Читать книгу Über der Teufelsschlucht: Schwert und Schild - Sir Morgan, der Löwenritter Band 53 - Tomos Forrest - Страница 7

2. Kapitel

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Einige Zeit zuvor.

Es war alles ganz einfach. Sie hatten Stratton, den kleinen Ort in der Nähe von Caerhays Castle am Fluss Neet erreicht und waren sich nun sicher, spätestens am nächsten Tag mit den Freunden aus dem fernen Nottinghamshire zusammenzutreffen. Sir Robert, allgemein nur noch Robin Hood genannt, war es gelungen, mit einem kühnen Handstreich dem High Sheriff von Nottingham eine Ladung frisch geprägter Silberlinge, gefüllt in zahlreiche Weinfässer und mit einem Scheinboden versehen, zu rauben. Der doppelte Boden zeigte beim Öffnen des Fasses nur den etwa armtief vorhandenen Wein. Doch Robins Merry Men hatten die List erkannt, die begleitenden Soldaten verjagt und im Anschluss die ganze, wertvolle Ladung in einem Versteck verborgen.

Während ein Bote nach Cornwall zu Sir Morgan und den Rebellen im Sumpf von Dartmoor eilte, bereitete man alles für den Weitertransport vor. Ein Schiff würde die Ladung in einer versteckten Bucht der Nordküste an Bord nehmen und, begleitet von gut bewaffneten Rebellen, nach Frankreich schaffen.

Es war auf allen Burgen des Königreiches allgemein bekannt, dass man eine ungeheure Lösegeldsumme für den gefangenen König Richard aufbringen musste. Dabei handelte es sich um hunderttausend Mark in Reinsilber, die von Kaiser Heinrich VI. verlangt wurden, etwa 23,4 Tonnen Silber nach Kölner Gewichtsmessung, ganz abgesehen von den fünfzig Schiffen und zweihundert Rittern, die er für ein Jahr dem Kaiser zur Verfügung stellen musste. Diese Silbergeldmenge entsprach dem dreifachen Jahreseinkommen des Königreiches, und dafür musste eine gewaltige Sondersteuer erhoben werden. Ein eigenes Amt innerhalb des königlichen Schatzamtes wurde eingerichtet, das scaccarium redemptionis, aber keiner der Rebellen traute der von König Johann ohne Land überwachten Lösegeldeintreibung. Man war sich längst einig geworden, selbst für das geforderte Aufkommen an Silber Sorge tragen zu müssen, und ein erster Transport hatte den deutschen Kaiserhof glücklich erreicht. Die Nachricht der Rückkehrer schlug allerdings die anfänglich gehobene Stimmung bei den König Richard treu gebliebenen Rittern rasch wieder in das Gegenteil um. Man erfuhr nämlich, dass bei den Verhandlungen in Worms mit Richard Löwenherz das Lösegeld noch einmal um fünfzigtausend Mark erhöht wurde. Für diese zusätzliche Summe sollten mehr als sechzig Geiseln gestellt werden.

Aufgrund dieser Nachrichten eilten die verworrensten Gerüchte durch das englische Königreich, und zahlreiche Anhänger König Johanns lachten darüber nur hämisch in den Gemächern ihrer Burgen, denn viele von ihnen verstanden es auf prächtige Weise, das eigene Säckel zu füllen und die Sammlung für die Freilassung ihres rechtmäßigen Königs außer Betracht zu lassen.

Das war der Stand der Dinge, als Sir Roberts Bote im Sumpf von Dartmoor eintraf und die Rebellen unter der Führung von Sir Morgan und Sir Baldwin um Hilfe bei der Sicherung des Silbers baten. Das Risiko, die Fässer quer durch das gesamte Land bis nach Plymouth zu transportieren, erschien den Merry Men als viel zu hoch. Aus diesem Grund sollte ein geeignetes Schiff in eine verschwiegene Bucht der Nordküste einlaufen, auch wenn sich dadurch der Seeweg verlängerte. Man verteilte das Silber deshalb auf verschiedene Fuhrwerke und brach auf getrennten Wegen und zu unterschiedlichen Zeiten auf. Es war Sir Ainsley Urquhart, der einen Hinweis auf Caerhays Castle zwischen den Orten Bude und Stratton gab. Er kannte die Festung wie den Burgvogt noch aus seiner Tätigkeit für Sir Struan gut. Auch das Innere der Burganlage, die Räumlichkeiten des Palas wie die Unterkünfte, bis hinunter in die tiefsten Kellerverliese, waren ihm wohl vertraut. Er sprach nicht gern über die Zeit, in der er dem widerrechtlich ernannten High Sheriff, Sir Struan of Rosenannon, gedient hatte. Aber in einigen Andeutungen erkannten die Freunde, dass er tiefe Einblicke in das Wirken und Treiben des mächtigsten Mannes in Cornwall erhalten hatte, der viele Adlige hinter sich vereint hatte.

