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Ein guter Designer werden

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Um die Vermittlung unserer Designentscheidungen zu verbessern, sollten wir uns einmal ansehen, was ein Design erfolgreich macht, denn das bestimmt, wie wir darüber kommunizieren. Lassen Sie uns die UX auf ihren Kern reduzieren. Wir müssen verstehen, was eine großartige Benutzererfahrung ausmacht, damit wir die zugrunde liegenden Überlegungen und Ansätze darstellen können.

Die Großen Drei

Lassen Sie uns also zurückkehren zur Frage: Was macht gutes Design aus? Man kann über die Antwort so lange diskutieren, wie man will: Wenn es um die Gestaltung der User Experience geht, ist ein Entwurf nur dann wirklich gut, wenn er ein Problem löst. Meistens versuchen wir, Unternehmensprobleme zu lösen oder ein Ziel zu erreichen, das dem Unternehmenswachstum dient. Wenn wir einem benutzerzentrierten Designansatz folgen, geht es aber nicht nur um die Unternehmensaufgaben, sondern auch darum, unsere Designs für die Menschen, die sie letztlich benutzen sollen, möglichst einfach bedienbar zu machen.

Dabei vergessen wir jedoch oft, dass es noch andere Personen gibt, die Einfluss auf unser Projekt haben. Es reicht nicht aus, einfach eine unglaublich gute App zu entwickeln, wir müssen uns auch die Unterstützung unseres Teams sichern. Ohne diese Unterstützung wird unser Projekt nicht vorankommen.

Der Unterschied zwischen einem guten Designer und einem hervorragenden Designer liegt in der Fähigkeit, ein Problem nicht nur zu lösen, sondern auch zu artikulieren, wie das Design es auf eine Weise löst, die überzeugend ist und eine breite Zustimmung erreicht.

Insgesamt gibt es aus meiner Sicht drei Dinge, die den Erfolg eines Designs ausmachen:

1 Es löst ein Problem.

2 Es lässt sich einfach benutzen.

3 Es wird von allen unterstützt.

Dies sind die Grundlagen für hervorragende UX, die ein Durchschnittsmensch (wie die Stakeholder) verstehen kann. Projekte, die scheitern, weisen meist in einem dieser Bereiche Defizite auf. Wenn alle drei Punkte erfüllt sind, wird Ihr Projekt erfolgreich sein.

Schauen wir uns diese drei Voraussetzungen genauer an.

Löse das Problem

In unserer Arbeit geht es vor allem darum, bestimmte Aufgaben zu lösen: Geschäftsziele zu erreichen, Engagement, Konversionen, Interaktionen, Feedback auszulösen. Wie auch immer die Problemstellung lautet – unsere Aufgabe ist es, eine Lösung zu finden und deren Erfolg zu messen. Aber wie können wir herausfinden, ob wir unsere Aufgabe erfüllt haben? Indem man sich vor und nach einer Veränderung die Metriken ansieht: Man verfolgt bestimmte Kennzahlen und überprüft, ob sie sich verbessern.

Hoffentlich haben Sie und Ihr Team diese Ziele, Metriken oder Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators, KPIs) für Ihr Projekt bereits festgelegt. Falls nicht, empfehle ich Ihnen, das selbst zu tun, damit es einen Maßstab gibt, den Sie in Ihren Gesprächen anlegen können. Projekte ohne solche Zielangaben werden mit Sicherheit nur vor sich hinvegetieren. Wenn man nichts in der Hand hat, an dem man seinen Erfolg messen kann, wie will man dann andere davon überzeugen, dass man mit den eigenen Einschätzungen richtigliegt? Ansonsten ist das Ganze lediglich eine Frage der Meinung, und subjektive Bewertungen werden das weitere Vorankommen erschweren. Wenn Ihr Team also noch keine messbaren Ziele etabliert hat, sollten Sie so schlau sein, jetzt selbst welche einzuführen. Finden Sie heraus, was die wichtigsten Faktoren für Ihre Stakeholder sind – Impressionen, Konversionen, Registrierungen neuer Nutzerkonten – und wählen Sie dann eine oder zwei messbare Größen aus, die Sie verbessern möchten, und halten Sie sie schriftlich fest. Setzen Sie sich Zielgrößen und nutzen Sie sie zu Ihrem Vorteil, wenn Sie mit anderen über das Projekt sprechen.

