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Leupolth-Plantation, Ende Mai 1865

Ein einziger Blick genügte Matthew, um die Lage zu erfassen.

Vor wenigen Monaten hatte er erst sein achtzehntes Lebensjahr vollendet, aber die Kriegserlebnisse danach ließen ihn vorzeitig reifen. Matthew Leupolth war freiwillig in die Armee der Konföderierten eingetreten und hatte das Ende des Krieges in Tennessee erlebt. Während er eben die Männer am Rande des Maisfeldes beobachtete, machte er seine Berdan Sharps Rifle, Model 1859, schussfertig. Diese Waffe war bei den Scharfschützen sehr beliebt, verfügte über einen Stecher-Abzug und hatte ihren Namen durch Hiram Berdan und seine Spezialtruppe, die Berdan’s Sharpshooters, erhalten.

Fünf Mann in den zerlumpten, grauen Uniformen der Südstaaten waren damit beschäftigt, zwei Farbige zu quälen. Ein großer, breitschultriger Mann war an einen Dogwood-Baum gefesselt. Sein von Peitschenhieben zerrissenes Hemd zeigte Blutspuren. Ob der Mann noch lebte, konnte Matt nicht erkennen. Dafür sah er sehr deutlich, was diese Bushwhacker gerade mit einer dunkelhäutigen Frau machen wollten. Matt atmete zwei-, dreimal ruhig durch und suchte den Druckpunkt des Stechers. Jetzt war nur noch ein Hauch erforderlich, um den Schuss auszulösen.

Matt hatte seine Rifle auf den Mann gerichtet, der neben einem anderen Uniformierten stand und seinen Revolver in die Richtung des Ausgepeitschten hielt.

„Du kannst zusehen, wie wir es deiner Hure besorgen, bevor ich dir das Gehirn aus dem Schädel blase!“, schrie der Mann ihm dabei zu und spannte den Hahn.

Mit dem Krachen der Rifle verwandelte sich der Kopf des Mannes in eine blutige Masse. Die Wucht des Kugeleinschlags warf ihn nach hinten, den Revolver schleuderte er in einer letzten Reflexbewegung weit von sich. Sofort zogen drei weitere Bushwhacker ihre Revolver aus den Ledertaschen, die noch zu ihrer militärischen Ausrüstung gehörten.

Matt hatte sich nicht dadurch beeindrucken lassen.

Mit der schlafwandlerischen Sicherheit, die er sich im Feld angeeignet hatte, ließ er den Verschlussblock der Rifle heruntergleiten, lud erneut und hatte die Waffe wieder im Anschlag, als einer der Männer ihn zwischen den Bäumen sah und seinen Revolver hob. Fast zugleich krachten beide Schüsse, nur einen Lidschlag schneller war Matt und erwischte den Mann mitten in der Brust. Der Getroffene drehte sich um die eigene Achse und brach zusammen.

Diese Spanne genügte den drei anderen, sich in Deckung zu werfen. Zwar hatte Matt seine Rifle bereits erneut geladen, aber keiner der Bushwhacker ließ sich mehr sehen.

Die Sonne brannte unbarmherzig auf die Stätte herunter, und die Frau, die eben noch mit heruntergerissener Kleidung auf dem Boden lag, bewegte sich als Erste vorsichtig. Sie richtete den Oberkörper auf, raffte die Fetzen über ihrer Brust zusammen und sah sich mit vor Angst verzerrtem Gesicht um.

Matt erkannte die hübsche Sally, die er seit einer besonderen Nacht vor seinem Aufbruch zur Armee liebte. Aber er musste die misshandelten Menschen vorerst sich selbst überlassen. Die drei Männer besaßen ihre Revolver und waren gefährlich. Mit Sicherheit würden sie das Gebiet nicht freiwillig verlassen, sondern nur auf eine Gelegenheit warten, um den unvermutet aufgetauchten Störenfried auszuschalten. Hinter dem Stamm eines mächtigen Dogwood-Baumes fand er Deckung und beobachtete die Büsche gegenüber einer kleinen Lichtung.