Und es war der hünenhafte Schotte, der auch eine Idee für ein sicheres Versteck hatte, in dem man die angeblichen Weinfässer sammeln und anschließend in den Norden zur Verschiffung bringen konnte. Es sollte sich in der Nähe der sogenannten Teufelsschlucht in einem schwer zugänglichen Waldstück befinden. Für die Rebellen auf den Frachtwagen bedeutete das ein hartes Stück Arbeit, ohne auffällige Spuren die angeblichen Weinfässer dort zu lagern. Und die Nähe der Festung, die in Sichtweite der Schlucht lag, war eine zusätzliche Gefahr. Aber der Schotte lächelte nur bei dem Gedanken, sich mit dem Burgvogt, Sir Dalvin, zu messen. So wurde beschlossen, dass Sir Urquhart eine Gruppe Rebellen zu diesem Versteck führen sollte, während zwei andere Gruppen unter der Führung von Sir Morgan und Sir Baldwin den Freunden aus Nottingham entgegenzogen, um deren Transporte zu sichern.

Der Ort Bude bestand aus kaum mehr als zwanzig Häusern, einige Höfe befanden sich in der weiteren Umgebung, das kleine Stratton lag nur einen Bogenschuss von hier entfernt. Weil aber eine wichtige Fernhandelsstraße von der Küste ins Landesinnere hier vorüberführte, gab es eine Schenke, die auch über ein paar Gasträume verfügte, allerdings ohne jeden Komfort für die Reisenden: Ein großes, einfaches Bett, gefüllt mit altem Stroh, ein paar nicht sonderlich sauber wirkende Decken, mehr durfte ein Durchreisender nicht erwarten. Doch keiner der drei Männer, die hier vor Einbruch der Dunkelheit eintrafen, hatte höhere Ansprüche. Jory, Brychan und Shawn beschlossen, sich eine Kammer zu teilen, um die Kosten erträglich zu halten, auch wenn ihnen Sir Morgan immer großzügig Geld aus seinen eigenen Mitteln bei Unternehmungen dieser Art zur Verfügung stellte.

Sie hatten das Versteck für die erste Fässerladung überwacht und danach sorgfältig alle Spuren beseitigt, die zu dem mit zahlreichen Zweigen getarnten Bodenloch führten. Hier hatte es einst einen Erdrutsch gegeben, der ein großes Loch hinterlassen hatte. Im Laufe der Jahrzehnte war es allmählich zugewachsen. Dichte Büsche und meterhohes Unkraut verdeckten die Stelle, die der riesige Schotte durch einen Zufall entdeckt hatte, als er sich im Wald vor Verfolgern verbergen musste.

Die beiden Pferde und das alte Maultier Shawns waren nun im Stall der Herberge durch einen Knecht gut versorgt. Die drei freuten sich auf eine Scheibe vom kalten Braten, den ihnen der Wirt, zusammen mit frischem Brot und einem Krug Bier, bereitgestellt hatte. Allerdings war ihr Empfang zunächst alles andere als sonderlich freundlich verlaufen.

Als sie eintraten, waren nur zwei Bauern aus der Umgebung in dem düster wirkenden Schankraum anwesend und unterhielten sich angelegentlich mit dem Wirt, verstummten aber sofort, als sie die Fremden erblickten.

Die drei taten vollkommen unbefangen und gaben sich so, als hätten sie die feindliche Stimmung nicht bemerkt, die ihnen hier entgegenschlug.

„Wir haben unsere Tiere dem Knecht überlassen und wollen eine Kammer für uns zusammen für diese Nacht mieten!“, hatte Jory freundlich erklärt, und der rundliche Wirt antwortete nur mit einem unverständlichen Grunzen, nahm einen großen Schlüssel vom Haken und deutete nach oben.

„Und wie steht es mit dem Essen?“

„Die Kammer ist sauber, und kalten Braten, Brot und Bier gibt es zur Genüge.“

Die anwesenden Einheimischen tranken ihre Becher aus, grunzten etwas und waren hinaus, nicht ohne den Fremden einen bösen Blick zuzuwerfen.

