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Februar: Schreiberlinge // Manfred Mann // Gas:
ОглавлениеAnfang Februar: Johannisbeerbüsche und auch Pfingstrosen zeigen bereits aufspringende Knospen, die wie Federbüschel, mit rosa-rotem Saft gefüllt scheinen. Auch die kleinen Zweige füllen sich mit Saft und werden allmählich grün. Kleine, verästelte frische grüne Blättchen sprießen auf dem Boden, unterhalb des Hortensienstrauches heraus. Was ich riechen kann bestätigt mir ein Geschmackstest: Es ist die Gartenkresse die bereits aus dem Boden herauswächst. Auch an einer weiteren Stelle im Boden werde ich fündig: Zwischen verdorrten hellen Gräsern, erscheinen kleine, helle, frische Pflanzenspitzen: Hurra, ich habe den ersten Schnittlauch des Jahres gefunden. Einige, kräftig schmeckende Spitzen werden mir zur Blutreinigung nach der langen Winterzeit dienen. Allgemein hoffe ich, daß sich die Pflanzen nicht zuviel vorgenommen haben, denn es kann jederzeit die nächsten Tage wieder kälter werden. Tulpenspitzen durchdringen die Bodenschichten und zeigen daß es der Natur ernst ist sich gegenüber der Winterruhe durchzusetzen. Kraft und Energie scheinen überall vorhanden zu sein und zum sofortigen Aufbruch bereit.
In meinem Wohnzimmer ist es kuschelig warm und Martina und Manfred sitzen harmonisch auf Sesseln Martina liest in einem Gedichtband von Alexander Puschkin, während sich Manfred den Zeitungen widmet, die er unter der Woche immer nur punktuell liest. „Martina, da steht ja was ganz interessantes über Katzen“, meint er und Martina schaut von ihrer Lektüre auf. „Der Redakteur – (Anmerkung Coon: Übrigens handelt es sich um den Dummbrumm vom letzten Jahr, der einmal für und dann wieder gegen die Katzen geschrieben hat) – fragt ob Katzen aggressiv machen. Eine Studie der Universität Chicago hat demnach ergeben, das der Katzenparasit „Toxoplasma gondii“, dessen Eier mit dem Katzenkot ausgeschieden werden, bei Menschen Aggressionen auslösen können. Viele Patienten mit unkontrollierbaren Wutausbrüchen wurden untersucht. Fast jeder vierte der Jähzornigen hatte sich im Laufe seines Lebens mit der Toxoplasmose infiziert. Bei der Kontrollgruppe war nur jeder zehnte jähzornig gewesen. Nach dem Bericht war bislang nur bekannt, daß die Toxoplasmose das Verhalten von Beutetieren beeinflusst. So verlieren Mäuse ihre instinktive Angst vor Beutejägern und werden so schneller von Katzen gefangen, wodurch der Erreger wieder in den Organismus der Katze gelangt, der das bevorzugte Wirtstier ist. Jetzt wurde festgestellt, daß infizierte Autofahrer deutlich häufiger in Autounfälle verwickelt sind als Menschen ohne Toxoplasmose-Infektion. Der Erreger scheint die Risikobereitschaft der Autofahrer zu erhöhen“. Martina überlegt kurz und meint dann: „Und was ergibt sich für uns daraus? Händewaschen wie wir es immer machen, also kann uns so etwas nicht passieren“! Gute Martina denke ich, und noch mehr: Der Mensch will sich mal wieder durch Studien davor drücken für sein Verhalten auch die Verantwortung zu übernehmen. Wie sage ich immer: Typisch Mensch! Das erinnert mich an einen Ausspruch von Lichtenberg: „Vom Wahrsagen läßt sich wohl leben in der Welt, aber nicht vom Wahrheit sagen“.
Doch mein Missfallen gegenüber dem Schreiberling muß ich doch irgendwie zum Ausdruck bringen und so schleiche ich einige Tage um die Zeitungsredaktion herum, schaue mir an wo die Lokalredaktion mit meinem dilettantischen „Schreibtischtäter“ genau ist, und wie der Tagesablauf stattfindet. Wer, wann eine Zigarette raucht, lange Zeit auf der Toilette zubringt, oder wann die Belegschaft zum Frühstück, oder zur morgentlichen Redaktionssitzung geht. Ein besonderes Augenmerk lege ich dabei auf den „Katzenschreiberling“ Wie hat sich Josepj von Ligne geäußert?: „Es gibt Leute, die nachdenken, um zu schreiben. Andere schreiben, um nicht nachdenken zu müssen“.
In der Nacht fange ich noch einige Mäuse und Ratten. Die Körper, ohne die dazugehörigen Köpfe, hinterlege ich teilweise, gut versteckt einmal bei meinem Freund Tiger die anderen bei meinen Damen, die vielleicht in den nächsten Tagen auch wieder einmal ins Freie dürfen und dann meine Geschenke besonders zu würdigen wissen werden. Dann bin ich frühzeitig am Morgen wieder, mit den Nagetierköpfen, bei der Zeitungsredaktion und beobachte erneut die Geschehnisse. Als die Redakteure zur Sitzung gehen, schleiche ich mich in den großen Büroraum, gehe zum Arbeitsplatz des „Schreiberlings“, sehe mich nochmals gewissenhaft nach allen Seiten um und springe dann auf den Schreibtisch des „Dummbrumm“. Dort lege ich die mitgebrachten Köpfe direkt neben duftende Croissants, die noch in einer Papiertüte verpackt sind. Darüber lege ich die Zeitung, mit dem Artikel über die Toxoplasmose und begutachte mein Werk von allen Seiten. In Ordnung denke ich mir, die Zeitung ist über dem Arbeitsplatz, zunächst wird man die Köpfe nicht bemerken. Erst wenn die Zeitung weggeräumt wird, werden die Köpfe den Schreibtischinhaber anstarren. Solche hinterlegten Köpfe sind ein Zeichen von Katzen, daß sie mit der Handlungsweise von Menschen nicht einverstanden sind und diese aufs schärfste verurteilen. Hoffentlich hilft meine Missbilligung gegenüber dem Dilettanten, daß aus dem Anfänger oder Suchenden was dieser Begriff eigentlich bedeutet, ein Wissender und Forschender wird – vor allem ein Forschender mit Weitblick und Wahrheitsliebe. Ich verlasse unbemerkt die Räumlichkeiten der Redaktion, gehe zum Haus gegenüber, schleiche dort auf einen erhöhten Mauersims und kann von dort ins Gemeinschaftsbüro sehen. Es dauert noch eine ganze Zeit bis sich alle Redakteure wieder an ihren Plätzen befinden. Besonders „mein Redakteur“ scheint über unendlich viel freie Arbeitszeit zu verfügen, denn bestimmt 20 Minuten länger als alle anderen ist er weg. Ob sein Brötchengeber damit einverstanden ist, überlege ich mir, doch wenn ich so weiter nachdenke ist es vielleicht sogar besser daß er nicht so arbeitswillig ist, denn wie viel mehr an Blödsinn könnte der Bursche zusätzlich dann erst noch verzapfen? Ha, endlich kommt er, hochnäsiger Blick seinen Kollegen gegenüber, die bereits schon wieder lange am „schaffen“ sind, dann schaut er sich um, wer ihm die Zeitung über seinen Arbeitsplatz gelegt hat, schnauft scharf Luft durch die Zähne ein, sieht sich nochmals um, ob sich einer seiner Kollegen durch ein verkniffenes Gesicht, oder unterdrücktes Lachen verrät. Nachdem dies offensichtlich nicht geschieht, nimmt er die Zeitung von seinen Croissants und meinen Mäuse- und Rattenköpfen auf dem Tisch.
Hui denke ich, wie schnell der große Augen machen kann – blasse Hautfarbe, jetzt knallrot, jetzt grünlich, wieder ins weiße gehend, - schon toll wie nahe ihr Menschen in eurem Farbenspiel einem Chamäleon kommen könnt und so berauschend schnell dazu. Und dann, die gleichzeitige Schnappatmung, bei sich ständig änderten Hauttönungen, das macht euch so leicht kein anderes Lebewesen auf diesem Planet nach. Wie sagt man bei euch dazu: „Chapeau“, wenn man den Zylinder in tiefer Bewunderung vor jemandem zieht. Nun gut, der Schreiberling hat sich dann in seiner Aufführung vor seinen Kollegen sogar noch gesteigert, hat so gemacht als wollte er noch etwas sagen und die Stimme würde ihm dabei versagen. Dann hat er auch noch geschwankt und man hat sogar einen Krankenwagen kommen lassen, damit er im Krankenhaus sich etwas ausruhen konnte. Ich muß gestehen, seine Aufführung war einfach: „Bühnenreif“. Vielleicht nicht ganz oskarwürdig, denn dazu hat er doch etwas zu dick aufgetragen und es war etwas zu theatralisch, doch alles in allem, Gratulation für diese Vorstellung.
