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Scharf auf scharfe Blondinen

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Auch ich war einmal jung. In diesem kraftlos hingehauchten Satz, mit dem sich viele Tattergreise allzu gerne vor der rumänischen Pflegekraft brüsten, wenn diese den Urinbeutel wechselt, liegt hohes Wahrheitspotenzial. Selbst bei mir trifft er zu. Allerdings war ich während meiner Jugend nicht nur jung und undynamisch, sondern auch furchtbar erfolglos. Nicht nur bei Anke. Ob die über tausend Scherben beim Versuch, den ersten eigenen Spiegel anzubringen, schuld an der darauf folgenden Pechsträhne waren, kann ich nur vermuten. Spiegel haben mir noch nie Glück gebracht, zerbrochene schon gar nicht.

Auf alle Fälle hatte ich ums Verrecken keine Chance beim weiblichen Geschlecht. Vielleicht lag es auch daran, dass ich zu dieser Zeit schielte, vorrangig auf Blondinen. Sie waren für mich der Inbegriff femininer Schönheit. Andere Haartypen standen nicht auf meinem Speiseplan.

Heute, Jahrzehnte nach dieser schrecklichen Leidens­periode, kann ich offen darüber sprechen. Etwas war in meiner Kindheit schiefgelaufen. Ich war märchengeschädigt, traumatisiert durch all die Prinzessinnen, Feen und weiblichen Märchenidole mit ihrem blonden Haarschopf, an die ich glaubte wie der westfälische Katholik an Adam und Opel.

Meine daraus resultierende Vorliebe für blonde Mädchen hatte einen äußerst ärgerlichen Nachteil. So wie ich aussah, konnte ich selbst bei den hässlichsten Blondinen nicht punkten. Ich war ein schlaksiger Zwanzigjähriger, ausgemergelt wie ein deutscher Wehrmachtssoldat nach fünf Jahren russischem Arbeitslager im fernen Sibirien. Ich hatte Segelohren, hervorstechende Wangenknochen, ein tierisches Akneproblem und dünnes, fettiges Haar, welches unappetitlich hinter den Lauschern klebte. Gegen mich strahlt selbst das rothaarige Knochengerüst Piet Klocke noch männliche Attraktivität aus. Mit meinem Erscheinungsbild hätte ich in der Fußgängerzone betteln können. Nur damit Sie wissen, wie es um mich bestellt war.

Und da gab es noch ein weiteres Handicap. Ich konnte nicht tanzen, höchstens mit voller Blase vor einer verschlossenen Toilette. Wenn sich doch mal ein Mädchen meiner erbarmte und mir auf die Tanzfläche folgte, leerte sich augenblicklich das Parkett, weil alle fürchteten, diese spastischen Zuckungen wären ansteckend. Mit all den Körben, die ich während meiner trostlosen Jugend eingesammelt hatte, hätte ich einen florierenden Kunstgewerbeladen betreiben können. Aus Mangel an Gelegenheiten war ich permanent untersext. Mit dieser beschämenden Vita hätte ich mich fürs Priesterseminar bewerben können. Das Zölibat stellte für mich kein Problem dar, sondern war bittere Realität.

So wie die Dinge standen, hätte ich mein Fortpflanzungsverlangen aufgeben müssen. Aber es gab einen zweiten Spiegel, der meinen Trieb antrieb wie die Peitsche den müden Ackergaul – der Testosteronspiegel. Ein Teufelszeug, dieses körpereigene Hormon, zu dem der Chemiker völlig unromantisch C19H28O2 sagt. Wenn eine Blondine in mein Blickfeld geriet, schoss mir sofort der Sabber in die Mundwinkel. In meinem Kopf spulten sich schmutzige Fantasien ab, für die Soziologen keine Erklärung gehabt hätten.

Bitte nicht missverstehen! Ich hatte nicht das unstillbare Verlangen, diese zarten Knospen mit Gewalt zum Platzen zu bringen. Ich wollte nur ihr Bestes, war willens, ihnen jeden Liebesbeweis zu erbringen. Mit Begeisterung hätte ich meiner auserwählten Herzdame das Klo geschrubbt, die Öfen befeuert (ja, damals gab es noch Kohleheizung) und die Briketts bis in die fünfte Etage geschleppt. Ich wollte ihr das Frühstück ans Bett bringen, danach die Küche aufräumen. Ich war bereit, sämtliche Hausarbeit für sie zu erledigen, wollte sie auf Händen tragen, ihr jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Sie sollte bei mir den Himmel auf Erden haben.

