Читать книгу Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman - Toni Waidacher - Страница 7

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Es regnete Bindfäden, als der Bus St. Johann erreichte, und die Reisenden sahen entsprechend miß-mutig aus. Vor dem Hotel standen die Angestellten, mit Regenschirmen bewaffnet, um die Gäste in Empfang zu nehmen.

»Grüß Gott, meine Herrschaften«, rief Sepp Reisinger, der Wirt vom Hotel »Zum Löwen«. »Sein S’ herzlich willkommen, auch wenn das Wetter net gerad’ das Beste ist. Aber ich kann Ihnen versprechen, morgen herrscht der schönste Sonnenschein.«

»So?« meinte einer der Kurzurlauber. »Dann haben S’ wohl einen besonders guten Draht zum Petrus, was?«

»Ich net«, lachte der Gastwirt. »Aber unser Herr Pfarrer, und wenn der sagt, daß morgen die Sonne scheint, dann ist es so!«

Unter dem Schutz der Regenschirme liefen die Gäste ins Hotel, während zwei Hausburschen sich um das Gepäck kümmerten. In der Halle wurden die Zimmerschlüssel verteilt, und dann konnte jeder seinen Koffer oder Reisetasche in Empfang nehmen.

Nicole Dressler schloß die Tür zu ihrem Zimmer auf und trat ein. Es war zwar erst später Nachmittag, aber man mußte schon das Licht einschalten. Draußen war es nur noch ärger geworden, der Himmel schien alle Schleusen geöffnet zu haben, dunkle Wolken jagten am Himmel und gaben einem das Gefühl, es sei längst Mitternacht.

Das Zimmer gefiel der jungen Frau. Es war hübsch eingerichtet und besaß ein kleines Bad. Nicole erfrischte sich und kämmte die dunklen Haare durch. Nach einem prüfenden Blick in den Spiegel ging sie hinunter in das Clubzimmer, in dem sich die Teilnehmer der Wochen­end­reise trafen.

Vor ein paar Jahren hatte Sepp Reisinger diese Fahrt initiiert, um auch dann die Betten zu belegen, wenn die Saison noch nicht angefangen hatte oder schon wieder zu Ende war. Mit einem namhaften Busunternehmen hatte er einen Vertrag geschlossen. Die Zimmer wurden zu einem günstigen Preis angeboten, sogar die Mahlzeiten waren inklusive. Anreise am Freitag, Rückfahrt am Sonntagnachmittag. Das Konzept hatte sich bewährt, denn nicht wenige, die so die gute Bergluft erstmals geschnuppert hatten, kamen auch im Jahr darauf wieder, wenn die großen Ferien waren.

Im Clubzimmer wurde den Gästen Kaffee und Kuchen serviert, und Sepp erläuterte den Ablauf der Tage. So konnte man sich für eine Bergwanderung anmelden oder den Aufenthalt frei gestalten, je nach Belieben.

Nicole schaute sich um. Ihre Mitreisenden hatte sie schon während der Fahrt in näheren Augenschein genommen. Es waren dreißig Leute, ältere Ehepaare zumeist, und eine kleine Gruppe von vier Paaren, die nur wenig älter schienen, als die hübsche Lehramtsstudentin. Außerdem war ein einzelner, junger Mann mitgefahren. Er hatte sich ihr als Florian Mooser vorgestellt, und schon im Bus hatte sie den Eindruck, daß er sie immer wieder verstohlen beobachtete, wenn er glaubte, sie bemerke es nicht…

Für einen Moment dachte Nicole Dressler an Wolfgang Arnhäuser, und ein trauriger Zug huschte über ihr Gesicht. Ursprünglich hatten sie die Fahrt gemeinsam gebucht, um hier Nicoles Geburtstag zu feiern.

Zweiundzwanzig Jahre wurde sie morgen und hatte es sich so schön ausgemalt. Doch wie so oft in letzter Zeit, war es zwischen ihnen zum Streit gekommen, diesmal jedoch heftiger als je zuvor, und eine Versöhnung war unmöglich gewesen, so sehr Nicole sie sich auch gewünscht hätte.

Aber als sie dann auch noch über Dritte erfahren mußte, daß Wolfgang an genau diesem Wochenende mit einer anderen Frau in den Bayerischen Wald fahren würde, da war ihr klargeworden, daß es endgültig aus war.

Als einer der Letzten erschien Florian Mooser im Clubzimmer. Er stand in der Tür und suchte nach einem freien Platz. Für einen Moment fragte sich Nicole, warum ihr Herz plötzlich so fürchterlich schnell schlug, als der junge Mann geradewegs an ihren Tisch kam, an dem sie ganz alleine saß.

»Hallo«, grüßte er und deutete auf einen leeren Stuhl, »ist hier noch frei?«

Die angehende Lehrerin nickte. Ihr Herz raste immer noch, und sie fragte sich, wieso eigentlich? Gewiß, Florian war ein fescher Bursche, ohne Zweifel, groß, die blonden Haare modisch geschnitten, und auf dem Gesicht immer ein sympathisches Lächeln.

Unter anderen Umständen wäre sie seinen Flirtversuchen gar nicht abgeneigt gewesen, aber die Enttäuschung über Wolfgangs Verhalten saß immer noch tief. Trotz allem hatte Nicole beschlossen, sich ihren Geburtstag nicht vermiesen zu lassen und die Reise alleine angetreten. Das bedeutete aber auch, daß sie nicht die Absicht hatte, sich so schnell auf ein neues Abenteuer einzulassen.

Große Stücke Apfelkuchen standen auf den Tischen, Haustöchter brachten Kaffee und Tee, und schon bald waren die Teilnehmer der Wochenendfahrt in eine rege Unterhaltung verwickelt.

»Lecker, der Kuchen, was?« meinte Florian und nahm eine ordentliche Portion Schlagsahne. »Möchten S’ auch?«

»Bloß net«, schüttelte Nicole den Kopf. »Danke schön, Herr Mooser, aber das verträgt meine Figur net.«

»Also, da muß ich widersprechen«, antwortete er. »Um Ihre Figur müssen S’ sich ja nun überhaupt keine Sorgen machen!«

Sie lächelte.

»Ein sehr nettes Kompliment. Aber ich verzichte gern’.«

»Dann trinken S’ aber wenigstens noch einen Kaffee«, sagte er und nahm die Kanne in die Hand. »Machen S’ denn morgen auch die Bergtour mit?«

»Ich weiß noch net. Lust hätt’ ich schon.«

»Also, ich geh’ auf jeden Fall. Sonst bräucht’ man ja net in die Berge fahren, wenn man am End’ nix davon hat. So eine Bergtour ist doch ein schönes Erlebnis.«

»Dann haben S’ so etwas wohl schön öfter gemacht?«

»Früher ja«, nickte er. »Heut’ hab’ ich leider net mehr soviel Zeit. Das Studium, wissen S’. Ich bin froh, daß ich mir wenigstens dieses Wochenende gleich abgezwackt hab’. Eigentlich hätt’ ich’s mir gar net leisten können, von der Zeit her, aber das mußte einfach mal sein.«

Täuschte sie sich oder huschte in diesem Moment ein dunkler Zug über sein Gesicht?

»Was studieren S’ denn, wenn ich fragen darf?« erkundigte sie sich, um die plötzlich entstandene Pause zu überbrücken.

»Sportpädagogik«, lautete die Antwort. »Ich will mal Sportlehrer werden.«

Nicole Dressler lächelte.

»Dann werden wir ja Kollegen. Ich studiere Lehramt.«

»Wirklich? So ein Zufall. Da haben wir ja ein wunderbares Gesprächsthema für die nächsten beiden Tage.«

»Um Himmels willen, nur das net«, lachte sie laut auf. »Kennen S’ net den Witz? Treffen sich zwei Lehrer, worüber unterhalten sie sich? Antwort: Natürlich über die Schule!«

»Es war auch nur ein Scherz«, schmunzelte Florian und betrachtete sie so intensiv, daß Nicole verlegen den Blick abwendete.

Sie trank ihren Kaffee aus und erhob sich.

»Entschuldigen S’ mich bitte, Herr Mooser, ich möcht’ mich ein bissel ausruhen.«

»Recht haben S’«, stimmte er zu und stand ebenfalls auf. »Aber sagen S’ doch einfach Florian zu mir. Herr Mooser – das klingt aus Ihrem hübschen Mund wie: ›Herr Lehrer‹.«

Noch einmal mußte Nicole lachen. Das hatte sie in der letzten Zeit nicht sehr oft gekonnt, und daß dieser Mann sie so zum Lachen bringen konnte, gefiel ihr.

»Gut«, nickte sie und reichte ihm die Hand. »Nicole.« Er nahm ihre Hand und schüttelte sie und ganz bestimmt hielt er sie dabei länger, als eigentlich notwendig…

»Ich werd’ mich auch ein bissel hinlegen«, meinte er und verließ an ihrer Seite das Clubzimmer.

*

Auf dem oberen Flur angekommen, stellten sie fest, daß ihre Zimmer, nur durch eine Wand getrennt, nebeneinander lagen.

»Also, bis später«, verabschiedete sich Nicole und schloß ihre Zimmertür auf.

Florian winkte ihr zu und schloß ebenfalls auf. Allerdings trat er erst ein, nachdem die Studentin in ihr Zimmer gegangen war.

Drinnen setzte er sich an das Fenster und schaute hinaus. Allerdings sah er nicht wirklich die Gipfel des ›Himmelsspitz’ und der ›Wintermaid‹. Sein Blick war in eine weite, imaginäre Ferne gerichtet, und vor ihm erschien das Bild einer jungen Frau – Marion Rathmann…

Wie in einem Film sah er die vergangenen Tage und Wochen vor sich ablaufen, und immer noch nicht wollte sein Kopf begreifen, daß zu Ende war, was so hoffnungsvoll begonnen hatte.

Auf einer Studentenfete lernten sie sich kennen. Es war einer dieser Partys, zu der man nicht eingeladen war. Jeder brachte jemanden mit, und am Ende war es eine große, zusammengewürfelte Gruppe von jungen Menschen unterschiedlicher Nationalitäten. Ein paar hatten etwas zu den Getränken beigesteuert, andere wiederum Essen mitgebracht. Es war ein buntes Durcheinander verschiedenster Leckereien, und gefeiert wurde bis in den frühen Morgen.

Marion, eine rassige rothaarige Studentin der Kunstgeschichte, war in Begleitung eines jungen Mannes gekommen. Ganz offensichtlich waren die beiden ein Paar. Natürlich fiel sie nicht nur Florian auf. Beinahe jeder wollte mit ihr tanzen, und ständig war Marion Rathmann umlagert.

Es war schon weit nach Mitternacht, als sie und Florian am Büfett zusammentrafen. Beide griffen gleichzeitig nach einer Schüssel, in dem noch der Rest eines köstlichen Hirsesalates war, den ein afrikanischer Gaststudent mitgebracht hatte. Mit exotischen Gewürzen, Öl und Zitronensaft angemacht, schmeckte dieser ungewöhnliche Salat unglaublich gut, und Florian liebäugelte schon eine ganze Weile mit dem Gedanken, sich noch eine Portion zu holen. Er hatte gerade die Hand ausgestreckt, als Marion ebenfalls zugriff.

»Oh, Pardon«, sagte Florian und zog seine Hand zurück. »Damen haben natürlich den Vortritt.«

Marions grüne Augen strahlten ihn an.

»Oh, endlich mal ein Kavalier«, lächelte sie ihn an. »Ich find’, das muß belohnt werden. Komm, das reicht noch für uns beide.«

Die Schüssel in der einen Hand, zog sie ihn mit sich hinaus, auf den Balkon. Dort hockten sie sich, in Ermangelung von Sitzgelegenheiten, auf den Kunstrasen, mit dem der Balkon ausgelegt war, und dann aßen sie gemeinsam aus der Schüssel, wobei Marion den Löffel behielt und ihn fütterte.

Florian war so geistesgegenwärtig gewesen, nach einer halbvollen Rotweinflasche zu greifen, die auf dem Büfett stand, so daß sie abwechselnd aßen und tranken.

»Herrliche Nacht, was?« meinte Marion und sah ihn von der Seite her an.

Florian konnte nur nicken. Er war viel zu gefangen von diesem wunderbaren Wesen an seiner Seite, als daß er ein Wort herausgebracht hätte.

»Hast’ am Wochenend’ schon was vor?« fragte sie ihn.

Er sah sie überrascht an.

»Eigentlich net«, schüttelte er den Kopf. »Warum?«

Sie stellte die Schüssel, die bisher immer in ihrem Schoß gestanden hatte, ab und griff nach seiner Hand.

»Mensch, bist du schwer von Begriff«, sagte sie. »Ich möcht’ mich mit dir verabreden. Merkst’ denn net, daß du mir gefällst?«

Der angehende Sportpädagoge riß überrascht die Augen auf.

Sich mit ihm verabreden?

Er konnte sein Glück gar nicht fassen.

»Oder… hast du eine Freundin…?«

»Nein«, antwortete er rasch. »Hab’ ich net. Aber was ist denn mit dir? Ich mein’…, also. du bist ja net allein’ hergekommen…«

Marion lächelte.

»Gernot? Der ist net mehr, als ein guter Freund«, erwiderte sie. »Wir gehn oft zusammen aus, aber mehr ist zwischen uns net.«

»Ja dann«, zuckte Florian die Schultern.

»Was dann?«

Sie hielt immer noch seine Hand. Durch die angelehnte Balkontür drang die Musik und das Stimmengewirr zu ihnen. Langsam näherten sich ihre Köpfe, und dann fanden sich ihre Lippen zu einem ersten Kuß.

So begann eine große Liebe, von der Florian nie geglaubt hätte, daß sie jemals enden würde.

Doch das stellte sich als Irrtum heraus. Schon bald merkte er, daß der erste Rausch verflogen war. Immer häufiger kam es zu kleinen Streitereien, und oft hielt Marion Verabredungen nicht ein. Schließlich kam Florian durch den Hinweis von Freunden dahinter, daß er wohl nicht der einzige war, mit dem sie ihre Zeit verbrachte, und schließlich mußte er erfahren, daß Gernot doch nicht nur der gute Freund war, als den Marion ihn bezeichnet hatte…

Zur Rede gestellt, gab sie umunwunden alles zu und ließ ihm die Wahl, entweder zu akzeptieren, wie sie war, oder sich zu trennen.

Es dauerte lange, ehe er sich entscheiden konnte, aber schließlich siegte die Einsicht, daß solch eine Beziehung nicht das war, was er wollte. Florian zog einen Schlußstrich, auch wenn es weh tat.

Und diesen Schmerz spürte er noch immer.

*

Im Pfarrhaus saß man beim Abendessen. Claudia Bachinger war von Garmisch herübergekommen, um das Wochenende mit Max Trenker zu verbringen. Die Journalistin hatte Sophie Tappert geholfen, den Tisch zu decken, jetzt drehte sich die Unterhaltung – wie konnte es anders sein – um das Wetter.

Seit einer guten Woche regnete es, und zwar beinahe ununterbrochen, doch Sebastian Trenker war zuversichtlich, daß es morgen endlich wieder besser würde. Bestimmte Anzeichen deuteten zumindest daraufhin, und der Wetterbericht versprach ebenfalls Besserung.

»Der Sepp hat fürchterliche Angst, daß die Tour morgen buchstäblich ins Wasser fallen könnt’«, schmunzelte der Geistliche. »Er hat heut’ schon zweimal angerufen und sich erkundigt, ob morgen auch wirklich die Sonne scheint.«

»Dann führst du morgen die Gruppe hinauf?« fragte sein Bruder.

Der Bergpfarrer nickte.

»Ja, der Alois ist verhindert. Seine Schwester feiert ihren Fünfzigsten.«

Alois Vinger, der früher der Leiter der Bergwacht war, arbeitete immer noch als Bergführer. Meistens brachte er die Gruppen aus dem Hotel zu den Almhütten hinauf. Wenn er verhindert war, sprang Sebastian gerne mal für ihn ein.

»Und was habt ihr vor?« erkundigte er sich bei Max und Claudia.

»Ach, wir lassen’s ganz geruhsam angehn«, antwortete der Polizeibeamte und legte seinen Arm um die Journalistin. »Net wahr, Spatzel?«

Die attraktive, junge Frau nickte.

Sie und Max hatten sich bei einer Verkehrskontrolle kennengelernt. Claudia war zu schnell gefahren, allerdings verhinderte dieses Vergehen nicht, daß der Bruder des Bergpfarrers sich auf der Stelle in sie verliebte.

Und diese Liebe beruhte auf Gegenseitigkeit. Auch Claudia fand gleich Gefallen an dem feschen Max Trenker, der im Wachnertal den Ruf eines Herzensbrecher genoß. Aber seit er mit Claudia zusammen war, schaute er kein anderes Madl mehr an.

»Die letzte Woche war sehr anstrengend«, meinte sie. »Ich bin froh, wenn ich mal net an die Arbeit denken muß. Aber auf den Tanzabend, morgen, da freu’ ich mich schon.«

Sebastian schaute auf die Uhr.

»So, die Herrschaften werden ebenfalls beim Abendessen sitzen«, sagte er. »Ich werd’ mal hinübergehn und mit ihnen sprechen. Wir sehn uns ja noch später.«

Es hatte sich als vorteilhaft erwiesen, wenn die Bergführer am Abend vor der Tour noch einmal mit den Teilnehmern der Wandergruppe sprachen. Nicht wenige versäumten nämlich, entsprechende Kleidung mitzubringen, weil sie einfach nicht daran dachten oder eine Bergwanderung mit einem Spaziergang verwechselten. Einmal hatte der Geistliche es erlebt, daß eine Frau aufsteigen wollte, die weder Stiefel, noch Hut dabei hatte. Dafür trug sie einen recht kurzen Rock und Schuhe mit hohen Absätzen.

Der gute Hirte von St. Johann hatte milde gelächelt und die wanderlustige Dame mit wetterfester Kleidung aus seinem Fundus ausstaffiert.

Als er das Hotel betrat, saß die Gruppe gerade beim Dessert. Sepp Reisinger stellte Sebastian vor.

»Also, Herrschaften, das ist unser Herr Pfarrer. Der Herr Trenker wird Sie morgen früh auf die Kandereralm führen.«

»Na, dann kann uns ja nix passiern, wenn wir seelsorgerischen Beistand haben«, konnte sich einer nicht enthalten, zu sagen.

Sebastian schmunzelte.

»Mein Beistand allein’ wird nix nützen, wenn Sie net die richtige Ausrüstung mitgebracht haben«, meinte er. »Und genau deshalb bin ich hergekommen, um mich davon zu überzeugen, daß Sie alle an Wanderschuhe und wetterfeste Kleidung gedacht haben.«

Zustimmendes Nicken war die Antwort.

»Schön. Wie sieht’s denn mit der Kondition aus?« fragte der Geistliche weiter. »Sie müssen nämlich wissen, daß die Kandererhütte auf über zweitausend Metern Höhe liegt. Wir werden ein paar Stunden unterwegs sein. Falls also jemand glaubt, daß so eine Tour zu anstrengend für ihn wär’, sollte er es jetzt sagen. Vielleicht kann man dann etwas anderes verabreden. Es gibt noch viele schöne Ecken, die net so anstrengend zu erreichen sind.«

Allgemeines Kopfschütteln folgte. Die Aussicht, ein paar Stunden wandern zu müssen, schreckte offenbar niemanden.

»Wie steht’s denn mit dem Wetter?« wollte jemand wissen.

»Überflüssige Frage«, meinte derjenige, der schon bei der Ankunft mit dem Wirt darüber gesprochen hatte. »Du hast doch gehört, daß Pfarrer Trenker einen guten Draht zum Petrus hat. Ich wette, Hochwürden würd’ net gehn, wenn er net wüßte, daß morgen die Sonne scheint.«

»Die Wette würden Sie verlieren«, lachte Sebastian Trenker. »Regen hält mich net ab. Aber da ich net wette, brauchen S’ also keine Angst um Ihr Geld zu haben.

Die Gruppe lachte. Dieser Pfarrer gefiel ihnen.

Sebastian war groß und schlank, sein markantes Gesicht stets leicht gebräunt. Da erinnerte er schon eher an einen Filmstar oder bekannten Sportler, als an einen behäbigen Landpfarrer.

»Na, dann wünsch’ ich Ihnen noch einen schönen Abend«, verabschiedete er sich. »Gehn S’ zeitig schlafen, ich hol’ Sie morgen sehr früh ab.«

Der Geistliche wechselte noch ein paar Worte mit Sepp Reisinger, ehe er ins Pfarrhaus zurückkehrte. Claudia und Max saßen im Wohnzimmer und unterhielten sich bei einem Glas Wein. Sebastian setzte sich zu ihnen, doch dehnte sich die Unterhaltung nicht mehr sehr lange aus. Wie immer, wenn er eine Tour geplant hatte, ging der Bergpfarrer früh schlafen.

*

»Also, das Essen war doch klasse, oder?«

Nicole konnte auf Florians Frage nur mit einem bejahenden Kopfnicken antworten. Es hatte wirklich toll geschmeckt, und es war von allem reichlich aufgetischt worden.

Nach einer leckeren Leberknödelsuppe kam der Hauptgang, Span­ferkel in einer schmackhaften Biersauce, dazu Kraut und Knödel. Das Dessert war auf großen Glas­tellern angerichtet worden: Beerenallerlei mit Vanillecreme und Sahnetupfern.

Das Menü fand allgemeinen Beifall, und nachdem Pfarrer Trenker wieder gegangen war, spazierten die Teilnehmer der Wochenendreise vor dem Hotel auf und ab und vertraten sich die Beine.

Tatsächlich hatte der Regen aufgehört, und am Himmel war es deutlich heller geworden. Irgendwie hatte es sich ergeben, daß Nicole und Florian zusammen hinausgegangen waren. Jetzt gingen sie ein paar Schritte die Straße hinunter und schauten sich das Dorf an.

»Hübscher Ort«, bemerkte der junge Bursche. »Hätt’ ich gar net gedacht.«

Nicole stimmte ihm zu. Die Häuser, geschmückt mit Lüftlmalereien, schienen schon sehr alt zu sein, wirkten aber äußerst gepflegt. Die Fassaden wurden regelmäßig gestrichen, die Schindeln der Dächer erneuert.

»Hätten S’ net Lust, die Kirche anzuschaun?« fragte Florian. »Im Prospekt stand, daß sie sehr schön sein soll.«

»Ja, das hab’ ich auch gelesen«, antwortete sie.

Sie überquerten die Straße. Während er neben ihr ging, musterte Florian sie immer wieder. Er konnte es eigentlich nicht begreifen, aber etwas in ihm war da, das ihn unruhig werden ließ. Seit mit Marion Schluß war, hatte er sich verkrochen. Kaum noch, daß er sich bei seinen Freunden sehen ließ, von den regelmäßigen Kneipenbesuchen ganz zu schweigen, und auf Feten traf man ihn überhaupt nicht mehr an. Die Fahrt nach St. Johann war ein erster Versuch, dieser selbstgewählten Einsamkeit zu entgehen. Dabei hatte er bewußt darauf verzichtet, zu Hause wieder unter die Leute zu gehen. Zu groß war die Gefahr, daß er dabei auf Marion treffen würde, und die Wunde wieder aufbrach, die gerade eben dabei war, sich zu schließen.