Als sich an einer entfernteren Stelle die Zweige eines jungen Hickorys bewegten, der kaum mehr als zwei Armlängen hoch war, konzentrierte sich Matt auf den nächsten Schuss. Erleichtert wurde ihm das Ziel noch durch einen Sonnenstrahl, der auf einen Gegenstand im Hickory fiel und ihn kurz aufblitzen ließ. Matt feuerte, ohne weiter zu überlegen, und vernahm einen lauten Schrei, der langsam in ein Wimmern überging. Fast zeitgleich feuerten die beiden anderen Männer ihre Revolver in seine Richtung ab, doch die Monate im Feld hatten seine Sinne geschärft.

Private Matt war einer der besten Scharfschützen seiner Kompanie und hatte aus diesem Grund auch die Sharps erhalten, die nicht zur Standardausrüstung seiner Kompanie gehörte. Und er war nicht nur schnell und treffsicher mit seinem Gewehr. Matt hatte gelernt, sich auch gegen einen übermächtigen Gegner durchzusetzen.

Eine der wichtigsten Regeln des Krieges war, niemals zu lange auf demselben Fleck auszuharren. Als die Revolverkugeln jetzt in den dicken Baumstamm einschlugen, war er schon längst an einer anderen Stelle und lag flach ausgestreckt neben dem Toten im Hickorybusch. Natürlich konnte er darauf zählen, dass keiner der Schützen in die Richtung zielen würde, in der sich einer der Kameraden befand.

Die Sharps war bereit, aber auch sein Colt Army 1860, Kaliber .44 lag gespannt neben ihm in Griffweite. Die Waffe hatte sich bewährt, stammte aus der Südstaaten-Produktion von Griswold & Gunnison in Georgia und war fast so zuverlässig wie das Original aus der Colt-Produktion. Allerdings hatte der Süden nicht die Stahlqualität zur Verfügung, wie sie Colt bei der Fertigung seiner Modelle ab 1860 verwendete und Silversteel nannte.

Unvorsichtig ließ sich einer der Feinde sehen, als er erstaunt die Umgebung der nächsten Bäume abgesucht hatte und dort niemanden mehr antraf. Die Sharps krachte, der Mann wurde von den Füßen gerissen und landete auf dem Gesicht neben dem Baum. Sofort hatte Matt den Revolver gehoben, aber der letzte Gegner ließ sich nicht blicken. Also nahm er sich die Zeit, die Rifle erneut zu laden, schob den Revolver in den Hosenbund und packte die Sharps mit den Händen.

Behutsam schlich er sich in einem Bogen zu der Stelle, an der er den Mann vermutete. Wenn ihn nicht alles täuschte, war der letzte Bushwhacker wieder zu dem Platz zurückgekehrt, auf dem sie die ehemaligen Sklaven misshandelt hatten. Er näherte sich behutsam der Stelle und musste dabei an dem Baumstamm mit dem Ausgepeitschten vorüber. Ein rascher Blick in das Gesicht des Mannes überzeugte ihn, dass er noch lebte, denn eben flatterten dessen Augenlider.

Aber dieser Moment der Ablenkung genügte.

„Endstation!“, sagte eine eiskalt klingende Stimme hinter ihm. „Lass das Gewehr fallen!“

Noch zögerte Matt, während ihm die tollsten Gedanken durch den Kopf schossen.

Wenn ich mich fallen lasse und gleichzeitig herumrolle, habe ich eine Chance!, war schließlich der Gedanke, der ihn zum Handeln antrieb.

Aber der laute Krach eines Revolvers schien alles zu verhindern.

Matthew hatte sich zwar fallen gelassen und dabei eine halbe Drehung gemacht, um den Mann in seinem Rücken zu erwischen. Aber dort stand kein Gegner mehr.

