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Die Klänge des Atems 12.1 Atemerleben – Atem-Achtsamkeit

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Dem Atem kommt in der Musiktherapie eine besondere Bedeutung zu. Viele KlientInnen begegnen in der Musiktherapie Themen, die ihnen Angst machen. Angst engt ein, auch den Atem. Auch Erregung jeder Art beeinflusst den Atem, lässt ihn stocken oder tief fließen. Blasinstrumente werden mit dem Atem „gespielt“. Und, last not least, wird in der Musiktherapie vielfach mit der Stimme gearbeitet. Stimme ist schließlich nichts anderes als tönender Atem.

Um das Spiel eines Musikinstrumentes zu erlernen, bedarf es manchmal des Erlernens einer dafür richtigen Atemtechnik. In der Musiktherapie, wie wir sie verstehen, spielt das technisch richtige oder falsche Atmen keine Rolle. Unsere Musiktherapie ist leiborientiert, folglich interessiert uns das Atemerleben. Was erlebt eine Klientin, wenn sie auf ihren Atem achtet? Welche Gefühle treten auf, wenn sie fünf Minuten lang ihrem Atem lauscht? Welche Klänge und Bilder entstehen, wenn sie auf die Pause zwischen den Atemzügen fokussiert? Wie beeinflusst der Atem den Kontakt, die Resonanz zwischen verschiedenen Menschen? Wie spiegelt sich in der Nähe bzw. Entfernung zu anderen Menschen der Atem wieder? Solche und viele ähnliche Fragen interessieren uns und die KlientInnen. Solchen Fragen gehen wir nach.

Wir arbeiten in erster Linie mit der Achtsamkeit für den Atem. Auf den Atem zu achten, ihm zu lauschen, ohne ihn verändern zu wollen, lässt uns und die KlientInnen drei Qualitäten des Atmens erfahren:

 Der Atem ist ein treuer Begleiter. Unermüdlich atmen wir Menschen von der ersten Lebenssekunde an „bis zum letzten Atemzug“. Solange wir leben, atmen wir, ob wir das wollen oder nicht, ob wir darauf achten oder nicht – der Atem begleitet uns Menschen, verlässlich und treu. Durch die Achtsamkeit für den Atem können wir diese Unterstützung sinnlich erfahren.

 Der Atem ist weise. Je nachdem, wie wir uns verhalten und bewegen, ob wir joggen oder ruhig auf dem Sofa sitzen, ob wir innerlich aufgewühlt sind oder Ruhe und Frieden spüren, der Atem passt sich flexibel an. Dazu müssen wir dem Atem keine Anweisungen geben, der Atem reguliert sich weise von allein. Nur im Schock oder schockartigen Erkrankungen wie Asthma ist die Flexibilität außer Kraft gesetzt und damit auch die Fähigkeit der Selbstregulation.Die Achtsamkeit für den Atem verhilft uns dazu, dass wir uns seiner Weisheit bewusst werden und dass wir zu einer Haltung angeregt werden, dem Atem Spielräume für diese Weisheit zu lassen und die Weisheit des Atems als Hinweis für das zu nutzen, was in uns als innere und äußere Bewegtheit vorhanden ist.

 Der Atem ist dankbar. Wenn wir Menschen unserem Atem Achtsamkeit schenken, verändert sich der Atem in Dankbarkeit, zumeist wird er ruhiger, manchmal auch aufgeregter, häufig weiter oder tiefer. Die Achtsamkeit für den Atem schafft diesem den Raum, so zu sein, wie es seiner Weisheit angemessen ist. Der Atem bedankt sich für die Aufmerksamkeit, indem er sich auf unser jeweils aktuelles Erleben einstellt.

Übungen zur Atem-Achtsamkeit gibt es sehr viele, wir werden einige aus der Gruppenarbeit exemplarisch vorstellen, die sich genauso gut für die Arbeit mit einzelnen KlientInnen eignen. Einige dieser Einheiten beinhalten die Möglichkeit des Körperkontaktes. Dazu als grundsätzliche Anmerkung: Wir sind in Bezug auf körperliche Berührungen vorsichtig und behutsam, schließen sie aber nicht grundsätzlich aus. Bei manchen KlientInnen verbieten sie sich generell oder in bestimmten Phasen der Therapie. Bei anderen auf Berührungen zu verzichten, würde kränken und therapeutische Möglichkeiten außen vor lassen. Immer fragen wir, ob die Berührung gewünscht bzw. akzeptiert wird, und bieten Alternativen an.