Allerdings hatte er auch nicht damit gerechnet, einer so zauberhaften, jungen Frau, wie Nicole, zu begegnen. Und schon gar nicht, daß er sich auf den ersten Blick in sie verlieben könnte.

Schon an der Haltestelle, als sie auf den Reisebus gewartet hatten, war sie ihm aufgefallen. Florian hatte es so eingerichtet, daß er schräg hinter ihr saß. So konnte er sie immer wieder betrachten, ohne aufzufallen.

Allerdings schien Nicole seine Blicke gespürt zu haben, denn ab und an drehte sie sich unvermutet um und sah ihn an. Florian hatte dann schnell seinen Blick gesenkt und getan, als suche er etwas in der Tasche, in der er ein wenig Reiseproviant mit sich führte.

Allerdings hatte er sich da noch nicht träumen lassen, daß er jetzt, Seite an Seite mit dieser wunderbaren Frau, durch St. Johann spazieren würde.

Er öffnete die Kirchentür und ließ Nicole den Vortritt. Beide blieben sie in dem Vorraum stehen und hielten unwillkürlich den Atem an.

»Ist das schön«, flüsterte die junge Lehramtsstudentin, als sie endlich ihre Stimme wiederfand.

Florian nickte. Langsam schritten sie den Mittelgang hinunter und staunten über die Pracht, die sich ihnen bot.

Gold, Blau und rot waren die vorherrschenden Farben, mit denen das Gotteshaus verziert war. Die Fensterbilder zeigten Motive aus der Bibel, ebenso, wie die kunstvollen Deckengemälde.

Nicole ließ sich auf eine Bank nieder und schaute stumm zum geschmückten Altar. Florian, der sich neben sie setzte, blickte sie von der Seite her an.

Gütiger Himmel, dachte er, kann es wirklich sein, daß ich mich Hals über Kopf in diese Frau verliebt habe?

Dabei tat mein Herz heut’ morgen noch weh, wenn ich an Marion gedacht hab’. Doch jetzt verschwend’ ich kaum noch einen Gedanken an sie.

Nicole spürte seinen Blick. Sie wendete den Kopf und sah ihn lächelnd an.

Während der Reise hierher, hatte sie nicht so recht gewußt, wie sie Florian Mooser einordnen sollte. Ein Mitreisender, der es offenbar darauf angelegt hatte, mit ihr zu flirten. Später, während des Kaffeetrinkens, hatte er sich als netter, angenehmer Plauderer herausgestellt, und irgendwie war sie ganz glücklich darüber, daß sie ihn zum Tischnachbarn hatte.

Als sie dann zusammen nach oben gegangen waren, und sie ihr Zimmer betreten hatte, da fühlte sie plötzlich eine heiße Welle, die sie durchströmte. Kein Gedanke mehr an den Mann, der sie so bitter enttäuscht hatte, dafür sah sie nur noch das Gesicht ihres neuen Bekannten, das einfach nicht mehr aus ihren Gedanken weichen wollte.

»Wunderschön, net wahr?«

Florian nickte und sah sie dabei so an, daß Nicole nicht wußte, ob er wirklich die Kirche meinte – oder sie…

»Schaun S’ nur, die Madonna«, sagte sie und deutete auf eine Figur, die auf einem Holzsockel stand.

Sie standen auf und betrachteten die geschnitzte Gottesmutter näher. Dabei fiel ihnen auch das Gemälde des Erlösers auf, das daneben hing.

»Sehr ausdrucksstark«, bemerkte Florian. »Als habe der Maler die Furcht Christi vor dem Kommenden, körperlich gespürt und auf die Leinwand übertragen.«

Sie schritten langsam weiter, und als sie bald darauf wieder vor der Kirchentür standen, waren beide überzeugt, selten ein schöneres Gotteshaus gesehen zu haben.

»Dieser Pfarrer Trenker scheint mir ein bemerkenswerter Mann zu sein«, meinte Florian, während sie den Kiesweg hinuntergingen. »Ich hatte jedenfalls noch nie einen Bergführer, der im Hauptberuf Seel­sorger ist.«

»Stimmt«, nickte Nicole. »Allerdings schaut er ja schon gar net so aus. Wenn ich da an unsren Herrn Pfarrer denk’, der mich gefirmt hat. Das war ein ganz anderer Schlag.«

Sie schlenderten zum Hotel zurück. Auch wenn sie am nächsten Morgen wieder früh aufstehen mußten, so schien sich doch keiner von ihnen dazu entschließen zu können, jetzt schon sein Zimmer aufzusuchen. Im Biergarten waren die Tische und Stühle abgetrocknet worden, und ein paar Gäste saßen dort schon zu einer abendlichen Maß Bier.

»Wollen wir auch noch?« fragte Florian, mit dem Kopf hinüberdeutend.

Nicole nickte. Sie hatte gehofft, daß dieser Abend noch nicht zu Ende gehen würde und folgte ihm.

Vielleicht wird’s ja doch noch ein schöner Geburtstag, dachte sie, während sie unter den großen Bäumen saßen, Radler und Bier tranken und sich unterhielten.

*

Am nächsten Morgen herrschte schon in aller Frühe reges Treiben im Hotel. Einige wenige hatten sich nicht entschließen können, an der Bergtour teilzunehmen. Die meisten Gäste saßen jedoch erwartungsvoll im Clubraum und nahmen ihr Frühstück ein. Auf einem langen Tisch lagen die Brotzeitpäckchen bereit. Man hatte zwischen Tee und Kaffee wählen können, der in die mitgebrachten Thermoskannen abgefüllt wurde.

»Wasser brauchen S’ net mitnehmen«, hatte Sepp Reisinger erklärt. »Ihr Bergführer kennt genug Gebirgsbäche, an denen S’ Ihren Durst löschen können.«

Nicht wenige Gäste hatten sich wecken lassen, weil sie befürchteten, sonst zu verschlafen. Nicole war allerdings schon wach, bevor ihr Wecker klingelte.

Einen Moment blieb sie in ihrem Bett liegen.

Herzlichen Glückwunsch, zum Geburtstag, sagte sie in Gedanken zu sich, und dabei huschte doch eine kleine Träne über ihre Wange.

Ein wunderschöner Tag hatte es werden sollen, auf der Hütte hatte sie mit Wolfgang darauf anstoßen wollen, und jetzt war alles anders gekommen.

Nicole widerstand dem Drang, richtig loszuflennen.

»Los, steh’ auf«, sagte sie, im Selbstgespräch. »Du wolltest dir diesen Tag net verderben lassen!«

Sie sprang aus dem Bett. Während sie duschte, dachte sie an Florian Mooser. Länger, als sie es vorgehabt hatten, waren sie im Biergarten geblieben. Es war beinahe elf Uhr, als sie auf ihre Zimmer gingen. Aber es war ein schöner Abend gewesen. Sie hatten viel erzählt, aus ihrer Kindheit, von Streichen, die sie den Lehrern in der Schule gespielt hatten, was so alles auf der Uni passiert war.

Beinahe hätte sich der Abend noch länger ausgedehnt, und Nicole hätte von ihrem Geburtstag am nächsten Tag erzählt. Doch dann verschwieg sie es, und die Vernunft ließ sie schlafen gehen. Keiner von ihnen wollte auf der Bergtour schlappmachen.

Für den Aufstieg zog sie eine modische, aber dennoch zweckmäßige Cordhose an, über die Bluse zog sie einen Pullover. Um diese Zeit war es noch recht kühl in den Bergen, später würde sie wahrscheinlich die Windjacke ausziehen.

In ihrem Rucksack steckten all die Sachen, die man benötigte, vor allem der Fotoapparat und zwei Filme, ein dritter befand sich schon in der Kamera. Mit dem Hut in der Hand ging sie zur Tür und öffnete sie. Als sie auf den Flur hinaustrat, kam Florian aus seinem Zimmer. Er strahlte sie an.

»Guten Morgen, Nicole«, begrüßte er sie. »Haben S’ gut geschlafen?«

»Danke, ganz wunderbar«, antwortete sie.

Sie gingen hinunter. Im Club­raum waren die meisten Teilnehmer der Bergtour schon versammelt. Das Frühstück war reichhaltig, mit allem, was man sich nur vorstellen konnte, und die Gäste ließen es sich entsprechend schmecken.

Schließlich packte jeder noch seine Brotzeit ein, und dann versammelten sie sich vor dem Hotel.

Auf den Bergpfarrer brauchten sie nicht lange warten. Mit einem Rucksack auf dem Rücken, kam Sebastian über die Straße.

»Guten Morgen, zusammen. ­Seid’s ihr alle bereit?«

Unternehmungslustig bejahten die Wanderer. Der Geistliche überzeugte sich noch einmal, daß auch alle richtig ausgerüstet waren, dann marschierten sie los.

Nicole und Florian gingen nebeneinander. Immer wieder ließ der Bursche seinen Blick bewundernd über die Frau an seiner Seite gleiten.

Hinreißend sah sie aus, in ihrer feschen Jacke und mit dem lustigen Hütchen auf dem Kopf.

Lange hatte er gebraucht, bis er eingeschlafen war. Immer wieder schlug Florian die Augen auf, und seine Gedanken kreisten nur um die schöne Studentin im Nebenzimmer.

Er stellte fest, daß er sich lange nicht mehr so gut unterhalten hatte, wie mit Nicole Dressler. Er hatte den Abend mit ihr genossen und hoffte, auch den heutigen mit ihr zu verbringen. Auf dem Programm stand ein Tanzabend auf dem Saal des Löwen, und vielleicht war das eine gute Gelegenheit, ihr näherzukommen…

Mensch, wer hätte das zu hoffen gewagt?

Als er die Busreise antrat, da hatte er nicht im Traum daran gedacht, daß er sich prompt verlieben würde. Und jetzt ging er neben so einer Traumfrau.

»Ist noch recht frisch, was?« meinte er.

Nicole lächelte.

»Aber die klare Luft macht wach.«

Natürlich war ihm klar, daß sie damit auf ihren ausgedehnten Abend anspielte.

»Bereuen S’, daß es gestern so spät geworden ist?« fragte er unsicher.

»Nein«, schüttelte sie den Kopf. »Es war doch sehr schön, oder?«

»Ich möcht’ keine Minute davon missen«, beteuerte er und griff nach ihrer Hand.

Auch wenn sie ein wenig erstaunt war, ließ sie es doch geschehen. Florian drückte ihre Hand.

»Ich würde mich freun, wenn wir den heutigen Abend wieder zusammen verbrächten…«, sagte er hoff-ungsvoll. »Auf dem Saal ist Tanz.«

Sie waren an einer Stelle angekommen, an der jeder einzeln gehen und sich dabei abstützen mußte. Pfarrer Trenker stand bereit, gegebenenfalls Hilfeleistung zu leisten.

Florian bedauerte indes, Nicoles Hand wieder loslassen zu müssen.

Sie hatten die Stelle passiert und gingen wieder nebeneinander.

»Sie haben meine Frage noch net beantwortet«, wandte er sich an die Studentin. »Oder gehn S’ net zu diesem Vergnügen?«

»Doch«, erwiderte sie. »Und ich freu’ mich auf einen Tanz mit Ihnen. Oder zwei…?«

Florian spürte, wie sein Herz einen Hüpfer machte.

»Den ganzen Abend werden wir tanzen!« versprach er mit leuchtenden Augen. »Keinen einzigen lassen wir aus.«

*

Über den Höllenbruch und die Hohe Riest waren sie aufgestiegen. Jetzt, nach knapp zwei Stunden, hielt Sebastian es für angebracht, eine Rast einzulegen. Unterwegs hatte er immer wieder auf Besonderheiten hingewiesen, und die Verschlüsse der Fotoapparate klickten unablässig. Für die Frühstückspause wählte der Geistliche ein Plateau, von dem aus man einen herrlichen Blick ins Tal hatte. Wie aus Spielzeughäusern gebaut, sah man St. Johann, und sogar die beiden anderen Dörfer, Waldeck und Engelskirch, konnte man von hier aus sehen.

Die Sonne war inzwischen vollends aufgegangen, und die Wanderer entledigten sich ihrer überflüssigen Kleidung, Jacken und Pullover wurden ausgezogen, Hemdkragen geöffnet und Ärmel aufgekrempelt. Nur die Hüte behielten sie, auf Anraten ihres Bergführers, auf.

Nicole und Florian saßen nebeneinander und ließen sich die belegten Brote schmecken. Herrlich war es, nach dieser ersten Etappe, den heißen Kaffee zu trinken, der in den Bechern dampfte, und man sah ihnen an, daß ihnen die Tour großen Spaß machte.

Während der Pause unterhielt der Seelsorger seine Gruppe mit Geschichten aus den Bergen, wie sie nur einer kennen konnte, der hier zu Hause war. Unzählige Erlebnisse hatte Sebastian Trenker schon gehabt, und aus seinen Worten hörte man deutlich heraus, wie sehr er seine Heimat liebte. Schließlich gemahnte er doch zum Aufbruch.

»Sonst sind wir net rechtzeitig wieder zurück«, meinte er. »Und Sie wollen sich doch bestimmt noch auf den Tanzabend vorbereiten.«

Nicole dachte an das neue Kleid, das sie sich gekauft hatte. Es war ein Geschenk, das sie sich selbst zum Geburtstag gemacht hatte. Jetzt war sie gespannt, ob es Florian wohl gefallen würde.

Seltsam, dachte sie, während sie weitergingen, als ich’s gekauft hab’, da war’s mir eigentlich egal, ob es jemand anderem gefällt.

Jetzt legte sie Wert auf die Meinung des jungen Mannes, der ihr ganzes Seelenleben durcheinander gebracht hatte.

»Ich hab’ schon so viele Fotos gemacht«, sagte Florian und zückte seine Kamera. »Aber noch gar keines von Ihnen.«

Ehe sie sich darauf vorbereiten konnte, hatte er schon abgedrückt und lachte sie an.

»Das wird bestimmt das schönste Foto meiner Sammlung.«

»Dabei seh’ ich bestimmt fürchterlich aus, mit diesen Sachen«, behauptete sie und schaute an sich herunter.

»Keineswegs«, widersprach er. »Hinreißend schaun S’ aus!«

Sebastian, der wenige Schritte hinter ihnen ging, schmunzelte. Eine ganze Weile beobachtete er das junge Paar schon. Zuerst hatte er angenommen, daß die beiden zusammengehörten, doch dann fiel ihm auf, daß sie sich zwar mit den Vornamen ansprachen, ansonsten aber siezten.

Allerdings – wenn er die zwei so anschaute, dann mußte er feststellen, daß sie durchaus zusammenpaßten.

Eine Frau aus der Wandergruppe sprach ihn an und lenkte so seine Aufmerksamkeit von Nicole Dressler und Florian Mooser ab. Die waren weitergegangen und erreichten einen Abzweig, an dem sie auf die anderen warteten.

»Ich kann mir net helfen«, meinte der junge Sportstudent, »aber irgendwie hab’ ich den Eindruck, daß Sie heut’ besonders hübsch ausschaun.«

Die junge Frau lächelte.

»Ach, Florian, Sie sollen net solche Komplimente machen«, sagte sie. »Ich werd’ ja ganz verlegen.«

Tatsächlich stahl sich eine zarte Röte in das hübsche Gesicht.

»Aber wenn’s doch stimmt!« protestierte er.

Er schaute sie ernst an.

»Ehrlich, Nicole, Sie schaun einfach wunderbar aus.«

Sie zuckte die Schultern.

»Vielleicht liegt’s daran, daß ich heut’ Geburtstag hab’…«

Florian machte große Augen.

»Was? Und das sagen S’ erst jetzt?«

Ungestüm riß er sie in seine Arme und drückte sie an sich.

»Meinen allerherzlichsten Glückwunsch, Nicole«, rief er. »Alles, alles Gute. Da haben wir ja heut’ abend einen richtigen Grund zum Feiern!«

Und ehe sie sich versah, hatte er ihr einen Kuß auf die Wange gedrückt.

Inzwischen war die Wandergruppe herangekommen. Die Worte des Studenten blieben nicht ungehört. Von allen Seiten kamen Glückwünsche, und Nicole wußte nicht, ob sie glücklich oder verlegen sein sollte. Eigentlich hatte sie niemandem etwas davon sagen wollen, doch jetzt freute sie sich.

Vor allem auch darüber, daß sie ihren Geburtstagsabend nicht alleine verbringen mußte.

»Auch von mir einen herzlichen Glückwunsch«, sagte Sebastian Trenker und schüttelte ihre Hand. »Vor allem, daß sich Ihre Wünsche und Träume erfüllen mögen.«

»Danke schön, Hochwürden«, nickte sie und war glücklich über die allgemeine Anteilnahme ihrer Mitreisenden.

»Na, dann gibt’s ja wohl heut’ abend ’ne Flasche Schampus«, ließ sich der Mann vernehmen, der gestern noch mit Sebastian eine Wette hatte eingehen wollen.

»Klar«, rief Nicole fröhlich, »Sie sind alle eingeladen.«

*

Nach zwei weiteren Stunden erreichten sie die Almhütte, die malerisch in einer Senke lag. Sepp Reisinger hatte den Senner von Anfang an in seine Planung mit einbezogen, und so wußte Franz Thurecker, was an diesem Mittag auf ihn zukam.

Der Alte lebte beinahe das ganze Jahr über hier oben, und das schon seit er ein junger Mann gewesen war. Wie Pfarrer Trenker liebte er die Berge, und wenn einer an die Kenntnisse des Geistlichen über die Bergwelt heranreichte, dann war es der Thurecker-Franz.

Legendär war sein Ruf als Käser. Franz verstand es aus der würzigen Milch, die ihm die Kühe und Ziegen lieferten, einen Käse herzustellen, der seinesgleichen suchte. Für den sahnigen Kräuterquark suchte er eigenhändig die Kräuter, und der Hartkäse, der bis zu zwölf Monaten reifen konnte, bestand jeden Vergleich mit seinem berühmten, italienischen Verwandten, der gerne zu Nudeln gegessen wurde.

Auf der Sonnenterrasse war genügend Platz für die Wanderer. Franz begrüßte sie, und Sebastian half ihm dabei, die zahlreichen Wünsche nach erfrischenden Getränken zu erfüllen. Dabei folgten die meisten seinem Rat, einmal die eiskalte Alpenmilch zu probieren, die der Senner vorrätig hielt. Sie wurden nicht enttäuscht, selten hatte einer eine besser schmeckende Milch getrunken als hier oben.

In der Saison war oftmals kein Platz mehr zu bekommen. Franz Thurecker hielt dann immer ein, zwei Gerichte für die Wanderer bereit, die den Weg hierherauf fanden. Wenn Gruppen kamen, die der Löwenwirt angekündigt hatte, dann gab es für alle dasselbe zu essen. Aus Erfahrung wußte Sebastian, daß es immer reichlich war und ausgezeichnet schmeckte.

Heute stellte Franz große, irdene Schüsseln auf die Tische, in denen es zischte und brutzelte. Käs’spatzen, mit Röstzwiebeln gab es, dazu grünen Salat, mit Zitrone angemacht, und danach frisches Brot mit einem köstlichen Weichkäse, der cremig und pikant schmeckte. Nicht weniger Gäste fragten, ob sie später davon etwas kaufen könnten.

Natürlich war das möglich, indes riet ihnen der Senner davon ab. Für den Transport ohne Kühlbox eignete sich der weiche Käse nicht besonders, schon gar nicht, wenn er noch die lange Reise nach Regensburg antreten mußte.

»Aber einen schönen Schnittkäs’ hab’ ich für Sie«, sagte Franz. »Wenn S’ davon was mitnehmen möchten, dann können S’ ihn beim Reisinger-Sepp bis zur Abfahrt ins Kühlhaus legen.«

Dieser Vorschlag fand Zustimmung, und der Alte versprach für später eine Führung durch sein Käselager – natürlich mit Verkostung.

Doch jetzt war man noch beim Essen, wobei die meisten schon einen Hosenknopf öffneten oder den Gürtel ein Loch weiter machten. Aber es schmeckte auch zu gut, so an der frischen Luft. Während sie noch dabei waren, die Schüsseln auszukratzen und Brot mit Käse zu belegen, schauten sich die Wanderer um und zückten auch schon wieder ihre Fotoapparate und Vidiokameras. Es war aber auch ein wunderschönes Panorama, das sich ihnen bot.

Saftige Almwiesen, auf denen Kühe und Ziegen weideten, bewacht von zwei Hütehunden, darüber der majestätische Berg, mit seinen schroffen Felsen, dessen Gipfel in den Himmel hineinzuragen schien. Dazu das melodische Läuten der Glocken, die die Kühe trugen.

»Ich hab’ mich lang’ net so wohl gefühlt«, bekannte Florian, der Nicole gegenüber saß.

Daß er seine Augen ganz tief in die ihren versenkte, hatte natürlich auch etwas mit diesem Wohlbefinden zu tun…

Sie lächelte zustimmend.

»Ja, als ich gestern morgen in den Bus eingestiegen bin, da sah es so aus, als würde es der traurigste Geburtstag meines Lebens werden«, bekannte sie. »Und jetzt ist doch alles ganz anders geworden.«

Florian sah sie bestürzt an.

»Ihr traurigster Geburtstag? Aber warum…?«

Die hübsche Studentin zuckte die Schultern.

Sollte sie wirklich darüber sprechen?

Eigentlich hatte sie kein Recht, Florian mit ihren Problem zu belasten. Auf der anderen Seite hatte sie das Gefühl, mit ihm über alles sprechen zu können, und bestimmt würde es ihr guttun, sich endlich einmal alles von der Seele reden zu können. Bisher war Lilly, eine Freundin von der Uni, die einzige gewesen, der sie ihren Kummer anvertraut hatte.

»Bis vor kurzem gab es einen Mann in meinem Leben, mit dem ich sehr glücklich gewesen bin«, sagte sie leise. »Leider hat sich mein Wunschtraum net erfüllt. Irgendwie passen wir wohl net zueinander. Jetzt verbringt er das Wochenende mit einer andren…«

»Dieser Idiot!«

Florian schien über den Ausruf, den er getan hatte, selbst erschrocken, denn er hielt rasch eine Hand vor den Mund.

»Entschuldigen S’«, bat er, »das ist mir so rausgerutscht – aber wenn einer auch so dumm ist…«

Nicole schmunzelte.

»Ist doch wahr«, fuhr er fort. »So eine Frau, wie Sie, die läßt man doch net allein!«

»Na ja, wenn man merkt, daß es net funktioniert…«

Dabei verschwieg sie, daß sie es gewesen war, die Wolfgang nach einem langen Streit den Laufpaß gegeben hatte.

Florian Mooser hatte sich aufgerichtet. Er war bei ihren Worten ganz unruhig geworden, bedeuteten sie doch, daß Nicole nicht gebunden war – genau wie er.

Merkwürdig, ging es ihm durch den Kopf, konnte es das wirklich geben, daß zwei Menschen aufeinandertrafen und das gleiche Schicksal teilten? War es da nicht eine Fügung des Schicksals, daß sich hier zwei einsame Herzen getroffen hatten?

»Mir ist’s ähnlich ergangen«, sagte er nach einer Weile. »Auch ich glaubte bis vor kurzem noch, die Frau meines Lebens gefunden zu haben, bis ich dann eines Besseren belehrt worden bin. Dieser Kurzurlaub sollte mir darüber hinweghelfen, obwohl ich eigentlich gar net mehr unter die Leute gehen wollte.«

Er sah sie an und griff nach ihrer Hand, die auf dem Tisch lag.

