Читать книгу Überraschung auf dem Reiterhof - Torbjörg Hagström - Страница 5

Der Pferdesommer beginnt

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Als Petra erwachte, dachte sie zuerst, sie wäre in ihrem eigenen Bett zu Hause auf dem Granberghof. Dann hörte sie einen fernen Vogelruf aus dem Wald. Sie wußte nicht, daß es der Ruf eines Fasans war, doch der fremde Laut brachte ihr zum Bewußtsein, wo sie war.

Morgen werde ich Saphir beim Wettkampf sehen, dachte sie, als sie in ihre Jeans schlüpfte. Mick hatte selbst vorgeschlagen, daß sie mit zum Turnier fahren sollte. Ein prima Kerl war dieser Mick! Am Vorabend hatte er Petra noch zu allen Koppeln geführt und ihr von den einzelnen Pferden erzählt. Er schien alle Stammtafeln auswendig zu kennen, und es hatte den Anschein, als hätte er die Jungpferde heranwachsen sehen. Schließlich fragte ihn Petra, wie lange er schon im Gestüt arbeitete.

„Fast zwei Monate“, hatte er erwidert, „aber ich habe schon im letzten und im vorletzten Sommer hier gearbeitet. Außerdem hatte ich hier ein paar Jahre Reitunterricht. Rolf betreibt nämlich während der Wintermonate eine kleine Reitschule.“

Nach der morgendlichen Stallarbeit ritt Mick auf Saga aus.

„Währenddessen kümmern wir uns ein bißchen um die Hengste“, sagte Rolf zu Petra. „Ich werde Saphir für morgen trainieren, und du könntest es mal mit Fox versuchen. Ist dir das recht?“

Petra befürchtete, daß es etwas schwierig werden könnte, wenn zwei Hengste gleichzeitig auf der Bahn waren, doch sie wollte ihre Unsicherheit nicht zeigen.

„Ich will mal sehen, ob ich zurechtkomme“, erwiderte sie nur.

Fox stand nicht im Stall. „Er ist auf der Koppel. Lock ihn mit einem Zuckerstück, dann kommt er sofort“, sagte Rolf. „Und laß den alten Burschen nicht heraus.“

„Welchen alten Burschen?“

„Cajus, den schwarzen Wallach.“

Petra nickte. Sie erinnerte sich jetzt, daß sie Cajus am Vorabend auf ihrem Rundgang gesehen hatte. Mick hatte ihr erzählt, daß Cajus ein altes Dressurpferd war, das einem von Rolfs Freunden gehört hatte. Nun war er zu alt und zu steif für Turniere geworden, doch für eine ruhige Reitstunde war er noch immer gut zu gebrauchen.

Als Petra mit dem rotbraunen Hengst von der Wiese zurückkam, trabte Rolf schon auf Saphir über die Reitbahn. Fox wieherte und begann mit den Vorderhufen zu stampfen, doch Petra nahm die Zügel fester und führte ihn am Zaun vorbei zum Stall.

Als sie Fox gestriegelt und gesattelt hatte, führte sie ihn auf den Hofplatz und schwang sich auf seinen Rücken. Der Hengst bewegte sich mit langen, elastischen Schritten zur Reitbahn. Petra war es gewöhnt, die Pferde genau zu kennen, die sie ritt; doch von Fox wußte sie noch so gut wie nichts.

Anfangs ritt sie also recht vorsichtig, doch schon bald fühlte sie sich sicherer im Sattel. Fox war wirklich nicht schwer zu reiten.

„Jetzt bringe ich den Schlingel wieder in den Stall“, rief Rolf ihr nach einer Weile zu. „Du kannst ja noch etwas weitermachen.“

Nachdem Rolf Saphir in seine Box gebracht hatte, kam er zum Zaun und sah Petra beim Reiten zu.

Während Petra noch ritt, kam Mick mit Saga aus dem Wald zurück.

„Jetzt hat Fox wohl genug Bewegung gehabt“, sagte Rolf. „Es ging ja recht gut. Wollen wir’s jetzt mal mit den Dreijährigen versuchen?“

Petra atmete auf. Sie hatte also nicht allzu schlecht abgeschnitten.

Nach einigen kurzen Anweisungen durfte sie versuchen, einen kleinen Fuchs zu longieren. Er hieß Firlefanz und war ein Halbbruder von Saphir. Schließlich übernahm Rolf die Leine und half Petra vorsichtig in den Sattel des Jungpferdes. Firlefanz trabte immer rundherum, während Petra sich Mühe gab, so weich und federnd wie nur möglich zu sitzen. Am anderen Ende der Reitbahn longierte Mick den zweiten Dreijährigen, einen kräftigen braunen Wallach, der Jambo hieß.

