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Frauen auf dem Vormarsch
ОглавлениеDie Industrialisierung hat nicht nur Fortschritt und allmählich wachsenden Wohlstand gebracht, sie hat auch die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft, besonders in der Gesellschaft der Männer, umgekrempelt wie den alten Filzhut eines Revierförsters. Standen Frauen früher hinterm Herd, haben sie zwischenzeitlich als Industriemechanikerinnen Herde montiert, und heute managen sie große Unternehmen, die Herde produzieren. Und hinter diesen stehen dann die armen Kerle, die zu Hobbyköchen degenerieren. Es gibt immer mehr Männer, die kochen. Viele auch aus Wut!
Damit mir an dieser Stelle pazifistische Feministinnen keinen Dolch in den Rücken bohren, möchte ich eines in aller Deutlichkeit klarstellen: Ich begrüße ausdrücklich diese Entwicklung. Nicht etwa, weil mir ohnehin keine andere Wahl bleibt. Der Grund ist viel einfacher. Ich halte Frauen für die besseren Alphatiere. Sie regieren, reagieren und agieren einfühlsamer als die eiskalt berechnenden Männer, denen es auch immer darum geht, mögliche Konkurrenten auszustechen. Männer handeln evolutionsbedingt aggressiver. Während sie sich eine Sexualpartnerin suchen müssen, brauchen Frauen nur auszusuchen. Das bereitet deutlich weniger Stress, der wiederum Gehirnzellen vernebelt und zu massiven Systemabstürzen führen kann.
Nicht zu Unrecht besetzen Frauen inzwischen höchste Ämter. Und sie machen ihre Sache nicht schlecht. Frauen wissen einfach, wo’s langgeht. Entscheidungen treffen sie zwar aus dem Bauch heraus, aber gerade diese emotionalen Entscheidungsprozesse erweisen sich oft als die besseren Alternativen. Wird einer Frau eine klare Frage gestellt, kommt postwendend eine eindeutige Antwort. Frauen haben eine genaue Vorstellung von dem, was sie wollen oder eben nicht wollen. „Welche Küche mögen Sie lieber, die deutsche oder die italienische?“
„Bella Italia“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. Und was antwortet der Mann auf die gleiche Frage? „Och, na ja.“
Der geschätzte englische Naturforscher Charles Darwin fand durch stetige Beobachtungen der Natur heraus, dass sich alle Lebewesen stetig ihrer Umgebung anpassen. Jede Art reagiert angemessen auf Veränderung. Wenn es Winter wird, legen wir uns einen Schal um den Hals und stülpen eine Skimütze übers Kopfknie. Im Sommer tun wir das nicht. Das würde gegen die Evolutionstheorie verstoßen.
Männer bilden im Rahmen dieser Naturgesetze keine Ausnahme. Aber anstatt sich zu bemühen, mit den Frauen Schritt zu halten, verkümmern sie zusehends zu Schattengestalten einer dominanter werdenden Gesellschaft. Das ehemals starke Geschlecht verschließt seine Augen, ehe es den Kopf in den Sand steckt.
Ohne Frauen sind Männer kaum noch überlebensfähig. Alleinerziehende Männer, also Männer, die sich allein anziehen müssen, haben eine bis zu sieben Jahre kürzere Lebenserwartung. Ob sie dabei ein glücklicheres Leben führen, lässt sich nur schwer beweisen. Die traurige Tatsache aber, dass geschiedene Männer bereits wenige Monate nach ihrer Trennung wieder fest im Zaumzeug einer Frau stecken, spricht wohl dagegen. Unterschwellig haben viele Männer masochistische Neigungen, und die kann man nur bei einer herrschsüchtigen Frau ausleben. Die nun folgende und wahre Geschichte, die ich mir selbst ausgedacht habe, ist ein trauriger Beleg dafür:
In unserem Haus wohnte das Ehepaar Nörglig. Und dieses Paar war der lebende Beweis dafür, wie in wenigen Jahren aus einem fröhlichen Mann eine willenlose Kreatur werden kann. Gert kannte ich aus für ihn noch unbeschwerten Tagen, ehe er seinem lustigen und leichtlebigen Junggesellendasein ein jähes Ende setzte – vor dem Traualtar. Früher gingen wir öfters Mal zusammen ein Bierchen trinken – im „Schluchzereck“. Was wir auch teilten, war unsere Leidenschaft für den Fußball. Da wir unweit vom Stadion wohnten, zogen wir jedes zweite Wochenende in die Südkurve. Da spielte unsere Elf noch im Oberhaus des deutschen Fußballs, ehe die schlaffen Säcke in den Niederungen der Kreisliga versackten.
„ Dynamisches, erfolgsverwöhntes Damensextett sucht neuen Wirkungskreis. Angebot bitte unter www.sultanine.arab.“
Gert war ein heiterer und lebensfroher Zeitgenosse – ein echter Kumpel eben. Handwerklich zwar eine Niete, aber als Mensch einfach gestrickt. Das Wort „nein“ kam in seinem Wortschatz nicht vor.