»Jetzt bin ich froh, daß ich’s doch getan hab’…«

*

Tanja Lohmann schob mißmutig ihre Kaffeetasse beiseite und schaute den jungen Mann fragend an.

»Sag’ mal, was ist denn eigentlich los? Du machst ein Gesicht – da könnt’ einem glatt alles vergehn. Gefällt’s dir hier net?«

Wolfgang Arnhäuser erwiderte ihren Blick, sah dann aber zur Seite.

»Doch, doch, ist ja ganz nett hier«, antwortete er, während er auf die Blumen und Büsche sah.

Die beiden saßen beim Frühstück, das sie auf der Terrasse der Pension einnahmen. Aber irgendwie schien es keinem so recht zu schmecken. Als sie am Donnerstag die Fahrt in den Bayerischen Wald angetreten hatten, da herrschte eine ausgelassene Stimmung zwischen ihnen. Wolfgang hatte die hübsche, junge Frau, die in der Kanzlei eines Rechtsanwaltes arbeitete, zu diesem Kurzurlaub eingeladen, nachdem er sich mit Nicole wieder einmal heillos zerstritten hatte. Sie kannten sich schon seit ein paar Jahren. Eine richtige Beziehung hatte es zwischen ihnen nie wirklich gegeben, sie beschränkte sich höchstens auf ein paar kurzweilige Liebesgeplänkel.

Seit gestern war die gute Laune dahin. Tanja war es schon am Morgen aufgefallen, als Wolfgang sie nicht mit dem üblichen Kuß begrüßte, sondern mit einem kurzen Kopfnicken.

»Daß es hier ganz nett ist, weiß ich selbst«, gab die junge Frau ärgerlich zurück. »Das mein’ ich auch net. Ich sprech’ von dir und deiner ungemein guten Laune, die geradezu ansteckend ist.«

Deutlich hörte er ihren ironischen Unterton. Mit einer ruckartigen Bewegung stand er auf.

»Entschuldige, ich muß mal telefonieren.«

Verwundert sah sie ihm hinterher. Offenbar sollte sie das Gespräch nicht mithören. Wolfgang besaß ein Handy und hätte genausogut hier am Tisch telefonieren können.

Stirnrunzelnd griff sie nach einer Semmel und schnitt sie auf.

Männer können manchmal sehr anstrengend sein, dachte Tanja, während sie die Semmel mit Butter bestrich.

Wolfgang Arnhäuser hatte sein Zimmer aufgesucht. Auf der Herfahrt hatte er angestrengt überlegt, wie er Tanja klarmachen konnte, daß er anstelle eines Doppelzimmers nur noch zwei Einzelzimmer bekommen hatte. Er selbst bedauerte diesen Umstand auch. Inzwischen war er allerdings froh darüber. Denn das erhoffte Liebeswochenende verlief gar nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte.

Gewiß, Tanja war zärtlich und hingebungsvoll, wie immer, wenn sie sich trafen. Doch diesmal war es etwas anders. Wolfgang konnte es sich nicht erklären, aber er mußte, seit sie hier angekommen waren, ständig an Nicole denken. Ihr Streit in der vergangenen Woche war der heftigste, den sie während ihrer ganzen Beziehung jemals gehabt hatten, und daß Nicole ihm letzten Endes den Laufpaß gegeben hatte, sah er jetzt nur als logische Konsequenz.

Ich hab’ mich wie ein Idiot benommen!

Dieser Gedanke war ihm erst spät gekommen.

Dabei liebte er dieses wunderbare Mädchen aufrichtig. Als sie sich kennenlernten, stand für den jungen Mathematiklehrer fest, daß er die Frau seines Lebens gefunden hatte, und sie beide schwebten lange Zeit auf rosafarbenen Wolken.

Doch dann fühlte Wolfgang sich in dieser Beziehung eingeengt. Nicole war eher der heimische Typ, während er lieber ausging, sich mit Leuten traf, gerne feierte. Immer häufiger kam es darüber zu Auseinandersetzungen, und einige Male schien ihre Beziehung am Ende zu sein.

Daß sie doch immer wieder zueinanderfanden, lag wohl daran, daß sie festgestellt hatten, daß keiner ohne den anderen leben konnte. Um so überraschender kam für Wolfgang das Aus, das diesmal endgültig war.

Mehr aus gekränkter Eitelkeit hatte er Tanja angerufen und sie zu diesem Wochenende eingeladen, daß er eigentlich mit Nicole hatte verbringen wollen. Ihren Geburtstag wollten sie in den Bergen feiern, ein paar wunderschöne Tage verbringen.

Doch dazu kam es nicht mehr. Jetzt allerdings hatte er das Gefühl, er müsse sie unbedingt anrufen, ihr wenigstens sagen, daß er an sie dachte und ihr alles Gute zu ihrem Geburtstag wünschen.

In seinem Zimmer angekommen, setzte er sich und wählte Nicoles Nummer. Nachdem es einige Male geläutet hatte, hörte er die Ansage des Anrufbeantworters.

Wolfgang beendete die Verbindung.

Merkwürdig, dachte er, warum ist sie denn um diese Zeit nicht zu Haus’? Ob sie Einkäufe macht?

Oder…? War sie etwa alleine in die Berge gefahren?

Nachdenklich strich er sich über das Kinn. Das konnte er sich eigentlich nicht vorstellen. Nicole hatte sich doch so sehr darauf gefreut, die Reise gemeinsam mit ihm anzutreten. Da würde sie jetzt nicht doch gefahren sein?

Himmel, das wäre ja schrecklich. Was mußte sie da leiden, wenn sie sich vorstellte, daß er eigentlich dabei gewesen wäre.

Das schlechte Gewissen packte ihn, heftiger als zuvor. Wolfgang spürte, daß er Nicole immer noch liebte und er bereute es, ihr so wehgetan zu haben.

Ich muß Gewißheit haben, sagte er in Gedanken. Ob Lilly etwas weiß?

Die Telefonnummer der Freundin war eingespeichert. Mit klopfendem Herzen wartete Wolfgang darauf, daß am anderen Ende endlich abgenommen wurde. Es klingelte sehr lange, bis sich eine verschlafene Stimme meldete.

*

»Ich bin’s, Wolfgang«, meldete er sich. »Hab’ ich dich geweckt?«

»Kann man so sagen«, erwiderte Lilly Wehler. »War ziemlich spät gestern abend – oder heute morgen. Ganz, wie man’s nimmt.«

Er atmete auf. Das konnte doch eigentlich nur bedeuten, daß sie und Nicole gestern in den Geburtstag hineingefeiert hatten.

Oder? Er erkundigte sich danach.

»Nein, wie kommst du darauf?« entgegnete die Studentin zu seiner Enttäuschung. »Nicole ist doch gar net in Regensburg. Die verbringt das Wochenende in diesem Ort, in den Bergen.«

»Ach so, dann ist sie also doch gefahren…«

»Ja, gestern morgen, genau wie sie es geplant hatte. Aber ich dachte eigentlich, daß du doch noch mitgefahren bist.«

»Nein, dummerweise net«, sagte er zerknirscht. »Und ich hatte gehofft, daß sie zu Hause geblieben wäre, nachdem wir uns so zerstritten haben.«

Lilly gähnte verhalten.

»Tja, sie wollte wohl unbedingt«, antwortete sie. »Und wahrscheinlich ist’s auch besser, als wenn sie zu Hause herumhockt und Trübsal bläst. Da ist sie wenigstens unter Leuten und kann vielleicht doch ein bissel feiern.«

Und vielleicht lernt sie einen andren kennen, dachte er und spürte wieder, wie sein Herz bei dem Gedanken schneller schlug.

»Also, dann entschuldige, daß ich dich geweckt hab’«, verabschiedete er sich.

»Schon gut«, hörte er Lilly sagen und schaute nachdenklich vor sich hin.

Schließlich stand er auf und trat ans Fenster. Seine Gedanken kreisten um Nicole, während er von seinem Standort aus genau auf die Terrasse blickte, auf der Tanja immer noch saß.

»Es tut mir leid«, sagte er, als er wieder nach unten gegangen war. »Aber ich muß zurück nach Regensburg.«

»Was?« rief die junge Frau erstaunt. »So plötzlich? Aus welchem Grund?«

Als er noch am Fenster stand, hatte Wolfgang einen Entschluß gefaßt. Er würde seinen Aufenthalt hier abbrechen und nach St. Johann fahren. Natürlich würde es nicht leicht sein, das Tanja beizubringen. Aber dieser Entschluß stand fest, und nichts und niemand konnte ihn davon abbringen.

»Es geht um Nicole«, antwortete er geradeheraus. »Ich hab’ da einen großen Fehler gemacht.«

Die Rechtsanwaltsgehilfin sah ihn stumm an. Natürlich hatte sie sich von diesem Wochenende mehr versprochen. Aber sie rechnete Wolfgang auch seine Ehrlichkeit an. Daß er mit der hübschen Studentin verbandelt war, hatte sie gewußt, auch, daß die beiden Schluß gemacht hatten.

Als sie ihn jetzt so anschaute, erkannte sie, wie sehr Wolfgang unter der Trennung litt. Tanja lächelte und stand auf. Sie machte einen Schritt auf ihn zu und umarmte ihn.

»Es hat wohl net sollen sein, mit uns, was?« meinte sie. »Aber du hast wohl recht, wenn du net von ihr loskommst, dann mußt du ihr hinterherfahren und die Sache wieder ins reine bringen.«

Wolfgang gab ihr einen Kuß auf die Wange.

»Danke, daß du so verständnisvoll bist«, sagte er.

»Geschenkt«, gab sie mit einer wegwerfenden Handbewegung zurück. »Es ist wohl mein Schicksal, daß ich bei den Männern immer nur als ›gute Freundin‹ landen kann.«

Wolfgang drückte sie an sich.

»Ich bin sicher, daß du auch noch den Richtigen treffen wirst«, beteuerte er.

Eine Stunde später waren sie auf dem Weg. Natürlich hatte er die beiden Zimmer, trotz ihrer vorzeitigen Abreise, bezahlen müssen. Aber das war es ihm wert.

Von Cham, wo sie Quartier bezogen hatten, bis nach Regensburg, brauchte Wolfgang, mit seinem schnellen Auto, nicht lange. Er setzte Tanja vor ihrer Wohnung ab und fuhr gleich weiter. Am späten Nachmittag erreichte er St. Johann. Als er den Wagen auf dem Parkplatz des Hotels abstellte, klopfte sein Herz vor Aufregung.

Unterwegs hatte er einen Blumenstrauß besorgt, dunkelrote Rosen. Zweiundzwanzig Stück, mit Schleierkraut aufgebunden. Im Koffer lag das Geschenk, das er schon vor ein paar Wochen gekauft hatte. Goldene Verlobungsringe in einem kostbaren Schächtelchen verpackt. An ihrem Geburtstag wollte er die entscheidende Frage stellen, hatte er sich damals vorgenommen. Doch dann kam der Streit dazwischen, und an eine Verlobung war nicht mehr zu denken gewesen.

Nun, Nicoles Geburtstag war heute, und wenn er sie mit den Blumen und den Ringen überraschte, dann würde sie wohl kaum nein sagen können.

Im Hotel erkundigte er sich nach einem Zimmer.

»Tut mir leid«, bedauerte die Haustochter, die hinter der Rezeption stand. »Es ist alles ausgebucht. Wir haben eine Reisegruppe im Haus.«

»Ich weiß«, nickte Wolfgang. »Eigentlich hätte ich dabei sein sollen. Allerdings kam dann etwas dazwischen.«

Er deutete auf den Strauß in seinen Händen.

»Wissen Sie, meine Verlobte ist mit der Reisegruppe gekommen. Sie hat heut’ Geburtstag, und ich wollt’ sie überraschen.«

Das Madel am Empfang lächelte. Das gefiel Rosie Mitterer, so eine romantische Geste. Wenn sich doch bloß ihr Xaver auch einmal so etwas einfallen ließ!«

»Wie heißt denn Ihre Verlobte?«

»Nicole Dressler. Ist sie da?«

»Nein, Herr…«

»Arnhäuser.«

»Herr Arnhäuser. Die Frau Dressler nimmt an einer Bergtour teil.«

Die Hotelangestellte schaute auf die Uhr.

»Wir rechnen net mit der Rückkehr vor neunzehn Uhr«, erklärte sie. »Dann gibt es das Abendessen, anschließend findet unser wö-chentliches Tanzvergnügen statt. Für die Hotelgäste sind auf dem Saal Tische reserviert.«

»Aha«, nickte Wolfgang. »Das heißt also, daß sie in den nächsten zwei Stunden net zurück sind. Tja, da kann man nix machen. Aber eine andre Frage: Wüßten Sie denn noch eine Unterkunft für mich?«

»Versuchen Sie’s doch in der Pension Stubler«, riet Rosie Mitterer. »Das ist gleich die nächste Straße links.«

*

Ria Stubler sah den jungen Mann ein wenig verwundert an.

Ein Zimmer, nur für eine Nacht?

Das war eher ungewöhnlich. Außerdem wollte die Pensionswirtin für zwei Tage zu ihrer Schwester fahren, die in der Kreisstadt wohnte. Reservierungen gab es für die Zeit nicht, und Ria wollte die Gelegenheit nutzen, mal wieder ausgiebig mit Franzi zu plaudern.

Als sie jetzt allerdings Wolfgang Arnhäuser vor sich stehen sah, wurde ihr mütterliches Herz doch weich. Er war ihr sympathisch und am besten gefiel ihr, was er erzählt hatte. Von dem Streit mit der Freundin und der Hoffnung auf Versöhnung, an deren Geburtstag.

Also schön, überlegte sie. Dann fahr’ ich eben morgen, wenn der Herr Arnhäuser abgereist ist.

»Ich geb’ Ihnen das Zimmer«, sagte sie. »Frühstücken können S’ ab sieben Uhr.«

»Ach, das ist für einen Sonntag viel zu früh«, meinte er. »Außerdem könnt’s heut’ abend ja spät werden…«

Ria brachte ihn auf das Zimmer. Wolfgang nickte zufrieden und packte seinen Koffer aus. Die Blumen hatte er der Wirtin mitgegeben, damit sie den Strauß, bis zum Abend ins Wasser stellte.

Eine Dusche wäre jetzt nicht schlecht, überlegte er. Nach der langen Autofahrt brauchte er dringend eine Erfrischung. Und anschließend vielleicht einen Kaffee.

Wolfgang legte sich saubere Sachen zum Anziehen bereit und genoß anschließend das prasselnde Wasser der Dusche. Zufrieden trat er eine halbe Stunde später auf die Straße und spazierte zum Hotel zurück. Ein großes Stück Apfelkuchen, dazu ein Kännchen Kaffee, das weckte seine Lebensgeister vollends, und während er es sich schmecken ließ, stellte er sich vor, welche Augen Nicole machen würde, wenn er sie später überraschte.

Nach dem Kaffeetrinken ging er zur Kirche hinüber. Sie schien ihm das einzig Besichtigendswerte in St. Johann, in dem es sonst keine Attraktionen gab. Er fragte sich, was wohl die Leute anlocken mochte, ihren Urlaub hier zu verbringen. Wahrscheinlich war es die Ruhe, die sie hier fanden. Der Ort hatte nicht einmal einen Skilift, und im Winter mußte er fast wie ausgestorben wirken.

Das Gotteshaus gefiel ihm. Es war eine der schönsten Kirchen, die er je von innen gesehen hatte. Aber die Besichtigung dauerte nicht lange, und so stand er schon bald wieder auf der Straße und schaute ungeduldig auf die Uhr. Wenn die Hotelangestellte recht behielt, dann dauerte es noch eine gute Stunde, ehe die Reisegruppe von ihrer Bergtour zurückkehrt.

Ob er gleich am Hotel warten sollte?

Besser nicht, dachte er. Nicole würde sich erst erfrischen und für den Abend umziehen wollen. Er wußte, daß sie es nicht mochte, wenn jemand auf sie wartete, und sie noch nicht fertig war.

Also spazierte er langsam zur Pension zurück. Ein wenig Ausruhen konnte auch ihm nicht schaden. Wolfgang legte sich auf das Bett und schloß die Augen. Allerdings schlief er nicht, sondern dachte an Nicole. Er hoffte inständig, daß es ihm gelingen möge, sich mit ihr zu versöhnen.

Er liebte sie wirklich. Das wußte er seit diesem Wochenende, und er wollte alles daransetzen, daß sie seinen Antrag annahm. In Gedanken ging er schon die Liste der Gäste durch, die sie für die Feier einladen würden. Ein herrlicher Tag würde das werden.

Und was, wenn sie ablehnte?

Unsinn, schüttelte er innerlich den Kopf, Nicole liebt dich genauso, wie du sie. Was für einen Grund hätte sie, nicht seine Frau werden zu wollen?

Gut, die Streitereien hatten in der letzten Zeit wirklich überhand genommen. Aber Wolfgang war bereit, Besserung zu geloben, und in seiner Vorstellung sah er sich und Nicole und träumte von einer gemeinsamen Zukunft.

Über diesen Traum schlief er dann wirklich ein.

*

»So, Herrschaften, ich glaub’, es wird Zeit, daß wir aufbrechen«, rief Sebastian Trenker seine Schäfchen zusammen. »Sonst kommen wir zu spät zurück.«

Zwar hatte er für den Abstieg den Wirtschaftsweg vorgesehen, doch auch für den würden sie gut zwei Stunden benötigen, bis sie St. Johann wieder erreicht hatten.

Franz Turecker verabschiedete die Gruppe. Beinahe jeder von ihnen hatte Käse gekauft, und alle waren sich einig, daß der Tag auf der Kandereralm ein wirkliches Erlebnis gewesen war.

Nicole Dressler und Florian Mooser gingen zusammen, als wären sie ein Paar. Die hübsche Lehramtsstudentin genoß die Gesellschaft des jungen Mannes, und wenn sie seine Blicke richtig deutete, dann ahnte sie, daß Florian mehr für sie empfand, als bloße Sympathie.

Und sie?

Nicole horchte in sich hinein. Nach den immer häufiger werdenden Querelen mit Wolfgang, hatte sie oft daran gedacht, einen Schlußstrich zu ziehen. Als sie es dann letztendlich wirklich tat, da war ihr diese Entscheidung nicht leichtgefallen. Im Gegenteil, sie liebte ihn vom ersten Augenblick an, und zu Beginn ihrer Beziehung, war Wolfgang auch ein ganz anderer. Liebevoll, aufmerksam, hilfsbereit. Sie hatte sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen können. Um so tiefer saß der Schmerz, als sie erkannte, daß es so nicht weitergehen konnte. Auf der Fahrt hierher stellte sie sich immer wieder die Frage, ob sie doch noch Liebe für ihn empfand, und wahrscheinlich war auch ein kleines bißchen Hoffnung dabeigewesen, daß sich vielleicht doch noch alles einrenken würde, wenn sie nach Hause zurückgekehrt war.

Allerdings vergaß sie in dem Moment, daß Wolfgang mit einer anderen Frau ins Wochenende gefahren war. Als sie sich das wieder bewußt machte, stand für sie fest, daß es keine Versöhnung geben konnte, auch wenn es noch so sehr weh tat. Sie hatte genug erduldet und wollte nicht, daß ihr so etwas jemals wieder widerfuhr. Deshalb sagte Nicole sich, daß es das Beste wäre, die Männerwelt für einige Zeit zu meiden.

Doch da wußte sie noch nicht, wie sehr Florian sich in ihr Herz schleichen würde…

Als sie jetzt neben ihm ging, da spürte sie wieder dieses Kribbeln im Bauch, das jedes Verliebtsein begleitete. Die Berührung ihrer Hand, durch ihn, hatte sie noch mehr durcheinander gebracht, und sie fragte sich, ob sie sich diesen Gefühlen hingeben durfte.

Oder war die Gefahr, wieder enttäuscht zu werden, zu groß?

Auf der anderen Seite hatte Florian frei und offen darüber gesprochen, was ihn bewegte, seine Enttäuschung über die Frau, die er so sehr geliebt hatte, nicht verschwiegen. Und gerade diese Ehrlichkeit war es, was Nicole so sehr an ihm schätzte, zeigte sie doch, daß auch ein Mann weich sein und über seine Gefühle sprechen konnte.

Wolfgang hatte dies nie getan.

»Geht’s noch?« erkundigte sich Sebastian bei den Bergwanderern. »Oder sollen wir noch eine Rast einlegen?«

Die Gesellschaft hielt sich für rüstig genug, den Weg auch ohne Pause zu schaffen. Es war kurz nach halb sieben, als der Geistliche sich vor dem Hotel von ihnen verabschiedete.

»Dann wünsch’ ich Ihnen noch einen schönen Abend«, sagte er. »Viel Spaß, nachher beim Tanz, und für morgen eine gute Heimfahrt. Sollten S’ das Bedürfnis haben, morgen früh in die Messe zu kommen, so heiß’ ich Sie herzlich willkommen.«

»Das werden wir bestimmt, Hochwürden«, versprach einer der Männer. »Wir bedanken uns für den schönen Tag und die gute Führung.«

»Gern’ geschehn«, nickte der gute Hirte von St. Johann. »Also, pfüat euch, miteinand.«

Er überquerte die Straße und ging zum Pfarrhaus zurück. Dort würde man wahrscheinlich schon mit dem Abendessen auf ihn warten.

Daß er wirklich ein paar von den Urlaubern morgen in der Kirche wiedersehen würde, war sicher. Unter den Touristen hatte es sich herumgesprochen, daß der Geistliche seine Predigten immer mit einer Prise Humor würzte, und so mancher Lacher der Gemeinde in den ehrwürdigen Mauern widerhallte.

Vor ihrer Zimmertür blieb Nicole stehen.

»Es war wirklich schön«, sagte sie zu Florian, der seine eigene Tür aufschloß.

»Ja«, nickte er und sah sie mit durchdringendem Blick an. »Und er wär’ net halb so schön gewesen, wenn du net dabei gewesen wärst…«

Nicole lächelte. Er hatte sie eben geduzt.

»Bis nachher«, flüsterte sie und verschwand schnell in ihrem Zimmer.

Drinnen lehnte sie sich gegen die Tür. Ihr Herz klopfte ein wildes ­Stakkato. Sie schlang die Arme um sich, als hielte sie ihn darin und schloß die Augen.

»Florian, auch wenn’s verrückt ist, aber ich liebe dich. Ich liebe dich und kann nix dagegen tun!«

*

Es dauerte eine Weile, ehe Nicole in der Lage war, zu duschen und sich umzuziehen. Das neue Kleid stand ihr ausgezeichnet. Es war schlichtgeschnitten, mit kurzen Ärmeln. Sie zog eine leichte Jacke darüber und betrachtete sich zufrieden im Spiegel. Da sie sich nur selten schminkte, verzichtete sie auch heute darauf. Da sie den ganzen Tag draußen verbracht hatte, war ihre Haut schon leicht gebräunt und brauchte kein zusätzliches Make up.

Es klopfte an der Tür. Nicole öffnete und sah Florian draußen stehen. Er trug eine dunkle Hose, die er mit einem passenden Sakko kombiniert hatte. Dazu Hemd und Krawatte. Nicole roch den dezenten Duft seines Rasierwassers, und fand, daß er umwerfend aussah.

