat sich die Frau Herzig diplomatischerweise mit den Eltern geeinigt, dass der Bub besonders weit entwickelt, ja sogar hochbegabt ist. Er würde sich nur langweilen, weil er den kompletten Erstklass-Stoff bereits mehr oder weniger intus hat und man empfiehlt, ihn eine Klasse überspringen zu lassen. Die Eltern natürlich mächtig stolz, dass er nun gleich in die Zweite darf und Frau Herzig hatte wieder ihre wohlverdiente Ruhe. Die kann sich nämlich nicht mehr allzu sehr verausgaben, weil viel Energie hat so eine Lehrerin nicht mehr übrig die paar Jahre vor der Pensionierung.

Bei einer Matheprobe gilt es folgende Textaufgabe zu lösen: Der Papa geht mit seinen 2 Kindern in den Zoo, der Eintritt für einen Erwachsenen kostet 6 Euro, für ein Kind 3 Euro. Frage: Wie viel muss der Vater bezahlen? Als Antwort schreibt Julia: Es kostet 12 Euro. Falsch! Sie hätte schreiben müssen: Der Vater muss 12 Euro bezahlen und es gibt gleich Punktabzug. Ist das jetzt eine Deutschprobe oder ein Mathetest? Frau Herzig meint sie könne nichts dafür, das sei so vorgegeben vom Kultusministerium, daher sei es ganz wichtig, dass die Kinder das bereits jetzt üben. Ab der dritten Klasse stünden nämlich bei den Sachaufgaben die Fragen nicht mehr dabei. Die Kinder müssen sich die Fragen selbst dazu denken und zwar ganz akribisch formuliert.

Wie bitte? Textaufgaben ohne Fragen? Das kann ja heiter werden.

Als wir uns eines sommerlichen Nachmittages mit der Gerti am Flaucher – unserem Lieblingsplatz an der Isar – treffen, üben wir pflichtgemäß Frage-Antwort:

“Welche Farbe hat der Himmel?“

“Der Himmel ist blau.“

“Nicht ganz, überleg nochmal!“

“Die Farbe des Himmels ist blau.“

“Nah dran, weiter!“

Der Himmel hat die Farbe Blau. “

Bingo!

Frage: „...hat der Himmel?“

Antwort: „Der Himmel hat...!“

Einfach stur nach Schema, ohne einen Funken Kreativität bitte!

„Ist das jetzt für Deutsch oder Mathematik?“, fragt uns die Gerti interessiert.

Der Flaucher ist ein prima Badeplatz für Kinder. Da er genau in der Mitte zwischen Gertis Villa in Pullach und unserer Wohnung liegt, treffen wir uns dort im Sommer regelmäßig zum Baden. Hier verläuft die Isar nicht reißend, es wurden liebevoll Kiesel aufgeschüttet und verschiedene Planschbecken für die Kleinen geschaffen. Am anderen Ufer befindet sich ein FKK Strand, rechts der Isar laufen nur die Kinder nackt. So ganz Natur, das ist schon ein Gefühl von Freiheit, das man den Kleinen nicht vorenthalten darf.

„Da drüber ist der Kevin aus dem Hort! Der hat neulich die kleine Schwester von der Nelly gefragt, ob sie nicht Lust hätte, mit ihm auf das Mädchenklo zu gehen und seinen Pipi abzuschlecken, iiiiih, der ist so eklig!“, kichert die Julia. Gerti erbleicht unter ihrer schwerverdienten Rentnerbräune, ich denke hierbei kann es sich nur um ein Missverständnis handeln und versuche dem Auftritt hier in aller Öffentlichkeit nicht all zu viel Bedeutung zu schenken.

Die Geschichte macht allerdings bald die Runde. Ja die kleine Linda, aufgeklärt und nicht blöd habe dem Kevin selbstverständlich den Vogel gezeigt und selbstbewusst geantwortet, sie hätte auf so etwas natürlich keine Lust! Die Kindergartenleitung ist so ganz und gar nicht aus dem Häuschen, im Gegenteil, die Kleinen würden hier ein prima Sozialverhalten üben, indem sie auch einmal „nein“ sagen lernen.

Kurzentschlossen melde ich Julia aus dem Hort ab, sehr zu Nellys Leidwesen.

Pausenbrot und Tintentod

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