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Das perfekte Timing

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Timing. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Das ist das perfekte Timing. Timing ist alles im Leben. Und dies beherrscht mein Sohn Benjamin in seinen jungen Jahren ganz vorzüglich in einer ganz besonderen Art und Weise. Nämlich er beherrscht die Kunst, sich die unpassendste Gelegenheit überhaupt auszusuchen. Er ist ein ausgesprochener Meister darin, das genaue Gegenteil des perfekten Moments für sich zu beanspruchen. Und dies zumindest in einer Disziplin.

Wir wollen wegfahren. Benjamin steht schon vollkommen angezogen - Jacke, Mütze und auch Schuhe hat er schon an - im Flur.

„Benni! Warst du schon auf dem Klo?“

„Nein.“

„Komm! Geh noch mal!“, fordert ihn die Mama auf.

„Nein. Ich kann nicht.“

„Wehe du musst unterwegs pieseln.“, höre ich mich sagen und füge noch hinzu: „Wir können unterwegs nirgends anhalten.“

„Ich weiß. Aber ich kann nicht.“, gibt er ärgerlich zurück.

Was will man da noch sagen.

Wenn Sie selbst Kinder haben, kennen Sie vermutlich diese Situation. Und Sie werden wahrscheinlich schon erahnen, was jetzt kommt. Kaum sitzen wir im Auto, wir sind noch keine zehn Minuten unterwegs, meldet sich Zwergnase vom Rücksitz.

„Papa. Wann sind wir endlich da?“

„Bald.“

„Wann bald?“

„Wieso?“

„Ach nur so.“

Ende der Konversation.

Nach circa einer halben Minute folgt erneut die Frage, jetzt in etwas abgewandelter Form.

„Papa?“

„Ja.“

„Sind wir bald da?“

„Wieso fragst du Benni?“

„Ach, ich hab da so ein komisches Gefühl.“

„Benni, musst du etwa pieseln?“

Etwas zaghaft und schuldbewusst kommt dann auch schon die Antwort.

„Ja, aber ich kann es noch zurückhalten.“

Und dann folgt der Kommentar von mir, der zwangsläufig folgen muss.

„Na toll! Warum bist du nicht daheim gegangen?“

Ich schaue in den Rückspiegel und sehe einen mit den Schultern zuckenden Benni.

Nach einer weiteren, nicht einmal vergangenen Minute.

„Papa!“

„Ja?“

„Es pressiert jetzt langsam. Ich muss dringend.“

Und meist ist es der Moment auf der Autobahn, in dem kurz zuvor auf einem Schild zu lesen gewesen war: Nächste Raststätte 50 km. Dies ist natürlich auch nun der Fall.

Mist! Die nächste Möglichkeit aufs Klo zu gehen ist also in etwa einer halben Stunde. Spätestens jetzt ist der Augenblick gekommen, in dem man sich umdrehen und seinen Nachwuchs am liebsten …

Nachdem wir, meine Frau und ich, die Konfirmandenblase meines Sohnes kennen, schicken wir ihn seit geraumer Zeit jedes Mal, sei die Fahrt noch so kurz, vorher noch aufs Klo, ob er will oder nicht. Und in den meisten Fällen muss er doch. Wir haben das Problem weitgehend im Griff.

Als wir einmal zum Ammersee wollten um Boot zu fahren – Sie müssen wissen, dass meine beiden Kinder es lieben, Motorboot zu fahren, auch wenn es nur ein Elektro-Motorboot ist, das maximal sechs km/h schnell ist und jede Ente, die es eilig hat, uns auf dem See überholt -, war ich mir des besonderen Timings meines Sohnes bewusst. Daher schickte ich ihn daheim noch aufs Klo. Auch am Ammersee, bevor wir uns ein Boot mieteten und in dieses einstiegen, forderte ich beide auf, noch Pipi machen zu gehen.

„Ich kann nicht.“, kam prompt von Zwergnase.

Na gut, dachte ich mir. Er war ja daheim, kurz bevor wir aufgebrochen waren, noch auf dem Klo gewesen. Verständlich, dass er nun nicht musste. Wir stiegen also ins Boot, Benni übernahm das Steuer und so fuhren wir weit, weit hinaus, bis zur Mitte des Sees. Dort wollten wir eine kleine Pause einlegen und etwas trinken und eine Kleinigkeit essen. Die Mama hatte uns Kekse eingepackt.

