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Vorwort

Am Morgen des 13. Dezember 1981 wachte Polen - mein Heimatland - in einer bestürzenden Realität auf. Wenige Stunden zuvor, um Mitternacht, hatte die kommunistische Regierung die Nation mit der Ausrufung des Ausnahmezustandes überrascht. Gespenstische Fernsehsprecher in Polizeiuniformen grüßten die fassungslosen Zuschauer mit Androhungen von langen Gefängnisstrafen und sogar dem Tod für all jene, die es wagen sollten, den neuen Militärgesetze Widerstand entgegenzusetzen. Die einfachsten Grundrechte unserer Landsleute wurden außer Kraft gesetzt. Die Regierung hatte vor, die „Bewegung Solidarität“ zu vernichten und so das Land wieder in eine sowjetische Umlaufbahn zu befördern.

Trotz der bedrohlichen Nachrichten, die in allen staatlichen Massenmedien auftauchten, gingen am nächsten Tag Tausende auf die Straßen, um gegen das rigorose Durchgreifen der Kommunisten zu protestieren. Fabriken schlossen ihre Tore und Studenten besetzten die Universitäten. Als wir uns in Danzig (Gdansk), meiner Heimatstadt und der Geburtsstätte der „Solidarität“, mit der berühmt-berüchtigten Bereitschaftspolizei „Zomo“ Straßenschlachten lieferten, hatten wir - vielleicht etwas naiv - die Hoffnung, daß unsere frisch erworbene Freiheit siegen könnte.

Zehn Tage später rollten Panzer in die Danziger Leninwerft, die letzte Festung der Protestierer. Die paar hundert Arbeiter, die das Werk noch besetzt hielten, wurden zusammengetrieben, geschlagen und verhaftet. Eine Handvoll Studenten, meine Freunde, die sich innerhalb des Werksgeländes verbarrikadiert hatten, teilten das Schicksal der Arbeiter. Die Regierung verkündete triumphierend, daß die anti-sozialistischen Elemente ausgemerzt worden seien und somit die „Gewerkschaft Solidarität“ - die Wiege des Imperialismus - abgeschafft sei. Eine dunkle Wolke zog sich über Polen zusammen und wir sahen wie sich unsere Träume in Nichts auflösten.

Wenn ich heute auf diese Tage zurückblicke, so erinnere ich mich an die Gefühle der Frustration und des Zorns, die die meisten von uns in Polen hatten. Für unsere Gruppe von Freunden in Danzig sollte aber die bittere Stimmung des Landes bald einer freundlicheren Denkweise weichen. Die trostlose und unruhige Realität mit der wir konfrontiert waren, löste eine gründliche Selbstbeobachtung und die Suche nach bleibenden Werten aus. Anfänglich noch scheu, streckten wir unsere Hände nach einer uralten östlichen Philosophie aus. Sechs Monate Ausnahmezustand später - als ob er auf unser neu gefundenes spirituelles Interesse antworten wollte - erreichte ein buddhistischer Lama unsere aufrührerische Stadt. Für uns ergab sich damals in dem abgeschotteten Land eine einmalige Gelegenheit. Uns war bewußt, daß das kommunistische Polen nicht gerade der ideale Nährboden für religiöse Lehrer war und so eilten wir zur Akademie der Künste um den buddhistischen Meister Ole Nydahl zu treffen.

Der athletische Däne der auf die Bühne sprang und den paar hundert Zuschauern ein breites Lächeln zuwarf zerstreute sogleich jedermanns Vorstellung von einem Guru. Er riß Witze, machte sich über die verachtete Obrigkeit lustig und - nicht im geringsten von den Geheimpolizisten eingeschüchtert, die sich unter die Menge gemischt hatten - ließ keinen Zweifel aufkommen, was er über die kommunistische Diktatur dachte. Sofort sahen meine Freunde und ich jemanden, mit dem wir uns identifizieren konnten. Aber als der westliche Lama zum Kern seines Vortrages kam, wurde sein persönliches Erscheinungsbild noch hundertfach von seiner Botschaft übertroffen. Die Logik, Klarheit und Weisheit des Buddhismus beeindruckte uns zutiefst. Hier wurde uns ein einzigartiges Werkzeug angeboten, um das Leben zu meistern, ein System, das die Störungen des Bewußtseins in Vollkommenheit umwandelte. Und was noch wichtiger war, wir konnten jeden Aspekt unserer Aktivität in das Streben nach Befreiung und Erleuchtung mit einbeziehen. Nun konnten wir das Unrecht bekämpfen, ohne dabei die Unterdrücker hassen zu müssen. Der Lama betonte, daß man seinen Alltag meistern kann, wenn man frei von den blendenden Emotionen ist, „die verhindern, daß wir sehen was wirklich da ist“. Völlig überzeugt nahmen wir den Buddhismus wie enthusiastische Idealisten an, die einen noblen Kampf verloren hatten, nur um statt dessen eine andere wertvolle Aufgabe zu finden.