Das alles hatten die drei Freunde wohl vermerkt, sich aber nichts anmerken lassen. Das war vor einer knappen halben Stunde gewesen. Jetzt saßen sie bei ihrer Mahlzeit zusammen, tranken ihr Bier aus und unterhielten sich mit gedämpften Stimmen über belanglose Dinge.

Doch die brüske Art des Empfangs hatte sie verstimmt, es kam keine rechte Gesprächsrunde zusammen, und nach dem letzten Schluck aus den einfachen Tonbechern ließen sie sich vom brummigen Wirt ein Licht geben und stiegen die schmale, knarrende Treppe hinauf in die ihnen zugewiesene Kammer.

„Puh!“, ließ sich hier Shawn vernehmen. „Das ist ja fast so, als wollten wir ihnen die Zeche prellen! So einen Empfang habe ich bislang kaum einmal erlebt!“

„Ja, aber das ist mir auch egal!“, warf Brychan ein. „Ich bin hundemüde und lege mich gleich hin.“

„He, du wirst doch aber wohl nicht schnarchen!“, rief Shawn übertrieben besorgt aus. „Lass mich wenigstens vorher in Ruhe einschlafen!“

Kurze Zeit war vergangen, und alle drei lagen im tiefsten Schlaf. Dass sie sich das geräumige Bett teilen mussten, störte keinen von ihnen, denn so etwas war ihnen schon häufiger passiert, schließlich waren alle drei in ihrem bisherigen Leben nicht auf Rosen gebettet, sah man vielleicht einmal von Shawn ab, der als Narr der Familie Morgans auf Launceston Castle durchaus Privilegien und eine eigene Kammer genossen hatte. Aber das schien bereits Ewigkeiten zurückzuliegen.

Der lange Ritt und das warme Wetter hatte alle drei so erschöpft, dass sie tief und fest schliefen, als sich ihre Häscher auf der knarrenden Treppe so geräuschlos wie möglich nach oben schlichen. Zwar hatte der misstrauische Jory einen Holzriegel an der Tür vorgeschoben, doch mithilfe einer Messerklinge gelang es den Feinden, ihn geräuschlos zurückzuschieben.

Im nächsten Moment warfen sie sich auf die drei Schlafenden, fesselten sie und zogen ihnen gleich darauf vorbereitete Kapuzen über die Köpfe. Kräftige Hände rissen sie vom Lager und trugen sie hinaus, wo man sie auf einen einfachen Karren warf, wie er häufig von Ochsen gezogen wurde. In diesem Fall aber hatte man kräftige Pferde vorgespannt, und in rascher Fahrt rumpelte das Gefährt gleich darauf durch den kleinen Ort und nahm den Weg zur Burg hinauf, wo man die Gefangenen bereits erwartete.

Auch hier wurden sie wieder derb heruntergezerrt und anschließend in ihr Verlies getragen, wo man sie allerdings von den Fesseln und der Kapuze befreite. Aber niemand antwortete auf ihre Fragen, und erst am späten Vormittag des folgenden Tages ließ sich der riesige, rothaarige Burgvogt sehen, sprach aber nicht mit ihnen. Bei dieser Gelegenheit wurde ihnen auch Wasser und stark angebrannter Hirsebrei in einer großen Tonschüssel von einer der Wachen gegeben.

„Was soll das? Warum werden wir in der Herberge hinterrücks überfallen und hierher verschleppt? Wo sind wir hier überhaupt?“, wollte Jory wissen, erntete aber als einzige Antwort nur höhnisches Gelächter, bevor die Tür wieder zugeschlagen und von außen lautstark verriegelt wurde.

*


Sir Dalvin Craigthon war sehr mit sich zufrieden. Es hatte sich doch gelohnt, dem Kundschafter sofort mit ein paar Bewaffneten zu folgen. Der Mann hatte zufällig mitbekommen, wie ein Ochsenkarren mit ein paar Weinfässern und in Begleitung fremder Männer vom Fernhandelsweg abgebogen und in das Waldstück gefahren war. Das kam ihm verdächtig vor, der Mann schlich ihnen nach und sah erstaunt, wie sich die Fremden damit abmühten, mehrere Fässer durch das Dickicht in den Wald zu rollen. Warum verstreckte man Weinfässer im Wald? Er war sich sicher, dass ihm der Burgvogt für die Information Silber geben würde. Allerdings mussten sie sich das Silber sauer genug verdienen, denn auch der Kundschafter musste anfassen, als sie die Fässer aus ihrem Versteck bargen und an einen anderen Ort brachten, den ihnen Sir Craigthon anwies.

