Читать книгу Insel der Ponygirls - Tomàs de Torres - Страница 12
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Als Gamaleh außer Sicht war, blickte Luke sich nach allen Richtungen um.
Niemand da! Ich muss mich beeilen. Wenn die Sonne untergeht, wird es rasch stockfinster. Der Mond kommt zwar bald heraus, aber diesen Dschungel, der den Eingang zum Tunnel umgibt, kann sein Licht wohl kaum durchdringen.
Er traute dem Frieden nicht. Bob war freundlich, aber unverbindlich, und Gamaleh war schlichtweg wundervoll, doch in seiner Laufbahn als Officer der U. S. Customs and Border Protection, der Zoll- und Grenzschutzbehörde der Vereinigten Staaten, hatte Luke gelernt, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten – umso mehr, wenn er – wie jetzt – die Lage nicht völlig überblicken konnte. Zur Hochzeit seiner Tochter würden Gäste erwartet, hatte Bob gesagt, und Luke nahm an, dass es sich dabei hauptsächlich um Männer handelte, die die Gelegenheit zu einem Familienbesuch wahrnahmen. Was geschah, wenn sie zu dem Schluss kamen, er stelle ein Sicherheitsrisiko für die Insel dar?
Die Wahrscheinlichkeit, dass man zu drastischen Mitteln greifen würde, schätzte Luke zwar als gering ein, doch bestand immerhin die Möglichkeit, dass man versuchen würde, ihn festzusetzen. Für diesen Fall musste er sich einen Fluchtweg schaffen; und den ersten Schritt dazu bildete die Überprüfung, ob sein Boot noch vorhanden und startbereit war. »Wir haben vollgetankt«, hatte Bob gesagt, aber Luke überzeugte sich lieber selbst.
Die Straße führte am Stall vorbei und durch einen Dschungel von Kletterpflanzen umrankter Baumriesen. Grün war natürlich die vorherrschende Farbe, doch Luke sah auch Bäume, die gelbe und purpurne Blüten trugen.
Er hatte höchstens 500 Meter zurückgelegt, als sich der Dschungel auf der rechten Seite lichtete und einem großen Wasserbecken Platz machte. Luke schätzte seine Ausmaße auf 20 Meter in der Breite und 50 in der Länge, sein hinterer Teil reichte in den künstlich ausgehöhlten Berghang hinein.
Er trat an das von einer brusthohen Mauer umgebene Becken heran. Es schien nicht zum Schwimmen gedacht, denn es gab keine Stufen oder Leitern, die ins Wasser führten. Es musste sich um das Wasserreservoir der Insel handeln. Als er weiterging, entdeckte er mehrere kleinere Becken, die mit Treppen und Sprungbrettern ausgerüstet waren.
Wenn es schon keine Duschen gibt, dachte er befriedigt, kann man wenigstens doch baden! Er bedauerte, im Moment keine Zeit dafür zu haben, nahm sich aber fest vor, das dringend nötige Bad am nächsten Morgen nachzuholen.
Und dann entdeckte er doch noch Duschen; allerdings waren sie nicht ebenerdig, sondern in einer breiten Vertiefung angebracht, die über eine Rampe und eine Treppe zugänglich war.
Natürlich! Wenn es keinen Strom gibt, gibt es auch keine Pumpen. Die Zuleitungen zu den Duschen müssen sich unterhalb des Niveaus des Vorratsbeckens befinden. Einfach, aber effektiv und wahrscheinlich sogar wartungsfrei.
Nach einem letzten, bedauernden Blick ging er weiter. Die Helligkeit nahm nun rasch ab, und er befürchtete, die Abzweigung zum Tunnel zu verpassen.
Doch wider Erwarten fand er sie ohne Probleme, obwohl er nur eine verschwommene Erinnerung an seinen Abstieg vom Tunnelausgang hatte. Der Pfad führte zwischen den rötlichen Stämmen von Kastanien, deren Stützwurzeln wie der Faltenwurf eines Rocks aussahen, und den glatten Säulen von Gummibäumen hindurch. Sie trugen, 30 Meter über Luke, einen nahtlosen grünen Baldachin. Die weißen Blüten von wildem Ingwer verströmten ihren aromatischen Duft. Die menschliche Zivilisation schien so weit entfernt zu sein wie ein anderer Planet.
Bald stieg der Pfad an und schlängelte sich die Kraterwand entlang. Als der Himmel eine tief dunkelblaue Färbung angenommen hatte und die ersten Sterne durch aufziehende Wolkenschleier flimmerten, erreichte Luke die Eisentür. Schwer atmend blieb er stehen. Sein Hemd war durchgeschwitzt, Schweißtropfen rannen an der Innenseite seiner Beine hinunter, und sein Herz raste, als ob er die zwei Kilometer gerannt wäre. Er musste erkennen, dass er noch nicht völlig wiederhergestellt war.
Er gönnte sich zwei Minuten Pause, dann öffnete er die ins Gestein eingelassene Tür. Kaum hatte er die Plattform betreten, die das obere Ende der Wendeltreppe bildete, flammte Licht auf. Luke machte sich an den Abstieg und zählte dabei die Stufen. Auf der Sohle des Treppenschachts empfing ihn das Nageln des Generators, der sich in einem Raum in der Nähe befinden musste.
Bevor er dem Tunnel bis zur Anlegestelle folgte, rüttelte er abermals an der Klinke des großen Tores, das die Fortsetzung des Gangs versperrte. Es war nach wie vor verschlossen. Er hatte sich bereits wieder abgewandt, als er stutzte: Die Wendeltreppe führte etwa 30 Meter senkrecht herab, was letztlich bedeutete, dass das Tor nicht unmittelbar ins Kraterinnere führen konnte, sondern dahinter, grob geschätzt, noch einmal 30 Meter Tunnel liegen mussten. Was befand sich in dem verschlossenen Tunnelabschnitt? Und wo endete der Tunnel im Krater?
Luke nahm sich vor, so bald wie möglich nach der Tunnelmündung zu suchen, doch dazu benötigte er Tageslicht. Im Moment gab es Dringenderes.
Er hastete durch den Tunnel. Als er den Kai erreichte, hielt er abrupt an: An einem der Poller war das Motorboot vertäut, das er gestern Morgen Monteros Leuten abgenommen hatte. Man hatte es also hereingebracht, wohl um zu verhindern, dass es entdeckt wurde.
Luke schwang sich auf das Deck und unterzog das Boot einer kurzen Kontrolle. Alles schien unverändert, sogar der Zündschlüssel steckte; und das Schloss des Gitters, das den Tunnel vom Meer trennte, war mit dem Bootswerkzeug leicht zu knacken.
Erleichtert machte er sich auf den Rückweg. Es war gut zu wissen, dass ihm ein Fluchtweg offen stand. Aber es würde ihm schwerfallen, Gamaleh zurückzulassen, die ihn mehr und mehr faszinierte.
Gamaleh …
Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, Gamaleh bei seiner Abreise mit sich zu nehmen.