Jetzt fiel sein Blick auf den Boden, wo der Mann zusammengekrümmt lag, der Revolver war seinen Händen entglitten. Noch bevor Matt überhaupt begriff, was hier gerade geschehen war, trat die junge Frau hinter einem der Bäume hervor. Dabei achtete sie nicht auf ihr zerrissenes Kleid, sondern starrte nur den Mann an, dem sie eben das Leben gerettet hatte.

Sie geriet ins Taumeln, hatte noch immer einen Revolver in der Hand, der jetzt herunterpolterte. Noch einen Schritt weiter konnte sie gehen, dann fiel sie nach vorn und wäre auf das Gesicht gefallen, wenn Matt nicht in diesem Augenblick zur Stelle gewesen und sie aufgefangen hätte.

„Mein Gott, Sally! Das war Rettung im letzten Augenblick!“, sagte Matt, aber die junge Frau in seinen Armen hörte ihn nicht. Er trug sie hinüber auf die Lichtung und legte sie behutsam ins Gras. Anschließend zog er sein langes Messer aus dem Gürtel, eilte zu dem Mann am Baum und durchtrennte die Stricke, fing ihn auf und legte ihn auf den Bauch. Dabei stöhnte der Misshandelte lange und versuchte, die Augen zu öffnen, was ihm jedoch nicht gelang. Matt sah sich um.

Er war hier zu Hause, er kannte jeden Baum und jeden Busch. Nur wenige Schritte von dieser Stelle entfernt gab es einen kleinen Bach. Mit ein paar raschen Bewegungen schnitt er einem der toten Verbrecher etwas von dessen Hemd herunter, nahm den Fetzen und lief zu dem Bach, um ihn zu benetzen.

Zurückgekehrt legte er das nasse Tuch dem Ausgepeitschten in den Nacken und kehrte zurück zu der ohnmächtigen Sally. Das Leinentuch hatte er noch einmal auseinandergerissen und wischte jetzt der Frau über Stirn und Hals. Dabei ordnete er ihr zerrissenes Kleid so, dass nichts mehr von ihrer Blöße zu sehen war. Bei seinen Bemühungen bemerkte er nicht, dass sie plötzlich die Augen aufgeschlagen hatte und ihn beobachtete.

Schließlich hauchte sie ein leises: „Matthew! Dich schickt der Himmel!“

„Sally! Du bist wach! Du hast mir das Leben gerettet!“

Verwirrt richtete sich die junge Frau auf und sah sich auf der Lichtung um, als wollte sie feststellen, ob das alles um sie herum wirklich geschehen war oder sich nur ein böser Albtraum abgespielt hatte. Mit einem Schauer, der ihren Körper erbeben ließ, sank sie wieder zurück.

„Sally, wenn du aufstehen kannst, könnte ich deine Hilfe gebrauchen. Die Verbrecher haben Ben ausgepeitscht, und er ist immer noch nicht wieder bei Bewusstsein!“

Mit einem leisen Schrei richtete sie sich erneut auf, schwankte dabei etwas, und Matt griff ihren Arm, um sie zu stützen. Als ihr zerrissenes Kleid erneut aufklappte und ihren schönen, schokoladenbraunen Körper enthüllte, wandte er den Blick ab. Sie bemerkte seine Verlegenheit und lachte plötzlich auf.

Verwundert blickte er in ihre Augen.

„Aber Matt! Du hast mich doch schon öfter vollkommen nackt gesehen, da ist doch nichts dabei, wenn du mich jetzt wieder so siehst. Aber du hast recht, wir müssen uns um Ben kümmern, er sieht ja schlimm aus!“

Und als hätte dieser Moment alles geklärt, war sie jetzt wieder munter und tatkräftig dabei, Ben zu behandeln. Von ihrem ohnehin nur noch in Fetzen vorhandenem Kleid riss sie ein großes Stück ab, eilte zum Bach, um es ebenfalls mit Wasser zu tränken und begann dann, Ben Hals und Nacken zu kühlen, bis er das Bewusstsein wiedererlangte.