Zunächst war sein Herr aber sehr misstrauisch, als die Deckel geöffnet wurden und ihnen die wohlriechende Flüssigkeit entgegengluckste. Doch Sir Craigthon war nicht so leicht zu täuschen. Rasch fuhr er mit der Hand in den Wein und ertastete den doppelten Boden. Mit dem Knauf seines Schwertes schlug er ihn ein, und rasch floss der Wein zwischen den Unmassen frisch geprägter Silberlinge hindurch und enthüllte den wahren Inhalt.

Nach getaner Arbeit wartete der Kundschaft auf seinen versprochenen Lohn. Als aber der Burgvogt an den Gürtel griff, an dem sein Geldbeutel hing, zog er etwas anderes blitzschnell hervor und führte es in einer schnellen Handbewegung nach vorn.

Verwundert spürte der Kundschafter im gleichen Moment einen brennenden Schmerz in seinem Bauch, und ehe er noch verstand, was hier gerade mit ihm geschah, stürzte er in eine bodenlose Finsternis, aus der er nicht mehr erwachte. Auch den anderen erging es ähnlich. Der Burgvogt legte ihnen die rechte Hand vertraulich auf die Schulter, lächelte sie an und stach ihnen die lange Klinge tief in den Bauch, riss sie heraus und sah sich zu seinem Gehilfen um, den er eingeweiht hatte.

„Das ging wie das Katzenhäuten, Sir Craigthon!“, lachte der Bursche dröhnend auf, als er sein blutiges Schwert sinken ließ und sich auf der kaum vom Mondlicht erhellten Lichtung vor der Höhle umsah, ob sich nicht noch einer der Helfer regte.

„Kann man wohl sagen, und du hast deinen Lohn redlich verdient!“, antwortete ihm der Burgvogt in einem seltsamen Tonfall. Als sich der Mann zu ihm umdrehte, erkannte er schwach eine Klinge, in der sich das fahle Mondlicht spiegelte. Heißer Schmerz durchzog seinen Hals, und als Sir Craigthon die Klinge zurückriss, sank auch der Helfer sterbend auf die Knie.

„Ihr Narren glaubt doch wohl nicht, dass ich mit euch teilen wollte?“

Schauerlich erklang sein Gelächter durch die Schlucht, die von den Menschen im nahen Dorf nur die Teufelsschlucht genannt wurde.

*


„Kann mir jemand von euch sagen, was das zu bedeuten hat? Ich für meinen Teil war noch nie in dieser Gegend, kenne hier niemand und sehe überhaupt keinen Grund für unsere Gefangennahme!“, beklagte Shawn sich, der seine Arm- und Fußgelenke massierte, denn die Fesseln hatte man eng angezogen. Erst jetzt kam die Zirkulation wieder richtig in Gang.

„Die einzige Burg, die sich hier in der Gegend befindet, ist Caerhays Castle. Und soweit ich weiß, wurde auch sie von den Schergen des High Sheriffs überfallen, ihre rechtmäßigen Besitzer verschleppt und von einem seiner Vasallen besetzt!“, antwortete Jory. „Wir wussten ja, dass diese Burg in der Nähe unserer Bucht liegt, aber es gab doch keinen Anlass, uns harmlose Durchreisende in der Herberge zu überfallen!“

„Ich stimme dir zu, auch ich war noch nie in dieser Gegend und kann mir keinen Reim auf unsere Gefangennahme machen. Wir werden wohl abwarten müssen, bis sich unser Gastgeber gesprächsbereit zeigt.“

Das geschah dann gegen Mittag des folgenden Tages, und aus dem Wenigen, was ihnen der Burgvogt in seiner überheblichen Art mitteilte, entnahmen sie, dass er wusste, wer sie waren: „... üble Rebellen gegen den rechtmäßigen König Johann, die keinerlei Gnade zu erwarten haben!“

Mit dieser Erkenntnis versank Shawn in tiefe, brütende Nachdenklichkeit, aus der ihn endlich Brychan, der Bogenschütze, riss.

„Weißt du eigentlich, was schlimmer ist als das Hohngelächter der Wachen?“

Erstaunt sah der kleine Shawn zu ihm auf.

„Nein, was meinst du?“

„Das Schweigen meiner Freunde!“, antwortete Brychan knapp.

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