Als wenige Tage später von der oberen „Zeitungs-Heeresleitung“ nachgefragt wird, wer die Nagetierköpfe auf den Schreibtisch platziert hat, gibt sich niemand zu erkennen. Ich würde es mit gutem Gewissen schon tun wollen, denn erstens bin ich nicht feige und zweitens war die Aktion schließlich nicht ohne Grund erfolgt, aber seit diesem Ereignis werden die Räumlichkeiten der Redaktion immer abgeschlossen und so ist es nun schwerer in die Zimmer zu gelangen. Der „Schreiberling“ sieht jetzt vorsichtig unter jede Unterlage die er auf seinem Schreibtisch liegen hat. Auch Schubladen öffnet er mehr als vorsichtig, dabei habe ich dort weder etwas Totes, noch etwas Lebendiges hineingetan.
Zwei Tage später mache ich einen Besuch bei Horst, auch um zu sehen wie es ihm geht. Schon einige Häuser vor seinem Anwesen höre ich Musik aus seinen Räumen dringen und höre genauer hin. Gitarrensolo, sowie kunstvoll eingestreute Betätigung am Keyboard und am Synthesizer zeigen mir, daß hier offensichtlich eine Gruppe mit besonderem Gespür tätig ist. Ein Musikstück endet und es ist die Begeisterung des Publikums ebenfalls mit auf der Schallplattenaufnahme festgehalten worden. Ich muß schon etwas lauter Miauen um mir an der Türe Gehör zu verschaffen. Die Lautstärke wird zurückgedreht und Horst öffnet mir mit einem seeligen Lächeln, das jedoch nicht mir, sondern der Musik gilt: „Manfred Mann`s Earth Band, Live, Budapest“. Aha, denke ich mir, dann gehen wir hinein und ich setze mich auf meinen Sessel um mir die Langspielplatte mit anzuhören, während Horst immer wieder interessante Informationen über die Gruppe einstreut: „ Manfred Mann heißt eigentlich Manfred Sepse Lubowitz und ist in Südafrika 1940 geboren. Bereits in seiner Jugend erlernte er das Klavierspielen und trat als Jazzmusiker in Johannesburger Clubs auf. Zusammen mit seinem Schulfreund Harry Miller hat er damals die Rock´nRoll-Band „The Vikings“ gegründet und zwei Lps, mit Erfolg in den Charts herausgegeben. Manfred Mann studierte dann klassische Musik und ist 1961 zusammen mit Miller nach Englang umgesiedelt. Unter dem Pseudonym Manfred Manne schrieb er Artikel, später ließ er das „e“ weg und benutzte den Namen Manfred Mann für seine Auftritte. Als „Blues Brothers“ wurde eine Gruppe gegründet, bis Anfang 1963 die Band einen Plattenvertrag bei EMI abschloss. Dabei wurde der Namen in Manfred Mann geändert und die Gruppe war äußerst erfolgreich. 1966 verließ der tolle Sänger Paul Jones, für eine Solokarriere die Band. Der neue Sänger Mike d´Abo wurde gegenüber Rod Stewart bevorzugt. Die anderen Mitglieder waren Dave Berry, Mike Hugg, Klaus Voormann und Tom McGuinness, der später McGuinness Flint gründete und einen „One-Hit-Erfolg“ mit „When I am dead and gone“, übrigens von Manfred Mann geschrieben, hatte. Die Gruppe Manfred Mann produzierte zahlreiche eigene Hits wie: „My Name is Jack“, „Fox on the Run“, „Ha, ha, said the clown“, daneben wurden aber auch Coverversionen anderer Gruppen produziert: Von den Exciters „Do wah diddy”, von Bob-Dylan: „Just like a woman“, „Mighty Quinn“ und „If wou got to go, go now“. Bob-Dylan hat Manfred Manns Gruppe als beste Interpreten seiner Stücke bezeichnet. Manfred Mann hat seinen Stil immer progressiver ausgelegt und mit seinem Synthesizer den Rock erheblich beeinflusst. Später hat er sogar Plattenalben mit fast ausschließlich Gesängen und Musikelementen nordamerikanischer Indianer herausgebracht. Ich habe ihn schon in Live-Auftritten gesehen und mit seinen weit über 70 Jahren ist er – auch musikalisch – noch toll in Form und begeistert das Publikum“. Der Plattenspieler hat längst schon abgeschaltet, und jetzt ist eine ruhige Pause aufgetreten, weil Horst verträumt schaut und sich die Gefühle des damaligen Auftritts ins Gedächtnis zurückruft. Dann lacht er verschmitzt und als ich aufsehe meint er nur: „Eine Besonderheit einer LP von Manfred Mann habe ich noch da“, dann holt er eine neue Langspielplatte aus einer Aufbewahrungsbox, legt die Platte auf und zeigt mir das Cover: „„The Good Earth“ von 1974, als Besitzer dieses Plattenalbums hast du dich bis zum 31.12.1975 registrieren lassen können, um „one square foot of the earth, auf einem Hochplateau, in Wales“, zu erhalten. Natürlich habe ich das nicht gemacht, wie Du am nicht abgeschnittenen Kupon siehst“. Dann lacht Horst wieder und zusammen hören wir weiter der Musik zu. Erstaunlich fortschrittlich zur damaligen Zeit denke ich mir. Selbst heute, rund 40 Jahre später gibt es nicht viele Gruppen die über so viel musikalische Klasse verfügen und das damals geleistete wiederholen könnten. Ganz andere Musik als noch wenige Jahre zuvor denke ich mir. Manfred Mann nach wie vor am Keyboard, nun Mick Rogers der singt und Gitarre spielt, Colin Pattenden an der Bass-Gitarre und Chris Slade am Schlagzeug. Mit dem Schwanzende schlage ich leicht den Takt mit, der immer schneller zu werden scheint. Fast ekstatisch wirkt das Musikstück „Earth Hymn“. „Oh entschuldige“, meint Horst plötzlich und reißt mich aus meinen Gedanken. „Was bin ich doch für ein schlechter Gastgeber, meinem Freund noch nicht einmal eine Kleinigkeit anzubieten“! Ich winke mit meiner Pfote besänftigend ab, Horst lacht schallend, wicht sich einige Lachtränen mit der Hand aus den Augenwinkeln und spricht laut während er in die Küche geht: „Einfach nicht mit Geld zu bezahlen dieser Kater“. Dann höre ich zwischen den Musikgeräuschen die Kühlschrank- und andere Schranktüren auf – und zugehen, höre das Kleppern von Metall und schließlich das Braten von Öl in einer Pfanne. Nach einigen Minuten Tellerklappern, die neu aufgelegte Langspielplatte ist auch zu Ende, kommt Horst mit zwei Tellern zurück: „ich hoffe Du hast etwas Hunger mitgebracht“ meint er und sieht mich fragend an. Ich hebe leicht meinen Arm und schwenke die Pfote leicht von einer Seite auf die andere um zu zeigen daß ich nicht wegen des Essens zu ihm gekommen bin, aber der gebratene Steinbutt war doch auf den Punkt und mit gutem Appetit habe ich meine Portion verdrückt. Ich hatte überhaupt nicht gewusst wie hungrig ich wirklich gewesen war. Nachdem Horst nach dem Essen wieder alles verräumt hat, haben wir uns noch eine weitere Langspielplatte von Manfred Mann angehört und müssen darüber eingeschlummert sein, denn erst die „Ausfunktion“ des Plattenspielers hat uns geweckt. Mit einem gewaltigen Schnurren habe ich mich noch bei Horst bedankt, habe ich von ihm streicheln lassen, weil ich weiß daß ihm das einfach gut tut und bin dann wieder gegangen. „Bis bald höre ich Horst noch sagen“, er winkt mir tatsächlich nach, worauf ich mich nochmals kurz umdrehe und auch meine Pfote zum Abschied hochhebe.