Obwohl wir als Designer sicherlich versiert darin sind, an solche Problemstellungen mit kreativen Lösungen heranzugehen, sind wir uns über unsere eigenen Denkprozesse nicht immer ausreichend genug im Klaren, um anderen Menschen zu vermitteln, warum wir bestimmte Dinge auf eine bestimmte Weise getan haben. Bei unseren Lösungen kommt Intuition ins Spiel, und das ist es, was uns zu guten Designern macht: Wir wissen, wie wir bestimmte Probleme gestalterisch lösen können. Wir erkennen Lösungen oft fast von selbst, ohne viel darüber nachzudenken. Ein anderes Mal kommen wir vielleicht nur durch zähes Ausprobieren zu einem Ergebnis. Und unabhängig davon, welchen dieser Wege wir beschreiten, nehmen wir im Laufe der Zeit Änderungen vor und verwandeln unsere Ideen in etwas, das letztlich einen Mehrwert bietet. Es ist jedoch gar nicht so einfach, herauszufinden, was diese Intuition eigentlich antreibt. Wieso fühlt sich etwas »richtig« an? Und wie können wir anderen Personen unsere Sichtweise vermitteln? Auf welche Weise führt eine bestimmte Kombination von kleinen Schritten zur richtigen Lösung? Unsere praktische Erfahrung darin, Problemstellungen durch Design zu lösen, muss von einer Bewusstheit begleitet werden, die uns hilft, anderen Menschen unsere Entscheidungen zu erklären.

Wenn Sie an einem Entwurf arbeiten, müssen Sie sich jede Entscheidung, die Sie treffen, bewusst machen und verstehen, warum Sie sie treffen. Sie müssen sich ständig fragen: »Welches Problem versuche ich damit zu lösen?« In Kapitel 7 werde ich einige der Methoden beschreiben, die ich selbst am häufigsten zur Beschreibung meiner Lösungen verwende. Für den Moment sollten Sie sich einfach darüber im Klaren sein, dass Sie sich aller Änderungen, die Sie vornehmen, aller neuen Dinge, die Sie hinzufügen, und aller Umstellungen, die auf dem Weg zur passenden Schnittstelle nötig sind, bewusst sein müssen. Diese zuerst noch unbewussten Entscheidungen sind der Schlüssel, um anderen Menschen Ihre Entwürfe zu erklären und sicherzustellen, dass Ihre Perspektive als Experte im Mittelpunkt des endgültigen Entscheidungsprozesses steht.

Am besten ist es, all das aufzuschreiben. Es hat etwas, Ihre unbewussten Gedanken in eine greifbarere Form zu bringen, sodass Sie sich später an alle Einzelschritte erinnern können. Da Sie messbare Aufgaben zu bewältigen haben, beschreiben Sie sie und die gefundenen Lösungen. Tun Sie alles, was nötig ist, um Ihren eigenen Gedankengang zu dokumentieren.

Ich bin ein Listenersteller: Ich liebe es, Listen zu führen und sie über alle meine Geräte hinweg zu synchronisieren. Manche Menschen ziehen es vor, alles auf Papier zu erfassen und ihre Hand zu benutzen, um ihre Gedanken mit der physischen Welt zu verbinden. Sie können sich einfache Notizen machen oder komplexe Skizzen anfertigen. Bringen Sie Ihre Lösungen zu Papier oder zeichnen Sie ein Storyboard, das die Vorher-nachher-Effekte Ihrer Entwürfe zeigt. Die Methode, mit der Sie Ihre Antworten notieren, spielt letztlich keine Rolle. Es geht darum, dass Sie konkret über Ihre Entscheidungen nachdenken.