„Langsam … Halt!“ rief Rolf schließlich.

Firlefanz blieb gehorsam stehen, während Rolf näher kam. „Wie wär’s, wenn du dich in nächster Zeit etwas mehr mit ihm befassen würdest?“ fragte er Petra. „Firlefanz müßte noch ein paar Tage an der Longe gehen, dann kannst du richtig mit ihm reiten. Bring ihm bei, vor den Schenkeln zu gehen, durch die Bahn zu wechseln und haltzumachen. Das reicht für den Anfang. Mick wird Jambo einreiten; damit übernimmt jeder von euch die Verantwortung für einen Dreijährigen. Die beiden können nachts im Stall stehen, zusammen mit den Pferden des Reitlagers.“

Petra nickte; und als sie den Fuchs zum Absatteln führte, überlegte sie bereits, ob Firlefanz nicht vielleicht das richtige Pferd für sie sein könnte.

Beim Mittagessen schlug Rolf vor, daß Mick Petra einige Reitwege in der Umgebung zeigen sollte.

„Ihr könnt ja Polka und Mona-Lisa nehmen“, schlug er vor. „Ich werde euch helfen, die Fohlen in den Stall zu bringen.“

„Mona-Lisa? Es kann eine Ewigkeit dauern, bis sie sich einfangen läßt, wenn die anderen frei herumlaufen“, wandte Mick ein.

Rolf lachte. „Du Faulpelz! Na gut, nimm Donna, wenn dir das lieber ist.“

Kurze Zeit später ritten sie los. Petra mochte Polka, die dunkelbraune Stute, sofort. Auch Donna, auf der Mick ritt, war ein schönes Pferd; sie schien jedoch etwas verspielt zu sein. Es wurde ein wunderbarer Ausritt mit Galopp auf grünen Waldpfaden und Sprüngen über Hecken und Gräben. Polka sprang gut und war munter und folgsam. Für Petra waren diese Stunden mehr Spaß und Erholung als Arbeit:

Schließlich erreichten sie einen Traktorweg, der zwischen dem Waldrand und der Stutenkoppel zur Landstraße führte. Dort ritten sie Seite an Seite im Schritt. Von der Koppel erklang Gewieher, und Donna antwortete.

„Gleich sind wir wieder zu Hause“, sagte Mick.

„Das war ein schöner Ritt“, erwiderte Petra. „Diese Gegend ist für Ausritte wie geschaffen.“

In diesem Augenblick tauchte ein cremefarbener Wagen am Waldrand auf und näherte sich dem Gestüt.

„Da kommt Besuch“, rief Petra.

Mick gab keine Antwort. Seine Augen wurden schmal, während er dem Wagen mit den Blicken folgte. Sein Gesicht wirkte plötzlich angespannt, und er schien sowohl Petra als auch sein Pferd vergessen zu haben. Donna begann unruhig unter ihm zu stampfen. Da verwandelte sich die Anspannung in Micks Zügen in ein Lächeln, und er streichelte den Hals der Stute.

„Meine Mutter und meine kleine Schwester sind gekommen“, erklärte er.

„Zuerst dachtest du wohl, es wäre jemand anderes?“ fragte Petra vorsichtig.

„Ich dachte überhaupt nichts Bestimmtes“, erwiderte Mick ausweichend.

Das letzte Stück des Weges legten sie schweigend zurück. Petra überlegte noch immer, was Mick empfunden hatte, als der Wagen aufgetaucht war. Er hatte plötzlich so erleichtert ausgesehen, als er entdeckte, daß seine Mutter und seine Schwester aus dem Auto stiegen; so, als hätte er jemand anderen erwartet. Doch offenbar wollte er nicht darüber sprechen. Oder hatte sie sich alles nur eingebildet?

Das Auto stand auf dem Hofplatz. Gerade als Petra und Mick vor der Stalltür haltmachten, kam ein kleines Mädchen aus dem Haus gestürmt. Eine große, elegante Dame folgte ihr in Gerdas Begleitung.

„Hallo, Pia!“ sagte Mick und sprang vom Pferd. „Möchtest du die Fohlen sehen? Sie sind ein ganzes Stück gewachsen, seit du sie zum letztenmal gesehen hast! – Hallo, Mutter! Das ist Petra. Sie arbeitet auch hier.“

Petra begrüßte Micks Mutter. Dann führten sie und Mick die Stuten in den Stall, um abzusatteln. Pia folgte ihnen. Sie war so klein, daß sie sich auf die Zehenspitzen stellen mußte, um in die Boxen zu schauen.