14. Februar: Valentinstag: Es ist noch sehr früh als ich nur mit einem Stück weißen Blatt Papier bewaffnet ins Badezimmer schleiche. Manfred und Martina schlafen noch. Ich suche nach geeigneten Material vor Martinas Badezimmerspiegel. Ganz vorsichtig, damit mir nichts herunterfällt und ich keine Geräusche verursache, öffne ich den aufgesetzten Deckel einer, mit rötlichem Puder gefüllten, kleinen Dose, die Martina immer wieder benutzt, wenn sie ihren Bäckchen einen rötlichen Farbton geben will. Sie nennt das immer „Rouge auftragen“. Ganz vorsichtig versuche ich meine Pfote hineinzudrücken, doch wegen der Winzigkeit des Behälters, ist nur ein Teilabdruck möglich, den ich dann auf das mitgebrachte weiße Papier drücke. Sieht schon gut aus mit meinem Pfotenabdruck denke ich mir, aber noch irgendwie unvollständig. Weitere Male mache ich Teilabdrücke meiner Pfote um auf dem Papier dann, in Herzform, mein kleines Kunstwerk zu vervollständigen. Danach verschließe ich vorsichtig wieder die Dose und nehme das Blatt mit meinen Pfotenabdrücken mit nach unten. Dort lege ich es auf die Tischstelle, wo Martina morgens, vor der Arbeit, immer noch schnell einen starken Kaffee trinkt damit sie wach wird. Arme Menschen denke ich mir, zum wachwerden wird Kaffee benötigt. Damit sie wissen wann sie ein- und ausatmen müssen, werfen sie ständig einen Blick auf ihr „Handy“ und wenn sie schlafen wollen, müssen sie wieder andere Flüssigkeiten zu sich nehmen. Zum Entspannen und für die gute Laune wird dann Wein, oder Bier, oder Whiskey benötigt. Wieso habt ihr über die Jahrtausende überhaupt Euch fortpflanzen können, wenn doch so wenig in Euch von selbst funktioniert? Vielleicht weiß es unser Katzengott, doch für mich bleibt es ein Rätsel. - Möglicherweise liegt es einfach daran daß wir seit so vielen Jahren immer ein Auge auf Euch haben und Euch vor den gröbsten Fehlern beschützen – natürlich nur wenn ihr uns lasst?! Jetzt stöbere ich noch etwas im Süßwarenschrank und finde ein kleines, eingepacktes Schokoladenstück, das im innern eine Haselnuss enthält. Dieses Stück lege ich auf mein signiertes Papier vor Martinas Platz.
Nun heißt es abwarten, doch wir Katzen haben schließlich Abwarten und Geduld gelernt. Nach einer gewissen Zeit: Weckerrappeln, Martina steht auf und schüttelt auch Manfred wach, der gestern Abend mal wieder nicht ins Bett gekommen ist. Als Martina im Bad ihre Morgentoilette beendet hat, kommt sie noch etwas verschlafen in die Küche und stellt sich eine Tasse unter den Kaffee-Vollautomaten. Mit der dampfenden Tasse zum Kühlschrank, etwas Milch mit eingießen und ein Zuckerstückchen mit hinein, Kaffeelöffel aus der Schublade, umrühren und noch etwas säuerlich zum Tisch um sich noch etwas hinzusetzen und ihren Gedanken nachzuhängen. Jetzt schaut sie auf das Papier, ich miaue, springe kurz auf den Küchentisch, obwohl ich natürlich weiß, daß sie das eigentlich nicht mag und zeige auf das von mir künstlerisch mit meinem Fußabdruck gestaltete Blatt Papier und miaue nochmals. Zusätzlich nicke ich noch und lege meine Pfote auf ihren Unterarm, da sie in den Händen immer noch die warme Kaffeetasse hält. Jetzt lacht sie erfreut, streichelt mich und meint: „Wenigstens einer in diesem Haus der an den Valentinstag denkt.
Als Manfred herunterkommt und Martina ihm das Blatt und das Schokoladenstückchen zeigt ist er natürlich „angefressen“, denn natürlich hat der Simpel tatsächlich vergessen was für ein Tag heute ist. Jetzt versucht er sich auch noch herauszureden: „Eh ich weiß natürlich was für einen besonderen Tag wir heute haben, und habe mir deshalb seit langem eine Überraschung überlegt. Heute Abend will ich mit Dir gut essen gehen. Deshalb habe ich auch keine Blumen gekauft. Nach der Arbeit treffen wir uns in der Hauptstraße und gehen dann gemeinsam ins Jagdstübel“. Die Erleichterung über die Notlüge ist ihm anzumerken. Wahrscheinlich hält er sich jetzt auch noch für ein kluges Kerlchen, doch weil ich hilfsbereit bin, versuche ich Manfred heimlich Zeichen zu geben, und schüttele meinen Kopf, als Martina gerade nicht auf mich achtet, aber Manfred ist mal wieder resistent was meine Einwände und Empfehlungen betrifft und ignoriert mich bewusst. Na gut, denke ich mir, wenn er nicht auf meine Hilfestellungen reagiert, kann ich ihm nicht helfen – durch die Rundgänge in meinem Revier habe ich mitbekommen, daß das Jagdstübel seit mehr als zwei Wochen wegen Renovierung geschlossen ist und erst wieder Anfang April öffnen wird. Doch des Menschen Willen ist bekanntlich sein Himmelreich und mehr als helfen kann ich halt auch nicht. Niemand ist so blind wie derjenige der sich blind stellt. Wie ich Manfred kenne, wird er sich selbst dazu beglückwünschen so schnell eine Ersatzlösung für den vergessenen Valentinstag gefunden zu haben. Noch nicht einmal eine Tischreservierung wird er vornehmen und dann wird er heute Abend mit seiner Liebsten vor verschlossenen Türen stehen. Martina wird ihm bestimmt dazu dann einige Takte sagen und die Stimmung an diesem Abend wird erbärmlich, also werde ich heute Abend, bevor die beiden zurückkommen auf große Tour gehen und erst weit nach Mitternacht wieder in meinem Heim eintreffen.
Soeben stellt mir Martina ein besonders delikates Essen hin und sie schaut immer wieder glücklich auf mein Kunstwerk und lächelt versonnen. „Lieber Coon, schade daß Du kein Mensch bist, Dich würde ich sofort als Mann nehmen“. Ich erschrecke kurz bei dem Gedanken ein Mensch zu sein: Nicht mehr selbständig atmen können, alle möglichen Substanzen zu benötigen um aufzuwachen und einzuschlafen, liebe Martina, ich mag dich ja wirklich, aber meine Kätzinnen die in meinem Gebiet leben sind besonders heiß und würden mich mehr als nur ein bisschen vermissen – und ich sie ehrlich auch.
Die Gesichtszüge von Manfred verdüstern sich bei als Martina mich so lobt und ein wenig eifersüchtig meint er: „Ich habe doch den Tag auch nicht vergessen, ich habe Dir doch erklärt daß ich Dich heute Abend im Jagdstübel ganz groß ausführen werde“. Ich schaue ihn nur an und überlege wie man eine Frau in einem geschlossenen Lokal groß ausführen kann. Vielleicht geht er noch bei einer Tankstelle vorbei, holt noch irgend eine Flasche Sekt, und setzt sich dann mit Marina zwischen die unbeleuchteten Gerüstteile vorm Jagdstübel. Doch es ist Februar, ungemütliches Wetter und heute Nacht wird bestimmt auch keine plötzliche Hitzefront in der Pfalz eintreffen. – Zudem: Frauen frieren sehr oft, und sehr schnell. Beide verlassen jetzt mein Zuhause und jetzt kann ich mich noch ein wenig zu einem kleinen Nickerchen zurückziehen, danach mein Essen genießen, Fellpflege und Dehnübungen, danach etwas in meinem Gebiet umsehen und dann wird es Abend sein und ich werde meine Runde vervollständigen. Ob ich mir den Spaß erlauben soll zur vereinbarten Essenszeit am Jagdstübel zu sein? Wohl besser nicht – die enttäuschten Tränen von Martina möchte ich mir sehr gerne ersparen und Manfred soll die Suppe die er sich eingebrockt hat bitte selbst auslöffeln, wenn er schon nicht auf meine hilfreichen Signale reagiert hat, denn Strafe muß in dieser Angelegenheit eindeutig sein.