„Sucht euch einen Platz, auf dem ihr bequem einige Minuten stehen könnt …

Nehmt euren Atem wahr …

Nehmt wahr, wie ihr einatmet, wie ihr ausatmet und wie ihr eine vielleicht kleine, vielleicht größere Pause zwischen den Atemzügen macht …

Wenn ihr einatmet, begleitet euch innerlich mit den Worten ‚ich atme ein’, wenn ihr ausatmet, begleitet euch innerlich mit den Worten ‚ich atme aus’ …

Wenn ihr einatmet, begleitet euch innerlich mit dem Wort ‚ein’, wenn ihr ausatmet, begleitet euch innerlich mit dem Wort ‚aus’ …

Wenn ihr einatmet, sagt ihr euch ‚ein’, wenn ihr ausatmet, sagt ihr euch ‚ich begrüße mich’ …

Die Idee, den Atem innerlich mit den Worten „ich atme ein“ und „ich atme aus“ zu begleiten, stammt von dem vietnamesischen Buddhisten Thich Nhat Hanh (1996, 1997, 1998). Dieser arbeitet viel mit der Atem-Achtsamkeit und hat diese meditationsfördernde Arbeit in seinen Büchern beschrieben. Häufig gibt er beim Ausatmen Bilder und Qualitäten in den Erlebensprozess hinein, z. B. „Frische“. Wir arbeiten eher mit Begrüßungen, beispielsweise:

„… Wenn du einatmest, sage dir innerlich ‚ein’, wenn du ausatmest sage dir, guten Morgen’ (oder: guten Abend, guten Tag) …’’

Oder:

„… Wenn du einatmest, sage dir innerlich ‚ein’ und wenn du ausatmest begrüße dein Herz …“

Sehr schön finden wir:

„… Wenn du einatmest, sage dir innerlich ‚ein’, wenn du ausatmest, schenke dir ein Lächeln …“

Oder wir fragen nach dem Erleben: „… Wenn du einatmest, sage dir innerlich ‚ein’, wenn du ausatmest, nimm wahr, was du erlebst …“

Eine Übung der Atem-Achtsamkeit, die vor allem dem erlebten Atemraum Aufmerksamkeit schenkt, ist folgende:

„Sucht euch einen Platz im Raum, an dem ihr es euch gemütlich machen könnt. Nehmt euch Decken oder Matratzen und legt euch bequem auf den Boden …

Nehmt wahr, wie ihr ein- und ausatmet …

Nehmt die Pausen und den Fluss eures Atems wahr …

Nehmt wahr, wie sich euer Brustkorb beim Atmen bewegt. Legt eine Hand oder beide Hände dorthin und spürt, wie euer Atem die Hand oder die Hände bewegt …

Nehmt nun wahr, wie sich euer Bauch beim Atmen bewegt, legt die Hand oder die Hände dorthin und nehmt wahr, wie der Atem die Hände berührt …

Geht nun zu der Region unterhalb des Bauchnabels, legt auch dort die Hände hin und nehmt wahr, ob und wie der Atem euch bewegt, beeinflusst, berührt. Wenn ihr keine Bewegung der Hände wahrnehmt, ist auch dies kein Makel, seid nur achtsam und nehmt wahr, was ist, registriert, spürt hin …

Legt nun eure Hände rechts und links seitlich, etwa in die Gegend der Nieren. Und nehmt auch dort wahr, ob und wie euer Atem die Hände bewegt, berührt …

Führt nun die rechte Hand unter die linke Achsel, berührt die obere linke Rippengegend. Nehmt auch dort die Atembewegung wahr …

Führt nun die linke Hand unter die rechte Achsel und berührt die rechte Rippengegend …

Legt nun eine Hand oder beide Hände auf den Hals und den Bereich des Schlüsselbeins und spürt auch dort die Atembewegungen …

Geht nun mit euren Händen auf eine Entdeckungsreise im Kopfbereich, legt sie hierhin und dorthin und spürt nach, ob und gegebenenfalls wie ihr etwas von euren Atembewegungen wahrnehmt …

Legt nun die Hände dorthin, wo ihr sie gern liegen haben wollt, und lasst den Atem fließen …