Hier sind ein paar Beispiele aus meiner eigenen Arbeit:

Problem Lösungsvorschlag
Die Benutzer bemerken nicht, dass bei einer Änderung der Filtereinstellungen die Ergebnisliste aktualisiert wird, da dies sofort geschieht. • Den Zähler, der die Anzahl der Listenelemente anzeigt, näher an die Filter verschieben, damit der Benutzer die Änderung der Anzahl sehen kann. • Wenn der Benutzer eine Checkbox aktiviert, kurz einen Lade-Spinner anzeigen. • Hinzufügen einer Schaltfläche »Fertig«, die das Bedienfeld schließt, sodass der Benutzer das Gefühl bekommt, eine Aufgabe abgeschlossen zu haben.
Benutzer gehen von der Marketing-Landingpage nicht zu den nächsten Schritten über. • Überschrift und Hero-Image nach links verschieben, um auf der rechten Seite Platz für den Call-to-Action (CTA) zu schaffen. • Die Farbe des CTA auf Rot ändern; den Werbetext ändern. • Hintergrundbild entfernen, zu ablenkend. • Die »Nächste Schritte«-Liste so positionieren, dass sie über den Fold hinausreicht, damit der Nutzer veranlasst wird, zum zweiten CTA zu scrollen.
Benutzer legen in der Listenansicht »Suchergebnisse« keine Produkte in den Warenkorb. Anzahl der Aktionen reduzieren, die erforderlich sind, um einen Artikel aus der Suche in den Warenkorb zu legen. Hinzufügen mit Tippgeste oder einem Tastendruck: • Tippt oder klickt man auf »In den Warenkorb«, wird der Artikel zunächst automatisch dort hinzugefügt, ohne dass man eine Menge oder andere Informationen angeben muss. • Beim Berühren ändert sich die Schaltfläche in eine Menge mit dem Anfangswert 1. Der Benutzer kann die Menge nach Bedarf erhöhen. • Die zweite Bestätigungsschaltfläche »In den Warenkorb« weglassen. • Animierte Meldungen einbauen, um anzuzeigen, dass das Element hinzugefügt wurde. • »Weiter zur Kasse«-Call-to-Action einfügen unterhalb der Meldungen. • Bei Elementen mit Optionen, wie z. B. Farbe oder Größe, wird automatisch ein Standardwert gesetzt, aber dem Benutzer wird die Möglichkeit gegeben, diesen innerhalb der Ansicht zu ändern.

Es mag auch sinnvoll sein, Ihre Entwürfe nur mit Worten zu beschreiben. An unserer Arbeit ist so vieles rein visuell, dass es schwierig sein kann, sich vorzustellen, wie das in einer Welt ohne Bilder »klingt«. Warum sollten wir – da unser Endziel darin besteht, anderen Menschen davon zu erzählen – nicht versuchen, jedes Detail sprachlich so zu formulieren, dass jemand, der es nicht selbst sehen kann, dennoch ein Bild vor Augen hat? Wie würden Sie jemandem am Telefon Ihre Entwürfe erklären? Oder per E-Mail? Wenn Sie Ihre Arbeit in dieser Form beschreiben, werden Sie auch Beweggründe entdecken, die Ihnen bisher noch gar nicht bewusst waren. Diese Übung soll Ihnen dabei helfen, Ihren eigenen Denkprozess aufzudecken und Ihre Entscheidungen zunächst sich selbst zu erklären. Sie ist nicht als Ersatz für die visuelle Präsentation Ihrer Entwürfe gedacht.