Mitte Februar, im Freien ist es regnerisch, in manchen Nächten sogar noch frostig und Wind durchdringt auch dicke Kleidungsstücke beim Menschen. Wir Kater sind zwar durch unser Winterfell gut geschützt, aber stärkerer Regen, verbunden mit Wind und Eiskristalle, die in die Augen und in die Nasenlöcher drücken, gefallen uns ebenfalls nicht. Ich weiß nicht ob es etwas mit diesem ungemütlichen Wetter zu tun hat, aber es ist deprimierend, denn die AHA-Seuche ist seit einigen Tagen zurück. Besonders in den Abendstunden und noch mehr an den Wochenenden ziehen sich die Menschen komische Verkleidungen an und rufen Ahoi, Helau und Alaaf und lachen dabei etwas wirr, wobei ihre Augen glänzen, fast als hätten sie Fieber. Ab und zu kommt jemand in prächtiger Ausstattung daher und spielt schrill auf einer Flöte, einer Trompete, oder schlägt gar auf eine Trommel ein, daß es uns Tieren fast die Gehörgänge zerbröselt. Wenn ich einen dieser Menschensorte von weitem schon sehe, mache ich einen respektvollen Bogen um ihn, denn taub können vielleicht Menschen überleben, da sie auch während des Jahres nicht besonders gut hören, aber wir Jäger benötigen unsere intakten Sinne um Euch von Ungeziefer zu befreien. In meinem Heim haben sich meine beiden, kranken Mitbewohner, so richtig ausgelebt: Durch farbige Papierrollen wird geblasen und die langen Papierbänder wurden über Lampen und Schränke geworfen. Farbiges Konfetti wurde auf Tischen verteilt, um die Lampen wurden lichtdämpfende Umhüllungen gestülpt, komische Musik die sich anhört wie „Rumtatata und Bumbadibum“ läuft laut und ununterbrochen und ich hoffe die Seuche bei meinen beiden Zweibeiner wird heilbar – oder doch zumindest beherrschbar bleiben, denn es würde mir leidtun, wenn sie eingeschläfert werden müssten, denn ich kann nun mal keinen Menschen leiden sehen – es sei denn er folgt meinen guten Anweisungen nicht. Martina schaut jetzt auf ihre Armbanduhr: „Noch wenige Minuten, dann kommen unsere Freunde, weil wir alle heute Abend bei uns Karneval feiern wollen. Die Getränke sind vorgerichtet und für zwischendurch gibt es Brötchen und Würstchen“. Anerkennend nickt sie Manfred zu, der in den vergangenen Stunden ebenfalls sehr fleißig gewesen war mein Heim zu verschandeln. Ich frage mich nur wer das alles wieder in Ordnung bringen wird, wenn die Auswirkungen der AHA-Seuche überwunden sein werden. Schon wenige Minuten später hört man die Haustürglocke und ein lautes Begrüßungsritual. Die Gäste haben ebenfalls lustige Sachen an: Lange Zähne, Perücken, schwarze Umhänge, das Gesicht teilweise mit roter Farbe verschmiert, was wahrscheinlich an Blut erinnern soll. Andere – übrigens nur Frauen - knappe Kostümchen an, die für die vorhandene Leibesfülle ein bis zwei Nummern zu klein sind und der Trägerin kaum ein Atmen ermöglichen. Martina hat mir rechtzeitig etwas zu essen gerichtet und oben ins Gästezimmer gestellt. Dorthin ziehe ich mich auch zurück und versuche etwas zu dösen, damit ich die kommende Nacht die Gärten in Augenschein nehmen kann.
Ab und zu zuckt mein Ohr und ich öffne auch mal etwas ein Augenlid, wenn die Geräuschkulisse aus Musik und anderem Lärm zu viel wird. Es scheinen bereits mehrere Stunden um zu sein, als ich aus dem Schlafzimmer meiner beiden Mitbewohner Martinas Stimme höre, zudem eine männliche Stimme, die aber mit Sicherheit nicht Manfred gehört. Interessiert schleiche ich über den Gang, öffne leise die Türe ein weiteres Stück und sehe einen etwa 1,90 Meter großen Menschen, den sie alle den schönen Charly nennen, eng neben Martina auf dem Bett sitzen. Jetzt küsst er sie und hat sie fest in seinen Armen, während Martina dazu angetrunken kichert. Ansonsten scheint ihr der Festhaltegriff durchaus zu gefallen. Jetzt wispert der „Schöne Charly“ in ihr Ohr: „Na komm, hab Dich nicht so, Du willst es doch auch – und zudem ist Fastnacht, da ist doch alles erlaubt. Stell Dich nicht so prüde an, ich sehe doch wie Deine Brüste nach meinen Händen verlangen“. Dann streichelt er auch schon darüber. Jetzt hat er eine Hand auf ihrem Oberschenkel liegen und flüstert in Martinas Ohr: „Du bist jetzt genau das was ich will“. Entweder ist Martina durch die AHA-Seuche geschwächt, oder der Alkohol hat zugeschlagen, oder sie ist wirklich nicht abgeneigt ein Abenteuer einzugehen, denn sie erwehrt sich nur sehr leicht seinen Angriffen. – Nun denn – wer muß in diesem Hause mal wieder alles richten und für Zucht und Ordnung sorgen? Na klar – Coon! Ich springe jetzt ebenfalls auf das Bett und drücke meine Pfote auf Charly´s Handoberseite. Seine Hand liegt immer noch auf dem Oberschenkel von Martina. Charly schaut verdutzt kurz auf seine Hand, dann auf mich und meint: „Verschwinde, du Vieh, du störst“, dann wischt er mit einer drehenden Handbewegung meine Pfote von seiner Hand, als würde er lediglich eine lästige Fliege vertreiben. Na warte, du menschliches Riesenbaby denke ich mir, und schon wischen geschärfte Krallen über die Außenseite seiner Hand. Als er mich zu schlagen versucht, weiche ich mit einem Haken aus, dann ein Fauchen, ein kräftiger Absprung und ich lande mit Wucht auf seinem Brustkorb, wodurch er auf seinen Rücken auf das Bett fällt. Sofort sitze ich auf seinem Hals und mit einem weiteren Krallenwischer gebe ich seiner Nase ein bogenförmiges, blutendes Muster. Martina liegt jetzt ebenfalls auf dem Bett und bekommt kaum noch Luft vor lauter Lachen über das verdutzte Gesicht von Charly. Seine schreckgeweiteten Augen und die Tränen die langsam daraus herquellen, lösen neue Erheiterungsanfälle bei Martina aus. Er scheint dann auch von meiner Behandlung genug gehabt zu haben, denn nachdem ich kurz von ihm abgelassen habe, ist er rasant vom Bett aufgesprungen und hat innerhalb weniger Sekunden, laut fluchend, panikartig, mein Anwesen verlassen – übrigens ohne sich von Martina oder Manfred zu verabschieden und nur mit einem Schuh bekleidet. - Das sieht vielleicht lustig aus kann ich Euch sagen, wenn ein angetrunkener Mensch nur einen Schuh anhat und fluchtartig versucht schnell einen großen Abstand von einem Gebäude zu bekommen. Im Geheimen gebe ich ihm den Namen Käpt´n Ahab, denn auch dieser muß durch sein Holzbein einen besonderen Gang gehabt haben, als er versuchte Moby Dick zu töten, und hier hat der schöne Charly offensichtlich sich Martina als Beute zum Erlegen ausgesucht gehabt – doch zum Glück gibt es ja die höchste moralische Instanz in diesem Haus und die ist – natürlich Euer Coon, denn er bewacht die seinen, selbst wenn sie die AHA-Seuche haben. Zudem, wie Ihr seht, auf manche ungebetenen Gäste kann man getrost verzichten, besonders wenn sie auch noch unerlaubte Beute im Haus der Gastgeber machen wollen. Mein Spruch dazu: „Falsche Triebe, dann setzt es Hiebe“! Eine Person weniger ist auch sonst kein Problem, dann bleibt halt mehr zu essen und zu trinken für die anderen Gäste denke ich mir. Um die übrigen Gäste selbst konnte ich mich jetzt aber nicht mehr kümmern, da ich zu meinem großen Rundgang aufgebrochen bin und meine gute Tat für heute schon erledigt habe.
Auf dem verlassenen Grundstück, wo sich mein Geheimschuppen befindet, erlebe ich eine Überraschung: Lila Blüten sind auf rötlichen Stängeln durch den harten Boden gebrochen und bilden einen breiten Vorfrühlings-Alpenveilchen Teppich. In meinem Schuppen inspiziere ich alle Ecken um zu riechen, ob sich fremde Lebewesen eingeschlichen haben, aber ist alles ist in Ordnung und ich kann zufrieden schon nach kurzer Zeit das Grundstück wieder verlassen.