Florian Mooser hielt die rechte Hand hinter dem Rücken versteckt. Lächelnd brachte er sie zum Vorschein und überreichte ihr einen kleinen Blumenstrauß.

»Ich hätt’ dir gern’ einen größeren geschenkt«, sagte er mit Bedauern in der Stimme. »Aber mehr war hier net zu bekommen. Doch er kommt von Herzen. Noch einmal: Alles Gute zu deinem Geburtstag.«

»Er ist wunderschön«, erwiderte sie strahlend und drückte den Strauß aus Teerosen und Veilchen an sich. »Danke, Florian, wart’, ich stell’ ihn nur schnell ins Wasser.«

Mit Genugtuung stellte er fest, daß sie ihn ebenfalls duzte…

In Ermangelung einer Vase, steckte Nicole die Blumnen in ein Glas, ließ Wasser hineinlaufen und stellte den Strauß auf das Nacht­käst­chen, neben ihrem Bett. Dann strahlte sie Florian Mooser an.

»Jetzt hab’ ich Hunger?«

»Na, dann komm. Ich nämlich auch.«

Im Clubraum waren die Tische zusammengeschoben und festlich gedeckt worden. Selbstverständlich setzten sie sich nebeneinander, und es war keine Frage, daß Florian ihr den Stuhl zurechtrückte.

Irma Reisinger, die Frau des Hoteliers, hatte sich mit dem Menü wieder einmal selbst übertroffen. Ganz allein, nur durch eine Küchenfrau unterstützt, bewältigte die Köchin tagaus, tagein, den Gästeansturm. Und es waren beileibe nicht nur Touristen, die hier aßen. Irmas Ruf war weit über die Grenzen des Wachnertales hinausgedrungen, und wenn das Hotel ›Zum Löwen‹ auch noch in keinem Gourmetführer erwähnt wurde, so hatte es doch seine Stammgäste.

Vielleicht lag das Dorf zu abseits, für die Restauranttester, aber Sepp tröstete seine Frau immer wieder.

»Laß mal«, war seine Meinung, »es kommt net darauf an, ob unser Haus drei Sterne oder vier Kochmützen zieren. Hauptsache, den Gästen schmeckt’s.«

Und das tat es.

Es gab als Vorspeise eine Entenleberterrine, mit einer umwerfenden Mangosauce und – was sensationell dazu schmeckte – kleinen, süßen Rosinenbrötchen. Kaum einer der Gäste hatte jemals so etwas Köstliches gegessen, und dieser Gaumenschmaus hob die Vorfreude auf die weiter zu erwartenden Genüsse.

Die Haustöchter bedienten flei-ßig und lasen den Gästen jeden Wunsch von den Augen ab. Indes ließ sich Florian nicht davon abhalten, Nicole Wein und Wasser nachzuschenken. Die hübsche Studentin wußte diese Aufmerksamkeit zu schätzen und bedankte sich mit einem Lächeln.

Nach einer leichten Rahmsuppe aus Waldpilzen, folgte der Hauptgang: Lammfilet in einer Kräuterkruste, dazu eine Weinsauce mit Preiselbeeren, marktfrisches Ge­müse und Kartoffelplätzchen.

Auch wenn der Hunger noch so groß gewesen war, Nicole glaubte keinen Bissen mehr herunterzubringen.

»Sonst schaff’ ich das Dessert net mehr«, sagte sie.

»Überhaupt bekomm’ ich die Kalorien nie wieder herunter.«

»Ach was«, meinte Florian mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Das tanzen wir nachher alles wieder ab. Du weißt doch, was ich versprochen hab’: Wir lassen keinen Tanz aus.«

Daß Bewegung nach diesem Mahl guttat, dieser Meinung waren auch die anderen Gäste. Alle freuten sich auf das Tanzvergnügen, doch zuvor mußte eine letzte Hürde geschafft werden.

Der Nachtisch.

Irma Reisinger hatte sich dazu von einer Fernsehserie inspirieren lassen. Mit einem Mal verlosch das Licht im Clubraum, und nur die Leuchter auf den Tischen spendeten etwas Helligkeit. Dann erklang ein Gong, und die Tür öffnete sich. Hereinmarschiert kamen drei Haus­töchter, die silberne Platten hochhielten, auf denen das Dessert lag.

›Omelette auf norwegische Art‹ – verborgen unter einer Biskuitmasse steckte Vanilleeiscreme. Der Kuchen war mit Eischnee verziert und im heißen Backofen kurz gebräunt worden. Diese Mischung aus hei-ßem Gebäck und kaltem Eis war für jeden Esser eine Überraschung, weshalb dieser Nachtisch auch »omelette surprise« genannt wurde.

»Himmlisch«, schwärmte Nicole. »Es wär wirklich eine Sünde gewesen, darauf verzichten zu wollen.«

*

Auf dem Saal herrschte das übliche Gedränge. An die dreihundert Gäste fanden hier Platz, und selten waren es weniger. Nach einer Woche harter Arbeit freuten sich die Menschen auf dieses Vergnügen, und kaum einer wollte es sich entgehen lassen. Auch aus den umliegenden Gemeinden kamen die Leute hierher, um einmal ausgelassen zu feiern.

Für seine Wochenendgäste hatte Sepp Reisinger zwei große Tische reserviert. Eine Saaltochter führte sie dorthin und nahm die Getränkebestellungen auf. Zum Essen hatte es hervorragende Weine gegeben, so daß Nicole erst einmal um Mineralwasser bat. Die meisten männlichen Gäste ließen sich indes von dem Anblick der Maßkrüge animieren, die die Bedienungen, gleich mehrere in jeder Hand, herumschleppten.

An der Stirnseite des Saales war eine Bühne, auf der die Kapelle ihren Platz hatte. Vom Marschwalzer und langsamen Walzer über die schnelle Polka, bis hin zum fetzigen Rock’n’Roll hatten die Musiker alles in ihrem Repertoire.

Es war eine, im wahrsten Sinne des Wortes, eingespielte Blaskapelle, die auch zu Hochzeiten, Geburtstagen und anderen Festlichkeiten aufspielte.

Hinter der Bühne, durch einen schmalen Gang zu erreichen, war die Sektbar eingerichtet, an der sich die Tänzer zwischendurch erfrischen konnten.

Florian hatte gleichfalls Mineralwasser bestellt. Nach dem ersten Schluck stand er auf und verschwand für einen Moment aus Nicoles Sichtfeld. Während sie sich mit einer anderen Frau unterhielt, zwängte er sich durch die tanzende Menge. Nach ein paar Minuten kehrte er wieder zurück und lä­chelte dabei geheimnisvoll.

Nicole war noch in das Gespräch vertieft, als die Kapelle einen Tusch spielte, und der Kapellmeister an das Mikrophon trat.

»So, liebe Leute«, sagte Franz Keringer, »ich hoff’, ihr habt alle gute Laune mitgebracht?«

Laute, zustimmende Rufe beantworteten seine Frage.

»Das freut uns«, fuhr der Kapellmeister fort. »Aber eigentlich hab’ ich’s auch net anders erwartet. Wenn die ›Wachnertaler Bub’n‹ aufspieln, herrscht immer gute Laune.

Aber, was ich euch eigentlich sagen wollt’: Heut’ haben wir ein Geburtstagskind unter uns, das wir natürlich hochleben lassen wolln.«

Er schaute suchend zu den Ti­schen, und Nicole spürte, wie sie rot anlief. Am liebsten hätte sie sich verkrochen, während Florian sie schmunzelnd und augenzwinkernd ansah.

»Also, wo ist denn die Nicole Dressler?« rief Franz.

»Ah, da sitzt sie ja. Na, dann stehn S’ mal auf.«

Die Studentin erhob sich und schluckte vor Rührung. Die Gäste klatschten und johlten. Franz Kehringer brachte sie mit einer Handbewegung zur Ruhe.

»Die ›Wachnertaler Buben‹ gratulieren. Und zusammen bringen wir dem Geburtstagskind ein Ständ-chen. Auf geht’s!«

»Hoch soll sie leben, hoch soll sie leben…«, intonierte die Kapelle, und alle im Saal sangen mit.

Dann verbeugte sich Florian und bat um den nächsten Tanz. Wie im Traum schwebte Nicole in seinen Armen über das Parkett. Nach und nach reihten sich die anderen Paare ein, und schließlich herrschte wieder das übliche Gedränge.

»Böse?« fragte Florian und schaute sie, immer noch schelmisch lächelnd, an.

»Nein«, lächelte sie zurück. »Vie­len Dank für die Überraschung.

Sie wiegte sich im Takt der Musik.

»Als ich hergefahren bin, da hab’ ich mir net träumen lassen, daß es ein so schöner Geburtstag werden könnt’«, sagte sie.

»Und ich hätt’ net geglaubt, daß ich mich auf dieser Wochenendfahrt in so eine zauberhafte Frau verlieben würd’«, flüsterte Florian in ihr Ohr. »Nicole, ich liebe dich. Auch wenn wir uns erst so kurze Zeit kennen, so weiß ich doch, daß es für mich keine andere geben wird.«

Um sie herum tanzten die Leute, während sie stehengeblieben waren und sich in die Augen schauten. Nicole hatte den Kopf gehoben und bot ihm ihren Mund zu Küssen dar. Zärtlich berührten seine Lippen die ihren, während seine Finger durch ihre Haare glitten.

»Dann liebst du mich auch?« fragte er.

»Merkst du es net?« entgegnete sie. »Seit gestern, vielleicht, seit heut’ ist’s Gewißheit. Ja, Florian, ich liebe dich auch.«

*

Als er wieder aufwachte, war es dunkel in dem Pensionszimmer. Wolfgang Arnhäuser brauchte einen Moment, um sich zu besinnen, wo er überhaupt war. Wirre Träume hatten seinen Schlaf begleitet, in denen Nicole genauso vorkam wie Tanja. Als er jetzt die Augen aufschlug, wußte er nicht, was Traum und was Realität war. Er schaltete die Lampe auf dem Nachttischchen ein und schaute auf die Uhr.

Viertel nach zehn.

Um Himmels willen, durchfuhr es ihn, so lange hast du also geschlafen!

Wolfgang sprang aus dem Bett und eilte in das Badezimmer. Er würde sich beeilen müssen, sonst war Nicoles Geburtstag vorbei, ehe er ihr gratulieren konnte. Rasch ließ er kaltes Wasser über sein Gesicht laufen, rasierte schnell die Stoppeln seines Bartes ab und betupfte die Haut mit After shave. Dann zog er ein frisches Hemd an, steckte das Schmuckkästchen ein und verließ das Zimmer.

In der Pension war alles ruhig. Die Wirtin hatte ihm gesagt, daß er der einzige Gast sei. Den Blumenstrauß wollte sie in der Küche abstellen. Wolfgang fand ihn dort in einer Vase. Er nahm die Blumen und ging zur Tür. Während er sie hinter sich schloß, mußte er unwillkürlich lächeln.

Nicole würde Augen machen, wenn er so unerwartet vor ihr stand. Alleine diese Überraschung reichte bestimmt aus, um sie wieder zu versöhnen.

Inzwischen war es kurz nach halb elf. Das Tanzvergnügen war sicher auf dem Höhepunkt angelangt.

Na dann, dachte er, packen wir’s an.

Er wußte, wie gerne Nicole tanzte, während er in dieser Angelegenheit eher ein Muffel war. Aber heute würde er ihr den Gefallen tun und sie auf das Parkett führen. Schon als er um die Ecke bog, hörte er die Musik gedämpft aus dem Saal. Vor dem Hotel spazierten Paare und Jugendliche auf und ab und suchten Abkühlung. Wahrscheinlich war es drinnen sehr warm.

Die Bestätigung für diese Annahme, erhielt er gleich, als er durch die Tür trat. Staunend betrachtete er die Menge. Es war laut und verraucht und stickig heiß, und es schien ihm völlig unmöglich, Nicole in diesem Gedränge zu finden.

Wenn sie denn überhaupt hier war und nicht schon längst in ihrem Bett lag…

Suchend glitten seine Augen über die Leute. Die Tische standen quer an Wänden, in der Mitte war die Tanzfläche, und überall tummelten sich die Feiernden. Einheimische, meist in Trachtenkleidung, und Touristen, eher leger gekleidet.

Wo sollte er suchen?

Natürlich, die Dörfler erkannte er an der Kleidung, indes war es nicht so, daß sie von den Urlaubern streng getrennt saßen. Im Gegenteil, im Laufe des Abends blieb es gar nicht aus, daß sich die Leute aus dem Wachnertal und ihre Gäste näherkamen. Es wurde geplaudert und getrunken und nicht wenig geflirtet. Als Wolfgang sah, wie ein junger Bursche in Krachledernen, eine Frau küßte, die offenbar nicht zu den Einheimischen gehörte, denn sie sagte etwas in einem anderen Dialekt, da spürte er so etwas wie Eifersucht aufwallen, als er sich vorstellte, daß diese Frau genausogut Nicole hätte sein können.

Unschlüssig stand er im Eingang und versperrte jemandem den Weg.

»Ja mei’, willst hier Wurzeln schlagen, mit deinem Rosenstrauß«, hörte er eine ungeduldige Stimme fragen.

»’tschuldigung«, stieß Wolfgang Arnhäuser hervor und trat beiseite.

Seine Kehle war unangenehm trocken. Er mußte erst einmal etwas trinken, bevor er sich auf die Suche machte. Am Tresen bestellte er ein Bier, das Sekunden später vor ihm stand. Um den Andrang zu bewältigen, mußten die Tresenkräfte vorzapfen. Eigentlich hatte er an ein kleines Glas gedacht, aber das war hier wohl nicht üblich. Also nahm Wolfgang den Maßkrug in die Hand und trank.

Er war kein großer Biertrinker, sondern bevorzugte eher Wein, der zum Durstlöschen aber ungeeignet war. Dieser Gerstensaft schmeckte ihm dennoch gut. Das Bier war süffig, und er leerte den Krug beinahe ganz.

Ehe er sich versah, stand ein zweiter vor ihm.

Kopfschüttelnd schaute Wolfgang Arnhäuser auf zwei Männer, die neben ihm standen und einen Schnaps nach dem anderen kippten.

Das wär’ mein Tod, dachte er und trank den ersten Krug leer. Er kramte seine Geldbörse hervor und bezahlte beide Maß. Dann nahm er den zweiten Krug in die eine, den Rosenstrauß in die andere Hand, und schlenderte los.

Überall an den Tischen saßen die Leute, lachten und unterhielten sich. Manch derber Scherz wurde erzählt, und dann stieg das Lachen zu einem lauten Brüllen an. Offenbar amüsierte man sich prächtig.

Das würde er auch gerne getan haben, wenn er nur endlich herausfand, wo Nicole steckte. Aufmerksam ging er an den Tischen entlang und suchte sie. Zwischendurch spähte er auf die Tanzfläche, aber dort konnte er sie nicht entdecken.

Wolfgang Arnhäuser überlegte gerade, ob er sich an der Rezeption erkundigen sollte, ob sie vielleicht doch schon schlafen gegangen sei, als er Nicole plötzlich sah.

Sie stand, an eine Säule gelehnt, und schaute dem Treiben auf der Tanzfläche zu. Wolfgang eilte zu ihr, doch dann erstarb sein Lächeln und sein Schritt verharrte.

Nicole war nicht alleine. Neben ihr stand ein junger Mann, den Wolfgang bisher nicht hatte sehen können. Der Bursche hatte seine Hand auf ihrer Schulter, und sie sahen sehr verliebt aus…

*

Nachdem sie sich ihre Liebe gestanden hatten, führte Florian Nicole an die Sektbar.

»Auf uns«, sagte er und stieß mit ihr an.

Glücklich schaute sie ihn an. Hier hinten war der Lärm, der auf dem Saal herrschte, etwas gedämpft, so daß man sich unterhalten konnte, ohne schreien zu müssen.

»Zwei einsame Herzen haben sich wirklich gefunden«, fragte sie. »Sag’ mir, daß es net nur ein Traum ist.«

Florian stellte sein Sektglas ab und nahm ihre Hand.

»Nein, Liebes«, antwortete er. »Das ist kein Traum, aber es wird einer werden. Einer, den wir zusammen träumen.«

Er zog sie in seine Arme und küßte sie. Willig erwiderte sie seine Liebkosung und schmiegte sich an ihn.

»Das ist der schönste Geburtstag meines Lebens!«

Plötzlich durchfuhr sie ein heißer Schreck.

»Ach du liebe Güte, ich hab’ ja ganz vergessen, daß ich den and’ren Sekt versprochen hab’! Wie viele sind wir eigentlich?«

Florian zuckte die Schultern.

»Dreißig oder so«, meinte er. »Egal, wir bestellen einfach ein paar Flaschen.«

Als sie an ihren Tisch zurückkamen, wurden sie mit lautem Beifall begrüßt. Hinter ihnen kamen zwei Saaltöchter mit den Flaschen und den Gläsern.

Natürlich würde es nicht billig werden, aber egal. Sie hatte es versprochen und außerdem war sie so glücklich, daß Nicole nicht auf das Geld schauen wollte. Auch wenn sie sich in den nächsten Wochen vielleicht würde einschränken müssen.

»Ich freu’ mich, daß Sie alle mit mir anstoßen wollen«, sagte sie, nachdem die Gläser gefüllt waren und drehte sich zum Nachbartisch um, an dem ebenfalls Mitglieder der Reisegruppe saßen.

»Nochmals, alles Gute zum Geburtstag«, rief jemand.

Und ein anderer, dem man ansah, daß er den Getränken reichlich zugesprochen hatte, meinte bedeutungsvoll: »Ich freu’ mich schon riesig auf die Heimfahrt morgen. Hoffentlich hat der Busfahrer genügend Kopfschmerztabletten an Bord!«

Florian nahm Nicole beiseite.

»Laß uns ein bissel hinausgehn«, bat er. »Ich glaub’, ich brauch’ frische Luft.«

Das war eine gute Idee. Nicole folgte ihm. Auf dem Saal war es wirklich stickig heiß geworden. Dreihundert Menschen erzeugten eine ordentliche Wärme, dazu kamen die zahlreichen Kerzen, die auf den Tischen standen.

Draußen war es angenehm kühl. Viele andere Paare hatten dieselbe Idee gehabt und spazierten die Straße auf und ab. Man unterhielt sich über den Abend, der wieder einmal gelungen war, das Wetter, das sich in den nächsten Tagen wieder verschlechtern sollte, oder über die Arbeit, die in der kommenden Woche auf einen wartete.

Nicole und Florian hatten indes ein anderes Gesprächsthema. Überrascht stellten sie fest, daß ihre Wohnungen gar nicht weit auseinanderlagen.

»Ist schon merkwürdig, daß wir uns da noch nie begegnet sind«, schüttelte die Studentin den Kopf.

»Auf der Uni sind wir uns ja auch immer aus dem Weg gegangen«, lachte Florian. »Sonst wärst’ mir bestimmt schon längst aufgefallen.«

Im weiteren Verlauf der Unterhaltung traten noch mehr überraschende Gemeinsamkeiten zutage. So hatten sie beide eine Vorliebe für alte Schwarzweiß-Filme, vor allem für jene mit romantischem Inhalt. Sie aßen gerne bodenständige Gerichte, ließen sich aber auch gerne von den Küchen ausländischer Restaurants überraschen.

Bei diesem Punkt mußte Florian unwillkürlich an Marion denken und an den Abend, an dem sie sich kennengelernt hatten. Der Salat des afrikanischen Gaststudenten war ihm in bester Erinnerung geblieben. Marion und er hatten einmal probiert, ihn nachzukochen, doch das Ergebnis landete in der Mülltonne. Es war bei diesem einen Versuch geblieben.

Merkwürdig, ging es ihm durch den Kopf, die ganze Zeit hab’ ich net mehr an sie gedacht, und jetzt…

War da vielleicht doch noch etwas? Ein kitzekleines Zipfelchen Gefühl, das er für sie empfand?

Florian Mooser schaute auf die Frau an seiner Seite und schüttelte innerlich den Kopf.

Nein, dieses Kapitel war abgeschlossen. Hier hatte er ein neues Glück gefunden, und er wußte, daß Nicole seiner Liebe mehr Raum geben würde, als Marion es je vermocht hatte.

»Laß uns wieder hineingehen«, sagte er und legte seinen Arm um Nicoles Taille. »Ich hab’ dir versprochen, daß wir keinen Tanz auslassen werden. Jetzt hat die Kapelle mindestens schon dreimal gespielt, ohne daß wir auf der Tanzfläche waren.«

»Na, dann nehme ich dich mal beim Wort«, lachte sie und gab ihm einen Kuß.

*

Die nächsten vier Tänze ließ er sie wirklich nicht von der Tanzfläche gehen. Erst beim fünften protestierte Nicole, sie bräuche eine Pause.

Glücklich standen sie an einer Säule und schauten dem Treiben zu. Für den nächsten Morgen hatten sie sich vorgenommen, gemeinsam die Messe zu besuchen. Danach wollten sie bis zum Mittagessen einen langen Spaziergang machen, ehe der Bus am frühen Nachmittag kam und die Reisegruppe wieder abholte.

Nicole wiegte sich zu der Musik. Auch wenn sie ausgelassen getanzt und um die Pause gebeten hatte, so ging ihr der Rhythmus doch in die Beine. Die Kapelle war aber auch erstklassig und spielte jedes bekannte Stück.

Florian stand neben ihr. Er hatte seine Hand auf ihrer Schulter liegen und atmete den Duft ihres Haares ein. Die Studentin winkte einem Paar zu, das zu ihrer Gruppe gehörte und nahm aus den Augenwinkeln heraus wahr, daß sich ihnen jemand näherte. Ihr Kopf fuhr herum, und ihr Körper versteifte sich unwillkürlich, als sie Wolfgang Arnhäuser erkannte. In der einen Hand trug er einen Bierkrug, in der anderen einen Blumenstrauß. Er war stehengeblieben und sah sie seltsam betreten an.

»Du?« kam es überrascht aus ihrem Mund. »Was machst du denn hier?«

Er kam näher.

»Ich wollt’ dir zum Geburtstag gratulieren«, antwortete er und machte dabei einen linkischen Eindruck.

Offenbar war es ihm unangenehm, sie zusammen mit einem anderen Mann zu sehen.

Schließlich stellte er den Bierkrug auf einem Tisch ab und hielt ihr den Strauß entgegen.

»Alles Gute.«

Erst jetzt wurde Florian Mooser auf ihn aufmerksam. Er sah, das Nicole die Blumen entgegennahm und blickte die beiden irritiert an.

»Willst du uns net bekannt machen?« fragte Wolfgang in diesem Moment.

Nicole sah von einem zum anderen.

»Das…, das ist Wolfgang«, stammelte sie verlegen. »Wolfgang Arnhäuser. Ich hab’ dir von ihm erzählt…«

»Freut mich«, sagte der Mathematiklehrer und reichte Florian die Hand. »Ich hoff’, daß Nicole net all zu schlecht über mich geredet hat.«

Der Student erwiderte den Händedruck nicht.

»Florian Mooser«, sagte er nur kurz.

Der andere lächelte.