Hier ein Beispiel aus einem meiner eigenen Projekte:

Die Listenansicht ist standardmäßig alphabetisch nach Ländern sortiert. Das Standard-Sortiermenü ist oben rechts zu erreichen. Jedes Element der Liste besitzt genau die richtige Höhe, die ein mobiles Touch-Target haben muss. Die Flagge des jeweiligen Landes wird auf der linken Seite des Eintrags angezeigt. Wir glauben, dass Nutzer die Einträge so besser erfassen können. Neben der Flagge steht in fetter Schrift der Name des Landes und direkt darunter, in kleinerer grauer Schrift, eine kurze Beschreibung des Projekts. Ein kurzer Verweis auf den Titel des Berichts. Ganz rechts von diesen Bedienelementen befinden sich zwei Dinge: 1. eine Zusammenfassung der Daten für den Berichtstyp, den der Benutzer ausgewählt hat. Es wird zum Beispiel der Prozentsatz angezeigt, etwa 34 Prozent für die Infektionsrate, oder die Summe in Kurzschreibweise wie 1,5 m. 2. ein Pfeil als Hinweis, dass es »rechts« weitere Inhalte gibt, wenn der Benutzer auf dieses Element tippt. Durch die Flagge kann der Benutzer schnell das richtige Land finden, und der kurze Datenausschnitt soll bei der Entscheidung helfen, ob er per Tippgeste den detaillierteren Bericht aufrufen will. Mit diesem Design sollte der Benutzer in der Lage sein, die Liste schnell zu durchsuchen, um den passenden Bericht zu finden.

Eine solche Verschriftlichung muss nicht lang sein und sollte auch nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Es ist keine sinnlose Beschäftigungstherapie. Tun Sie alles, was Ihnen hilft, Ihre eigenen Überlegungen besser kennenzulernen. Wenn Sie sich zum Beispiel dabei ertappen, dass Sie Ihre Entwürfe mit denen einer anderen beliebten Plattform vergleichen, ist das ein Zeichen dafür, dass es bei Ihrer Entscheidung darum ging, ein Problem zu lösen, das die andere Plattform möglicherweise bereits adressiert hat. »Wenn Sie auf die Schaltfläche tippen, wird der nächste Satz an Ergebnissen auf die gleiche Weise wie bei SocialAppXY geladen.« Es ist in Ordnung, Entscheidungen auf Basis einer anderen App zu treffen, aber es ist nicht immer das beste Argument. Es erlaubt Ihnen aber, eine Reihe neuer Fragen zu stellen, um Ihrem eigenen Denken auf den Grund zu gehen: Warum wird das in SocialAppXY so gemacht? Ist unser Kontext ähnlich genug? Hat SocialAppXY irgendwelche Daten dazu erhoben? Wurde diese Wahl absichtlich getroffen? Jedes Mal, wenn Sie in der Lage sind, Ihre Entwürfe zu beschreiben, decken Sie einen Teil Ihres Denkprozesses auf, was Ihnen dabei helfen kann, erfolgreicher darüber zu sprechen.

Sie müssen diese Notizen nicht mit Ihren Kunden oder Stakeholdern teilen. Vielleicht werden sie nie das Licht der Öffentlichkeit sehen, und das ist auch in Ordnung. Im Moment geht es mehr darum, das Bewusstmachen zu üben, als um die Kommunikation mit anderen. Entscheidend ist, dass das Schreiben über den eigenen Schaffensprozess Ihrem Gehirn dabei hilft, Verbindungen herzustellen zwischen dem Problem, an dem Sie arbeiten, und der Art und Weise, in der Ihre Entwürfe es lösen. Je stärker Sie solche Vernetzungen ausbilden, desto besser sind Sie darauf vorbereitet, mit anderen über diese Themen zu sprechen. Ziel ist es, einen für Sie geeigneten Weg zu finden, Ihren Gedankenprozess in etwas Reales, Teilbares und Sichtbares zu verwandeln, um die passenden Worte zu finden, damit Sie sich anderen Menschen auf eine verständliche und sinnvolle Weise erklären können.