Schon einige Meter vor dem Haus von Horst erkenne ich seine und Gisela´s Stimmen. Maxl bellt kurz um die beiden darauf aufmerksam zu machen, daß ein besonderer Gast im Anmarsch ist und fast sofort höre ich Gisela die Türe aufmachen. Sie dreht ihren Kopf in Richtung der Küchentüre und ruft über die Schulter: „Unser gnädiger Herr, der schwarze Kater ist soeben eingetroffen und ersucht um Einlass“. Ohne die Antwort von Horst abzuwarten öffnet sie die Türe noch ein Stück weiter und mit einem kleinen Miau als Begrüßung, bin ich auch schon drinnen. Aus der Küche kommen Geräusche und ein seltsamer, süßlicher Geruch schwebt durch den Flur. Aha, denke ich, Horst kocht irgend etwas exotisches. Maxl macht mir etwas Platz, sodaß ich einen guten Überblick habe, während jetzt auch Gisela hereinkommt. Sie erklärt mir die Geschehnisse in der Küche: „Horst kocht etwas asiatisches und wir unterhalten uns gerade über die verschiedenen Geschmacksrichtungen die er zusammenstellt“. Horst, der bislang über der Pfanne gebeugt stand, richtet sich jetzt zu seiner vollen Größe auf und erläutert selbst: „Heute werde ich mich selbst übertreffen: Das Gericht besteht aus einer Mischung von, in Streifen geschnittenem Rindfleisch und Schafffleisch. Beide wurden getrennt voneinander scharf angebraten. Mit den hier stehenden Gewürzen will ich alle Geschmacksnerven herauskitzeln: Sauer und bitter, süß und salzig waren in unserer einheimischen Küchenkultur seit Jahrhunderten bekannt. Seit 1908 wurde als fünfte Geschmacksrichtung das Umami eingeführt. Zu Deutsch bedeutet es der „vollmundige Geschmack“. Dieser Geschmack beruht auf dem Glutamat, dies ist das Salz der Glutaminsäure, also einer Aminosäure. Das Salz selbst ist praktisch geschmacksneutral, verstärkt aber den Charakter von Fleisch und herzhaften Gerichten. Die anderen vier alten Geschmacksrichtungen werden dabei in ihrer Intensität nicht verändert“. Derzeit versuchen Wissenschaftler noch eine sechste Geschmacksrichtung, nämlich „fett“ als eigenständige Richtung zu implementieren, jedoch ist diese Geschmacksrichtung nur im Zusammenwirken mit der richtigen Kombinations-Konzentration erkennbar. Wenn beispielsweise süß und sauer vorhanden sind, wird „fett“ häufig mit „bitter“ verwechselt. Deshalb ist die Entscheidung ob diese neue Geschmacksrichtung offiziell anerkannt wird, noch längst nicht gefallen“. Gisela nickt dazu und der Duft des Gerichtes in der Küche intensiviert sich weiter. Nicht nur mir läuft das Wasser im Mund zusammen, doch Horst meint es dauert noch einige Zeit bis alles so gekocht ist, daß es ihn als Amateurkoch, zufriedenstellt. Gisela holt in der Zwischenzeit ein kleines Büchlein mit handgeschöpftem Papier, in das sie vor längerer Zeit einige Sinnsprüche geschrieben hat, von denen sie einige zum Besten gibt: „Oscar Wilde schreibt in „Lady Windermeres Fächer: Die Männer sind Bestien. Darum ist es höchst wichtig, die Kerle gut zu füttern“. Sie blättert einige Seiten um und liest lachend weiter vor: „Stammt von Erasmus von Rotterdam, aus seiner Schrift: „Lob der Torheit“: Ob aber ein fröhliches Mahl überhaupt ohne Frauen denkbar ist, lasse ich unentschieden. Ich führe nur die Tatsache an, daß jeder Schmaus, der durch die Torheit nicht belebt wird, der lieblichsten Würze entbehrt“. Horst meint knurrend zu ihren Sprüchen: „Wilhelm Busch fällt mir ein: „Denn hinderlich wie überall, ist hier der eigne Todesfall“. Lachend heben die beiden halbgefüllte Weingläser mit Rotwein, die auf dem Küchentisch stehen, prosten sich gegenseitig zu, verbeugen sich kurz vor Maxl und mir und meinen: „Auf unser Wohl und auf das Wohl unserer Gäste“. Dann lachen beide, trinken jeweils aus ihren Gläsern und stellen diese wieder auf den Tisch. Gisela blättert wieder in ihrem Büchlein: „Hier ist noch ein schöner Spruch von Mark Twain: „Zuerst schuf der liebe Gott den Mann, dann schuf er die Frau. Danach tat ihm der Mann leid, und er gab ihm Tabak“. Einige Zeit später zitiert sie einen Spruch von König Ludwig dem Heiligen: „ Ich wünsche, daß sich alle Frauen meines Reiches hübsch machen, damit es ihre Männer leichter haben, treu zu bleiben“. Horst lächelt wissend und nickt zustimmend. Maxl ist mittlerweile trotz der Duftpalette in der Küche eingeschlafen; ich freue mich nur, daß unsere Katzendamen einen solch großen Aufwand, wie er von König Ludwig dem Heiligen gewünscht wurde, nicht nötig haben und immer hübsch und verführerisch sind. Etwas muß ich nun auch schmunzeln, wenn ich an meine vierbeinigen Schönheiten denke und mir vorstelle wie sie in einem Korsett oder mit einem verführerischen Kleid aussehen würden. Endlich höre ich dann Tellergeklapper und nur wenige Minuten später wird aufgetischt was Horst zu vortrefflich gekocht hat. Etwas scharf, aber wohlschmeckend und wofür gibt es schließlich auch Wasser zum Löschen? Während des Essens im Wohnzimmer, hat Horst Musik aufgelegt, was mich wiederum an einen Spruch des Dichters Grabbe erinnert: „Beim Essen ist Musik ein guter Prüfstein; denn ist das Essen gut, so hört man die Musik nicht (Don Juan)“. Die Musik höre ich vor allen Dingen heute deswegen nicht, weil ich wegen der Schärfe des Essens immer wieder tief Luft einziehe. Auch Maxl hat mittlerweile die zweite Wasserschüssel geleert und sein Bauch hängt schon fast bis auf den Boden herunter. Horst und Gisela machen sich statt Wasser lieber über den Wein her und auch sie scheinen von der Musik nicht allzu viel mehr mitzubekommen. Nach angemessener Ruhezeit und nachdem sich meine Zunge wieder erholt hat, habe ich mich kurz von Maxl verabschiedet, denn Horst und Gisela sitzen nur noch lethargisch herum, was ich als „betrunken“ eingestuft habe. Dann bin ich weiter durch mein Gebiet patrouilliert.
Es ist mitten in der Nacht, ich befinde mich an der Ecke 2.Querstraße zur Hauptstraße, mittlerweile leichter Regen und kalt, von ferne höre ich bereits ein Fahrzeug stark beschleunigt, teilweise mit durchdrehenden Reifen, aufbrüllendem Motor und lauter, dröhnender Musik aus Richtung des Marktplatzes kommend in die Hauptstraße einbiegend. Da die Geräuschkulisse extrem schnell näher kommt, springe ich rasch auf ein Mäuerchen um zu sehen wer einen solchen unproduktiven Lärm verursacht. Da ist es wieder: Das knallrote, tiefer gelegte, getunte Fahrzeug. Die Fahrzeugbeleuchtung vorne erinnert an Raubkatzenaugen, die Autoscheiben dunkel getönt. Rücksichtslos und ohne jede Chance ein Bremsmanöver erfolgreich abschließen zu können, saust dieser hirnrissige Fahrer durch die nächtlichen Straßen. Bis wegen der extremen Lautstärke die ersten erwachten Anwohner Licht gemacht haben und aus ihren Fenstern sehen, ist dieser Bursche bereits in weiter Ferne entschwunden. Mir scheint er ist in Richtung des Nachbarortes gerauscht. Ein Lebewesen das die Straße überquert hätte, wäre nicht in der Lage gewesen noch rechzeitig auszuweichen oder zu fliehen. Dieser unbesonnene Autofahrer ist für mich ein künftiger Mörder, denn durch seine Raserei wird er mit Sicherheit eines Tages anderen Verkehrsteilnehmern Schaden zufügen.