»Nett von Ihnen, daß Sie sich ihrer angenommen haben«, meinte er jovial. »Ich konnt’ leider net eher hier sein.«

Zu ihrem Erstaunen drehte Wolfgang sich zu Nicole um und nahm sie in die Arme.

»Jetzt laß mich aber richtig gratulieren«, rief er betont gut gelaunt.

Ehe sie sich wehren konnte, hatte er sie an sich gezogen und seinen Mund auf ihre Lippen gepreßt. Florian, der die Szene hilflos ansah, schnappte nach Luft. Solch eine Wendung des Abends hatte er nicht erwartet.

Wie kam der Kerl dazu, einfach herzukommen und Nicole zu küssen?

Fast schien es, als wollte sich Florian auf den anderen stürzen, als es ihn, wie ein Blitz durchfuhr.

Und wenn sie doch immer noch zusammen waren? Wie hatte Wolfgang Arnhäuser gesagt?

»Ich konnt’ net eher hier sein…«

Später wußte der Student nicht mehr, welche Gedanken ihm in diesem Augenblick noch durch den Kopf schossen. Er wußte nur, daß er fort mußte, daß er diesen Anblick nicht länger ertragen konnte. Ohne sich umzusehen, drängte er sich durch die Menge und verschwand aus Nicoles Blickfeld.

Die hatte sich inzwischen von ihrer Überraschung erholt und befreite sich aus Wolfgangs Armen.

»Sag’ mal, spinnst du?« fuhr sie ihn an. »Was soll das alles? Kommst einfach hierher und tust, als wär’ nix geschehn.«

»Beruhig dich doch«, bat er und sah sich um. »Wollen wir net woanders hingehn, wo wir uns in Ruhe unterhalten können.«

Unwillig schüttelte sie den Kopf.

»Ich will mich net mit dir unterhalten«, gab sie zurück. »Außerdem muß ich Florian hinterher. Was soll der denn denken?«

Wolfgang fühlte wieder Eifersucht aufflammen. Bisher, so fand er, hatte er sich doch ganz prima verhalten, auch wenn er dem anderen am liebsten an die Gurgel gegangen wäre. Daß der so schnell Leine zog, war ihm nur recht.

Er tastete nach dem Schmuck­käst­chen mit den Verlobungsringen, das in seiner Jackentasche steckte. Nicole durfte jetzt nicht gehen. Noch hatte er den Überraschungseffekt auf seiner Seite. Wenn er jetzt die Ringe hervorholte, und sie ihr präsentierte, dann konnte sie doch gar nicht anders, als seinen Antrag anzunehmen.

»Laß ihn«, sagte er hart. »Ich hab’ was mit dir zu bereden. Wir sollten ein wenig hinausgehen. Hier drinnen versteht man ja sein eigenes Wort net.«

Ihre Augen blitzten ihn zornig an.

»Verstehst du mich net?« rief sie wütend. »Hab’ ich mich zu Haus’ net deutlich genug ausgedrückt? Dann will ich’s dir jetzt und hier noch einmal sagen.

Es ist aus. Aus und vorbei! Ich weiß net, warum du hergekommen bist. Aber aus welchem Grund auch immer, den Weg hättest’ dir sparen können.«

Mit diesen Worten reichte sie ihm den Blumenstrauß zurück und ließ ihn wie einen begossenen Pudel stehen.

Wolfgang Arnhäuser stand da wie gelähmt und starrte ihr hinterher. Offenbar hatte er sich überschätzt. Nicole mußte sich schnell getröstet haben.

Dennoch, so schnell würde er nicht aufgeben.

Er schaute auf die Rosen in seiner Hand. Eben kam ein Paar von der Tanzfläche an den Tisch, an dem er stand. Wolfgang setzte ein charmantes Lächeln auf und drückte der Frau die Blumen in die Hand.

»Für Sie«, sagte er. »Einen schönen Abend noch.«

Dann lief er Nicole hinterher.

*

Nur raus hier! Das war das einzige, was Florian Mooser denken konnte. Rücksichtslos drängte er sich durch die Menge und bahnte sich einen Weg zum Saalausgang.

Draußen schnappte er erst einmal nach frischer Luft. Er sah sich um, sah die verliebten Paare Arm in Arm spazieren, und fühlte sich hundeelend.

Er wußte nicht, was das plötzliche Auftauchen Wolfgang Arnhäusers zu bedeuten hatte. Er ahnte nur, daß es nichts Gutes bedeuten konnte. Daß der Mann Nicole immer noch liebte, lag auf der Hand.

Warum sonst war er, noch dazu so spät in der Nacht, hergekommen?

Er verstand das alles nicht. Nicole hatte ihm erzählt, dieser Mann wäre mit einer anderen Frau ins Wochenende gefahren, und daß diese Tatsache ausschlaggebend für die endgültige Trennung gewesen sei.

Was also sollte er davon halten?

Florian wußte es nicht. Ihm war nur klar, daß er jetzt nicht auf sein Zimmer gehen und schlafen konnte. Dazu war er viel zu aufgewühlt. Er brauchte einen Ort, wo er alleine war und in Ruhe über alles nachdenken konnte. Im Hotelzimmer lief er Gefahr, daß Nicole früher oder später zu ihm kam und fadenscheinige Erklärungen abgeben wollte. Und das war das Letzte, was er von ihr hören wollte!

Suchend schaute er sich um. Die Leute auf der Straße kümmerten sich nicht um ihn. Sie unterhielten sich und ahnten nicht, daß er voller Kummer war.

Die Kirche. Wenn es einen Ort gab, an dem man Trost fand, dann war es ein Gotteshaus. Die Kirche von St. Johann war Tag und Nacht geöffnet, wie er einem Schild entnommen hatte, das an der Tür hing.

Warum nicht?

Dort würde ihn um diese Zeit gewiß niemand stören.

Florian lief über die Straße, ging dann den Kiesweg hinauf. In der Nacht wurde die Kirche von zwei hellen Strahlern beleuchtet, die sie in ein sanftes gelbes Licht tauchten. Florian drückte die Türklinke herunter und trat ein.

Vollkommene Stille umfing ihn. Nur wenige Lampen brannten, am Altar leuchtete das Ewige Licht. Der junge Student ging bis nach vorne und setzte sich in die erste Reihe. Er war dankbar jetzt alleine zu sein. Während er den Kopf gesenkt hielt, ging er in Gedanken das Geschehen des Abends noch einmal durch. Angefangen mit der Rückkehr ins Hotel, bis zu jenen Augenblick, in dem seine Träume platzten wie Seifenblasen, sein Glück zerbrach wie Glas.

Hatte er sich wirklich so in Nicole getäuscht? War ihr Kummer über die zerbrochene Beziehung nur gespielt? Ahnte sie vielleicht sogar, daß der andere hier auftauchen würde?«

Was sie jetzt wohl machten? Feierten sie ihren Geburtstag zu Ende? Spielten sie den anderen das glückliche verliebte Paar vor?

Und was, wenn sie, Florian und Nicole, sich wiederbegegneten? Würde sie ihm dann in die Augen sehen können?

Langsam richtete er sich auf und schaute auf den Altar. Dort zu stehen, Nicole an seiner Seite, diese Vision hatte er gehabt, als sie beide das erste Mal diese Kirche besichtigten. Natürlich hatte er davon nichts gesagt, aber die Vorstellung war so schön gewesen, daß sie ihm seither nicht mehr aus dem Kopf gegangen war. Jetzt machte sich unendliche Trauer in ihm breit.

Aber was sollte er tun?

Er konnte nicht einfach ins Hotel zurückgehen und sich geben, als wäre nichts geschehen. Spätestens morgen früh, beim Frühstück, würden sie sich wieder über den Weg laufen. Und damit nicht genug – sie saßen auch noch am selben Tisch!

Florian seufzte. Irgendwie schien er mit den Frauen, die ihm etwas bedeuteten, kein Glück zu haben.

Ein Geräusch ließ ihn sich umdrehen. An der Tür stand Pfarrer Trenker und schaute zu dem nächtlichen Besucher hinunter.

»Nanu«, sagte der Geistliche verwundert, »so spät noch. Ist was geschehn, Florian?«

Es gehörte zum abendlichen Ritual, daß Sebastian noch einmal seine Kirche aufsuchte. Daß er diesmal noch einen Besucher antreffen würde, hatte er allerdings nicht geahnt. Er ging zu der Bank und setzte sich neben den Studenten. Seine reiche Menschenkenntnis sagte ihm, daß Florian Mooser nicht ohne Grund hier war. Eigentlich müßte er jetzt auf dem Saal vom Löwen sein und sich amüsieren.

Indes ahnte der Bergpfarrer schon, daß der Grund einen Namen hatte. Während der Wanderung war ihm aufgefallen, wie sehr Florian sich um das junge Madel bemüht hatte.

»Nicole Dressler?« fragte er.

Florian biß sich auf die Unterlippe und nickte stumm.

*

Nachdem sie Wolfgang die Blumen zurückgegeben hatte, hastete Nicole Florian hinterher.

Wenn er jetzt bloß keine falschen Schlüsse zog, dachte sie verzweifelt, während sie durch den Flur eilte, der das Hotel mit dem Saal verband.

Natürlich nahm sie an, Florian wäre auf sein Zimmer gegangen, doch als sie an seine Tür klopfte, blieb dahinter alles still.

Sollte er doch woanders hingegangen sein?

Unsinn, sicher würde er nicht durch die Nacht laufen. Da war es schon wahrscheinlicher, daß er sich eingeschlossen hatte und nun schmollte.

Dafür hatte Nicole sogar Verständnis, auch wenn sie jetzt liebend gerne mit ihm geredet und die Sache aufgeklärt hätte.

»Schade«, sagte sie, in der Hoffnung, daß er sie hörte, »ich würde dir so gern’ alles erklären, Florian. Ich hab’ wirklich keine Ahnung, wieso Wolfgang plötzlich hier auftaucht. Aber warum auch immer – es hat nix zu bedeuten. Weder für mich, noch für unsre Liebe.

Ich wünsch’ mir so sehr, daß wir morgen in aller Ruhe darüber sprechen können. Schlaf gut, Liebster. Und denk’ daran: ich liebe dich. Nur dich!«

Als würde sie ihn streicheln, glitt ihre Hand über die Tür, dann stand sie seufzend auf dem Flur und überlegte, ob sie ebenfalls schlafen oder noch einmal hinuntergehen sollte.

Wahrscheinlich war Wolfgang noch da. Und vielleicht war es besser, jetzt die Möglichkeit zu nutzen, ihm noch einmal deutlich zu machen, daß er sich völlig umsonst herbemüht hatte.

Als sie die Treppe herunterkam, stand er in der Halle und schaute sie erwartungsvoll an. Ohne ihn anzusehen, ging sie hinaus. Sie war sicher, daß er ihr folgen würde. Kurz darauf hörte sie seine Schritte hinter sich.

»Nicole, bitte, bleib’ doch stehen!«

Er hatte sie eingeholt und griff nach ihrem Arm. Aus dem Saal drang immer noch Musik, davor standen oder gingen Leute. Am Himmel waren Wolken aufgezogen, die den Mond verdunkelten. Es war kühl geworden, und eigentlich hätte sie eine wärmere Jacke anziehen müssen.

»Ich weiß, ich hab’ eine große Dummheit gemacht«, begann Wolfgang. »Aber ich bin hergekommen, um dich um Verzeihung zu bitten. Ich will gutmachen, was ich angerichtet hab’. Bitte, Nicole, du mußt mir glauben, ich liebe dich!«

Schweigend sah sie ihn an.

Wie oft hatte sie diese Worte schon gehört! Und immer wieder war sie auf seine Beteuerungen hereingefallen. In diesem Augenblick erinnerte sie sich wieder an Auseinandersetzungen und Kränkungen, die sie längst vergessen glaubte. Doch sie waren nur verdrängt gewesen, weil sie immer wieder die Hoffnung gehabt hatte, diesmal wäre es wirklich so, daß Wolfgang sein Versprechen hielt und sich änderte.

Doch diese Hoffnung war nur von kurzer Dauer gewesen. Sobald er sich ihrer wieder sicher glaubte, verfiel er in den alten Trott.

»Das kann ich dir einfach nicht mehr glauben«, gab sie schließlich zurück. »Und selbst wenn es so wär’, so hätten deine Liebesschwüre doch keinen Sinn. Ich liebe dich nämlich net mehr, Wolfgang. Zu oft hab’ ich dir geglaubt und bin doch immer wieder enttäuscht worden. Wie auch diesmal. Denk’ nur daran, mit wem du die letzten Tage verbracht hast…«

Bittend hob er beide Arme.

»Wenn du auf Tanja ansprichst – da ist nix«, versicherte er. »Das mußt du mir glauben. Wär’ ich sonst hier?«

»Ich muß gar nix«, schüttelte sie den Kopf. »Und wenn du denkst, daß ich wegen dieser anderen Frau böse bin, so täuschst du dich. Als ich erfahren hab’, daß du mit ihr das Wochenende verbringst, das wir schon lange zusammen geplant haben, da hatte ich innerlich längst mit dir abgeschlossen.

Ich geb’ zu, daß es mir weh tat. Doch der Schmerz ist vorüber. Du kannst mir net mehr weh tun.«

»Dann gibst du mir keine Chance mehr?« fragte er mit belegter Stimme.

Die hübsche Studentin schüttelte den Kopf.

»Du hast deine Chance gehabt, Wolfgang«, erwiderte sie. »Mehr, als eine. Doch du hast sie net genutzt. Einmal muß es vorbei sein.«

Der Lehrer tastete nach seiner Jackentasche. Dort drinnen bewahrte er seinen letzten Trumpf auf. Er zog das Schmuckkästchen hervor und öffnete es. Er hielt es so, daß Nicole den Inhalt sehen konnte.

»Schau’, die hab’ ich vor ein paar Wochen gekauft«, sagte er. »Ich wollt’ sie dir heut’ zeigen und dich an deinem Geburtstag fragen, ob du meine Frau werden willst…«

Nicole schluckte, und Tränen traten ihr in die Augen.

Wie oft hatte sie sich diesen Augenblick herbeigesehnt, gehofft, daß er ihr diese Frage stellen würde!

Und er hatte die Ringe schon vor langer Zeit gekauft, für diesen Tag!

»Wolfgang…, ich…, ich weiß gar net, was ich sagen soll«, stammelte sie, von Gefühlen überwältigt.

Schlagartig schien alles wieder anders zu sein. Er spürte ihre Unsicherheit und nutzte es aus.

»Komm, Liebling«, sagte er und legte seinen Arm um sie. »Laß uns vergessen, was gewesen ist. Wir wollen neu beginnen und uns zusammen ein schönes Leben aufbauen.«

Als er sie an sich zog und küssen wollte, schien sie endlich aufzuwachen. Nicole entzog sich seiner Umarmung und schüttelte den Kopf.

»Moment. Das geht mir alles viel zu schnell. Ich geb’ zu, für einen Moment war ich geblendet, doch eigentlich kann ich dir net glauben.«

Wolfgang Arnhäuser ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken. Immerhin spürte er, daß er sie mit den Ringen überrascht und ins Wanken gebracht hatte.

»Gut, Nicole, ich seh’ ein, daß es zu schnell für dich geht«, lenkte er ein. »Am besten wird’s sein, wenn du eine Nacht darüber schläfst.

Wie ist’s? Ich wohn’ hier in einer Pension. Soviel ich weiß, fährt der Bus erst am Nachmittag zurück. Wollen wir uns morgen früh noch einmal treffen und in Ruhe über alles sprechen? Ich denk’, das ist das mindeste, was ich erwarten darf…«

Einen Moment war sie unschlüssig. Eigentlich hatte sie vorgehabt, den Vormittag und die Zeit danach, bis zur Abfahrt des Busses, mit Florian zu verbringen. Aber wahrscheinlich mußte sie Wolfgangs Bitte nachkommen. Jetzt war sie viel zu aufgewühlt, um einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Auch wenn sie vielleicht die halbe Nacht wachliegen würde, sie brauchte die Zeit, um sich über vieles klarzuwerden.

»Also schön«, willigte sie ein. »Morgen früh um zehn.«

»Ich hol’ dich ab«, sagte er schnell, ehe sie es sich anders überlegen konnte. »Wir fahren irgendwohin, wo wir ungestört sind.«

Nicole nickte und ging zum Hotel zurück. Wolfgang sah ihr nach, und ein siegessicheres Lächeln spielte um seine Lippen.

*

»Marion schien für mich die Liebe meines Lebens zu sein«, erzählte Florian dem Geistlichen. »Als die Beziehung zu Ende ging, brach für mich eine Welt zusammen. Können Sie verstehen, daß ich jetzt net dasselbe durchmachen will? In Nicole glaubte ich, die Frau gefunden zu haben, mit der ich einen Neuanfang wagen kann, und dann taucht da dieser Kerl auf!«

Es hatte nicht viel dazu gebraucht, Pfarrer Trenker sein Herz auszuschütten. Im Gegenteil, Florian, der eigentlich die Einsamkeit der Kirche aufgesucht hatte, war froh, sich alles von der Seele reden zu können, und die unvoreingenommene Art des Seelsorgers machte es ihm leicht.

»Freilich kann ich Sie verstehn«, erwiderte Sebastian. »Als Sie sich in das Madel verliebten, hing der Himmel voller Geigen. Aber Sie haben übersehen, daß Nicole ein ähnliches Schicksal widerfahren ist, wie Ihnen. Sein S’ mal ganz ehrlich, wenn die Marion so urplötzlich hier aufgetaucht wäre, würde Nicole dann net genauso denken, wie Sie es jetzt tun? Und wenn sie diesen Mann genauso geliebt hat, wie Sie Marion, dann müssen Sie verstehn, daß das arme Madel jetzt völlig durcheinander sein muß. Wahrscheinlich konnte sie sich gar net gegen den Kuß wehren, der sie letzten Endes veranlaßt hat, Hals über Kopf davonzulaufen.«

Florian Mooser nickte nachdenklich. Natürlich, wenn er sich in Nicoles Situation versetzte, hatte Pfarrer Trenker sicher recht. Aber gerade weil er vermutete, daß sie über die Liebe zu dem anderen Mann immer noch nicht hinweg war, mußte er, Florian, doch annehmen, daß sie sich diesem Wolfgang wieder zugewandt hatte.

»Ich glaub’, das sehn S’ falsch«, meinte der Bergpfarrer. »Es ist nur natürlich, daß Nicole jetzt verwirrt ist, aber ich bin überzeugt, daß sie sich innerlich schon von dem Mann getrennt hatte, sonst wär’ sie Ihnen net so nahe gekommen.

Ich hab’ Sie beide während unsrer Tour beobachtet und natürlich bemerkt, daß Sie Nicole ganz besonders wohlgesonnen waren. Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit. Nicole liebt Sie ebenso, wie Sie sie lieben, und darum kann ich Ihnen nur raten, sich net zurückzuziehen. Reden S’ mit ihr, sprechen S’ sich aus und geben S’ net auf um sie zu kämpfen.

Das heißt natürlich net, daß Sie diesen Wolfgang verprügeln sollen, Gewalt ist immer ein schlechtes Argument. Zeigen S’ der Nicole, daß Sie der bessere Partner sind, daß Ihre Gefühle für sie echt und tief sind. Keine Frau ist dafür taub. Sie wird erkennen, daß Sie es ehrlich mit ihr meinen.«

Florian holte tief Luft.

In seinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Er fochte einen Kampf mit sich selbst aus.

Sollte er den Ratschlägen Pfarrer Trenkers folgen? Oder machte er sich am Ende zum Narren?

»Wie auch immer ich mich entscheiden werde«, sagte er und stand auf, »ich danke Ihnen jedenfalls, daß Sie mir zugehört haben.«

»Das hab’ ich gern getan«, antwortete Sebastian. »Und wenn S’ weiter Rat oder Hilfe brauchen, dann können S’ jederzeit zu mir kommen.«

Er begleitete Florian zur Kirchentür.

»Schlafen S’ erst einmal, bevor Sie sich entscheiden, ob Sie meinen Rat befolgen und für Ihre Liebe kämpfen«, sagte er zum Abschied.

»Wenn ich’s denn kann«, entgegnete der Student und hob grüßend die Hand.

Der gute Hirte von St. Johann sah ihm hinterher, wie er den Weg zur Straße hinunterging.

Sebastian war überzeugt davon, in dieser Angelegenheit noch tätig werden zu müssen…

Florian Mooser war indes an der Straße angelangt. Gegenüber stand das Hotel. Auf dem Saal herrschte immer noch Betrieb, wie unschwer an der Beleuchtung und der Musik zu erkennen war, die man immer noch hören konnte. Inzwischen war es kurz vor halb eins. Über eine Stunde hatte er also in der Kirche zugebracht und mit dem Geistlichen geredet.

Während er auf der anderen Straßenseite stand, überlegte der Student, ob er noch einmal in den Saal hineingehen sollte.

Oder war es besser, aufs Zimmer zu gehen und versuchen zu schlafen?

Wahrscheinlich würde er überhaupt kein Auge zubekommen, aber die Möglichkeit, auf dem Saal Nicole und dem anderen Mann zu begegnen, schreckte ihn noch mehr ab.

Florian überquerte die Straße und betrat das Hotel durch die breite Glastür. An der Rezeption lagen die Zimmerschlüssel bereit. Ansonsten war keine Menschenseele zu sehen. Die Türen zum Restaurant und den Clubräumen waren geschlossen, und in der Halle gaben zwei Wandlampen nur noch spärliches Licht. Das Leben spielte sich drüben im Saal ab.

Er nahm seinen Schlüssel und ging die Treppe hinauf. Als er an Nicoles Zimmer vorbeikam, blieb er einen Moment zögernd stehen.

Noch vor ein paar Stunden hatte er sie hier abgeholt. Der schönste Abend ihres Lebens sollte es werden, und nun endete er in so einem Desaster.

Florian widerstand dem Drang anzuklopfen und zu schauen, ob Nicole vielleicht schon auf dem Zimmer war.

Wahrscheinlicher schien es ihm, daß sie und dieser Wolfgang Arnhäuser sich noch auf dem Saal amüsierten. Außerdem wußte er nicht, was er sagen sollte, falls sie doch öffnete…

Er ging weiter und schloß seine eigene Tür auf. Drinnen ließ er das Licht ausgeschaltet und setzte sich im Dunkeln auf das Bett. Draußen waren die Wolken dichter geworden. Schon als er das Hotel betrat, nieselte es. Irgendwo über den Bergen grollte Donner.

Von mir aus, dachte er achselzuckend. Das Wetter paßt ja zu meiner Stimmung.

Und morgen ging es ohnehin nach Hause zurück. Dann war es sowieso egal, ob die Sonne schien oder es junge Hunde regnete!

Überhaupt, die Busfahrt!

Würde Nicole zusammen mit ihm und den anderen zurückfahren? Und wie sollte er sich ihr gegenüber dann verhalten?

Einfach so tun, als sei nichts geschehen, das konnte er nicht. Aber sie zu ignorieren, würde ihm genauso schwerfallen.

Das Gespräch mit Pfarrer Trenker ging ihm durch den Kopf. Er soll um seine Liebe kämpfen, hatte der ihm geraten.

Aber war dieser Kampf nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt?

Der Geistliche hatte recht. Hätte Marion so plötzlich vor ihm gestanden, Florian wußte nicht zu sagen, was dann in ihm vorgegangen wäre. Genauso mußte Nicole mit ihren Gefühlen durcheinander geraten sein.