Dies war der Beginn meiner spirituellen Reise, die mich an der Seite von Lama Ole auf die vielbevölkerten Wege mehrerer Kontinente bringen sollte. Ich begleitete Ole und seine Frau Hannah auf ihrer Odyssee, den tibetischen Buddhismus in die moderne Welt zu bringen. Es war eine faszinierende Herausforderung, ein Wettlauf gegen die Zeit, um das unvergleichliche Wissen Tibets zu retten, bevor die kommunistischen Chinesen es endgültig zerstören würden. Es war ein Unternehmen das nicht nur ein tiefes Vertrauen in das buddhistische System, sondern auch ein unerschütterliches Vertrauen in die hohen tibetischen Lamas mit sich brachte, die dieses System übertrugen. Die Rinpoches - so der Name der ehrwürdigen Lehrer - waren Beispiele einer großen Verwirklichung. Auch wenn sie noch nicht ganz die endgültige Erleuchtung erreicht hatten, so waren sie dennoch auf dem besten Weg dort hin. Zumindest dachten wir das.

Dann kam das Jahr 1992, ein Jahr, an das man sich noch lange in den Annalen des tibetischen Buddhismus erinnern wird. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel brach eine peinliche und unerbittliche Fehde zwischen den Lamas unserer Karma Kagyü-Linie aus. Während die ganze buddhistische Welt ihren Atem anhielt, konnte man beobachten, wie eine Gruppe von Kagyü-Meistern bedenkliche Vorwürfe erhob. Es tauchten Beweise auf, die auf eine heimliche Verschwörung die Kagyü Schule zu übernehmen hindeuteten. Eine bedeutende Persönlichkeit der Linie wurde mit dem kommunistischen China in Verbindung gebracht. Verrat war das Wort, das einem in den Sinn kam.

Es war mehr, als viele im Westen vertragen konnten. Wir hatten das Gefühl, daß unser Idealismus verraten worden war. Und wieder sah ich Panzer, die durch die Tore der Danziger Werft ratterten. Es gab keine Alternative, man mußte sich gegen diesen Mißstand auflehnen. Schon von Beginn an protestierten und kämpften Lama Ole und Hannah gegen diese Manipulation. Während der nächsten Jahre stellten sie sich gegen Regierungen, Würdenträger und mächtige Organisationen und versuchten, die Verschwörer zu entlarven und die Kagyü Schule zu schützen - ein Unterfangen, das mit hohen Risiken und Schwierigkeiten verbunden war.

Dieses Buch ist eine Chronik unserer Suche nach der Wahrheit. Es entstand aus einem unwiderstehlichen Verlangen, sich nicht dem Betrug und der Tyrannei zu beugen, etwas wofür die Menschen in Polen äußerst empfindsam gewesen waren. Es ist auch ein Versuch Tibet zu entmystifizieren und den Konflikt unter einer historischen Perspektive zu betrachten. Vielleicht schockiert dieses Buch einige wegen dem kompromißlosen Stil und den herben Schlußfolgerungen, aber die dargelegten Fakten verlangen nach einer rigorosen Analyse und ebensolcher Kritik. Zur selben Zeit ist dieses Werk aber auch eine Einladung, die wahren Schätze die Tibet bewachte zu ergründen: die Belehrungen Buddhas, die immer vollkommen sind. Es gibt sehr viel Eisen, aber nur wenig Gold und das Königreich im Himalaya bildete da keine Ausnahme. Der Leser dieser Seiten ist aufgefordert, das Gold vom Eisen zu trennen und der Zukunft des Buddhismus eine reine und unerschütterliche Form zu geben.

La Jolla, Kalifornien

21. Mai 1998

Rüpel in Roben

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