Zwei Tage später, beim reinigen meines Fells überlege ich, daß ich meinen Friseur Raimondo in diesem Jahr noch nicht besucht habe. Ihr kennt doch meinen Fell-Stylisten Raimondo noch? Um die 40 Jahre jung, ursprünglich dunkle Haare, die einen rötlichen Stich haben und sich mittlerweile deutlich lichten. Sizilianer mit blauen Augen, die darauf hindeuten, daß in seiner langen Ahnenreihe wohl einige normannische Adelige mit beteiligt waren, die als Könige von Sizilien geherrscht hatten. Zielstrebig suche ich sein Geschäft auf. Es scheint derzeit nicht so viel Betrieb zu sein, denn heute sind nur 3 seiner Mitarbeiterinnen anwesend. Raimondo öffnet mir selbst die Türe, macht eine leichte Verbeugung und meint: „Ich freue mich meinen verehrten Kunden, den Herrn Kater begrüßen zu dürfen. Ich bitte den Sessel einzunehmen und sich verwöhnen zu lassen. Die anwesenden Kunden im Geschäft und die Bediensteten freuen sich sichtlich über meine Anwesenheit und einige holen ihre flachen Gegenstände aus den Taschen, aus denen leichte Blitze kommen und sprechen auch in die Geräte hinein. Von dem Rummel um mich herum lasse ich mich jedoch nicht stören und Raimondo beginnt mit meiner Fellpflege. Sanft durchkämmen, leicht nachbürsten und schon entspanne ich mich und mache ein kleines Nickerchen. Zwischendurch mal auf die eine Seite drehen, dann wieder auf die andere, damit das Werk auch vollständig ausgeführt werden kann. Als ich wieder mal ein Auge öffne, bemerke ich daß weitere Kunden im Laden sind und einige um Raimondo und mich herumstehen, mit ihren Blitzapparaten kurz etwas machen und ganz begeistert durcheinander sprechen: „Ach wie süß, sieh nur wie lieb der Kater schläft und wie entspannt er daliegt. Ich rufe noch Elvira an“. „Raimondo, wenn es geht, wollen wir jetzt auch einen Termin bei Dir haben“. „Hast Du noch Leute für meine Haare fragt eine weitere Kundin“. Immer mehr Frauen kommen ins Geschäft, bis Raimondo an seine Mitarbeiter die Anweisung gibt sofort bei den anderen Bediensteten anzurufen und zu fragen ob sie jetzt Zeit haben vorbeizukommen, weil der Laden voll ist und jede Hand gebraucht wird. Schon nach kurzer Zeit sind alle Stühle mit Kundinnen besetzt und rasch herbeieilende Bedienstete arbeiten nach Kräften den plötzlichen Kundenstrom ab. Zwischenzeitlich erzählt Raimondo seinen Kunden was er in der Zeitung gelesen hat: „Haben Sie das auch gelesen? In einem Chinesischen Bezirk, in Zenteralchina, ist den Angestellten das Rauchen verordnet worden. Die Bezirksregierung von Gongán in der Provinz Hubei ordnete an, daß die Behördenbeschäftigten jährlich 250.000 Packungen von in Hubei produzierten Zigaretten rauchen müssen. Abteilungen die verordnete Mengen nicht einhalten, müssen Strafe bezahlen. Die Vorgabe bringt höhere Tabaksteuereinnahmen und zudem werden die örtlichen Zigarettenhersteller unterstützt. Ob die Behördenchefs Verwandte bei den Zigarettenherstellern haben ist allerdings nicht bekanntgegeben worden“. Die Kundschaft nimmt regen Anteil an dem Inhalt des Presseartikels: „Bestimmt halten die die Hand auf“. „Vielleicht gehört die Firma des einen oder anderen Zigarettenherstellers sogar ganz der Familie der Behördenchefs“? Ich schlummere weiter und lasse mich von der allgemeinen Unruhe und Diskussion um mich herum überhaupt nicht stören. Jetzt drehe ich mich auf den Rücken und Raimondo kann so meinen Hals, die Brust und meinen Bauch sanft kämmen. Jetzt höre ich mit halbem Ohr ein laut vernehmliches Schnurren im Raum. Als ich meine Blicke schweifen lasse, kann ich aber keine fremde Katze im Raum feststellen. Die Schnurrgeräusche werden doch nicht etwas von mir erzeugt werden, weil mir die Fellbehandlung so gut gefällt? Aber was soll´s denke ich mir, wenn es nur keine fremde Katze ist die mir meinen Platz streitig machen will, ist schon alles in Ordnung. Warum Raimondo immer wieder begeistert lacht kann ich jedoch nicht verstehen. Vielleicht freut er sich auch nur an den unerwarteten Mehreinnahmen in der Kasse am Ende des Tages? Als nach einigen Stunden meine Schönheitspflege beendet ist, bekomme ich noch frisches Wasser hingestellt, Raimondo hat irgendwoher ein kleines Stück Lachsfilet herholen lassen und nachdem er es kleingeschnitten hat, mir auf einem Tellerchen serviert. Mit gutem Appetit verspeise ich die Essensspende und bedanke mich artig. Wenn Ihr übrigens einmal in mein Städtchen kommen solltet, so kann ich Euch guten Gewissens die besondere Arbeit von Raimondo empfehlen. Seine handwerklichen Fähigkeiten sind wirklich ausgezeichnet und zudem ist sein Service klasse. Seine Kundinnen bekommen Kaffee oder Espresso und so besondere „First-Class-Kunden“ wie ich, sogar Fischfilet oder einige Stückchen rohe Leber und frisches Wasser kostenlos hingestellt. Wenn Ihr das Glück haben solltet ebenfalls in diese besondere, exklusive Kategorie eingestuft zu werden, vielleicht nehmen wir beim nächsten Mal dann gemeinsam das rohe Fischmenü ein – oder ist es Euch eher nach frischen Innereien? Mit mir kann man schließlich reden. Würde mich wirklich auf Euch freuen – und Raimondo natürlich auch.
Ende Februar: Was singt denn da früh und so schön im Geäst eines Baumes? Beim näheren Hinsehen erkenne ich ein farbenprächtiges Gefieder, eine breite, gelbe Zwischenfläche in den ansonsten schwarzen Flügeldecken. Der Schnabel fast weiß, dann kommen um die Augen eine rote Gesichtsmaske, dann folgen weiße Federchen um den Ohrbereich, danach eine schwarze Färbung um den Hals. Am Körper sind die Federn hellbraun. Hier könnten sich die Menschen mal ein Beispiel nehmen, wie man Farben richtig kunstvoll einsetzen kann. Beim Sänger handelt es sich um einen Stieglitz, also einen Distelfinken. Er ist gesellig, tagaktiv und lebt normalerweise in Gruppen und Schlafgemeinschaften. Es handelt sich um ein Männchen, das sich auf Partnersuche macht. Seine Annäherungsversuche scheinen einem weiblichen Finken zu gelten, der fast genauso farbenprächtig ist und nur die rote Gesichtsmaske ist etwas kleiner. Die Balzgesänge des Männchens scheinen erhört zu werden, denn auch das Weibchen beginnt zu singen, zwar etwas leiser und nicht so lange, aber selbst bei Vögeln müssen die Weibchen auf Etikette achten und etwas Widerstand aufweisen, denn das erhöht die Anstrengungen des Männchens bei der Balz. Wenn das Männchen dann jedoch erhört wurde, übernimmt das Weibchen die Initiative für den Zeitpunkt der Familienplanung, des Nestbaus und für das Brüten. Zweimal wird in diesem Jahr ein Gelege mit jeweils fünf weißen Eierchen zustande kommen, die mit rotbraunen Sprenkeln versehen sein werden. Nach 12- 14 Tagen des Brütens werden dann die jungen Stieglitze schlüpfen. Während dieser ganzen Zeit wird die brütende Mutter mit Samen von Gräsern, Bäumen, und Stauden, vom Männchen versorgt werden. Die jungen, frisch verliebten Vögel bereiten mir mit ihrem Gesang und mit ihrem Umgang miteinander viel Freude und so nehme ich mir vor, sie vor beutehungrigen Jägern in Schutz zu nehmen. Als ich wenig später eine Elster bemerke die bereits nach Beute giert, schleiche ich mich ganz leise an und als die ersten schwarz-weißen Federn des Rabenvogels fallen ist klar, daß in diesem Gebiet diese Elster zumindest nicht mehr so schnell auftauchen wird und auch andere Artgenossen vor dem „furchtbaren schwarzen Kater“ warnen wird. Den beiden verliebten Finken wünsche ich viel Glück bei ihrem Vorhaben der Familiengründung und bei der Aufzucht des künftigen Nachwuchses. Als ich den Platz verlasse, kommt es mir fast vor, als würden sich die beiden mit einem besonders melodischen und intensiven Gesang für meine Hilfe bedanken.
Als ich beschwingten Schrittes in mein Heim zurückkomme, ist Besuch da: Martina´s Tante Frieda ist gekommen, zum Glück ohne ihren Kater Felix, denn sonst hätte ich den wieder auf einen ganz bestimmten Baum jagen müssen, und da ich durch den Vogelgesang so sanft aufgelegt bin, wären mir Drohgebärden und Verfolgungsjagden doch etwas schwergefallen. Ich begrüße meine Mitbewohner und die Tante kaum, denn im letzten Jahr musste ich einen gemeinen Putschversuch der Anwesenden abwehren. Zum Glück steht eines meiner Lieblingsessen in der Küche für mich bereit und so höre ich nur mit halbem Ohr zu was die Menschen im Wohnzimmer miteinander zu besprechen haben: „Martina, wann soll das sein? Ab dem 5. Mai also, für 3 Wochen?“ Martina scheint auf die Fragen der Tante zu nicken, denn die Tante meint: „Geht in Ordnung. Felix werde ich mitbringen, dann ist der zu Hause nicht zu allein und kann mit Coon schön spielen“! Manfred und Martina bedanken sich freudig bei Tante Frieda, doch ich versuche jetzt genauer zuzuhören. Was soll ab dem 5. Mai für 3 Wochen stattfinden und mit wem soll ich schön spielen? Mit dem Fremdkater Felix, der vor Angst so unglaublich schnell Bäume hinaufhuscht und dann von der Feuerwehr wieder heruntergeholt werden muß? Doch scheint die Kaffeerunde fast beendet zu sein und die Tante verabschiedet sich von meinen Hausgenossen. Etwas misstrauisch komme ich aus der Küche, setzte mich ins Wohnzimmer zu Martina und Manfred und höre zu, ob ich nachträglich noch einige Informationen erhaschen kann, um was es alles in dem Gespräch gegangen ist, doch die beiden loben nur Ihren Kuchen den sie essen und der von irgendeiner tollen Bäckerei herstammt. Überschwänglich loben sie Tante Frieda nur für die zeitliche Bereitschaft im Mai. Obwohl ich die beiden beobachte, machen sie keine Anstalten eine Gesprächszusammenfassung an mich weiterzugeben, sondern blättern nur in Zeitschriften und überlegen was sie sich zum Abendessen zubereiten wollen. Nur eine kleine Äußerung von Martina macht mich ein wenig nachdenklich, die davon redet daß sie dringend noch einige Kilogramm abnehmen muß, damit sie eine Bikinifigur bekommt. Ich hoffe das reduzierte Essen hat keine negativen Auswirkungen für mich.