Mach es einfach

Wenn wir einen anwenderzentrierten Designansatz verfolgen, müssen wir natürlich etwas entwerfen, das sich einfach benutzen lässt. Obwohl wir wissen, dass beim Design Benutzerfreundlichkeit die zentrale Herausforderung darstellt, ist es nicht immer leicht, das anderen Menschen nahezubringen. Ich gehe natürlich davon aus, dass Sie wissen, worum es bei Usability geht. Schließlich will ich Ihnen keine Ratschläge dazu geben, wie Sie Ihre Oberflächen benutzerfreundlich(er) gestalten können, sondern möchte Ihnen helfen, Ihren eigenen Ansatz, was Benutzerfreundlichkeit angeht, zu durchdenken, damit Sie ihn anderen Menschen besser vermitteln können.

Genauso wie bei anderen Problemen, die Sie in Ihrem Leben gelöst haben und bei denen Sie sich Ihre Entscheidungen bewusst gemacht haben, müssen Sie das auch hier tun. Fragen Sie sich bei jedem Schritt des Prozesses, bei jeder Entscheidung, die Sie treffen: »Wie wirkt sich das auf den Benutzer aus?« Die Schwierigkeit bei der Beantwortung dieser Frage liegt darin, dass wir oft einfach nicht wissen, wie sich unsere Entscheidungen auf die Benutzer auswirken werden. Wir können nur Vermutungen anstellen, ausprobieren und Schlüsse aus dem ziehen, was wir beobachten. Wie im vorherigen Abschnitt gilt: Schreiben Sie es auf. Sie müssen diese Frage zuerst für sich selbst beantworten können, damit Sie darauf vorbereitet sind, diese Antwort auch den Projektbeteiligten zu geben.

Will ich festhalten, wie sich meine Entwürfe auf die Benutzer auswirken, schreibe ich eine User Story, die entweder auf einer von mir beobachteten Session mit Usern oder lose auf dem allgemeinen Anwendungsfall basiert. Hier einige Beispiele:

Designänderungen Wie sie sich auf die Nutzer auswirken
Zwei sehr ähnliche Schaltflächen für »Anmelden« und »Registrieren« nebeneinander anzuzeigen, ist für manche Benutzer verwirrend. Wir haben beobachtet, dass Benutzer bei der Entscheidung, welche Schaltfläche sie wählen sollen, zögern, weil sich diese so ähneln. Da »Registrieren« in diesem Zusammenhang am häufigsten gewählt wird, habe ich dieser Schaltfläche die volle Breite des Containers gegeben und die Schaltfläche »Anmelden« in einen Textlink geändert. Das sollte neuen Benutzern die Registrierung erleichtern, während für bestehende Benutzer weiterhin ein einfaches Log-in möglich ist. Die meisten bereits registrierten Benutzer werden direkt auf ihre Kontoseite geführt, da sie automatisch eingeloggt werden. Dies sollte die Verwirrung verringern und die Konversionsrate erhöhen.
In der Feldforschung brauchen Wissenschaftler schnellen Zugriff auf ihre Daten, ohne langwierig durch die App navigieren zu müssen. Anstatt das Hero-Image am oberen Rand des Startbildschirms anzuzeigen, verschieben wir es zugunsten einer darüber angezeigten Liste »Letzte Projekte« weiter nach unten. Auf diese Weise stehen ihnen die Berichte leichter zur Verfügung – und genau dazu wird die App in erster Linie genutzt, nachdem auf die Projekte zugegriffen wurde.

