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Filmreife Verführung - Teil 1

Nervös betrat Alaine den Empfang, eine Mappe krampfhaft unter dem Arm geklemmt.

Die Empfangsdame ließ sich Zeit, ehe sie zu Alaine aufblickte und dann gezwungen freundlich fragte: »Guten Morgen, kann ich Ihnen helfen?«

»Guten Morgen, ich würde gern mit Mr Murphy sprechen.«

»Haben Sie einen Termin?«

Diese Frau übte eine so große Autorität auf sie aus, dass Alaine gewillt war, die Wahrheit, nämlich, dass sie keinen Termin hatte, zu sagen. Doch dann dachte Alaine an ihr Drehbuch, das sie geschrieben hatte und das genau in dieses Sendeformat passen würde. Sie dachte an eine Starbesetzung wie Parker Preston und Charlene Witstock. Die beiden harmonierten in dem Film »Ich weiß, das willst du« einfach fantastisch! Einmal Parker Preston gegenüberstehen, einmal ihm die Hand schütteln, einmal in seine hübschen Augen blicken, einmal ihn ihretwegen lächeln sehen ...

»Ob Sie einen Termin haben!«, zischte die Empfangsdame schroff.

»Ja, hab ich!«, schoss die Lüge aus Alain heraus.

»Aha! Ihr Name?«

»Alaine Grant.«

Das Telefon klingelte. »Lawson Productions, Michaels, guten Morgen«, flötete die Empfangsdame in den Hörer. Einen Augenblick herrschte Stille, dann setzte sie dem Anrufer wohl ein jähes Ende, indem sie sagte: »Aha, na schön. Sie brauchen mir nicht alles im Detail zu erzählen, ich bin für Sie einfach nicht zuständig. Berichten Sie das am besten Mr Cole, dem Regisseur. Er ist allerdings jetzt beim Dreh. Ich gebe ihm Bescheid, dass Sie angerufen haben.« Angespannt lauschte sie wieder in den Hörer und verzog dabei Stirn und Augenbrauen. »Ja, ich weiß, dass sie neu sind und dass das wichtig ist, deswegen sage ich ihm ja auch gleich Bescheid. Nun bleiben Sie mal ganz locker. Wann können Sie wieder hier sein?« Mrs Michaels verzog das Gesicht. »In zwei Tagen? Das wird weder Mr Murphy noch Mr Cole sehr erfreuen! Na schön, ich gebe es weiter. Wiederhören. Gute Besserung.« Die Empfangsdame legte den Hörer auf, ohne auf eine Antwort ihres Gegenübers gewartet zu haben.

»So, und nun zu Ihnen, Mrs Grant …«

Das Telefon klingelte und missmutig nahm Mrs Michaels den Hörer ab. »Hallo, Mr Cole « Sie lauschte und nickte. »Ja, das Schreiben habe ich heute auf Mr Murphys Schreibtisch gefunden. Die Tanzbar ... Ja gut, ich bringe es Ihnen rum. Ach, hier ist noch eine Dame, eine Mrs Grant, sie wollte zu Mr Murphy ... Ja gut, dann nehme ich sie mit. Bis gleich.«

Mrs Michaels suchte ein paar Schriftstücke zusammen, stopfte sie in eine Klarsichthülle und nahm sich einen Schreibblock. »So, ich bin gerüstet. Dann kommen Sie mit.« Damit schritt sie voran und Alaine folgte ihr.

***

Mit Bewunderung betrat Alaine eins der Studios. Es war faszinierend, mit wie wenig Mitteln ein so großer Effekt erzielt werden konnte und sich später in einen Film verwandelte.

Hier war ein Büro aufgebaut worden und Alaine stellte sich das rege Treiben darin vor, wenn die Schauspieler es durchströmten. Doch im Moment war nichts los. Anscheinend eine Drehpause, dachte Alaine und konzentrierte sich auf einen großen, schlanken Mann, der mit ausholenden Schritten auf sie zukam. Er wirkte genervt.