„Trinken wir noch einen?“
„Klar.“
„Klara, bringst uns noch zwei Klare?“
Ja, so war er, der Gert. Hatte immer Zeit für einen. War sehr nett, äußerst hilfsbereit, wenn auch wegen seiner Ahnungslosigkeit zu nichts nutze. Und plötzlich, eines unschönen Tages, geriet er ins Schlingern. Quasi aus der ruhigen See ins offene und tobende Meer abgetrieben, bis er kenterte wie die „Costa Concordia“ vor Giglio. Erst bekam Gert einen Schlag und dann Schlagseite. Und, wie bei der Schiffstragödie um den von Testosteron zugedröhnten Kapitän Francesco Schettino, steckte hinter all dem eine Frau.
Nach der Hochzeit war Gert nicht mehr wiederzuerkennen. Der arme Kerl ähnelte einem lebenslänglich Verurteilten nach Haftantritt. Wenn ich ihn zum Fußball abholen wollte, hüpfte er nervös auf der Stelle wie ein stoffwechselgestörter Patient mit chronischer Blasenentzündung.
„Geht heute nicht, leider“, druckste er herum.
Wenn ich ihn fragte, ob er Lust auf ein Bierchen hätte, wand er sich wie eine orientalische Bauchtänzerin aus Wanne-Eickel. „Vielleicht ein anderes Mal.“
Auch der kleine Plausch auf der Straße, wenn wir uns zufällig über den Weg liefen, beschränkte sich auf einen hastig hingeworfenen Gruß. „Muss nach Hause, Doris wartet schon.“
Dass Gert, geborener Stammkötter, sich nötigen ließ, den Namen seiner Frau anzunehmen, gilt als früher Beleg eines wachsenden femininen Einflusses. Ohne „nein“ sagen zu können, kann sich niemand durchsetzen. Und Doris wusste dies geschickt auszunutzen. Mit weiblicher List und den Waffen einer Frau brach sie Gerts schwachen Willen, um ihn anschließend nach ihren Wünschen und Vorstellungen wieder aufzubauen. Eine weltweit angewandte Methode beim militärischen Drill, die besonders erfolgreich in der französischen Fremdenlegion perfektioniert wurde. Das gewünschte Resultat: bedingungsloser Gehorsam!
Doris war eine äußerst attraktive Frau, mit einem einnehmenden Wesen. Sie hatte Gert völlig vereinnahmt. In dem Wort Eheschließung, stecken eben auch grausame Wörter wie einschließen, verschließen oder wegsperren. Frauen sind wie Geheimdienste, äußerst neugierig und extrem wachsam. Deshalb trachten sie nach der totalen Überwachung.
Gerts Frau war aber nicht nur eine beherrschte, sondern vielmehr beherrschende Person. Es gibt Männer, die geben richtig viel Geld aus und suchen regelmäßig eine dominante Damenschraube auf, die sie erniedrigt, demütigt und nach Strich und Faden vermöbelt. Gert hatte das täglich und kostenfrei.
Doris war in einem mittelständischen Unternehmen von einer kleinen Abteilungsleiterin über eine Fachdirektorin bis zur Geschäftsführerin aufgestiegen. Auf diesem Weg hatte sie etliche Mitbewerber weggebissen. Da war sie gnadenlos. Gert hatte es dagegen als kaufmännischer Angestellter gerade einmal bis zum stellvertretenden Lagerverwalter in einem Metallhandel gebracht.
Die unterschiedliche Stellung in der gesellschaftlichen Hierarchie zeigte sich auch bei ihren Autos. Im Kofferraum von Doris’ riesigem Mercedes wäre Gerts Elefantenturnschuh, ein VW Up!, spurlos verschwunden. Aber das störte ihn nicht, immerhin durfte er regelmäßig die Wagenpflege übernehmen.
Was eine Frau wie Doris an einem Mann wie Gert fand, blieb mir ewig ein Rätsel. Er war doch für sie eine hauswirtschaftliche Fehlinvestition, handwerklich völlig talentfrei. Gert konnte weder kochen noch Wäsche waschen oder Fenster putzen. Selbst Einkäufe mit Zetteln, die sie ihm schrieb, schlugen fehl. Entweder er fand die gewünschten Artikel nicht oder er brachte die verkehrten. Dafür eignete er sich bestens als Blitzableiter. Wenn sie nach einem stressigen Tag heimkam, faltete sie ihn wegen kleinster Vergehen zusammen wie eine geplättete Tischdecke. Selbst wenn Gert absolut nichts getan hatte, gab es einen auf die Mütze. Ihre Ehe glich den politischen Verhältnissen einer Diktatur. Gert war das Volk, und er hatte zu folgen.