Vereinfacht gesagt, geht es bei Usability um zwei Dinge: gesunden Menschenverstand und Nutzerforschung. Wenn Sie mit einem Projekt beginnen, gibt es meist noch keine Daten oder Beobachtungsergebnisse. Sie haben also gar keine andere Wahl, als Vermutungen darüber anzustellen, was für den Benutzer am besten funktionieren wird. Als Usability-Experte kennen Sie sich mit der Gestaltung von Benutzeroberflächen aus, sodass Sie fundierte Annahmen dazu treffen können, was Ihrer Meinung nach eine möglichst einfache Nutzererfahrung gewährleistet. Hier kommt der gesunde Menschenverstand ins Spiel. Es gibt wirklich keinen Grund, zu viel darüber nachzudenken. Erstellen Sie die einfachste Lösung, die Sie sich vorstellen können. Tun Sie, was Sie für sinnvoll halten, und machen Sie von da aus weiter.

Das, was Sie für sinnvoll halten, und das, was ein Anwender tut, sind natürlich oft zwei Paar Schuhe. Deshalb gibt es Nutzerforschung. Nachdem wir einige fundierte Überlegungen angestellt haben, müssen wir unsere Ideen mit echten Menschen testen. Nutzerforschung kann viele Formen annehmen, aber die am häufigsten genutzten Werkzeuge sind entweder Datenanalysen oder Usability-Studien. Wir werden in Kapitel 6 genauer darauf eingehen. Ich möchte hier nur schon darauf hinweisen, dass die Herausforderung bei Analytikdaten darin besteht, dass sie uns nur sagen, was die Benutzer getan haben. Sie können uns nicht sagen, warum sie es getan haben. Wie sich Ihre Entscheidungen auf die Anwender auswirken, können Sie nur herausfinden, indem Sie sie beobachten. Treffen Sie also die bestmöglichen Annahmen aufgrund der vorliegenden Daten (soweit es welche gibt), aber testen Sie Ihre Entwürfe dann mit echten Menschen, und zeichnen Sie Ihre Beobachtungen auf. Die Ergebnisse werden Sie vielleicht überraschen, aber Sie werden viel besser dafür gewappnet sein, Ihre Entscheidungen zu verteidigen.

Unterstützung bekommen

Es reicht allerdings nicht, alle Aufgaben zu lösen und unsere App benutzerfreundlich zu gestalten. Wenn uns die Stakeholder nicht unterstützen, werden wir nicht weiterkommen. Sie können das innovativste Design der Welt entwickeln, aber wenn niemand in Ihrem Projektteam versteht, was Sie da eigentlich tun, wird Ihr Entwurf am Ende nicht umgesetzt.

Was passiert, wenn Sie keine Unterstützung finden? Sie werden die ewig gleichen Gespräche wieder und wieder führen müssen. Wenn sich die Projektbeteiligten nicht daran erinnern, warum Sie bestimmte Dinge auf eine ganz bestimmte Weise angegangen sind (weil Ihre Erklärung nicht überzeugend oder einprägsam genug war), werden sie eine bereits gestellte Frage beim nächsten Treffen erneut zur Sprache bringen. »Also, warum genau hatten wir uns darauf geeinigt, das so und nicht anders zu machen?« Wenn die Menschen nicht von Ihren Lösungen überzeugt sind, werden sie immer wieder über Alternativen nachdenken. Der Projektumfang wird mit der Zeit anwachsen, weil irgendjemand vorschlägt, noch etwas hinzuzufügen: hier ein einfaches Steuerelement, dort eine weitere Schaltfläche, hier ein zusätzliches Menü. Als Ergebnis werden Sie in Ihrer Arbeit gebremst, weil Sie sich durch die dauernde Beschäftigung mit diesen ganzen Vorschlägen verzetteln. Am Ende müssen Sie vielleicht ein Produkt mit suboptimaler UX ausliefern, nur weil Sie die Beteiligten nicht für Ihre Lösung gewinnen konnten.

Die Unterstützung aller Mitglieder Ihres Teams zu erhalten – darauf liegt das Hauptaugenmerk dieses Buchs. Wir werden nicht weit kommen, wenn wir uns nicht darauf einigen können, gemeinsam in die richtige Richtung zu gehen. Darum geht es bei der Einwerbung von Unterstützung: Menschen davon zu überzeugen, uns die Lösung anzuvertrauen. Sie müssen ein Umfeld schaffen, in dem alle genau verstehen, was Sie tun, an Ihre Kompetenz glauben und Ihre Entscheidungen unterstützen, damit sich keine Hemmnisse ergeben.