Er stieß einen wilden Schrei aus und wollte aufspringen, aber mit ruhiger Stimme sprach Sally auf ihn ein und erreichte, dass er liegen blieb, während sie sich bemühte, sein zerfetztes Hemd von den blutigen Striemen zu lösen und anschließend damit begann, die Wunden zu säubern.

So habe ich mir meine Rückkehr in die Heimat nicht vorgestellt!, dachte Matt. Aber ich habe genügend Gräuel auf meinem Weg nach Louisiana gesehen, um nicht mit allem rechnen zu müssen. Ich hoffe nur, unser Haus steht noch!

„Matthew? Wie wollen wir Ben ins Haus schaffen?“, erkundigte sich Sally eben, und erfreut glaubte der Pflanzersohn in diesem Augenblick, dass ihr schönes, in jedem Frühjahr wieder weiß gestrichenes Haus noch stand. Doch diese Hoffnung erhielt gleich darauf wieder einen Dämpfer.

„Das Haus ist schwer beschädigt, Matt, aber eine Hälfte können wir noch nutzen, das Dach ist dort ebenfalls dicht geblieben. Wie wollen wir Ben hinüberbringen?“

Matt dachte kurz nach.

„Ich habe mein Pferd etwas weiter dort hinten angebunden. Gibt es noch einen Wagen auf der Plantage?“

„Nein, Matt, die Soldaten haben alles angezündet und getötet, was ihnen in die Hände fiel. Es gibt vermutlich kein einziges, lebendes Tier mehr auf Leupolth Plantation. Selbst die Hunde wurden erschossen.“

Als Matt diese Neuigkeiten erfuhr, schluckte er schwer.

Dann deutete er mit dem Kopf in die Richtung, in der er sein Pferd zurückgelassen hatte, und Sally nickte nur. Es dauerte nicht sehr lange, bis er zurückkehrte, doch in dieser Zeit hatte sich der bärenstarke Ben schon wieder so weit erholt, dass er aufrecht saß und dankbar Wasser aus einem der Blechbecher trank, die Sally bei den toten Soldaten gefunden hatte.

Ein weiterer Becher stand für Matt bereit.

Aber mit einem Ekelgefühl starrte er in den schmutzigen Becher, an dem noch eine undefinierbare Kruste vergangener Inhalte klebte, darunter mit Wahrscheinlichkeit wohl auch Suppe. Er verzichtete und traf nun Vorbereitungen, den verletzten Ben zu transportieren.

„Was wollen Sie tun, Massa?“, fragte der kräftige Mann erschrocken, als ihm Matt ein Zeichen gab, aufzusteigen.

„Du reitest, wir gehen. Was sonst?“

„Aber, Massa, das geht nicht, ich ...“

„Hört mir mal gut zu, alle beide. Sally und Ben, es ist vorbei mit dem Massa. Ich bin ab sofort für euch nur Matthew oder Matt. Vorausgesetzt natürlich, ihr wollt noch länger auf der Plantage bleiben. Und jetzt will ich nichts mehr von ‚aber, Massa!‘ hören, verstanden?“

Er lächelte dazu, und die beiden ehemaligen Sklaven wechselten einen raschen Blick. Dann zog sich Ben in den Sattel, ohne auch nur einen Schmerzenslaut von sich zu geben.

Matt ergriff die Zügel und führte sein Pferd, während Sally neben ihm munter ausschritt.

„Ich hätte nicht geglaubt, jemals den braven Star auf Leupolth Plantation wiederzusehen!“, sagte sie unvermittelt.