Doris kümmerte sich auch um den außerhäuslichen Bereich. Da ließ sie weder Gert noch Luft ran. Sie erledigte Banktermine, wickelte anstehende Versicherungsgeschäfte ab, machte den Steuerjahresausgleich und stritt sich mit dem Vermieter. Sie war eine knallharte Geschäftsfrau, die sich vortrefflich mit Zahlen und offenen Rechnungen auskannte. Sie ging nicht nur regelmäßig zum Friseur, sondern frisierte selbst: Geschäftsbücher und die eigenen Steuererklärungen. Ihrem Mann steckte sie wöchentlich zwanzig Euro zu.
„Teil dir dein Taschengeld gut ein!“, sagte sie streng. „Mehr gibt es nicht.“
Und was tat Gert? Nichts! Völlig wehrlos ließ er diese Demütigungen über sich ergehen.
„Ich brauche mich um nichts zu kümmern“, erklärte er mit der zufriedenen Ausgeglichenheit eines Stoikers, „macht alles Doris.“
Hätte sie ihn verlassen, er wäre im harten Straßenkampf des Großstadtdschungels elend vor die Hunde gegangen. Selbst bei Arztbesuchen war er auf ihre Hilfe angewiesen.
Eines Tages kam er nicht nur niedergeschlagen, sondern auch zwei Stunden später von der Arbeit heim. Zudem wurde sein Atem von einer mächtigen Alkoholfahne begleitet.
„Du elender Säufer“, fauchte Doris. „Du hast dein Taschengeld angerührt!“ Wenn Frauen eines nicht ausstehen können, ist das Kontrollverlust.
Völlig erschöpft plumpste er in einen Sessel, hielt mit letzter Anstrengung einen Briefumschlag hoch. Seine Frau riss ihm das Kuvert aus der Hand und starrte auf die drei lakonisch formulierten Sätze, die zynisch ausdrückten, dass man ihren Gatten nicht mehr in der Firma benötigen würde, ihm aber dennoch für die Zukunft alles erdenklich Gute wünsche.
„Diese Mistkerle haben dich rausgeschmissen?“
„Hmm“, murmelte er kraftlos.
„Oho, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Deinen Chef zerreiß ich in der Luft“, blies Doris in tiefster Kampfesstimmung ihre Nüstern auf.
Zwar konnte sie Gerts Kündigung nicht abwenden, allerdings erreichte sie einen dreimonatigen Aufschub und konnte eine angemessene Abfindung herausschlagen.
Nach dieser Galgenfrist hockte Gert den ganzen Tag apathisch in der Sitzgruppe herum, während Doris die Stellenanzeigen durchforstete und die Bewerbungsunterlagen zusammenstellte. Das Einzige, was sie nicht für ihren Mann tun konnte, war das Modellstehen für die Fotos.
Die ersten Ablehnungen steigerten ihre Bewerbungswut. Sie empfand diese nüchtern formulierten Absagen wie eigene Niederlagen. Endlich erste Interessenten mit der Bitte um ein Vorstellungsgespräch. Wenn es nicht um eine Stelle für ihren Mann gegangen wäre, hätte sie diese Gespräche allein bewältigt.
Die Personalchefs führten das Ehepaar Nörglig durch ihre Firmen, wollten die eine oder andere Sache erklären, kamen aber bei Doris kaum zu Wort. Stieß ihre anbiedernde Art oft auf Missfallen, so hatte sie doch einmal Glück. Und zwar, wie konnte es anders sein, bei einer Personalchefin, die Doris sofort in ihr weibliches Herz geschlossen hatte. Sie sah nämlich die Situation aus einer völlig anderen Perspektive. Wenn die Frau des neuen Mitarbeiters so hinter ihrem Mann steht, braucht man sich um dessen Zuverlässigkeit nicht zu sorgen. Gert wurde eingestellt und Doris unterschrieb den Arbeitsvertrag.
Einige Monate lief alles bestens. Mit Gert war man sehr zufrieden. Er beziehungsweise seine Arbeit fielen kaum auf. Es gab keinen Grund zur Klage. Bis … ja, bis eines Tages ein böser Arbeitsunfall passierte. Gert hatte den haarscharfen Übergang vom tiefen Nachdenken zum flachen Büroschlaf verpasst, war mit dem Gesicht auf die in seiner Hand nach oben gerichtete Bleistiftspitze gefallen, mit einem heftigen Aufschrei hochgefahren, mit dem Stuhl nach hinten gekippt, hatte mit dem Hinterkopf eine Trockenbauwand durchschlagen und sich beim dumpfen Aufprall auf den Fußboden das Schultergelenk verletzt.
Der eilends herbeigerufene Notarzt untersuchte Bauch, Kopf, Gelenke und fragte fortwährend den Unglücksraben: „Tut das hier weh?“
„Holen Sie meine Frau, schnell!“, stöhnte Gert, nahe dran das Bewusstsein zu verlieren.
„Warum? Was ist mit Ihrer Frau?“
„Sie kann Ihnen sagen, wo ich Schmerzen habe …“
„… und dann ist da noch seine temporäre Kurzatmigkeit, Herr Doktor.“