„Ach, wie lieb!“ sagte sie andächtig, als sie sah, wie Polkas Fohlen zu trinken begann, während Petra die Trense gegen das Halfter austauschte.

Dann lief sie zur nächsten Box, um sich auch Donnas Fohlen anzusehen. Petra band es am Halfter der Stute fest.

„Bist du soweit?“ rief Mick ihr zu. „Dann können wir sie jetzt auf die Koppel bringen.“

Petra nickte. Sie führte Polka zur Stalltür und hörte, daß Mick ihr folgte.

Petra drehte sich um. Da saß Pia ohne Sattel auf dem Rücken der Fuchsstute und hielt sich an der Mähne fest. Mick ging nebenher, das Halfter in der Hand, und das Fohlen folgte mit übermütigen Sprüngen.

Als sie von der Koppel zurückkamen, trafen sie Gerda und Micks Mutter im Haus. Rolf war auf dem Hofplatz und longierte einen Zweijährigen.

„Wir wollten nur mal wieder nach dir sehen, mein Junge“, sagte Micks Mutter, als sie ins Wohnzimmer kamen.

„Oh, mir geht es gut“, versicherte Mick hastig. „Wie wär’s, Pia, möchtest du nicht auch reiten lernen?“

„Ja, schon“, sagte Pia scheu. „Aber nur, wenn du das Pferd führst!“

Gerda stand auf. „Entschuldigen Sie mich“, sagte sie. „Ich muß jetzt die Betten für die Reitschüler beziehen. Aber bleiben Sie doch bitte sitzen. Kannst du vielleicht Kaffee kochen, Petra? Ich habe das Wasser schon aufgesetzt.“

„Ach, das mach’ ich schon“, erwiderte Mick, ehe Petra antworten konnte. „Schließlich sind es meine Gäste“, fügte er mit einem flüchtigen Lächeln hinzu, ehe er in der Küche verschwand.

Petra sah ihm überrascht nach. Freilich waren es Micks Gäste; und sie wollten sich schließlich mit ihm unterhalten, nicht mit ihr.

„Arbeitest du hier künftig immer mit den Pferden, oder ist das nur ein Ferienjob?“ fragte Micks Mutter.

„Oh, nach den Ferien muß ich wieder nach Hause.“

„Dann gehst du noch zur Schule?“

„Ja, aufs Gymnasium.“

Pia, die still neben ihrer Mutter gesessen hatte, stand auf und ging zu ihrem Bruder in die Küche.

„Du findest es sicher schön, im Sommer auf dem Land zu sein“, meinte Micks Mutter.

„Ich lebe das ganze Jahr über auf dem Land“, erklärte Petra. „Aber hier ist’s wirklich herrlich. Ich möchte auf Strandängen auch ein Pferd kaufen, aber sie sind alle so schön, daß mir die Wahl schwerfällt.“

Aus der Küche erklang Pias helle Stimme. Sie war offenbar eifrig damit beschäftigt, ihrem Bruder etwas zu erzählen.

„Willst du später mal einen Beruf ergreifen, der mit Pferden zu tun hat, oder hast du andere Zukunftspläne?“ fragte Micks Mutter.

„Eigentlich habe ich noch nicht so viel darüber nachgedacht, was ich nach der Schule machen will“, gab Petra zu. „So eilig ist das ja auch nicht. Ich habe noch zwei Jahre Zeit, es mir zu überlegen.“

Sie war ein wenig verwundert über das Interesse der fremden Frau. Oder fragte sie nur aus Höflichkeit? Über irgend etwas mußten sie schließlich sprechen, nachdem Mick in der Küche verschwunden war. Plötzlich fiel Petra ein, daß nun wohl sie an der Reihe war, Fragen zu stellen und sich interessiert zu zeigen.

„Und Mick? Will er später mal einen Beruf ergreifen, der mit Pferden zu tun hat?“ fragte sie.

Für den Bruchteil einer Sekunde kam es ihr so vor, als hätte Micks Mutter diese Frage nicht gern gehört.

„Oh, er hat sich auch noch nicht entschieden“, erwiderte sie in leichtem Ton. „Jedenfalls nicht, soweit ich es weiß. Oder hat er vielleicht mit dir darüber gesprochen?“

Petra schüttelte den Kopf. „Nein, das hat er nicht.“

Nun kannte sie Mick noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden lang, und da fragte sie seine eigene Mutter nach seinen Zukunftsplänen! Petra fand das reichlich seltsam; doch ehe sie länger darüber nachdenken konnte, kam Mick mit einem Tablett voller Geschirr wieder ins Wohnzimmer.

Überraschung auf dem Reiterhof

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