Nehmt nun den ganzen Raum wahr, den der Atem in euch ausfüllt. Es geht nicht um Anatomie, sondern darum, welchen Raum ihr erlebt, welchen Atemraum in eurem Körper …

Nehmt wahr, wie der Atem in diesen Raum hineinfließt und wie er wieder hinausfließt …

Nehmt wahr, wie euer Atem für euch sorgt, indem er Altes hinausnimmt und Neues, Frisches in euch hineinbringt, wie er dies tut, ohne dass ihr etwas dafür leisten müsst, wie er es immer für euch tut …

Nehmt auch wahr, wie der Atem dankbar ist für die Achtsamkeit, die ihr ihm schenkt, vielleicht hat er sich etwas verändert gegenüber dem Atem, den ihr am Anfang dieser Einheit wahrgenommen hat. Nehmt ihn wahr, wie er jetzt ist, auch die Veränderungen …

Nehmt wahr, wie es euch jetzt geht, wie ihr euch erlebt …

Und gebt nun zum Ausklang eurem Atem ein Wort, einen Begriff, vielleicht auch einen Satz oder stellt ihm eine Frage, ganz allein für euch, ganz privat …

Und nun bereitet euch wieder darauf vor, die Augen zu öffnen, wenn ihr sie geschlossen habt, und mit der Aufmerksamkeit wieder in den Raum und in die Gruppe zurückzukehren. Der Atem wird weiter für euch sorgen, dankbar, dass ihr ihm Achtsamkeit geschenkt habt …

Und kehrt nun mit der Aufmerksamkeit in den Raum zurück.“

Solche Übungen kann man unendlich variieren. Aus ihnen können Bilder entstehen, Klänge und vieles andere mehr. Die Atem-Achtsamkeit kann auch dialogisch in Partnerübungen erfahren werden. Dazu ein Beispiel:

„Sucht euch eine Partnerin oder einen Partner eures Vertrauens …

Eine oder einer von euch legt sich bequem auf eine Decke, die andere Person setzt sich auch möglichst bequem daneben. Die liegende Person achtet nur auf ihren Atem, nimmt wahr, wie sie einatmet und ausatmet …

Die sitzende Person achtet ebenfalls auf den eigenen Atem und, so gut es geht, gleichzeitig auf den Atem der Partnerin oder des Partners …

Ihr Sitzenden, spürt nun einem Impuls nach, wo ihr euren liegenden Partner oder eure liegende Partnerin berühren wollt, wo eine Berührung eurer Hand seinem bzw. ihrem Atmen gut tun würde. Vielleicht fällt euch eine Stelle ein, indem ihr den Atem eurer Partnerin oder eures Partners beobachtet, vielleicht entspringt der Impuls aus eurer Resonanz zur Partnerin oder zum Partner …

Wenn ihr einen solchen Impuls habt, fragt die Partnerin oder den Partner, ob ihr dort die Hand auflegen könnt oder ob ihr lieber die Hand einen Zentimeter über diese Stelle halten sollt. Und dann tut dies …

Ihr könnt nach einiger Zeit eine weitere Stelle ausprobieren oder aber bei dieser einen Stelle bleiben. Seid frei in euren Impulsen. Auch wenn ihr den Impuls verspürt, z. B. die Füße zu berühren, also Körperregionen, die der Atem anatomisch nicht erreichen kann, folgt ihm. Geht euren Impulsen nach, nehmt sie ernst, nehmt euch ernst, nehmt eure Partnerin oder euren Partner ernst …

Zum Abschluss probiert noch eine Berührung, die ihr euch noch nicht getraut habt oder die ihr gerne zum Ausklang dieser Partnerarbeit eurer Kollegin oder eurem Kollegen gönnen wollt. Wenn ihr unsicher seid, ob ihr das dürft, fragt eure Partnerin oder euren Partner …

Löst nun eure Hand langsam in Zeitlupe von der Partnerin oder dem Partner ab …

Die liegende Person lässt die Berührung nachwirken …

Die liegende Person kommt nun, mit der Aufmerksamkeit wieder in den Raum zurück. Die Sitzenden streifen ihre Hände ab und tauschen sich mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner über die Erfahrungen, die sie gemacht haben, aus.

Diese Einheit benötigt mindestens 20 Minuten Zeit und eine Stimmung der Muße. Es empfiehlt sich, anschließend einen Rollenwechsel zwischen den PartnerInnen vorzunehmen.

Klingen, um in sich zu wohnen 2

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