Leider blieben meine geheimsten Gedanken und Wünsche der Damenwelt verborgen. Eine andere Strategie musste her, die männlich rabiate. Ich versuchte es mit Bier, Wein oder Schnaps. Wenn der Alkoholspiegel hoch genug war, mich die Hemmschwelle nicht mehr hemmte, ging ich auf Pirsch. Es gab nur leider einen Nachteil: Die Erfolgsquote tendierte weiterhin gegen null. Jede dieser zarten Geschöpfe ließ mich eiskalt abtropfen. Ihre distanzierte Kühle, wie sie mir hochnäsig die kalte Schulter zeigten, hätte manch anderen zum Diktator oder Massenmörder werden lassen. Hitler, Stalin oder Pol Pot waren zunächst bedauernswerte Versager, die alle furchtbar unter verschmähter Liebe gelitten hatten, ehe sie durch diese Persönlichkeitsdefizite so unfassbar pervertierten.

Ich versuchte, meinen widerstehlichen Charme mit Humor aufzupolieren. „Mit einem guten Witz wird jede Blondine spitz“, reimte ich hoffnungsvoll. Vergeblich. Ich hatte wieder einmal einen Korb bekommen, von einem blonden Mädel, die magerer war als fettarme Milch. Als Modell hätte sie sich hervorragend für Kampagnen der Welthungerhilfe geeignet. Meine Enttäuschung verbergend, fragte ich sie: „Wie nennt man die Regel einer schlanken Frau?“

„Weiß nicht“, lispelte sie zu allem Unglück auch noch.

Und ich prustete laut lachend: „Eine Dürreperiode.“

Mein Triumph währte nur kurz. Ein stämmiger Typ, das Gesicht so platt wie die Nebraer Himmelsscheibe, erhob sich provokativ, stellte sich als Bruder vor und lud mich nach draußen ein. Dort zeigte er mir einen literarischen Klassiker: Faust in zwei Teilen. Dann schloss sich der Vorhang.

Nach diesem einschlagenden Erlebnis hatte ich eine gebrochene Nase und diese endgültig voll von Blondinen. Es gibt schließlich auch noch andere interessante Mädchen. Die Haarfarbe spielt doch überhaupt gar keine Rolle, solange sie nur blond sind.


Klar kennen wir uns, ich bin doch die aus deinen doofen Blondinenwitzen!“

Es war an einem dieser langweiligen Sonntagnach­mittage. Ich saß in meiner kleinen Singlewohnung bei einer Tasse Kaffee und kaute an einem Stück Streuselkuchen, den mir Mutter eine Woche zuvor mitgegeben hatte. Die Freiheit der eigenen vier Wände entpuppte sich als Geißel. Ich fühlte mich sehr einsam und eine panische Angst erfasste mich. Ich musste raus aus diesem Mief und dachte nur noch an Flucht. An der frischen Luft ging es mir schon viel besser. Mit der Straßenbahn fuhr ich in die Innenstadt.

Ein laues Lüftchen zog durch die Fußgängerzonen und trieb, wie ein verspieltes Kind, ein paar achtlos weggeworfene Papierschnipsel vor sich her. In den Straßencafés herrschte mäßiger Betrieb. Die Kellner standen rauchend in den Ecken und hielten Ausschau nach Kundschaft. Das Geschäft lief an diesem schwülheißen Sonntagnachmittag schlecht, der Schweiß umso besser.

Ich hatte mit der Außenkante meines rechten Schuhs das Hoheitsgebiet des Cafés „Süße Träumerei“ um einen Zehntelmillimeter übertreten, als mich plötzlich jemand am Arm packte. Hilflos fand ich mich in den Fängen eines Obers wieder, der vermutlich zur schnellen Eingreiftruppe des Restaurants gehörte.

„Ein kühles Pilsner gefällig?“, sagte er geschäftstüchtig.

Ich nickte eifrig, um mich möglichst rasch aus seinem schmerzhaften Klammergriff zu befreien.

Als er mir das Bier serviert hatte, fragte er: „Hat der Herr noch einen Wunsch?“

„Nein, danke!“, lehnte ich höflich ab.