Endlich in der Mitte des Sees angekommen, schaltete ich den Motor aus, schnappte mir den Rucksack und packte unsere Brotzeit aus, auch wenn es nur Kekse waren. Kaum hatte ich die Kekse aus dem voll gepackten Rucksack herausbekommen …

„Papa?“

„Ja?“

„Ich hab da so ein komisches Gefühl.“

„Sag bloß nicht du musst jetzt pieseln?“

Er hatte jetzt ein schuldbewusstes und trauriges Gesicht und blickte zu Boden.

Mist! Was machen wir jetzt? Kein Baum in Sicht. Keine Insel in erreichbarer Nähe. Und ins Boot wollte ich ihn auch nicht machen lassen. Ein wenig Anstand besaßen ich und meine Söhne ja auch. Oder?

Also gab es nur eines.

„Marco!“, rief ich meinem anderen Sohn zu, der auf der Rückbank hinter dem Steuermann Benni saß.

„Ja?“

„Komm nach vorne! Setz dich zunächst in die Mitte und übernimm dann das Steuer, wenn ich hinten bin! Wir, Benni und ich, gehen nach hinten. Da haben wir mehr Platz, um uns zu bewegen.“

„Okay.“, sagte er gleich und begann über die vordere Sitzlehne zu steigen. Als er dies geschafft hatte und in der Mitte, zwischen mir und Benni saß, stieg ich nach hinten. Dann half ich Zwergnase über die Lehne der Vordersitze zu steigen und bat ihn, sich zunächst hinzusetzen.

Ich leckte kurz meinen Zeigefinger und hielt ihn hoch.

„Was machst du da?“, kam prompt die Frage von Marco.

„Ich schau woher der Wind kommt.“

„Benni! Steig bitte auf die Bootskante!“

Zwergnase schaute mich fragend an.

„Steig bitte auf den Rand des Bootes!“, wiederholte ich mit anderen Worten, da er anscheinend nicht verstanden hatte, was er tun sollte.

Jetzt hatte er begriffen. Er stand auf, ich packte ihn am Rücken, besser gesagt an seiner Jacke, bevor er mit beiden Beinen sich auf die schmale Kante stellte und sagte:

„Papa. Ich tue es nie wieder.“

Angst schwang in seiner Stimme mit. Gleich würde er zum Weinen anfangen.

„Papa, schmeiß ihn bitte nicht hinein! Er macht es nicht mit Absicht.“, mischte sich Marco, mein Großer, jetzt ein und wollte seinem Bruder helfen. Jetzt begriff ich.

„Ach Quatsch. Ich schmeiß ihn nicht ins Wasser.“, sagte ich zu Marco gewandt.

„Benni. Mach die Hose auf!“

Er drehte seinen Kopf zu mir um.

„Na mach schon! Piesle ins Wasser! Eine andere Möglichkeit haben wir nicht.“

Er war scheinbar erleichtert, denn seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lachen. Er hatte begriffen, dass ihn der Papa nicht über Bord werfen wollte. Er öffnete den Reißverschluss und ein Strahl ergoss sich ins Wasser.

„Pass auf, dass du dich nicht voll pinkelst!“, fügte ich noch hinzu.

Als er fertig war und wieder ins Boot stieg, setzte er sich erleichtert auf die breite Rückbank.

„So jetzt habe ich die Fische gegossen.“

Ich sah ihn an und wollte gerade etwas sagen, als sich von vorne Jemand zu Wort meldete.

„Papa, warum hast du den Finger vorher abgeschleckt und in die Höhe gehoben.“

„Ich wollte nur testen, ob es hier fliegende Fische gibt und nach meinem Finger schnappen. Wenn dies der Fall gewesen wäre, wäre es gefährlich für Bennis „Du-weißt-schon“ geworden.“, wollte ich sagen, verkniff es mir und erklärte stattdessen beiden den wahren Grund.

„Ich hab geschaut, woher der Wind kommt. Man sollte nämlich immer mit dem Wind, statt gegen den Wind pieseln. Sonst hat man danach eine nasse Hose und eine Wasserlache im Boot.“

„Igitt!“, kam aus beiden Mündern sogleich der Kommentar.

Und so konnten wir unsere kleine Brotzeit beginnen und danach unsere Fahrt fortsetzen, dann jedoch mit Marco am Steuer.

Perfektes Timing auf „hoher See“ ist wichtig. Genau so wichtig wie mit dem Wind pinkeln. Diese Lektion hatten sie beide bei dieser Bootsfahrt zumindest gelernt.

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