Ich verwende absichtlich das Wort »Unterstützung« und nicht etwa »Zustimmung« oder »Einverständnis«. Wir werden niemals alle dazu bringen können, sich auf eine bestimmte Lösung zu einigen. Um Zustimmung geht es auch nicht, denn sie impliziert ein gewisses Maß an Konsens. Das ist nicht das, wonach wir suchen. Wir suchen Unterstützung – für uns, unser Fachwissen, unsere Lösungen oder unseren Plan für das weitere Vorgehen. Es ist möglich, die Unterstützung aller Projektbeteiligten zu bekommen, auch wenn sie mit unserer Lösung nicht einverstanden sind. Genau genommen suchen wir nach einer Einigung, im Projekt voranzukommen, nicht nach einer Einigung auf eine Lösung. Vorwärtsdynamik ist das Ziel, nicht Konsens. Wir brauchen schlicht die Unterstützung der Stakeholder.

Und um diese nötige Unterstützung zu erhalten, müssen wir unsere Entwürfe genau zu verstehen lernen, indem wir uns fragen: »Warum ist unsere Lösung besser als die Alternative?« Diese Frage impliziert, dass wir die Alternativen kennen, sie in Betracht gezogen oder sogar ausprobiert haben und bereit sind, zu erklären, warum unsere Lösung besser ist.

Alles, was wir entwerfen, kann man auch anders machen. Bei jedem Entwurf, den wir erstellen, gibt es eine alternative – oft gegensätzliche – Möglichkeit, die gleiche Problemstellung zu lösen. Genau deshalb gibt es Meinungsverschiedenheiten über die zu wählenden Lösungen. Es ist das zentrale Problem bei der Vermittlung und Begründung von Designentscheidungen. Als Designer sind wir sehr gut darin, Lösungen für ein Problem zu finden, aber weniger geschickt darin, alle Lösungen zu erkennen. Sobald wir glauben, die richtige Lösung gefunden haben, werden wir kurzsichtig.

Heureka! Unsere Lösung ist so einleuchtend, warum noch Zeit mit der Überprüfung anderer Ansätze verschwenden? (Schließlich haben wir einen engen Zeitplan und müssen dem Kunden schon bald etwas präsentieren.) Doch diese Einstellung führt fast immer zu einem Gespräch, auf das wir nicht gut vorbereitet sind, weil der Kunde eine alternative Idee vorschlägt, die wir nicht bedacht hatten.

Paradoxerweise haben wir uns meist gedanklich durchaus mit einigen der Alternativen beschäftigt. Wahrscheinlich haben wir sie ausprobiert, Dinge umgestellt und sind schließlich bei der Lösung gelandet, die wir für die beste halten. Aber all diese kleinen Veränderungen und Versuche haben wir uns nicht ausreichend bewusst gemacht, um darauf vorbereitet zu sein, anderen Menschen unseren Designprozess verständlich zu machen. Oft wissen wir auch im Voraus, was unsere Kunden vorschlagen werden. Wenn Sie schon einmal mit den beteiligten Stakeholdern gearbeitet haben, können Sie ziemlich gut einschätzen, wie sie reagieren werden (darauf kommen wir ausführlich in Kapitel 3 zurück). Wenn Sie jedoch schon erahnen können, wie die Stakeholder reagieren werden, sich aber mit diesen Alternativen nicht wenigstens insoweit beschäftigt haben, dass Sie erklären können, warum Ihre Lösung besser ist, werden Sie es schwer haben, andere zu überzeugen.