„Wir haben heute Apfelstrudel mit Vanillesoße im Angebot.“

„Besten Dank, aber ich habe jetzt keinen Hunger.“

„In Ordnung, dann bringe ich Ihnen ein Stück.“

Als er mir das Gebäck gebracht hatte, bohrte er weiter: „Was halten Sie von einer schönen Tasse Kaffee?“

„Nicht viel!“

„Einen besseren Kaffee werden Sie in der ganzen Gegend nicht finden!“

„Das will ich Ihnen gern glauben“, antwortete ich, „aber Kaffee und Bier passen irgendwie nicht zusammen.“

„Lassen Sie das Bier stehen!“

„Dann wird es schal.“

„Sie können sich ein neues bestellen.“

„Später, vorerst reicht mir das Bier.“

„In Ordnung! Mit Zucker und Milch?“

„Weder noch!“

„Also schwarz“, stellte er erleichtert fest und verschwand.

Er brachte mir eine Tasse schwarzen Kaffee und ließ mich danach in Ruhe. Wahrscheinlich hatte ich den Mindestbestellwert erreicht.

Erst jetzt bemerkte ich die beiden süßen Puppen am Nachbartisch. Die eine saß mit dem Rücken zu mir, sodass ich ihr hübsches Gesicht nur erahnen konnte. Ihr langes, kastanienfarbenes Haar fiel in sanften Wellen über ihren entzückenden Rücken. Auch das zweite Mädchen hatte langes, allerdings goldenes Haar – so wie ich es liebte. Sie war von zierlicher Gestalt mit einer immensen erotischen Ausstrahlungskraft. Unter ihrem engen, weißen ­T-Shirt zeichneten sich wohlgeformte Rundungen ab, in deren Mitte sich der Schatten spitz aufgerichteter Brustwarzen zeigte. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Ihr Busen faszinierte mich derart, dass ich alles um mich herum vergaß. Mein Kaffee wurde kalt, das Bier warm.

Plötzlich bemerkte sie meine gierigen Blicke, die sie regelrecht vernaschten. Sie lächelte charmant, lupfte ihre Brauen und strich mit einer eleganten Handbewegung ihr Haar nach hinten, wobei sie mir einen verführerischen Blick schenkte.

Die Dunkelhaarige hatte nun ihrerseits bemerkt, dass ihre Gesprächspartnerin nicht ganz bei der Sache war, und wollte dem auf den Grund gehen. Mit der behäbigen Bewegung eines Metzgermeisters drehte sie sich um und …

Die Brünette war ein Brünetter, allerdings kein Netter, denn der grimmig dreinblickende Stoppelbärtige entlarvte mich als potenziellen Nebenbuhler.

„He, du Penner, was glotzt’n so?“

„Ich?“, mimte ich den Ahnungslosen.

„Ich soll dir wohl die Fresse polieren?“

„Danke für das großzügige Angebot. Aber dann schon lieber meine Treppe.“

„Hä! Was ist?“, grollte er und stützte sich beidhändig an der Tischkante wie der Pfarrer bei der Sonntagspredigt.

„Ich bin mit der Hausordnung dran, habe aber leider noch keine Putze gefunden“, erklärte ich und konnte nur noch fluchtartig das Lokal verlassen. Dem medizinischen Notdienst blieb damit ein Einsatz erspart.

Die eifersüchtige Brünette, wie ich ihn jetzt schadenfroh nennen kann, denn eine zweite Begegnung halte ich für unwahrscheinlich, gab die Verfolgung bereits an der nächsten Straßenecke auf. Ich blieb stehen, drehte mich um und verschnaufte einen kurzen Moment. Dann wagte ich einen flüchtigen Blick um die schützende Hausecke und sah ihn gemächlich zurückgehen.

Mein Gesicht war glücklicherweise verschont geblieben, mein Portemonnaie übrigens auch.

Eigentlich wäre die Geschichte an diesem Punkt zu Ende. Dass ich mich dennoch zu einer kleinen Schlussbemerkung hinreißen lasse, habe ich meinem Verleger zu verdanken. „Herr Levin“, bat er mich, „Sie müssen Ihren Leserinnen noch etwas verraten!“

Keine Ahnung, was er von mir wollte. Ich sah ihn verdutzt an.

„Na, Ihre Frau …“, half er mir auf die Sprünge.

„Was ist mir ihr?“

„Ihre Haarfarbe! Die Leserinnen wollen doch so etwas wissen!“

„Schwarz, Herr Dr. Hunger, schwarz. Und meine Haare sind nicht gefärbt.“

„Sie bringen mich zur Verzweiflung! Ich meinte die Haarfarbe Ihrer Frau?“

„Die ist dunkel. Genauer gesagt – dunkelblond.“


So was trage ich auch, nur blond und tiefer!“

Sex vor zwölf

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