Für einen Moment schloß er die Augen und rief sich den Moment in Erinnerung, in dem sie sich geküßt hatten.

Sein Herz hatte jubiliert, und kein Glück der Welt konnte in dieser Sekunde größer sein.

Unruhig stand er auf und lief durch das dunkle Zimmer. Draußen zuckten Blitze vom Himmel, und grollender Donner kam näher.

Florian stellte sich ans Fenster und öffnete es. Leichter Wind war aufgekommen und wehte herein. Er hielt das Gesicht, nach Abkühlung suchend, hinaus und spürte Regentropfen, die ihn trafen. Am liebsten hätte er seinen Kummer laut herausgeschrien, doch ein dicker Kloß in seinem Hals verhinderte es.

Hätte er jetzt eine Flasche Schnaps gehabt, würde er sich sinnlos betrunken haben. Vielleicht war es gar keine schlechte Idee, hinunterzugehen und es zu tun.

Allerdings wußte er auch, daß das keine Lösung war. Im Gegenteil, wahrscheinlich würde es seine Probleme nur noch vergrößern, wenn es sich jetzt aus Liebeskummer dem Alkohol hingab.

Seufzend schloß er das Fenster wieder und legte sich angezogen auf das Bett. So lag er stundenlang da, grübelte und hatte die seltsamsten Gedanken. Es dauerte wirklich bis zum Morgengrauen, bis er endlich einschlief.

*

Nicole schaute sich nicht mehr um, als sie das Hotel betrat. Sie verzichtete darauf, auf den Saal zurückzukehren. Von den anderen Reisegefährten hatte zwar kaum jemand etwas von der Angelegenheit mitbekommen. Trotzdem wollte sie nicht zurück und vielleicht doch noch irgendwelche Erklärungen abgeben müssen. Sie nahm sich ihren Zimmerschlüssel und ging hinauf. Ehe sie aufschloß, klopfte sie noch einmal an Florians Tür, in der Hoffnung, er würde jetzt öffnen. Als dahinter alles still blieb, wandte sie sich enttäuscht ab und ging in ihr Zimmer.

Das erste auf das ihr Blick fiel, nachdem sie das Licht angemacht hatte, war der kleine Blumenstrauß, auf ihrem Nachtkästchen. Winzig nahm er sich aus, vor allem im Gegensatz zu dem, den Wolfgang ihr in die Hand gedrückt hatte. Doch wieviel mehr hatte sie sich darüber gefreut, als über das pompöse Gebinde. Wußte sie doch, daß dieses Sträußchen von Herzen geschenkt worden war.

Mit einer müden Bewegung streifte sie die Schuhe ab und hockte sich auf das Bett. Dann nahm sie die Vase in die Hand und roch an dem Strauß. Erst jetzt schien es, als käme sie zur Besinnung. Während sie nachdenklich mit den Fingerspitzen über die Blüten strich, rief sie sich das Geschehen in Erinnerung.

Sie hatte geglaubt zu träumen, als Wolfgang so unerwartet vor ihr stand. Es war eigentlich ganz unmöglich, daß er hier auftauchte, wo er doch das Wochenende im Bayerischen Wald verbringen wollte.

Was hatte ihn wohl veranlaßt, seinen Aufenthalt dort abzubrechen? War es wirklich die Einsicht, wie er behauptete, daß er sie immer noch liebe und wiedergutmachen wollte, was er angerichtet hatte?

Was wohl diese Tanja gedacht haben muß, als Wolfgang sie so plötzlich ›abservierte‹!

Aber das war typisch für ihn. Nicole erinnerte sich an Begebenheiten, in denen seine egoistische Art schon früher zutage getreten war. Und Egoismus war, ihrer Meinung nach, auch jetzt im Spiel. Er konnte es einfach nicht ertragen, daß sie es gewesen war, die ihre Beziehung beendet hatte. Als er sie dann auch noch mit einem anderen Mann sah, mußte es zuviel für seine männliche Eitelkeit gewesen sein.

Allerdings kamen ihr auch die Ringe in den Sinn. Er hatte sich mit ihr verloben wollen. An diesem Tag, und wenn er die Wahrheit sagte, dann hatte er diesen Entschluß schon vor einiger Zeit gefaßt. Wahrscheinlich stimmte diese Behauptung sogar. Nicole konnte sich nicht vorstellen, daß er die Ringe heute noch, in aller Windeseile, gekauft hatte, um ihr etwas vorzuspielen.

Nur warum hat er nicht früher etwas davon gesagt? An ihrem letzten Abend, zum Beispiel, als sie ihm klipp und klar sagte, daß sie ihn nicht wiedersehen wolle. War er sich ihrer da so sicher gewesen, daß er darauf verzichten konnte, ihr da schon die Ringe zu präsentieren und um ihre Hand anzuhalten?

Wahrscheinlich war es so, wie sie vermutete. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie einen endgültigen Schlußstrch zog, hatte er es immer wieder geschafft, sie um den Finger zu wickeln und herumzukriegen. Stets war sie wieder schwach geworden und hatte seinen Beteuerungen geglaubt.

Ja, Wolfgang mußte ziemlich sicher gewesen sein, daß sie auch diesmal wieder nachgab, doch jetzt gab es einen Punkt, den er in seine Rechnung nicht mit einbezogen hatte.

Florian!

Wolfgang konnte nicht ahnen, daß sie sich in einen anderen Mann verliebt hatte. Siegessicher war er hergekommen, in der Annahme, er brauche nur mit dem Finger zu schnippen, und sie würde ihn dankbar zurücknehmen.

Doch diesmal hatte er sich getäuscht. Je länger Nicole darüber nachdachte, um so überzeugter war sie, daß sie Wolfgangs Antrag nicht annehmen würde. Viel zu lange hatte sie dieses Spiel mitgemacht. Aber da gab es auch noch niemanden, der sie in die Arme genommen und getröstet hätte, so wie es Florian getan hatte.

Wie hatte sie gesagt?

»Zwei einsame Herzen haben sich gefunden.«

Ja, so war es. Und mit jeder Sekunde spürte sie mehr, wie sehr sie Florian liebte. Er war alles, was sie sich jemals von dem Mann erträumt hatte, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte.

Lange Zeit hatte sie geglaubt, daß Wolfgang dieser Mann wäre. Und die Wahrheit hatte ihr sehr weh getan.

Bei Florian hatte sie nicht mehr die Angst, enttäuscht zu werden.

Mit einem Ruck stand sie auf und ging ins Bad. Während sie sich für die Nacht fertigmachte, dachte Nicole darüber nach, mit welchen Worten sie Wolfgang morgen früh klarmachen wollte, daß seine Bemühungen vergebens waren.

Und vor allem, wie sie Florian erklären konnte, daß sie den Vormittag nicht, wie verabredet, mit ihm verbringen würde.

Du lieber Himmel, dachte sie, als sie im Bett lag und die Augen schloß, warum bloß ist die Liebe immer so kompliziert?

Auch wenn sie noch sehr lange über diese Frage nachdachte, eine Antwort darauf erhielt sie in dieser Nacht nicht mehr.

*

Als Florian am Morgen aus dem Fenster schaute, regnete es immer noch. In der Nacht war über St. Johann ein schweres Gewitter niedergegangen, und so wie es aussah, würde der Abschied von dem Dorf genauso verregnet sein wie die Ankunft.

Kaum mehr als drei Stunden hatte er geschlafen, dann war er von alleine wachgeworden und hatte noch eine Weile im Bett gelegen. Schließlich zwang er sich, aufzustehen und ins Bad zu gehen. Bis zum Frühstück war es zwar noch Zeit, dennoch ging er nach unten und setzte sich an seinen Tisch.

Als er an Nicoles Zimmer vorbeikam, warf er nur einen kurzen Blick auf die Tür und ging weiter.

Das Frühstück im Löwen war nicht weniger ausgezeichnet, als das Essen, welches man ihnen während ihres Aufenthaltes serviert hatte. Doch an diesem Morgen wollte es ihm überhaupt nicht schmecken. Lustlos kaute Florian an einer Semmel. Lediglich der Kaffee war ihm ein willkommener Wecker seiner Lebensgeister.

Nach und nach trudelten die anderen Gäste ein. Einige schauten recht verkatert aus und zogen sich manch spöttische Bemerkung zu. Florian beteiligte sich kaum an der Unterhaltung, statt dessen grübelte er immer noch darüber nach, wie er Nicole gegenübertreten sollte.

Beinahe fürchtete er sich vor dem Moment, in dem sie vor ihm stehen würde.

Als es dann soweit war, zeigte sein Gesicht eine eisige, verschlossene Miene.

Die hübsche Studentin war nach einer mehr oder weniger schlaflosen Nacht aufgestanden und hatte, nachdem sie mit der Morgentoilette fertig war, ihre Reisetasche gepackt. Den kleinen Blumenstrauß wickelte sie in eine Papierserviette und legte ihn obenauf. Schließlich verließ sie ihr Zimmer, um zum Frühstück hinunterzugehen. Zuvor klopfte sie an Florians Zimmertür. Sie wartete eine Weile auf Antwort und ging nach unten, als es still blieb. Als sie ihn jetzt an ihrem gemeinsamen Tisch sitzen sah, huschte ein freudiges Lächeln über ihre Lippen, das jedoch erstarb, als sie in seine abweisende Miene schaute.

»Guten Morgen«, hatte sie ihm wünschen wollen, doch ihre Stimme versagte.

Sie setzte sich ihm gegenüber und schaute ihn an.

»Florian, das mit gestern abend…, es tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung, daß Wolfgang herkommen würde«, sagte sie. »Bitte, du mußt mir glauben.«

Er erwiderte stumm ihren Blick, sein Gesicht zeigte keinerlei Regung.

»Du bist mir keine Erklärung schuldig«, antwortete er nach einer Weile.

Die Worte klangen hart aus seinem Mund, der gestern noch so liebevoll zu ihr gesprochen hatte. Nicole spürte, wie sie ihr einen tiefen Stich in ihr Herz versetzten.

»Ich kann verstehn, daß du verbittert bist«, sagte sie. »Aber ich schwöre dir, daß es nix mehr gibt, das mich noch mit Wolfgang verbindet.«

»Das sah mir aber ganz anders aus«, gab er zurück.

Nicole fuhr hoch.

»Du täuschst dich«, rief sie mit erhobener Stimme, die sie gleich wieder senkte, weil sie die Aufmerksamkeit der anderen nicht auf sich ziehen wollte. »Ich war doch selbst viel zu überrascht, als er plötzlich vor mir stand. Und als er mich dann einfach in den Arm genommen hat, wußte ich überhaupt nicht, wie ich mich dagegen wehren sollte.«

Sie neigte den Kopf.

»Und du bist einfach fortgelaufen.«

Der leichte Vorwurf war nicht zu überhören. Florian sah finster auf.

»Was hätt’ ich denn tun soll’n? Zuschaun vielleicht? Oder mich auf ihn stürzen und ihn verprügeln?«

Ärgerlich warf er die Serviette, mit der er die ganze Zeit gespielt hatte, auf den Tisch.

»Ich weiß net, was ich von der ganzen Sache halten soll«, fuhr er fort. »Ich weiß nur, was ich gesehn hab’, und das war recht eindeutig.«

Nicole griff über den Tisch nach seiner Hand und hielt sie, genauso, wie er es mit ihrer, oben auf der Alm, getan hatte.

»Florian, ich liebe dich«, beteuerte sie. »Wolfgang bedeutet mir nichts mehr, und wenn er hundert Rosensträuße anschleppt. Die Blumen, die du mir geschenkt hast, bedeuten mir hundertmal mehr.«

Seine Miene wurde versöhnlicher, strahlte nicht mehr diese Kälte aus, die sie so sehr erschreckt hatte.

»Ich möcht’ dir so gern’ glauben«, sagte er, mit einer zum Flüstern gesenkten Stimme. »So sehr, Nicole, denn ich weiß, daß du alles für mich bist.«

»Dann gib uns und unserer Liebe eine Chance«, bat sie.

Florian Mooser nickte. Allerdings hatte er das Gefühl, daß noch nicht alles gesagt war. Er schaute Nicole forschend an, die unter diesem Blick unsicher wirkte.

»Gibt es noch etwas, worüber wir reden müssen?« fragte er deshalb.

Einen Moment schwieg die Studentin, dann nickte sie.

»Wolfgang möchte sich heut’ vormittag mit mir treffen«, gab sie zu. »Er meint, das wär’ ich ihm schuldig, und irgendwie hab’ ich das Gefühl, daß ich ihm diese Bitte net abschlagen kann. Wärst du mir sehr bös’, wenn ich zu dieser Verabredung ginge?«

Florian holte tief Luft und sah sie nachdenklich an. Es war schon ein großes Opfer, das sie da von ihm forderte. Aber wahrscheinlich mußte es sein, damit die Angelegenheit endlich aus der Welt geschafft wurde.

»Ich vertrau’ dir«, erwiderte er schließlich. »Geh’ zu diesem Treffen und laß ihn wissen, was du mir eben gesagt hast.«

Nicole lächelte erleichtert. Wenn Florian darauf bestanden hätte, dann würde sie nicht gegangen sein. Doch so war sie ihm sehr dankbar, daß er ihr Gelegenheit gab, einen letzten, wirklich endgültigen Schlußstrich zu ziehen.

*

Im Pfarrhaus bereitete sich Sebastian auf die Heilige Messe vor. Er saß in seinem Arbeitszimmer und überflog noch einmal die Predigt, die er gestern abend geschrieben hatte.

Allerdings schweiften seine Gedanken immer wieder zu dem jungen Studenten ab, den er so spät noch in der Kirche angetroffen hatte. Das Problem, welches Florian ihm geschildert hatte, war ein uraltes. Es gab es schon, solange Menschen auf Erden waren, und würde wohl ewig bestehen bleiben. Nur mußte man immer wieder neue Lösungen dafür finden.

Eifersucht war ein schlimmer Stachel, der immer tiefer ins Fleisch glitt, je mehr man an ihm zog.

Indes war der Geistliche sicher, Nicole Dressler richtig eingeschätzt zu haben. Sie machte auf ihn nicht den Eindruck, oberflächlich zu sein und nur ein Abenteuer gesucht zu haben.

Sebastian war gespannt, ob sie und Florian heute morgen gemeinsam in die Kirche kamen, so wie sie es ursprünglich vorgehabt hatten.

Die Glocken riefen die Gläubigen, und Sebastian machte sich auf den Weg. In der Sakristei begrüßte er Alois Kammeier, den Mesner von St. Johann, und die beiden Buben, die während der feierlichen Handlung als Meßdiener fungierten. Loisl Kammeier half ihm, das Gewand anzulegen, dann eilte Sebastian zur Kirchentür, um die Besucher zu begrüßen und willkommen zu heißen.

Wie er es erwartet hatte, kamen auch die Teilnehmer der Wochen­end­reise zur Sonntagsmesse.

»Habt ihr die gestrige Tour und den Tanzabend gut überstanden?« erkundigte er sich, mit einem Schmunzeln. »Den Abend wohl noch net so ganz, wie ich einigen Gesichtern ansehn kann.«

»Dafür war’s aber auch ein einmaliges Erlebnis«, meinte einer grinsend und verbesserte sich gleich. »Nee, einmalig war’s nicht, denn ganz bestimmt waren wir nicht das letzte Mal da.«

»Na, das freut mich«, lachte Sebastian und ließ seine Augen suchend über die Leute gleiten.

Florian stand weiter hinten. Der gute Hirte von St. Johann sah, daß er nicht in Nicoles Begleitung war.

»Alles in Ordnung?« erkundigte er sich.

Der Student nickte nur kurz, weil hinter ihm die Leute drängten, und ging hinein.

Während der Messe saß Florian still auf seinem Platz. Zwar hörte er die Worte des Geistlichen und sang die Lieder mit, aber seine Gedanken waren die ganze Zeit über bei Nicole.

Nach dem Frühstück – Florian hatte es doch noch geschafft, eine Semmel zu essen –, waren sie kurz in den Kaffeegarten gegangen. Der Regen hatte etwas nachgelassen. Sie stellten sich unter das Vordach des rückwärtigen Einganges und hielten sich an den Händen.

»Es tut mir leid, daß ich vorhin so häßlich zu dir war«, sagte Florian, mit ehrlichem Bedauern. »Aber gestern abend, da hab’ ich überhaupt net mehr gewußt, was ich noch denken soll. Es schien so eindeutig, wie er dich geküßt hat, daß ich nur noch den Gedanken hatte, ich müßte fort.«

Nicole legte einen Finger auf seine Lippen.

»Pst«, sagte sie. »Wir wolln net mehr davon reden. Es ist alles gesagt, und wir wissen, daß wir zusammengehören.«

Sie küßte ihn unendlich zärtlich, und die Zeit bis zur Verabredung mit Wolfgang Arnhäuser verbrachten sie damit, Pläne für ihre gemeinsame Zukunft zu schmieden.

Zusammen eine Wohnung beziehen? Nach dem Studium ein paar Jahre arbeiten, sich etwas aufbauen und dann an Nachwuchs denken?

All dies schien keine Utopie, sondern in greifbare Nähe gerückt. Die Welt war in rosa Farbe getaucht, und nichts und niemand konnte ihnen ihre Liebe noch nehmen.

Als Florian jetzt an diese Momente dachte, da glitt ein glückliches Lächeln über seine Lippen.

Heute nachmittag fuhren sie zusammen zurück, und diese Fahrt würde eine Fahrt ins Glück werden.

*

Auch nach der Messe stand Sebastian Trenker an der Tür und verabschiedete die Gemeinde. Mit jedem sprach er ein paar Worte, erkundigte sich nach Familienangehörigen, falls diese mal nicht in die Messe gekommen waren, und versprach diesem oder jenem seinen baldigen Besuch.

Als Florian vor ihm stand, bat er den Studenten, noch einen Moment zu bleiben.

»Haben S’ sich mit der Nicole ausgesprochen?« erkundigte sich der Seelsorger, als er und Florian schließlich alleine an der Kirchentür standen.

»Ja, Hochwürden, heut’ morgen«, nickte er. »Ich geb’ zu, erst war ich recht schroff ihr gegenüber. Aber ich hab’ erkannt, daß Nicole mich wirklich liebt.«

Sebastian machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Hm, hatten S’ mir net gestern abend erzählt, daß Sie und Nicole zusammen in die Kirche kommen wollten?«

»Das ist richtig. Aber dieser Wolfgang Arnhäuser hat sie um ein Gespräch gebeten. Ausgerechnet heut’ morgen. Nicole war der Meinung, sie müsse ihm diese Bitte gewähren. Er will sich mit ihr aussprechen, und sie ihm endgültig sagen, daß er sich umsonst herbemüht hat.«

Sebastian nickte verstehend.

Natürlich, eine Aussprache war nie verkehrt. Mißverständnisse konnten dabei aus dem Weg geräumt werden, Streitereien beigelegt.

Wenn es sich denn tatsächlich um eine Aussprache handelte, an der beide Parteien gleichberechtigt beteiligt waren. Allerdings hatte der Bergpfarrer ein ungutes Gefühl, wenn er an dieses Zusammentreffen dachte. Nach Florians Schilderung, der auch nur wiedergeben konnte, was die Studentin ihm gesagt hatte, war dieser Wolfgang Arnhäuser ein egoistischer Mensch, der stets und überall seine Vorteile suchte und dabei wenig Rücksicht auf die Gefühle anderer Menschen nahm. Sebastian konnte sich vorstellen, daß er auf Nicole einreden und sie in ihrer Entscheidung wankend machen könnte.

»Wo soll diese Aussprache denn stattfinden?« erkundigte er sich.

»Ich weiß net genau«, antwortete Florian. »Die beiden haben sich vor dem Hotel getroffen. Nicole ist zu ihm ins Auto gestiegen.«

Der Geistliche strich sich nachdenklich über das Kinn.

Wenn sie mit dem Auto gefahren war, dann würde es wohl länger dauern, bis die junge Studentin wieder im Ort war.

Aber warum waren sie nicht gleich hiergeblieben? Steckte eine besondere Absicht dahinter, daß Wolfgang Arnhäuser mit dem Auto zu der Verabredung gekommen war?

Möglicherweise wollte er Nicole aus St. Johann forthaben. Immerhin hatte sie hier eine neue Liebe gefunden und war in Gedanken an sie, in einer stärkeren Position als Wolfgang, der um sie werben würde…

Natürlich sagte Sebastian nichts von seinen Überlegungen zu Florian Moosner. Er drückte dem jungen Studenten nur die Hand.

»Zur Abfahrt des Busses schau’ ich noch mal am Hotel vorbei«, versprach er.

»Also dann, bis später«, verabschiedete Florian sich und marschierte den Kiesweg hinunter.

Pfarrer Trenker schaute ihm hinterher. Er konnte nicht sagen was es war, aber irgend etwas gefiel ihm überhaupt nicht daran, daß Nicole Dressler mit Wolfgang Arnhäuser fortgefahren war. Er konnte nur noch nicht sagen, was ihn daran so störte.

Allerdings hatte ihn sein Gespür noch nie getäuscht, und Sebastian war jetzt noch sicherer, als gestern abend, daß er in dieser Angelegenheit noch einmal tätig werden müsse…

*

Genüßlich biß Wolfgang Arnhäuser in die Semmel. Ria Stubler hatte ihm ein reichhaltiges Frühstück serviert und dabei auf ihren eigenen Vorrat zurückgegriffen. Da sie in den nächsten zwei Tagen keine Gäste erwartete, war der Kühlschrank in der kleinen Pensionsküche leer.

Während er aß und Kaffee trank, überlegte Wolfgang seine weiteren Schritte. Daß Nicole dem Treffen zugestimmt hatte, wertete er als einen ersten Erfolg. Sein Trumpf mit den Ringen hatte gestochen. Er wußte ja, wie sehr sie sich wünschte, verheiratet zu sein. Bis zum ersten Staatsexamen war es nicht mehr lange, und so wie er Nicole kannte, würde sie es mit Bravour bestehen. Danach stand einer Hochzeit eigentlich nichts mehr im Weg.

Allerdings wußte er auch, daß er wenig zum Ehemann taugte… Indes, auch da würde sich eine Lösung finden. Wenn sie erst einmal verheiratet waren, spielte sich alles andere von alleine ein.

Doch zuvor mußte er sie davon überzeugen, daß er es ernst meinte.

Hier und heute!

Keine leichte Aufgabe, wenn er daran dachte, wie abweisend Nicole gestern abend gewesen war. Der Bursche, in den sie sich verliebt hatte, mußte schon etwas ganz Besonderes sein. Ansonsten hätte sie sich nicht so schnell mit ihm eingelassen.

Trotzdem – einen ersten Sieg hatte er mit ihrer Zusage zu dem Treffen schon errungen, und nun kam es darauf an, sie davon zu überzeugen, daß er die bessere Wahl wäre. Und das sollte ihm nicht schwerfallen. Der gutaussehende Mathema­tik­lehrer wußte um seine Wirkung auf Frauen. Er konnte charmant und zuvorkommend sein, wenn er wollte. So hatte er auch Nicole erobert, erst danach zeigte er sein wahres Gesicht.

»Möchten S’ noch Kaffee?« fragte die Pensionswirtin, die in das Frühstückszimmer gekommen war.

