Читать книгу #FOR99DAYS - Tommy Warzecha - Страница 44
ОглавлениеUNGENIERT
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Meine Hände riechen noch immer nach Domestos oder Reinigungsmittel. Richtig gelesen, es ist Sonntag und der Putztrupp war wieder aktiv. Erst ordentlich Staubwischen, dann Klo und Badezimmer wienern, Möbel polieren, Staubsaugen, Wischen und zu guter letzt Abspülen – fleißig und schweißtreibend das Ganze! Kaum fertig mit dem Wischen tropften Schweißperlen die Stirn herunter und landeten auf dem Frisch geputzten Boden. Also nochmal drüber wischen und jetzt ist alles fein und sauber. Zur Stärkung ging’s dann ab zum Müller um zu Essen. Wir haben alle geschwitzt und gepustet während des ‘Reinschaufelns’ – aber lecker war’s! Danach ging’s in die kühle U-Bahn und nichts wie Heim. Beim Essen sind wir dann generell auf das Schwitz-Thema gekommen und glatt auf die Idee: Den Kaffee, der bei mir in Unmengen fließt mal zu drosseln. Das beruhigt Herz und Kreislauf und wird dem Schwitzen entgegenwirken. Probiere ich doch glatt mal morgen früh aus, dass ich anstelle von drei großen Tassen auf eine reduzieren werde. Eigentlich ja simpel und offensichtlich: gerade wenn die Sonne knallt und es ohnehin schon warm ist noch Kaffee zu Schlürfen ist wohl ein Eigentor. Ich werde berichten, was es bringt. Idealer wär wohl die Vollentwöhnung, also gar kein Koffein oder Kaffee zu sich zu nehmen, aber ich befürchte, dass ich dann morgens gar nicht in die Gänge komme. Oder ob das auch alles nur Einbildung ist? Was ich jedenfalls damals gemerkt habe: die morgendliche Kippe schmeckt ohne Kaffee nicht und andersherum auch nicht. Wozu tut man sich diese eigentlich schädlichen ‘Genussmittel’ an, wenn man doch weiß, dass sie einem nicht gut tun? Ist es nur, weil sie Genussmittel und zugleich besonders klingen oder den Anschein haben etwas besonderes zu sein, obwohl sie ja alltäglich geworden sind? Wenn man nun auf alle ‘besonderen’ Dinge verzichtet ist man dann weniger wert oder verspürt das Verpassen am Leben? Seltsam, denn oft sind es ja die [besonderen] Momente die das Leben ausmachen; ist es dann nicht mehr lebenswert auf alles zu verzichten? Oder die plausible, wenn auch tückische Antwort: ‘im Maßen genießen’ – dann ist nur die Frage, was ist das Maß aller Dinge und wer zum Henker legt diese fest oder sonnt sich darin die Dosis vorgeben zu dürfen? Ein jeder selbst? Ich merke, dass ich vom Hundertstel ins Tausendstel komme, denn scheinbar muss oder sollte man sich die Frage[n] einfach selbst beantworten und/Schrägstrich/ oder finden. Ich werde glattwegs versuchen den Mittelweg zu fahren – besser gesagt: zu gehen – aber ohne das eingebildete Lebensgefühl auf der Strecke zu lassen, denn etwas anarchistisch [sagt man das wohl so?] bin ich, mit dem kleinen Hang auch die Grenzen auszutesten und zu wagen, statt immer nur nein oder dahinzuvegetieren ohne gewissen Reiz. Schließlich weiß und kenn ich meinen Körper gut genug, um einschätzen zu können wenn es genug ist – man lern ja nie aus. Drum wusste ich immer rechtzeitig, als ich noch zu Secco, Bier und Co gegriffen habe, wann es genug ist. Bis kurz vor dem Brechreiz oder Aufsteigen der Magensäure Bin ich rechtzeitig auf etwas anderen umgestiegen. Nun ja, Vergangenheit. Obwohl ich mich allen Ernstes die letzten Tagen oftmals damit beschäftigt habe was passiert, wenn das Projekt der 99 Tage vorüber ist. Werde ich mir dann selbst die Schwäche eingestehen, dass ich das Zeig nicht brauche und dennoch trinke oder begreife ich, dass ich es nicht brauche und auch nicht mehr konsumieren möchte? Vielleicht blende ich aber auch zurückliegend aus und genieße am Wochenende, nicht mehr in der Früh oder ständig mein Fläschchen Wein [oder auch zwei?] ich kann es noch nicht zweifellos beantworten und freue mich ehrlich zugegeben auch darauf, dass ich mal wieder ungeniert am Glas nippen kann, darf und möchte. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt aus freue ich mich ein wenig, wenn die noch 58 Tage vorüber sind; erfolgreich versteht sich, denn so kann ich mir selbst beweisen, dass ich es schaffe, wenn ich nur will oder mir eine ‘Flause’ in den Kopf gesetzt habe. Mal abwarten und Kaffee – nein; Wasser trinken, denn Tee steht mir nicht so :-)
Auch witzig heute: als ich zum unzähligen Male auf dem Klo musste zum Wasserlassen und die Klobrille an mit [besser gesagt am Arsch] kleben blieb. So sehr verausgabt hatte ich mich nach dem Putzangriff. Bin ja begeisterter Sitzpinkler von je her; außer in öffentlichen Klos, wenn es sich nicht vermeiden lässt oder in der Arbeit. Da gibt’s dann Verrenkungen und neben Festhalten an den Fliesen, weit oben wo niemand anfasst, lass ich’s dann laufen. Letze Woche erst hatte ich festgestellt, oder war es Anfang dieser? Komme schon durcheinander, weil mir die Tage so schnell vergehen… Hat mein Penis nach Hugo Boss gerochen – nett dieses Detail, was ich gleich entblößen musste in meine Twitter-Welt. Schon seltsam, was man alles preisgibt und veröffentlicht – doch auf der anderen Seite habe ich nichts zu verbergen, und wenn doch: behalte ich es für mich und schreibe nicht darüber. Einige denken [dabei sind mir andere Gedanken oder deren Meinung eher sekundär um nicht scheißegal zu schreiben] ich würde tatsächlich alles offensichtlich in die Welt durch Facebook und Twitter rausposaunen, doch ist es eine Kunst sich nicht ganz nackig zu machen und zudem: Steckt zwischen den Zeilen mehr, als das offensichtlich schockierende. Manchmal muss ich in meiner eigenen Timeline blättern und scrollen, was den Tag über passiert ist, um ein paar Anhaltspunkte zu finden die mich den Tag über begleitet, aufgeregt oder zum Lachen gebracht haben, über die ich dann später hier wieder schreiben kann und somit als Gedankenstütze missbrauche. Jetzt nasche ich aber mal zum krönenden Abschluss noch ein Mars-Eis aus dem Gefrierfach – ich halte mich zurück, nicht gleich alle zu vernichten; das ist pure Disziplin, denn ratzfatz hab ich es aufgemampft.
Und meine Schwester habe auch wieder vergessen anzurufen. Hmmm – Schande auf mein Haupt: ich bin etwas abstinent geworden; aber das hole ich gleich morgen nach. Irgendwie bin ich zwischen Putzen, Wasser, Essen und Musik völlig davon abgekommen. Habe sie ganz schön vernachlässigt, aber irgendwas ist halt immer was dazwischen kommt. Ärgerlich und nun ist es auch zu spät anzurufen, sonst wird Berlin noch wach von meinem manchmal anstrengen Geschwafel :-)