Der entscheidende Punkt ist und bleibt: Machen Sie sich bewusst, warum Ihre Designentscheidungen besser sind als die möglichen Alternativen. Wie bei den beiden vorherigen Fragen sollten Sie Ihre Antworten aufschreiben. Machen Sie eine Liste der alternativen Lösungen der gestellten Aufgabe. Erstellen Sie eine Reihe alternativer Entwürfe, die Sie in der Hinterhand behalten und zücken, wenn Sie sie brauchen. Notieren Sie zu diesen Alternativen in einer kurzen Liste die Gründe dafür, dass dadurch das Problem nicht so gut gelöst wird wie durch den von Ihnen vorgeschlagenen Entwurf. Dieses kritische Nachdenken über die anderen Optionen wird Sie darauf vorbereiten, Ihre Entscheidungen mit anderen Menschen zu diskutieren.

Manchmal erstelle ich neben meinem eigenen Entwurf sehr einfache Wireframes der Alternativen. Wenn der Kunde beginnt, Fragen zu meiner vorgeschlagenen Lösung zu stellen, kann ich diese schnell vorzeigen und die Unterschiede visuell demonstrieren.


Mach es möglich

Wenn wir erfolgreich mit Menschen über unsere Designs kommunizieren wollen, müssen wir in der Lage sein, diese drei Fragen zu unserer Arbeit zu beantworten:

1 Welche Aufgabe wird damit gelöst?

2 Wie wirkt es sich auf den Anwender aus?

3 Warum ist unsere Lösung besser als die Alternativen?

Diese Fragen zu beantworten, dient als Übung, die Ihnen helfen soll, Ihre Wahlmöglichkeiten zu verstehen. Kümmern Sie sich dabei nicht zu sehr um Details. Wenn Sie diese drei Fragen beantworten können, sind Sie auf dem besten Weg, Ihre Entscheidungen gegenüber den Personen verteidigen zu können, die Einfluss auf Ihr Projekt haben. Ihre Antworten bilden die Grundlage für Ihre Entgegnungen auf alle Bedenken der Projektbeteiligten bezüglich Ihrer Entwürfe.

Ihre Fähigkeit, sich über eine Aufgabenstellung Gedanken zu machen und dafür eine Lösung zu finden, die Sie begründen und vermitteln können, ist wichtiger, als jedes Mal die perfekte Lösung zu entwerfen. Wenn andere Menschen erkennen, dass Sie sich intensiv mit einer Aufgabe beschäftigt haben und bewusst handeln, sind sie eher bereit, Ihnen zu vertrauen, selbst wenn sie anderer Meinung sind. So werden Sie ein wirklich guter Designer: indem Sie Ihre Entwürfe anderen Menschen auf eine verständliche Weise nahebringen und vermitteln.

Es dreht sich also genauso sehr um Kommunikations- wie um Designfähigkeiten. Sie müssen Ihre Entscheidungen verstehen und sie dann jemandem gegenüber artikulieren, der sich mit Design nicht so gut auskennt wie Sie. Verwenden Sie die in diesem Kapitel vorgestellten Fragen als Leitfaden, um Ihre Designentscheidungen besser zu erklären und andere davon zu überzeugen, dass Sie richtigliegen und die bestmögliche Erfahrung für die Benutzer bieten können.

Auch wenn sehr deutlich ist, wie uns effektive und überzeugende Kommunikation erfolgreicher sein lässt, ist die Umsetzung in der Praxis doch nicht ganz ohne. Dabei geht es um mehr als nur darum, die richtigen Dinge zu sagen. Nichts davon, was wir sagen, wird irgendeine Wirkung haben, wenn wir uns nicht zuvor auf unser Publikum eingestellt haben. Jetzt, da wir die Bedeutung der Kommunikation im Design erkannt haben, können wir den nächsten Schritt auf dem Weg zum hervorragenden Designer machen: Wir werden beginnen, die Dinge aus der Perspektive der Stakeholder zu sehen.


UX-Design überzeugend vermitteln

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