Zum Nachdenken darüber, ob ich mir noch einige geheime Vorräte anlegen soll, bevor die „Bikinizeit“ beginnt, patrouilliere ich durch mein Gebiet und gehe auch den Feldweg entlang, Richtung Wald, wo ich noch immer auf die Shetlandponys, unter Führung meines Hengstfreundes Kasper warte, die aber immer noch nicht auf der Weide anzutreffen sind. Ich hoffe es geht ihnen gut. Statt meiner vierbeinigen, wiehernden Freunde, sehe ich große, schneeweiße, fünfblättrige Blüten an dornigen Büschen hervorglänzen. Die Blüten verströmen einen bittermandelähnlichen, würzigen Geruch. Die Zweige sind noch blattlos, aber die zarten Blüten trotzen schon früh dem Wetter. Es scheint sich bei den Frühblühern um Schlehenbüsche zu handeln. Im Spätjahr werden dann blauschwarze, vitaminreiche, kleine kugelförmige Früchte daran hängen. Im rohen Zustand sind die Wildfrüchte wegen den enthaltenen Gerbsäuren ungenießbar und man kann sie nicht essen. Wartet man jedoch den ersten Frost ab, so wandeln sich die Gerbsäuren um und die Früchte bekommen einen süßlichen, leicht herben Geschmack. Vor allem in der Fruchthaut stecken Pflanzenfarbstoffe, sowie B-Vitamine und Vitamin C. Die gesunden Stoffe wirken entzündungshemmend und ziehen auch die Kapillargefäße zusammen. Nützlich bei kleinen Wunden und Durchfall. Die Schlehe, gekreuzt mit der Kirschpflaume, sind die wilden Urahnen von Pflaume, Mirabellen, Zwetschgen und Renekloden. Bestimmt wurden die Büsche angepflanzt um die Weideflächen vor Wind zu schützen. Zudem bietet die Pflanze Vögeln ein sicheres Versteck und gute Brutmöglichkeiten. Die Beeren sind zudem fast den gesamten Winter für die Vogelwelt ein vitaminreicher Leckerbissen. Nach einem kurzen Blick auch in den nahen Wald, gehe ich wieder über die Querstraßen zurück auf meinen Rundgang, der in dieser Nacht ohne Jagderfolg bleibt.
Noch immer ist der Februar nicht vorbei, als ich wieder mal im Neubau in der 1.Querstraße, Nummer 17 den herrlichen Überblick über die Gärten, aus dem 2. Stock des unfertigen Hauses begutachte. Die Natur ist überall auf dem Vormarsch und will sich nicht länger aufhalten lassen. Plötzlich höre ich Schritte von Menschen, die in den Rohbau laufen. Ein Mann und eine Frau unterhalten sich: „Mathias, unser Bad im ersten Stock soll doch die leicht rosa eingefärbten Wandfliesen erhalten. Über der weißen Badewanne sollen Mosaikfliesen mit großen Fischen sein. Dazu hätte ich gerne noch weiße Wasserarmaturen mit verspielten rosa Farbsprengeln“. Ich höre den Angesprochenen, aus tiefster Seele aufstöhnen: „Liebste aller Ingrid´s, mein Engelchen, ich habe Dir schon ein paar mal gesagt es wird weiße Wandfliesen geben, die leichte, hellgraue Einschlüsse haben. Dazu gibt es an der Wand eine Bordürenreihe mit Weiß-schwarz-goldenem Muster. Die Wasserarmaturen werden alle in gold sein, die Farbe für die beiden Waschbecken, inklusive der Standsäulen, die Dusche und das Bidet, alles wird in schwarz sein. Die Seiten oberhalb der Acrylbadewanne sind die Fortführung der anderen Badezimmerfliesen, also weiß, mit den gleichen hellgrauen Einschlüssen. Die Wanne selbst wird natürlich ebenfalls schwarz sein“! Nun stöhnt Engelchen Ingrid auf, als beide oben an der Treppe angekommen sind: „Mathias, schwarz ist unpraktisch, schon der kleine Wasserfleck hinterlässt den ganzen Tag über Spuren. Wer soll denn das immer saubermachen“? „Du mein Engelchen, denn warum habe ich Dich sonst geheiratet“ antwortet Mathias lachend und jetzt stimmt auch Ingrid ins Lachen ein und ich bin mir sicher, daß das Bad wirklich in schwarz gehalten sein wird. Dann erscheinen beide endlich in dem Zimmer in dem ich mich aufhalte: Ingrid ist eine etwas über 40 jährige Blondine, vielleicht 1,65 Meter groß und sie scheint mir sehr sympathisch zu sein. Zu Mathias würde man in der Pfalz sagen: Was für ein „Brocken: Fast 1,90 Meter groß, Bartstoppeln im Gesicht, ein Kampfgewicht von mindestens 120 Kilogramm, gut verteilt über den ganzen Körper, sodaß er kampfbereit wirkt. Geschätztes Alter etwas über 40 Jahre und das ehemals ganz schwarze Haar verfärbt sich an manchen Stellen schon ins graue. Beide schauen jetzt etwas irritiert zu mir. Freundlich wie ich nun mal bin, stelle ich mich mit einem lauten Miauen vor, was so viel heißen soll wie: „Hallo Fremdlinge, mein Name ist Coon und ich bin nur auf der Durchreise“. Nachdem sich beide etwas von ihrer Überraschung erholt haben, meint Mathias: „Die Katze scheint sich vorgestellt zu haben“! Ich Miaue laut protestierend. „Oh entschuldige meint Mathias belustigt, du bist ja sichtbar ein Kater“ und wieder lacht er. Ingrid meint: „Deine Augen scheinen auch immer schlechter zu werden, als Jäger hättest Du eigentlich sofort sehen müssen daß es sich um einen Kater handelt. Ich habe das gleich gesehen“. „Natürlich mein Engelchen“, antwortet Mathias gönnerhaft, bevor er sich wieder mir zuwendet: „Hallo Kater, mein Name ist Mathias, das Schneckchen neben mir hört manchmal auf den Namen Ingrid, manchmal auch auf Engelchen und meistens überhaupt nicht“. Dann lacht er wieder herzhaft über seinen Spruch, der ihm einen leichten Ellenbogenschlag von Ingrid einbringt. Das macht ihm sichtbar nichts aus, sondern führt nur zu einem weiteren Lachen. „Wir werden hier in Zukunft wohnen, wenn Du erlaubst und vor allen Dingen die Bauarbeiten nach dem Winter weiter fortsetzen. Vielleicht wird auch irgendwann einmal das Bad fertig sein wird“. Vorsichtige gehe ich um die beiden herum und sie folgen mit den Augen meinen Bewegungen, versuchen aber nicht nach mir zu grabschen. Scheinen wirklich sympathische Menschen zu sein, denke ich bei mir und komme noch etwas näher um den Geruch aufzunehmen. Dann miaue ich nochmals und verabschiede mich damit von den beiden. Beim hinuntergehen der Treppenstufen höre ich noch Mathias zu Ingrid sagen: „Das wird bestimmt unserer erster Logiergast werden und nicht Deine Mutter“, dann lacht er wieder und Ingrid stimmt ein. Ich nehme mir vor in der nächsten Zeit hier immer mal wieder vorbeizusehen, denn wenn die Handwerker wieder im Haus sein werden und Essensreste herumliegen, sind auch Mäuse oder Ratten nicht weit und mit denen sollen sich Mathias und Ingrid nicht auseinandersetzen müssen, selbst wenn Mathias ein Jäger ist und möglicherweise sogar Spaß an Nagetierjagden hat. Schließlich kann ich nicht wissen wie gut seine Schußrate sein wird wenn er auf Mäuse und Ratten zielt, und zudem, der kluge Kater baut vor.