»Nein, vielen Dank, Frau Stubler«, schüttelte Wolfgang den Kopf. »Aber die Rechnung können S’ mir machen. Nach dem Frühstück räum’ ich gleich das Zimmer. Bei der Gelegenheit möcht’ ich mich noch mal recht herzlich bedanken, daß Sie mich doch noch aufgenommen haben. Es war wirklich ganz reizend von Ihnen.«

Ria lächelte.

»Na ja, es ging da ja auch um etwas für Sie«, meinte sie. »Waren Ihre Bemühungen denn von Erfolg gekrönt?«

Er nickte selbstbewußt.

»Ich treff’ mich gleich mit Nicole«, antwortete er. »Da hab’ ich übrigens noch eine Frage – wo find’ ich denn hier eine besonders romantische Ecke? Wissen S’, ich möcht’ ihr nachher einen Heiratsantrag machen, und das geht ja net so einfach auf der Straße.«

Ria Stubler strahlte.

»Ach, Herr Arnhäuser, Sie sind wirklich ein besonderer Mensch«, sagte sie. »So etwas Schönes kann nur einem Mann einfallen, der wirklich verliebt ist.«

Sie deutete zum Fenster hinaus.

»Leider regnet’s immer noch. Sonst würd’ ich vorschlagen, Sie fahren zum Kogler hinauf. Da gibt’s einen leichten Wanderweg, der bis zur Klamm führt. Dort sind einige sehr romantische Plätzchen.«

Wolfgang schaute hinaus. Der Regen war schon wieder schwächer geworden.

»Gibt’s denn Hoffnung, daß er vielleicht bald ganz aufhört?«

Die Wirtin zuckte die Schultern.

»Nach dem Wetterbericht soll’s am Mittag aufklaren«, erzählte sie. »Aber Sie wissen ja selbst, wieviel Verlaß darauf ist.«

»Na, mal sehn«, meinte er. »Vielleicht behalten die Leute vom Wetterdienst ausnahmsweise mal recht.«

Einen kleinen Ausflug in die Berge hatte er selbst schon ins Auge gefaßt. Natürlich nichts Aufwendiges, wofür man extra eine Ausrüstung benötigte. Die hatte er auch gar nicht dabei. Aber so ein kleiner Spaziergang über einen Wanderweg, der kam schon in Betracht.

Wolfgang hoffte, daß es ihm dabei gelingen würde, Nicole vollends von sich und seinen guten Absichten zu überzeugen, darüber hinaus wollte er sie auch überzeugen, daß sie die Rückfahrt mit ihm machte. Sie zusammen mit dem anderen, für ein paar Stunden gemeinsam in dem Bus zu wissen, dieser Gedanke gefiel ihm überhaupt nicht. Denn eines war ihm an diesem Wochenende bewußt geworden – auch wenn er ein Hallodri war, der es mit der Treue nicht so genau nahm, er liebte Nicole wirklich und wollte kein Risiko eingehen, daß der Nebenbuhler die Situation ausnutzte und seine ganzen Bemühungen zunichte machte.

Wolfgang wischte sich den Mund mit der Serviette ab und stand auf. Ria Stubler war in die Pensionsküche gegangen und schrieb die Rechnung. Der Lehrer betrat sein Zimmer und stopfte die restlichen Sachen in den Koffer. Viel hatte er ohnehin nicht ausgepackt. Lediglich den Schlafanzug und Toilettenbeutel. Er nahm den Koffer auf und ging hinunter. Ria wartete schon. Wolfgang zahlte den Betrag und verabschiedete sich.

»Toi, toi, toi«, sagte die Pensionswirtin. »Ich drück’ Ihnen die Daumen, daß alles so klappt, wie Sie’s sich vorgestellt haben.«

Wolfgang lächelte und stieg in sein Auto.

Gehn wir’s an, dachte er, als er den Wagen startete.

*

Als er vor dem Hotel hielt, stand Nicole im Eingang. Sie trug eine ­Jeans und einen leichten Pullover, dazu Halbschuhe und die Jacke, die sie zusammen gekauft hatten, als sie vor einiger Zeit in Nürnberg Verwandte von ihm besucht hatten.

Wolfgang fand, daß sie hinreißend aussah, und er fühlte wieder den Stachel der Eifersucht, als er sich vorstellte, daß sie den anderen Mann geküßt hatte.

»Guten Morgen«, begrüßte er sie, als sie sich in seinen Wagen setzte. »Hast du gut geschlafen?«

Die Studentin nickte nur kurz und drehte sich zum Hotel um.

Aus den Augenwinkeln heraus nahm er wahr, daß sie winkte, während er anfuhr. Auf der Karte hatte er sich den Weg zum Kogler angesehen. Es war nicht sehr weit zu fahren. Wolfgang wendete und mußte anhalten, weil eine Gruppe Kirchgänger die Straße überquerte. Nicole schaute wieder zum Hotel und wandte dann ihren Kopf ab, als sie Florian nicht mehr im Eingang stehen sah.

»Wohin willst du eigentlich?« fragte sie, als sie erkannte, daß er zum Dorf hinausfuhr.

Wolfgang schmunzelte.

»Laß dich überraschen«, sagte er nur und dachte dabei an die Ringe in seiner Jackentasche.

Gestern abend hatte Nicole sie gar nicht richtig sehen können. Doch jetzt, bei Tageslicht, würde ihr Anblick sie bestimmt verzaubern.

»Ich hoff’, du willst net wirklich einen Spaziergang machen«, meinte sie. »Das Wetter ist net gerad’ passend.«

»Das ändert sich«, behauptete er. »Die Frau Stubler, das ist die Pensionswirtin, bei der ich übernachtet hab’, meint, daß es bis zum Mittag besser wird.

Du, das ist überhaupt eine nette kleine Pension. Ich hab’ mir schon gedacht, daß wir irgendwann noch mal herfahren und dann ein Zimmer dort nehmen.«

Nicole sagte nichts darauf. Sie biß sich auf die Lippen. Er war also immer noch davon überzeugt, daß es eine Beziehung zwischen ihnen gab.

»Was sagst’ denn zu meinem Vorschlag?« wollte er wissen, als sie schwieg.

Die Studentin schüttelte den Kopf.

»Ich fürcht’, du hast mich gestern abend net richtig verstanden«, antwortete sie. »Ich hab’ mich jetzt net mit dir getroffen, weil zwischen uns wieder alles in Ordnung wär’, Wolfgang.

Nein, ich hab’ nur zugestimmt, weil ich glaub’, dir dies schuldig zu sein, nach all dem, was war. Wir hatten ja auch eine schöne Zeit, das kann niemand bestreiten. Und es täte mir leid, wenn wir im Zorn auseinandergingen. Das ist’s bestimmt net, was ich will. Es würd’ mich sehr freuen, wenn wir Freunde bleiben könnten. Echte Freunde, die für einen da sind, wenn der andere sie braucht.«

Der Lehrer spürte, wie jedes ihrer Worte ihm einen Stich versetzte. Da war sie wieder, die ganz klare Absage.

Er biß sich auf die Lippen.

»Darüber reden wir, wenn wir angekommen sind«, sagte er und deutete durch die Scheibe zum Himmel. »Schau’, es wird schon wieder heller.«

Sie hatten den Parkplatz am Fuße des Koglers erreicht. An anderen Sonntagen, wenn besseres Wetter herrschte, standen die Autos hier dicht an dicht. Der Berg, auf dessen anderer Seite schon Österreich lag, war ein beliebtes Ausflugsziel, vor allem für Familien. Es gab herrliche Wanderwege, die auch für Leute geeignet waren, die nicht so gut zu Fuß waren. Auf der Ostseite hingegen gab es Steilwände und schroffe Felsen, die für jeden Bergsteiger eine Herausforderung darstellten.

Wolfgang schaltete den Motor aus. Nicole öffnete die Beifahrertür und schaute prüfend zum Himmel. Tatsächlich hatten sich die Regenwolken verzogen, und die Sonne zeigte sich.

»Komm, wir gehn dort hinauf«, zeigte Wolfgang Arnhäuser auf einen Weg, an dem ein Schild auf die Kachlachklamm hinwies. Sechs Kilometer waren es bis dorthin.

Sie begannen den Aufstieg, wobei Nicole sich fragte, warum Wolfgang keine festen Schuhe angezogen hatte, wenn er auf einen Berg wollte. In seinen leichten Slippern lief er Gefahr, leicht auszurutschen. Sie trug wenigstens Halbschuhe mit Schnürsenkeln, die eine Kreppsohle besaßen.

Offenbar hatte Wolfgang gar keine anderen Schuhe dabei. Wieder ein Indiz dafür, daß er Hals über Kopf nach St. Johann gekommen war, ohne sich richtig darauf vorzubereiten.

Indes schien ihn dieser Umstand nicht zu kümmern. Der Lehrer atmete tief ein und stieß die Luft hörbar wieder aus.

»Ach, ist das net herrlich hier?« schwärmte er.

Sie hatten eine kleine Anhöhe erreicht, von der aus man ins Tal sehen konnte.

Nicole mußte zugeben, daß es wirklich ein schöner Anblick war, auch wenn sie mit ihren Gedanken bei Florian weilte und sich daran erinnerte, wie sie bei ihrer Bergtour das Tal, von den Höhen der Kandereralm aus, gesehen hatten.

Wolfgang drängte zum Weitergehen.

Was genau er anstellen sollte, wußte er noch nicht. Er wartete einfach auf die Gelegenheit, die Ringe hervorzuziehen und seinen Antrag zu wiederholen. So gingen sie schweigend weiter.

Nach einiger Zeit vernahmen sie das Rauschen von Wasser.

»Das muß die Klamm sein, in die der Gebirgsfluß stürzt«, rief Wolfgang und zog Nicole mit sich, die nur widerstrebend folgte.

»Warte«, rief sie. »Wolfgang, laß uns hierbleiben. Du hast ja net einmal richtiges Schuhwerk an!«

»Ach was«, meinte er unbekümmert. »Der Wanderweg ist doch kinderleicht. Komm!«

Da er ihre Hand nicht losließ, blieb ihr nichts anderes übrig, als mitzulaufen. Das Getöse des Wassers wurde immer lauter und dröhnte schon bald in ihren Ohren. Man konnte sein eigenes Wort nicht mehr verstehen, als sie die Brücke erreichten, die über die Klamm führte.

Sie mußten schreien, wenn sie sich verständigen wollten. Trotz der schmalen Überdachung spritzte das Wasser hoch auf, und Wolfgang, der ein teures Sakko trug, war sofort durchnäßt.

»Macht nix«, grinste er. »Das trocknet wieder.«

»Sag’ mal, du willst doch net wirklich da hinüber?« fragte Nicole, als er Anstalten machte, die Brücke zu überqueren.

»Warum net?« rief er zurück. »Auf der anderen Seite ist’s bestimmt schön. Schau’, da drüben scheint die Sonne.«

Mit ein paar Schritten war er hinübergelaufen und winkte ihr zu.

»Na los, trau’ dich. Es ist doch nur Wasser.«

Nicole zog die Augenbrauen hoch und lief ihm nach. Auf der anderen Seite nahm er sie in Empfang. Stürmisch riß er sie in seine Arme und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen.

»Nicole, ich liebe dich«, sagte er und suchte ihren Mund.

Die Studentin preßte ihre Lippen zusammen.

So hatte er sich das also vorgestellt. Sie aus dem Dorf herauslocken, an einen einsamen Ort und dann über sie herfallen.

Sein Drängen wurde immer heftiger, und seine Hände fuhren fordernd über ihren Körper.

»Komm«, rief er. »Wehr’ dich net. Wir gehören doch zusammen, du und ich. Nicole, ich geb’ dich net her. Nie und nimmer!«

Er hielt sie so fest umklammert, daß es ihr nur mit Mühe gelang, sich gegen ihn zu wehren. Als sie endlich eine Hand frei hatte, hob sie sie und ließ sie in Wolfgangs Gesicht klatschen.

Er zuckte zurück und ließ sie unwillkürlich los. Dann sah er sie mit einer Mischung aus Wut und Verlegenheit an und fuhr sich mit der Hand über die brennende Wange.

Nicole biß sich auf die Lippen.

»Entschuldige«, sagte sie, als sie den rotgefärbten Abdruck ihrer Hand in seinem Gesicht sah. »Aber ich wußt’ mir net anders zu helfen.«

»Schon gut«, erwiderte er und sah sie nachdenklich an.

Dann griff er in seine Jackentasche und grinste dabei.

*

Die Zeit zwischen Kirchgang und Mittagessen überbrückte Florian Mooser mit Spaziergängen durch St. Johann und Kaffeetrinken, im Garten des Hotels. Zum Glück hatte sich das Wetter etwas gebessert, wenngleich für den Nachmittag wieder Regenfälle angekündigt waren.

In einem Andenkengeschäft hatte der Student ein paar Ansichtskarten für seine Sammlung gekauft. Das tat er immer, wenn er irgendwo war, um später eine Erinnerung an den Ort zu haben. Allerdings war er sicher, daß St. Johann ihm bestimmt nicht mehr aus dem Sinn gehen würde, schließlich hatte er hier die Liebe seines Lebens kennengelernt.

Mit einer Zeitung, die er ebenfalls gekauft hatte, saß er nun im Kaffeegarten und blätterte darin. Doch so ganz konnte er sich auf das Geschriebene nicht konzentrieren, immer wieder schweiften seine Gedanken zu Nicole ab, und dem, was sie jetzt wohl gerade machte.

War es vielleicht doch ein Fehler gewesen, sie gehen zu lassen?

Florian merkte, wie ihm Zweifel kamen. Wer konnte schon sagen, was der Kerl mit ihr anstellte, wenn er merkte, daß es ihr wirklich ernst war?

Ach was, versuchte er sich zu beruhigen, Nicole wird schon wissen, wie sie ihn zu nehmen hat. Schließlich ist dieser Wolfgang Arnhäuser ja kein Unbekannter für sie.

Florian blätterte weiter in der Zeitung und las den Sportteil. Für Fußball interessierte er sich nur mäßig, aber der Bericht über die Leichtatletikmeisterschaft war da etwas ganz anderes. Er selbst trainierte mit der Universitätsmannschaft und hielt einen Rekord im Hürdenlaufen. Da er Sportpädagogik studierte, war es nur logisch, daß er auch in seiner Freizeit sportlich aktiv war.

Nach und nach gesellten sich andere Teilnehmer der Reisegruppe zu ihm. Sie sprachen über das gelungene Wochenende, Adressen und Telefonnummern wurden ausgetauscht, und Versprechen gegeben, sich bei diesem oder jenen zu melden und den Kontakt nicht einfach so abbrechen zu lassen. Vielleicht würde man sich sogar wieder zu so einer Fahrt verabreden.

Die Unterhaltung lenkte Florian ein wenig von den Gedanken an Nicole ab. Dennoch schaute er hin und wieder auf die Uhr.

Seit gut zwei Stunden war sie jetzt fort. Eigentlich konnte es nicht mehr lange dauern, bis sie zurückkam. Wahrscheinlich würde sie ihn hier suchen, wenn sie ihn im Hotel nicht antraf.

Der Student war dann doch erstaunt, als die Gruppe zum Mittag­essen gerufen wurde. Er ging zur Straße und schaute suchend auf und ab. Von Nicole war noch nichts zu sehen, und Florian wurde merklich unruhiger.

Eigentlich konnte eine Aussprache, die so klar definiert war, nicht so lange dauern, überlegte er.

Der Kerl wird sie doch nicht etwa entführt haben?

Er schüttelte den Kopf und betrat das Hotel.

Im Clubraum waren die Tische gedeckt. Das Mittagessen, das ihnen serviert wurde, war extra leicht gehalten, um den Gästen die Busfahrt nicht unnötig schwerzumachen.

Es gab eine klare Brühe, danach Hühnerfrikassee und Reis, und zum Abschluß einen Eisbecher. Wie an den anderen Tagen war es reichhaltig und schmackhaft, doch Florian aß nur mit wenig Appetit. Je länger er auf Nicoles Rückkehr warten mußte, um so schwerer wurde der Stein, der plötzlich in seinem Magen zu liegen schien. Gleich, nachdem er seinen Teller beiseite geschoben hatte, stand er auf und verließ das Clubzimmer. Auf den Nachtisch verzichtete er. Er wollte zum Pfarrhaus hinüber. Er mußte mit jemandem über seine Ängste sprechen, und Hochwürden schien ihm der geeignetste Partner dafür. Immerhin hatte er ihm auch angeboten, jederzeit zu ihm zu kommen, wenn Florian einen Rat bräuchte.

Als er die Straße betrat, hielt ein dunkler Wagen vor dem Hotel. Sein Herz tat einen Hüpfer, doch dann sah er, daß es nicht Nicole war, die auf dem Beifahrersitz saß, sondern eine ältere Frau. Es handelte sich nur um den gleichen Autotyp, wie ihn auch Wolfgang Arnhäuser fuhr.

Florian lief den Weg zum Pfarrhaus hinauf und klingelte. Gleich darauf wurde die Tür geöffnet, und eine Frau, vemutlich die Haushälterin, sah ihn fragend an.

»Grüß Gott, mein Name ist Florian Mooser«, stellte er sich vor. »Ist der Herr Pfarrer zu sprechen?«

Sophie Tappert nickte.

»Hochwürden ist in seinem Arbeitszimmer«, antwortete sie. »Hier entlang.«

Sie klopfte an die Tür und öffnete, nachdem Sebastian Trenker geantwortet hatte.

»Besuch, Hochwürden.«

Der Seelsorger erhob sich höflich.

»Kommen S’ herein, Florian«, sagte er, als er den Sudenten sah. »Ist was passiert?«

Er deutete auf einen bequemen Sessel und setzte sich Florian gegenüber.

»Ich weiß net«, antwortete dieser. »Es ist nur so eine komische Ahnung. Nicole ist jetzt über drei Stunden fort. Eigentlich hab’ ich sie viel früher zurückerwartet…«

»Wissen S’ denn, wohin die beiden sind?« fragte der Bergpfarrer.

Der Student schüttelte den Kopf.

»Das ist es ja«, erwiderte er. »Wenn ich’s wüßt’, wär’ ich den beiden längst hinterhergefahren.«

Sebastian schaute auf die Uhr, es war inzwischen bereits kurz nach eins.

Hoffentlich war dieser Wolfgang Arnhäuser nicht auf die Idee gekommen, auf einen Berg zu steigen, überlegte er. Das konnte fatale Folgen haben. Zwar schien im Moment die Sonne, aber drüben, über dem Zwillingsgipfel ›Himmelsspitz‹ und ›Wintermaid‹, braute sich schon wieder ein Wetter zusammen.

»Haben S’ noch ein bissel Geduld«, versuchte er Florian die Angst zu nehmen und ihn zu beruhigen. »Vielleicht gibt’s ja eine Erklärung dafür, daß es so lang’ dauert. Wenn ich recht unterrichtet bin, fährt der Bus gegen drei Uhr nach Regensburg zurück. Es besteht also noch kein Grund zur Besorgnis.«

Der junge Mann seufzte tief auf.

»Ich wollt’ auch keine Panik machen«, sagte er. »Es ist nur, weil ich dachte, ich müßt’ mit jemanden sprechen, der mich versteht. Meine Mitreisenden scheinen mir dazu net so geeignet.«

Er lächelte verlegen.

»Es war gut und richtig, daß Sie hergekommen sind«, bestärkte Sebastian den Studenten in seiner Entscheidung.

»Wissen S’ was? Meine Frau Tappert kocht uns jetzt einen schönen Kaffee, und dann erzählen S’ mir ein bissel was von sich. Wenn ich mich recht erinner’, dann sagten S’ gestern, daß Sie Sportlehrer werden wollen.«

Natürlich wollte er damit Florian von seinen Grübeleien ablenken. doch im Innern war Sebastian selbst voller Zweifel, ob da nicht doch etwas faul war. Er hatte in seinem Leben schon vieles gesehen und war immer wieder erstaunt gewesen, auf welche, manchmal absurde Ideen jemand kommen konnte, wenn er sah, daß seine Felle wegschwammen.

Er lauschte den Worten seines Besuchers und überlegte dabei, wie man herausfinden konnte, wo Nicole Dressler und Wolfgang Arnhäuser hingefahren waren.

Während der Unterhaltung krachte es plötzlich draußen, und ein heftiger Regenguß setzte ein. Florian unterbrach seine Erzählung und schaute den Geistlichen erschrocken an.

Der erwiderte den Blick und schüttelte beruhigend den Kopf. Aber ruhig war Sebastian Trenker in diesem Augenblick ganz und gar nicht…

*

»Bitte, Wolfgang, ich möcht’ zurück«, sagte Nicole, mit fester Stimme.

Als sie auf die Uhr gesehen hatte, stellte sie mit Schrecken fest, daß sie schon über drei Stunden unterwegs waren.

Das Frühstück, das sie zu sich genommen hatte, war nicht so üppig gewesen. Durch Florians zunächst abweisendes Verhalten, hatte sie keinen großen Appetit gehabt. Jetzt merkte sie, wie ihr der Magen knurrte. Wolfgang hatte nicht daran gedacht, etwas zu essen mitzunehmen, als er auf die Idee gekommen war, eine Bergtour zu unternehmen. Sie konnte über soviel Leichtsinn nur den Kopf schütteln. Allerdings sah sie ein, daß sie selbst einen großen Fehler gemacht hatte, indem sie mit ihm gegangen war.

Nachdem sie die Brücke über die Klamm überquert hatten, und Wolfgang beinahe über sie hergefallen war, wurde ihr bewußt, daß sie sich nie auf diese Verabredung hätte einlassen dürfen.

Die Watschen, die sie ihm daraufhin gegeben hatte, schien ihn jedoch wieder zur Besinnung gebracht zu haben.

»Es tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Ich hab’ mich wohl für einen Moment vergessen. Laß uns wenigstens noch ein kleines Stück gehen. Dort drüben ist eine Wiese. Wir können ein bissel ausruhen, ehe wir uns auf den Rückweg machen.«

Das war vor einer guten Stunde gewesen.

Mehr oder weniger verärgert war sie ihm gefolgt. Wolfgang hatte die nasse Jacke ausgezogen und zum Trocknen über einen Baumstumpf gelegt. Jetzt hockte er im Gras.

»Nicole, ich hab’ mir in den letzten Tagen viele Gedanken um uns gemacht«, sagte er und schaute ihr dabei in die Augen. »Ich weiß, ich hab’ dich net immer so behandelt, wie ein Mann die Frau, die er liebt, behandeln sollte. Das tut mir leid. Ich bereu’ meine Fehler aufrichtig, und bitte dich hier und jetzt noch einmal um Verzeihung.«

Als sie nichts darauf sagte, griff er zu seiner Jacke und holte das Käst­chen mit den Ringen heraus. Er öffnete es.

»Diese Ringe hab’ ich im vollen Bewußtsein gekauft, daß ich dich liebe und zu meiner Frau machen will«, fuhr er fort. »Wir beide gehören zusammen, Nicole. Das mit dem anderen, das kann doch net ernst sein. Wie lang’ kennen wir uns schon? Wie lang’ hat’s gebraucht, bis zu unserem ersten Kuß?

