Читать книгу Europas Stunde - Torsten Riecke - Страница 7

Prolog

Оглавление

Noch zehn Minuten, um die Welt zu retten. Unerbittlich zeigt mir die digitale Uhr links auf dem schlichten Holztisch an, dass die Zeit abläuft. Was tun? 200 nuklear bestückte Interkontinentalraketen rasen unaufhaltsam auf Amerika zu. Vor mir liegen drei Handlungsoptionen, die sich nur dadurch unterscheiden, dass die prognostizierten Opferzahlen um zig Millionen Menschenleben schwanken. Wie auch immer ich mich entscheide, das Ende der Welt, so wie wir sie kennen, scheint sicher. »Ich brauche jetzt eine Entscheidung«, verlangt der uniformierte Chef der Streitkräfte auf einem Video-Bildschirm vor mir. Auf dem Bildschirm daneben philosophiert der Nationale Sicherheitsberater über die Motive des Angreifers, zu dem es keine Verbindung gibt. Der Monitor rechts davon flimmert nur noch – so wie mein Herzschlag etwa. Noch vier Minuten, um einen nuklearen Gegenschlag anzuordnen. Doch gegen wen? Nur Russland kommt als Angreifer in Frage, niemand sonst verfügt über eine so große Zahl von Interkontinentalraketen mit Atomsprengköpfen. »Wir haben neue Informationen«, ruft der General von der Videowand, »es hat heute Nacht eine Cyberattacke gegeben. Wir können also nicht mehr hundert Prozent sicher sein, dass der Nuklearangriff wirklich stattfindet.« Was nun? Noch zwei Minuten bis zum Einschlag der Raketen, die es womöglich gar nicht gibt. Ich entscheide, einfach abzuwarten – in der Hoffnung, dass dies alles nur ein digitaler Albtraum ist.

»Das war’s«, sagt Sharon Weiner und nimmt mir die schwere Virtual Reality (VR)-Brille mit den Kopfhörern vorsichtig aus den Händen. Der digitale Albtraum ist zu Ende. »Wir wollten Ihnen zeigen, in welch unmöglicher Stresssituation sich ein amerikanischer Präsident heute bei einem Nuklearangriff befinden könnte«, erklärt mir die Professorin von der American University in Washington. Sie arbeitet für »Global Zero«, eine internationale Organisation für die Abschaffung der Nuklearwaffen. Die VR-Simulation eines Nuklearangriffs auf Amerika soll mit dazu beitragen, dass der öffentliche Druck auf die Atommächte wächst, ihre Vernichtungswaffen zu strecken. Ich verlasse den schmucklosen Raum auf der Empore des Münchner Luxushotels »Bayerischer Hof« und tauche mit einem mulmigen Gefühl in die Schar aus Politikern, Wissenschaftlern und Militärs der »Munich Security Conference« (MSC) ein: Zwar hatte ich Szenen eines nuklearen Showdowns schon in einigen Katastrophenfilmen wie »War Games« gesehen. Erschreckt hat mich jedoch, wie sich hier die Risiken der alten Atomwaffen des 20. Jahrhunderts durch eine virtuelle Cyberattacke des 21. Jahrhunderts potenzieren. Der erste Kalte Krieg trifft quasi auf den neuen kalten Technologiekrieg. Eine Bemerkung von Ren Zhengfei, dem Gründer des umstrittenen chinesischen Hightech-Konzerns Huawei, über die kommende, fünfte Generation der digitalen Mobilfunktechnik (5G) kommt mir in den Sinn: »Für Amerika ist das eine Art neue Atombombe.«

Europas Stunde

Подняться наверх