»Mr Cole«, flötete Mrs Michaels wieder auf ihre Alaine nun bekannten Art und Weise. »Hier sind die Unterlagen, unter anderem das Schreiben von der Tanzbar.« Sie reichte es ihm und er las es zügig durch.

»Was denn, heute Abend schon?« Er blickte Mrs Michaels finster an. »Wieso haben Sie mir das nicht schon früher gebracht! Wie soll ich das denn schaffen?!«

»Aber Mr Murphy wusste längst davon. Ich ging davon aus, dass er es Ihnen bereits mitgeteilt hat.«

Er seufzte. »Ja, schon gut. Und wer ist das hier?«

»Mrs Grant. Sie wollte Mr Murphy sprechen«, antwortete die Empfangsdame für Alaine.

»Aha, und warum, ist sie die Neue?«

»Äh, nein. Mrs Bowl, die Neue, hat gerade angerufen und gesagt, sie sei krank und würde erst morgen kommen.«

»Krank? Was in Herrgottsnamen hat sie denn? Wir können uns solche Zimperlichkeiten nicht leisten – und das auch noch vor Arbeitsantritt! Unglaublich!« Er schüttelte den Kopf. Dann widmete er sich Alaine. »Und was wollten Sie jetzt von Mr Murphy?«

»Ich bin hier weil, ich äh ...«

»Ach, kommen Sie einfach mit. Hier entlang!« Säuerlich verzog er sein Gesicht und stapfte los, dann stoppte er abrupt, drehte sich zu Mrs Michaels um und rief: »Sorgen Sie dafür, dass die Statisten heute Abend um Punkt achtzehn Uhr und das gesamte Kamera-Team anwesend sind. Um zwanzig Uhr beginnen wir mit dem ersten Dreh.«

Mrs Michaels nickte schnell. »In Ordnung!«, gab sie respektvoll von sich und verschwand.

»Kommen Sie, oder brauchen Sie’s schriftlich«, fauchte Mr Cole und trieb Alaine an.

Sie kamen zu einem kleinen Büro, in dem Chaos herrschte. Eine Seite war zur Hälfte verglast, sodass man in ein großes Studio blicken konnte. Alaine besah sich drei Leute, die ihren Text lernten und dann in Lachen ausbrachen. Alaine lächelte. Sie stellte sich Parker Preston vor, wie er auch proben und mit den anderen lachen würde. Oder wie er eine Kuss-Szene spielte und die Glücksdame ihn küssen durfte. Es wurde Alaine ganz warm im Schoß und ein leichtes Ziehen in ihren Brüsten machte sich bemerkbar.

»So«, Mr Cole holte Alaine wieder in die Wirklichkeit zurück. »Was wollten Sie von Mr Murphy?«

»Ich habe ein Drehbuch geschrieben, das in ihr Sendeformat passen würde. Hier.« Sie reichte ihm ihr Werk.

Er nahm es entgegen und blätterte darin herum. Er las ein paar kleinere Passagen und nickte leicht. Alaines Herzschlag verdoppelte sich. Mr Cole klappte es zu, blickte eine Weile auf die draußen probenden Schauspieler, zog eine andere Mappe hervor und sah Alaine einen Moment lang an, sodass es ihr langsam unangenehm wurde. Er nahm ein Din A4 Heft und warf es vor Alaine auf den überfüllten Tisch. »Das ist der gesamte Text.«

»Welcher Text?«

»Unser Drehbuch, das Script, das wir gerade am Wickel haben. Vielleicht kannst du noch was lernen. Drehbuchautoren müssen immer viel lernen. Dauerhaft.«

»Was … was soll ich damit?«, fragte Alaine unsicher.

»Auswendig lernen, was sonst! Du bist Kate!«

»Kate?«

»Ja, deine Rolle.«

»Wie bitte? Aber ich bin doch …«

»Ist mir egal! Du machst das jetzt! Wir brauchen eine Frau. Du bist eine Frau. Sofort! Und du bist hier! Anfang dreißig und du siehst aus, wie Anfang dreißig. Du kannst mit Wörtern und Fantasie umgehen und das brauchen wir.«

Sprachlos blickte Alaine ihn an.

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