Du willst mir doch net ernsthaft weismachen, daß du ihn mehr liebst, als mich. Du bist alles, was ich will, und mit dir möcht’ ich mein Leben teilen.«

Die Studentin war, im Gegensatz zu ihm, stehengeblieben und schaute auf ihn hinab. In ihrem Gesicht war nicht zu lesen, was sie dachte, nur in ihren Augen stand ein unendliches Bedauern.

»Warum, Wolfgang?« fragte sie mit leiser Stimme, »warum so spät? Was glaubst du wohl, wie oft ich mich danach gesehnt hab’, wieder solche Worte von dir zu hören!

Und dann die Ringe. Tausendmal hab’ ich mir vorgestellt, wie es sein würde, wenn du mir einen Antrag machst, und tausendmal hätte ich ja gesagt.

Doch es ist zu spät. Viel zu spät. Durch dein Verhalten hast du alles kaputtgemacht. Meine Liebe zu dir ist gestorben und sie kann net zu neuem Leben erwachen.

Doch, Wolfgang, es ist so, daß ich Florian von Herzen liebe. Auch wenn ich ihn erst ein paar Tage kenn’, so weiß ich doch, daß wir zusammengehören. Wir waren zwei einsame Herzen, die sich gefunden haben, und nichts und niemand kann uns wieder trennen.«

Wortlos hatte er zugehört und dabei die Zähne fest aufeinander gebissen. Kein Muskel regte sich in seinem Gesicht, seine Miene schien erstarrt. Endlich richtete er sich auf.

»Und wenn ich dich auf Knien bitte«, flehte er und reichte ihr die Ringe. »Du hast sie doch noch gar net gesehen. Schau’ sie dir wenigstens mal an.«

Sie warf einen kurzen Blick darauf.

»Was sollte das ändern«, fragte sie. »Ja, sie sind hübsch, und unter anderen Umständen hätte ich mich riesig darüber gefreut. Doch ich sagte es schon, diese Geste kommt zu spät. Viel zu spät.«

Schweigen herrschte zwischen ihnen. Nicole sah immer wieder auf die Uhr und drängte zum Aufbruch. Seit graumer Zeit gewitterte es über dem Dorf, und es war nur eine Frage der Zeit, wann der Regen den Kogler erreichte.

Außerdem hatte sie Hunger und Durst, und schon gar nicht wollte sie Florian länger warten lassen.

»Bitte, Wolfgang, ich möcht’ zurück.«

Der hatte stumm am Boden gehockt und nach einem Ausweg gesucht. Er wußte, wenn er Nicole jetzt gehen ließ, hatte er sie für immer verloren.

Aber was konnte er tun? Wie verhindern, daß sie und dieser Florian zusammentrafen?

Er sah ebenfalls auf die Uhr. Kurz vor halb drei. Sie mußten wirklich aufbrechen, wenn Nicole den Bus noch rechtzeitig erreichen sollte.

Aber gerade das wollte er verhindern. Wenn es ihm gelang, sie so lange zurückzuhalten, bis der Bus abgefahren war, dann mußte sie gezwungenermaßen mit ihm nach Regensburg zurückfahren.

Nachdenklich schaute er sich um. Sein Blick fiel auf eine Felswand. Offenbar war sie ein beliebtes Objekt, für Kletterer. Wolfgang erkannte ein paar Eisen, die hineingeschlagen waren. Und plötzlich hatte er eine Idee.

Er sprang auf und lief zur Wand. Nicole schaute ihm verwundert hinterher. Als sie erkannte, was er vorhatte, lief sie ihm nach.

»Mensch, bleib’ steh’n«, rief sie, als er schon begann, in die Wand zu steigen. »Das ist doch Wahnsinn, so völlig ohne Ausrüstung!«

Im selben Augenblick krachte es über ihnen, und der Regen ging in Sturzbächen hernieder.

Wolfgang ließ allerdings nicht von seinem Vorhaben ab. Schneller, als sie es ihm zugetraut hatte, war er ein paar Meter in die Höhe geklettert.

Triumphierend schaute er auf sie herab. Sein Plan war aufgegangen. Nicole dachte gar nicht daran, ins Dorf zurückzufahren. Vielmehr wollte sie ihn aus dieser gefährlichen Wand herausholen und vergaß darüber die Zeit.

Er kletterte immer höher, ohne auf den Regen zu achten, der den Fels naß und glitschig machte. Die Finger tasteten nach Kanten und zogen sich dabei blutige Scharten zu, wenn sie abglitten. An ­manchen Stellen war die Wand scharf wie ein geschliffenes Messer.

Dann sah er einen breiteren Spalt und schaute sich zu Nicole um, die einige Meter unter ihm stand. Er winkte und verschwand in der Felsöffnung.

Von unten mußte es aussehen, als sei er abgestürzt…

*

Florian Mooser lief unruhig in der Hotelhalle auf und ab. Der Bus war vor zwanzig Minuten gekommen, und das Personal war dabei, das Gepäck der Fahrgäste zu verstauen. In wenigen Minuten war Abfahrt, und Nicole war immer noch nicht zurück.

Eine dunkle Ahnung stieg in dem Studenten auf. Es mußte etwas passiert sein, eine andere Erklärung gab es nicht!

Florian lief im strömenden Regen hinaus auf die Straße, in die Richtung, in die der Wagen heute morgen verschwunden war. Nach einigen Minuten erreichte er den Ortsausgang. Die Straße führte von hier aus zur österreichischen Grenze, wie ein Schild verkündete.

Nichts in Sicht.

Kein Auto, keine Fußgänger, nicht eine Menschenseele war unterwegs!

Florian spürte, wie eine eiserne Faust sein Herz zusammenpreßte, und die Angst um die geliebte Frau stieg ins Unermeßliche.

Ich hätt’ sie net gehen lassen dürfen!

Diesen Vorwurf machte er sich zum hundertsten Mal und wußte doch gleichzeitig, daß er Nicole nicht davon hätte abhalten können. Sie wollte einen Schlußstrich unter diese Episode ihres Lebens ziehen, und dazu gehörte die Aussprache.

Er schaute auf die Uhr. Kurz vor drei. Das Gepäck war verladen, die meisten Fahrgäste schon eingestiegen, als er zum Bus zurückkam. Der Fahrer begann damit, nachzuzählen, wer noch alles fehlte.

Drei Leute waren noch in der Gaststube, um einen letzten Schluck zu trinken.

»Sie sind der Herr Mooser«, wandte sich der Fahrer an Florian. »Jetzt fehlt mir noch das Fräulein Dressler. Haben S’ eine Ahnung, wo die stecken könnt’? Im Hotel, sagte man mir, ist niemand mehr.«

Der Student rang verzweifelt die Hände.

»Ich hab’ keine Ahnung«, antwortete er. »Ich wart’ selbst auf sie. Eigentlich sollte sie schon längst wieder hiersein.«

Er schaute den Fahrer angstvoll an.

»Hoffentlich ist ihr nix geschehn…«, sagte er düster.

Der Busfahrer schaute auf die Uhr. Gerade kamen die letzten Fahrgäste aus der Gaststube.

»Zehn Minuten haben wir noch«, meinte der Fahrer und flüchtete unter das Vordach des Hoteleinganges, weil gerade wieder ein starker Schauer einsetzte. »Na gut, eine Viertelstunde. Aber länger kann ich net warten. Bis Regensburg ist’s schon ein Stück, und dann noch bei diesem Wetter!«

Forian atmete erleichtert auf, als er Pfarrer Trenker sah, der von der Kirche herüberkam. Er lief ihm entgegen.

»Hochwürden, sie sind immer noch net zurück«, rief er. »Ich mach’ mir solche Sorgen!«

Sebastian schob ihn in den Ho­tel­eingang zurück.

»Ich wollt’ schon eher herkommen, um euch zu verabschieden«, sagte er. »Aber ich wurd’ durch einen Anruf aufgehalten.«

Er begrüßte den Busfahrer.

»Eine junge Frau fehlt Ihnen noch«, meinte er. »Und Sie müssen langsam los.«

»Ja, eine Viertelstunde kann ich noch warten, aber dann wird’s eng.«

»Nicole hat sich auch net sonst gemeldet?« wandte Sebastian sich an den Studenten. »Kein Anruf?«

Florian schüttelte den Kopf.

»Soviel ich weiß, hat sie net einmal ein Handy dabei.«

»Das würde ihr möglicherweise auch net viel nutzen«, sagte der Bergpfarrer nachdenklich. »Net überall in den Bergen hat man einen guten Empfang.

Aber lassen S’ uns mal überlegen. In welche Richtung sind sie denn gefahren?«

Florian deutete zum Ortsausgang.

»Hm, das bedeutet doch wohl net, daß die beiden nach Österreich hinüber sind?« dachte Sebastian laut vor sich hin. »Auf der andren Seite…«

Er schaute zum Himmel.

»Wenn die zwei auf dem Kogler sind, dann besteht allerdings Grund zur Sorge«, wandte er sich an den Studenten. »Das Gewitter geht jetzt genau über dem Berg nieder.«

»Dann müssen wir uns sofort auf die Suche machen«, rief Florian.

»Das ist net so einfach«, schüttelte der Geistliche den Kopf. »Haben S’ eine Ahnung, was es kostet, die Bergwacht zu alarmieren? Wir müssen erst einmal genau wissen, ob sie sich überhaupt dort aufhalten, ehe wir Alarm schlagen.

Der Wolfgang Arnhäuser hat doch im Ort übernachtet, wissen Sie genau, wo?«

»Nicole erzählte etwas von einer Pension, hier in der Nähe.«

»Aha, dann kann ich mir schon denken, wo«, nickte Sebastian. »Warten S’ hier auf mich. Ich bin gleich zurück. Am besten lassen S’ Ihr Gepäck und das von der Nicole wieder ausladen.«

Während der gute Hirte von St. Johann davonlief, tat Florian, wie ihm geheißen. Nicoles Reisetasche kannte er. Er hatte sie eigenhändig aus ihrem Zimmer geholt und hinuntergetragen.

Der Busfahrer sah ihn skeptisch an, als Florian verlangte, daß ihm die Tasche ausgehändigt werde.

»Sie haben doch gehört, was der Mann eben gesagt hat«, rief der Student unwirsch. »Das war Pfarrer Trenker. Glauben S’ vielleicht, er wollt’ sich die Sachen unter den Nagel reißen?«

»Nein, natürlich net«, schüttelte der Fahrer den Kopf und öffnete die Klappe des Gepäckfaches. »Ich muß Sie allerdings darauf hinweisen, daß Sie jetzt für Ihre Rückfahrt selbst sorgen müssen und auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten haben.«

Florian Mooser nickte nur und nahm die Sachen entgegen. Das war ihm ganz egal, wenn nur Nicole wohlbehalten wieder auftauchte!

Er hatte die zwei Reisetaschen in der Hotelhalle abgestellt und war wieder hinausgegangen. Der Motor des Reisebusses lief schon, und eben kam Hochwürden um die Ecke. Der Geistliche machte ein besorgtes Gesicht.

Ein sehr besorgtes!

*

Nicole strich sich das nasse Haar aus der Stirn. Der Regen hatte sie in Sekunden durchnäßt, dazu blitzte und donnerte es, daß einem angst und bange werden konnte.

Durch den Regenschleier sah sie zur Wand hinauf. Wolfgang kletterte gut zehn Meter über ihr und hörte nicht auf ihre flehenden Rufe.

Im Gegenteil, er schaute zu ihr hinunter und winkte übermütig.

Er mußte den Verstand verloren haben! Eine andere Erklärung hatte sie für sein Verhalten nicht.

Plötzlich durchzuckte sie ein eisiger Schreck. Wolfgang hatte an den Felsen gegriffen, mit dem Fuß nach Halt suchend, doch der rechte Schuh glitt an der Wand ab. Für Sekunden baumelte das Bein in der Luft, und dann verschwand der Lehrer vor ihren Augen.

Erst jetzt bemerkte Nicole die Felsspalte.

Er ist abgestürzt! durchfuhr es sie, und ihr Herz machte einen Aussetzer.

»Wolfgang!« rief sie verzweifelt. »Wolfgang!«

Keine Anwort.

Fieberhaft überlegte die Studentin, was sie machen sollte. Zurücklaufen und Hilfe holen? Das würde zu lange dauern. Vielleicht hatte er sich bei dem Absturz verletzt, da konnte jede Minute lebenswichtig sein.

Wieder schalt sie sich, ob ihrer Dummheit, sich auf so ein Wagnis eingelassen zu haben. Weder richtige Kleidung hatten sie an, noch Verpflegung dabei, von einer Notfall­apotheke ganz zu schweigen!

Und ein Mobiltelefon besaß sie nicht. Wolfgang hatte eines, doch das lag in seinem Wagen. Bis sie den erreicht hatte, würde kostbare Zeit vergehen.

Zeit, die ihm vielleicht das Leben kosten konnte.

Nicole sah keinen anderen Ausweg, als ihm in die Wand zu folgen…

Gott sei Dank, hatte sie wenigstens feste Schuhe an.

Daß sie inzwischen völlig durchnäßt war, nahm sie nur am Rande wahr. Sie war von dem Gedanken erfüllt, daß Wolfgang, der vor ihren Augen abgestürzt war, dringend Hilfe benötigte.

*

Sie hatte keinerlei Übung im Klettern und konnte sich nur einigermaßen halten, als sie begann, in die Wand zu steigen. Noch immer fegte das Gewitter mit Regen, Blitz und Donner über den Kogler hinweg, und kalter Wind ließ die Studentin zusätzlich frösteln.

Zwischendurch rief sie immer wieder seinen Namen, doch Wolfgang Arnhäuser antwortete nicht. Ihre Finger bluteten, ihr Atem ging stoßweise. Suchend glitten die Hände über den Stein, suchten nach Vorsprüngen und Ritzen, in denen sie sich festklammern konnten, während sie vorsichtig einen Fuß setzte und den anderen nachzog

Sie hatte ungefähr die Hälfte geschafft. Noch fünf Meter, dann war sie an dem Felsspalt angekommen. Natürlich war ihr bewußt, wie leichtsinnig sie jetzt handelte. Außer den Felsvorsprüngen waren die eingeschlagenen Eisen der einzige Halt, den sie hatte. Geübte Bergsteiger und Kletterer hatten sie eingeschlagen. Doch die waren weitaus besser ausgerüstet gewesen als die Studentin.

Nicole mußte eine Pause machen. Schwer atmend hing sie in der Wand und japste nach Luft.

»Wolfgang!« rief sie wieder, als sie sich etwas erholt hatte. »Was ist los? Kannst du mich hören? Bist du verletzt?«

Keine Antwort.

In ihrer Vorstellung bedrängten sie die wildesten Befürchtungen. Sie sah ihn verletzt in dem Felsspalt liegen, verzweifelt auf Hilfe wartend.

Nicole spürte, wie sie die Kräfte verließen. Die ungewohnte Anstrengung des Kletterns, verbunden mit der Angst, selbst abzustürzen, die Sorge um Wolfgang, das alles zerrte an ihr. Wie erstarrt hing sie in der Wand und kam keinen Zentimeter weiter.

Ich muß zurück, dachte sie verzweifelt. Es geht net! Sie schloß die Augen und versuchte, ruhiger zu atmen.

»Ganz ruhig«, sagte sie zu sich selbst und wagte einen Blick in die Tiefe.

Von hier oben schien es, als schaue sie aus dem letzten Stockwerk eines fünfgeschossigen Hauses. Fünf Meter, vielleicht sechs – man konnte gar nicht glauben, was das für eine Höhe war!

Nicole versuchte, wieder hinunterzuklettern. Ihre Hände zitterten, und sie fror erbärmlich. Vorsichtig setzte sie einen Fuß, doch das Eisen, an dem sie eben noch hinaufgeklettert war, schien plötzlich verschwunden zu sein. Entsetzt stellte sie fest, daß sie falsch abgestiegen war. Hier gab es keinen Halt mehr, nur die glatte Felswand. Ohne zu wissen, wie es geschehen konnte, hing die Studentin nur noch mit den Händen an einem Vorsprung, klammerte sich verzweifelt daran fest, während ihre Beine in der Luft baumelten.

Die Sekunden zerrannen zäh. Immer wieder versuchte sie, das Eisen zu finden, auf das sie sich stellen konnte. Doch dann verließen sie die Kräfte. Ihre Finger konnten das eigene Gewicht nicht mehr halten, und mit einem lauten Schrei rutschte Nicole an der glatten Wand in die Tiefe. Ihr Kopf schlug gegen den Stein, die Hose und Jacke rissen auf, das hübsche Gesicht war von Schürfwunden bedeckt, als sie unten aufschlug.

*

»Grüß dich, Ria«, sagte Sebastian. »Ich hab’ eine Frage. Hattest du einen Gast in der letzten Nacht?«

»Ja«, nickte die Pensionswirtin. »Den Herrn Arnhäuser.«

»Um genau den geht’s. Weißt du zufällig, wo der hinwollte? Es ist wichtig.«

Schnell erklärte er ihr, worum es ging.

»Vielleicht ist er zum Kogler hinauf«, vermutete Ria Stubler. »Er hat mich nach einem romantischen Plätzchen gefragt.«

Erschrocken legte sie die Hand auf den Mund.

»Um Himmels willen, und das bei dem Wetter!«

»Danke, das hilft uns weiter«, rief der Geistliche und lief schon wieder zum Hotel zurück.

Florian Mooser wartete schon. Der Reisebus fuhr gerade an.

»Wir müssen ein paar Leute alarmieren«, sagte Sebastian und ging ins Hotel.

Minuten später kam er wieder heraus.

»Zum Kogler. Kommen S’, Florian. Wir treffen die anderen dort.«

Er warf einen Blick auf die Kleidung des Studenten und nickte zufrieden. Florian trug feste Schuhe, und Jacke und Hosen waren einigermaßen wetterfest. Sebastian selbst hatte sich eine Regenjacke angezogen, als er zum Bus gegangen war.

Max Trenker hielt mit seinem Streifenwagen, und die beiden Männer stiegen ein.

»Der Doktor ist schon unterwegs«, berichtete der Polizeibeamte.

»Drei Leute von der Bergwacht kommen auch«, sagte der Geistliche. »Das sollte reichen.«

Sie erreichten den Parkplatz.

»Das ist sein Wagen«, rief Florian und deutete auf den Wagen Wolfgang Arnhäusers, der neben dem des Arztes stand. Hinter ihnen hielt ein Fahrzeug der Bergwacht. Drei Männer sprangen heraus.

Sebastian berichtete in aller Eile, worum es ging.

»Ich denk’, wir versuchen’s an der Klamm«, sagte er. »Die beiden sind net ausgerüstet. Sie werden also kaum die Tour zum Wendelstein gemacht haben.«

Die Männer folgten ihm. Toni Wiesinger trug einen Rucksack, in dem steckte, was er sonst in seiner Arzttasche mit sich führte. Jetzt wäre sie jedoch unpraktisch und hinderlich gewesen. Die Retter der Bergwacht hatten eine Trage dabei, außerdem Thermoskanne mit heißem Tee und warme Decken.

Florian eilte mit Sebastian Trenker voran. Sein Herz klopfte wie wild, aus Angst um das geliebte Madel, und seine Wut auf den Kerl, der Nicole hierher geschleppt hatte, stieg ins Unermeßliche.

Das Getöse an der Klamm verstärkte seine Angst nur noch mehr, als er sich vorstellte, Nicole könne vielleicht in diesen Abgrund gestürzt sein. Doch Sebastian beruhigte ihn.

»Die Frau Stubler sprach von romantischen Plätzen, nach denen der Herr Arnhäuser gefragt hat«, sagte er. »Hinter der Brücke gibt’s ein paar davon.«

Sie überquerten die Schlucht und schauten sich suchend um. Die ›Kleine Wand‹ lag in ein paar hundert Metern Entfernung. Davor war eine Wiese, auf der der Bergpfarrer schon oft eine Rast eingelegt hatte, wenn er diese Tour ging. Inzwischen hatte der Regen nachgelassen, das Gewitter verzog sich in Richtung Österreich.

Die Männer riefen die Namen der Vermißten, während sie weitergingen. Sie hatten sich geteilt und suchten rechts und links des Weges, in Felsspalten und Nischen nach Nicole Dressler und Wolfgang Arnhäuser.

»Ich hör’ was!« rief Florian aufgeregt und blieb stehen.

Pfarrer Trenker hob die Hand.

»Ruhe!« befahl er und hob lauschend den Kopf.

»Hilfe! Hilfe!« hörten sie eine Männerstimme.

»Es kommt von dort«, sagte Sebastian und deutete auf den Felsen, der den Namen ›Kleine Wand‹ trug.

Sie liefen hinüber. Nach ein paar Metern sahen sie eine Gestalt. Ein Mann der sich über jemand beugte, der am Boden lag.

Wolfgang Arnhäuser richtete sich erleichert auf. Stumm hatte er in der Felsspalte gehockt und darauf gewartet, daß Nicole ihm folgte. Auf ihre Rufe reagierte er nicht. Still vor sich hingrinsend, saß er da und malte sich aus, mit welcher Erleichterung sie ihn aus seiner mißlichen Lage ›befreien‹ würde. Als er dann ihren entsetzten Schrei hörte, mit dem sie abstürzte, erfüllte ihn Panik. Das war kein gespielter Schrei, sondern echte Angst gewesen.

Er war selbst wieder herausgeklettert und sah sie reglos am Fuße der Wand liegen. Später konnte er nicht mehr sagen, wie er es geschafft hatte, hinunter zu gelangen. Er beugte sich über die leblose Frau und rief um Hilfe.

Dr. Wiesinger war, neben Sebastian und Florian, als erster an der Stelle. Rasch untersuchte er Nicole, während der Geistliche alle Mühe hatte, den Studenten zurückzuhalten, der sich mit einem Wutschrei auf Wolfgang Arnhäuser stürzen wollte.

»Hören S’ auf, Florian, das hat doch keinen Zweck!« sagte er energisch.

Die Männer von der Bergrettung stellten die Trage ab und hielten die Decken bereit. Toni Wiesinger richtete sich auf.

»Sie lebt«, sagte er. »Aber wir müssen sie ins Krankenhaus schaffen und röntgen lassen. Gebrochen scheint mir nix, aber eine Gehirn­erschütterung ist sehr wahrscheinlich.«

Florian schluchzte auf und beugte sich über Nicole. Seine Finger strichen zärtlich über das zerschundene Gesicht.

»Nicole, Liebes, sieh mich an«, bat er. »Bitte, wach’ doch auf!«

Sebastian hockte sich zu ihm und strich ihm tröstend über den Rücken.

»Das kommt wieder ins Lot«, sagte er zuversichtlich.

Er stand auf und sah Wolfgang an, der wie ein Häufchen Elend dastand. Die Retter hatten ihm eine Decke umgelegt und heißen Tee zu trinken gegeben.

»Und Sie werden erklären müssen, was hier geschehen ist«, sagte der Geistliche ernst. »Und vielleicht auch dafür verantworten.«

Wolfgang nickte nur stumm. Im selben Moment stieß Florian einen Schrei aus. Nicole hatte die Augen geöffnet und schaute ihn lächelnd an.

»Du lebst«, rief der Student. »Du lebst!«

»So leicht wirst mich auch net wieder los«, gab sie leise zurück.

Florian beugte sich über sie und küßte vorsichtig ihren Mund. Tränen rannen über sein Gesicht, Tränen der Hoffnung und der Liebe.

-ENDE-

Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman

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