„Und ich hätte niemals geglaubt, dass wir beide es zurückschaffen, Sally. Wir hatten beide Glück, sehr viel Glück. Aber das scheint nun hier zu enden. Wenn ich sehe, in welchem Zustand sich die Plantage befindet, könnte ich laut schreien vor Wut!“

Plötzlich griff Sally nach seiner Hand und drückte sie kräftig.

„Was immer auch geschehen ist, Matt – es wird wieder gut gemacht. Ben ist schon dabei gewesen und hat den ersten Mais geerntet. Ich war in der Küche, als die ... die Männer kamen. Sie haben uns aus dem Haus gezogen und zu der Stelle gebracht, an der du uns gefunden hast.“

Sie schwieg plötzlich, und als Matt in ihr hübsches Gesicht sah, erkannte er, wie es dort arbeitete. Still drückte er ihre Hand, eine vertraute Geste, wie aus einer anderen Welt. Auf der Plantage der Leupolths hatte es nie Schläge oder Bestrafungen der Sklaven gegeben. Sie waren nicht frei, aber sie wurden gut behandelt. Ihr kleines Dorf war ihre eigene Welt, in der sie leben konnten, wie sie es wollten. Niemals wurde eine Familie auseinandergerissen, nie ein einziger Sklave verkauft. Das war eines der Geheimnisse dieser Familie, die nach harten Jahren die größte Baumwollplantage in Louisiana besaß.

Dann kam der Moment, vor dem sich Matt insgeheim immer gefürchtet hatte.

Er trat unter den Bäumen heraus und hatte einen Blick auf das einstmals so schöne und stolze Haus seiner Familie. Bei dem derzeitigen Zustand standen ihm die Tränen in den Augen, und er war nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Schritt weiterzugehen.

Die vom Feuer verschonte Hälfte des Hauses war vom Ruß geschwärzt, die Fenster hatte man mit Brettern zugenagelt. Die rechte Seite drohte unter der Macht des Feuers einzustürzen. Mehrfach atmete der Heimkehrer tief ein und aus, um seine Fassung zurückzugewinnen. Dabei strich ihm Sally, die noch immer seine Hand hielt, mit der anderen zart über den Handrücken. Schließlich schnaubte Star ungeduldig und stampfte mit einem Huf auf.

„Ja, Star, das ist nun unsere Rückkehr. Du erkennst trotzdem die Heimat wieder, aber was ist das für eine traurige Rückkehr!“

„Wir bauen es wieder auf, Massa Matt!“, ließ sich jetzt mit heiserer Stimme Ben vernehmen. Der große, kräftige Mann ließ sich nichts von seinen erlittenen Schmerzen anmerken, die ihn mehrfach zusammenzucken ließen, wenn er sich unbeobachtet fühlte.

„Das ist ein tröstliches Wort von dir, Ben. Aber wie sollen wir drei das schaffen? Ich weiß ja noch nicht einmal, wohin meine Eltern geflohen sind! Und wo sind eure Leute geblieben?“

Sally drückte ihm noch einmal die Hand, bevor sie zusammen weitergingen.

„Deine Eltern sind schon vor zwei Monaten weggefahren. Es wurde für alle hier zu gefährlich auf Leupolth Plantation. Ständig kamen die marodierenden Soldaten hier vorüber. Im besten Falle wollten sie nur etwas zu essen haben, im schlechtesten Falle bedrohten sie alle mit ihren Waffen. Wäre nicht dein Vater, unser guter Herr Charles gewesen – ich weiß nicht, was da schon alles passieren konnte. Aber immer, wenn sich die Soldaten in ihren schäbigen, zerrissenen Uniformen hier bei uns blicken ließen, trat er in seiner Uniform auf die Terrasse und erkundigte sich, was er für sie tun konnte. Das machte Eindruck, vor allem, wenn sie bemerkten, dass er seinen linken Arm verloren hatte. Aber seine Uniform war stets sauber und gebügelt, darauf hat deine Mutter schon sehr großen Wert gelegt. Er hatte ja zwei vollständige Uniformen, und die Mädchen hielten sie in Ordnung, wuschen und bügelten, sodass er an jedem Tag aussah, als wolle er General Stonewall Jackson persönlich seine Aufwartung machen.“

„Stonewall! Ja, den General hat er sehr verehrt. Und ist es nicht tragisch, dass beide ihren linken Arm verloren haben? Vater wollte seinen Dienst nicht aufgeben, aber als Stonewall starb, war auch er ein gebrochener Mann. Außerdem waren Komplikationen bei seinem Armstumpf aufgetreten, die ihn im vergangenen Jahr erneut auf das Lager warfen. Na, was erzähle ich dir da, Sally, du hast es ja alles miterlebt.“

Die drei gingen auf die Veranda zu, und dann half Matt dem verwundeten Ben vom Pferd. „Ich bringe dich hinein, und Sally kann bestimmt noch etwas von der guten Salbe auftreiben, die Mummy Rosita immer angemischt hat, wenn jemand eine Verletzung hatte.“

Während er Ben in den vom Feuer verschonten Salon brachte, dachte er an die erwähnte, gutmütige alte Köchin, die für jedes der Kinder immer einen Leckerbissen bereithielt. Sie war die gute Seele des Hauses, kochte vorzüglich, hielt Ordnung in ihrem kleinen Reich und achtete darauf, dass alles wie am Schnürchen lief, wenn die Leupolths wieder einmal Gäste hatten.

Sally brachte aus einem Nebenraum ein paar Decken für Ben und lächelte verlegen.

„Du musst schon entschuldigen, Matt, aber wir haben die letzte Zeit immer im Herrenhaus geschlafen. Von unserem Dorf ist ja nichts mehr übriggeblieben.“

„Vollkommen in Ordnung, Sally, und daran ändert sich jetzt auch nichts. Wenn du mal nach der Salbe sehen kannst? Ich mache hier für Ben das Lager, damit er es auf dem Fußboden halbwegs bequem hat!“

Für Stern fand sich noch Heu, das Matt ihm vorwarf und dann seine Beine zusammenband, damit er sich beim Grasen nicht zu weit entfernen konnte.

Wenn Mutter das sehen könnte! Auf ihrem einst so gepflegten Rasen durften noch nicht einmal wir Kinder spielen – und jetzt grast dort das einzige noch lebende Pferd!, dachte er wehmütig.

Dann schob Matt eine Kommode von innen vor die nicht mehr richtig schließende Eingangstür. Gemeinsam aßen die drei von den geretteten Vorräten, die es noch gab. In einem der nicht geplünderten Keller war noch eingekochtes Obst vorhanden, es gab ein paar geräucherte Schinken und Würste. Als die marodierenden Soldaten in immer größerer Anzahl durch das Land zogen, hatte Charles Leupolth befohlen, eine eiserne Reserve für die schlechten Zeiten anzulegen. Die Tür wurde hinter einem Stapel leerer Kisten verborgen und hatte bis zum heutigen Tag ihr Geheimnis bewahrt.

Mit Bens Hilfe konnte Sally am Vortag eine kleine Stahlmühle in Betrieb setzen und hatte Korn gemahlen, das sie heute zu einem Brotteig verarbeitete. Das noch warme Brot schmeckte ihnen köstlich, wenn auch Matt befürchtete, in der Nacht davon Bauchschmerzen zu bekommen.

Er lag erschöpft auf seinem Deckenlager, nur mit der Hose bekleidet, denn im Haus stand die warme Luft. Irgendwann in der Nacht erwachte er, weil sich Sally an ihn kuschelte.

Es war ein seltsam vertrautes Gefühl, eine Zweisamkeit, die er lange vermisst hatte. Mit einem tiefen Seufzer schlief er wieder ein.

Das Erbe des Baumwollkönigs: Das Haus Leupolth, Anno 1865:

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