Eine weitere, bemerkenswerte Situation ist noch in diesem Monat passiert, als ich am Sonntag wieder Metzger Josef und seine Frau Gerda besucht habe. Es war noch etwas dunkel gewesen und so bin ich zunächst ohne Ankündigung im Anwesen herumgeschlichen. Ratten und Mäuse sind mir zu dieser frühen Uhrzeit noch nicht aufgefallen, aber als ich an den schräg aufgeklappten Kellerfenstern vorbeigeschlichen bin, ist mir ein seltsamer Geruch aufgefallen, der von unten gekommen ist. Es riecht irgendwie chemisch denke ich mir, gehe dann einige Meter wieder zurück um aus dem seltsamen Geruch herauszukommen und meine Geruchsorgane wieder neutral zu bekommen, dann noch mal heranschleichen und am Kellerfenster vorbei – und wieder dieser eigenartige, chemische, leicht süßliche Geruch. Einfach versuchen durch das aufgeklappte Kellerfenster zu schlüpfen überlege ich mir, denn nur so kann ich die Ursache des Geruches mehr eingrenzen. Oder soll ich warten bis Josef herunterkommt und ihn dann irgendwie auf den Geruch aufmerksam machen? Und wenn die Situation gefährlich sein sollte, was wenn langes Zögern die Lage noch verschärfen würde? Nochmals schleiche ich um das Fenster herum und entschließe mich dann mich durch den Schlitz zu schlängeln und in den Kellerräumen weitere Informationen zu bekommen. Ihr wisst ja wie das ist? Wenn ein Kater eine Entscheidung getroffen hat, dann muß ein Kater tun, was ein Kater eben tun muß. Mühselig ist es sich durch den schmalen Schlitz zu zwängen und dann noch beim Sprung nach unten wieder auf meinen Pfoten aufzukommen. Unten angekommen ist der chemische Geruch noch stärker wahrnehmbar. Immer mehr grenze ich die Stelle ein woher wahrscheinlich dieser Geruch herrührt. Als ich mir ziemlich sicher bin, beginne ich laut und durchdringend zu schreien – und ich kann schreien, das könnt Ihr mir glauben. Zunächst herrscht zwar im Haus noch Ruhe, doch nach einigen Minuten höre ich bereits Flüche von oben. Gerda beschimpft ihren Mann laut: „Dein Katerfreund ist da und das um 6 Uhr morgens, am Sonntag, wenn wir einmal ausschlafen könnten. Mach´ daß Du den Schreihals ruhig bekommst. Der will bestimmt nur etwas zum Fressen haben. Und lass mich heute bloß in Ruhe“. Josef scheint diese Tirade ohne großen Kommentar über sich ergehen zu lassen und nur seine Flüche, als er die Treppe endlich herunterkommt, zeigt, daß auch er noch ganz gerne geschlafen – oder etwas anderes gemacht hätte – wir Kater haben da immer so eine liebevolle Idee in der Hinterhand. Ich schreie natürlich weiter, bis sich die Türe zum Kellerraum öffnet und er grimmig hereinstürmt. „Willst Du wohl endlich still sein“, knurrt er. „Du weckst ja das ganze Haus. Gerda ist auch schon ganz stinkig bei dem Lärm den Du verursachst“. Doch ich lasse mich nicht stören und stelle ich an eine Wand, hinter der ich die Ursache für den Geruch vermute. Dort knurre und fauche ich diese Stelle an. Josef kommt vorsichtig näher – vielleicht nimmt er an ich hätte den Verstand verloren, doch ist dies wohl eher eine Eigenschaft die man der menschlichen Natur beimessen muß – ich hebe meinen Kopf und atme laut und deutlich ein, dann weise ich mit einer Pfote auf eine Stelle in der Wand und fauche durchdringen und knurre wieder. Josef kommt jetzt doch etwas näher und atmet jetzt auch hörbar ein. Dann erschrickt er, wird bleich, steht zunächst starr, doch dann kommt Bewegung in ihn. Er stürzt die Treppe hinauf in seine Wohnräume, rennt in sein Schlafzimmer und ich höre ihn rufen: „Um Gottes Willen Gerda, kein Licht mehr machen, ich glaube Coon hat einen Gasausbruch bei uns im Keller entdeckt. Raus auf den Hof, zum Glück sind unsere beiden Zöglinge dieses Wochenende in ihren Universitäten geblieben. Gerda hat sich schnell noch einen warmen Morgenmantel übergeworfen und zittert vor Kälte auf dem Hof, während Josef von einem Handy aus die Stadtwerke anruft und einen wahrscheinlichen Leitungsbruch in der Gasleitung meldet. Bereits kurze Zeit später kommt die Feuerwehr, die von einem Mitarbeiter der Stadtwerke informiert wurde. Zudem erscheint von den Stadtwerken ein Handwerker-Notdienst. Auch die Polizei ist jetzt da. Die umliegenden Häuser der Metzgerei Josef werden jetzt ebenfalls evakuiert und die Bewohner nachdrücklich aus ihren Häusern gebeten, damit sie aus dem Gefahrenbereich herauskommen. Wo sie so kurzfristig an diesem kalten Morgen unterkommen können, darum kümmert sich jedoch niemand. Der Handwerker-Notdienst hat mittlerweile den Hauptschieber des Gaszugangs zur Hausleitung von der Straße aus zugedreht. Weitere Zeit später kommen nochmals Bedienstete der Versorgungsbetriebe und zwei von ihnen stülpen sich Atemmasken mit jeweils angehängter Frischluftflasche über. Josef beschreibt so gut wie möglich, wo ich die vermutliche Leckagestelle geortet habe. Ich folge den beiden Einsatzkräften um die exakte Stelle, vor Ort zu zeigen. Als die beiden Einsatzkräfte meine Stelle, zunächst mit Analysegeräten, später dann durch Aufstemmen des Wandabschnittes, in Augenschein nehmen, können sie einen Riss in der Gasleitung feststellen. Aus allen Richtungen kommen jetzt Bewohner unserer Stadt bis zu den weiß-roten Absperrbändern wo Polizisten den Zugang verhindern. Aufgeregte Stimmen und alle möglichen Vermutungen wie: „Es ist eine scharfe Fliegerbombe aus dem letzten Krieg“, oder auch: „Eine unterirdische Höhle ist zusammengebrochen und die Häuser darüber sind nicht mehr bewohnbar“ machen zunächst die Runde, bevor sich doch die Nachricht: „Es handelt sich um einen Gasausbruch und es wird gleich „Rumms“ machen“ durchsetzt. Fast enttäuscht nehmen dann einige Neugierige aus der wartenden Meute, nach einigen Stunden der Arbeiten zur Kenntnis, daß es doch nicht „Rumms“ gemacht hat und die anwesenden Handwerker ihr Metier offensichtlich beherrschen. Nachdem jetzt endlich alle Gefahren restlos beseitigt sind erscheinen gutgelaunt drei Anzugträger der Stadtwerke um sich ein Bild der Situation zu machen. Ich setzte mich einfach mal daneben und höre etwas zu: „Bestimmt hat der Hauseigentümer entweder Löcher in die Wand gebohrt oder sonst wie die Leitung verletzt“ meint der erste. Bedächtig nicken die anderen dazu. „Oder ein Handwerker hat „Pfusch“ gemacht und die falschen Dichtungen eingesetzt“, vermutet ein weiterer. Der dritte fügt hinzu: „Oder jemand „vom Haus“ hat an der Leitung herummanipuliert“. Einig sind sich die drei aber, daß dringend eine Kommission oder ein Arbeitskreis zu bilden ist. Innerlich muß ich jetzt lachen, denn über Arbeitskreise kenne ich den Ausspruch: …und wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann bild´ ich mir nenn´ Arbeitskreis… Zu Kommissionen fällt mir ein: ..Eine Kommission ist eine Gruppe von Unwilligen, ausgewählt aus einer Schar von Unfähigen zwecks Erledigung von etwas Unnötigem… Wie so oft bei Menschen üblich: Viel Lärm um nichts! Innerlich weiterhin lachend entferne ich mich von den drei Schlipsträgern, bevor noch weitere, noch weniger geistreiche Vorschläge geäußert werden. Direkt vor Ort gehen die drei übrigens nicht, denn dort ist jetzt Staub und den will man schließlich nicht auf seinem Anzug haben. Auch die Mitarbeiter des Handwerker-Notdienstes werden nicht befragt, denn Sachkenntnis kann doch den Entscheidungen nur schaden. Noch lange lache ich in dieser Nacht über die komische Arbeitsweise der oberen Führungskräfte der Stadtwerke.
Woher die Vertreter der Presse so kurze Zeit später von der ganzen Gasleitungssache Kenntnis bekommen haben weiß ich nicht, doch am nächsten Tag stand die Geschichte in der Zeitung, dazu mit einem Foto von Metzger Josef und seiner Frau. Woher diese Heimlichtuer von der Presse plötzlich die Kamera herhatten und auch eine heimliche Aufnahme von mir machten, die ebenfalls in der Zeitung erschienen ist, ist mir jedoch schleierhaft. Meine Persönlichkeitsrechte wurden damit auf jeden Fall verletzt, da ich keine Zustimmung zum Bild gegeben habe. Im Artikel stand so etwas vom Helden unserer Stadt, der durch seinen Hinweis viele Menschenleben gerettet hat, ohne an sein eigenes Leben zu denken. Aber Ihr wisst ja wie es mit der Journalie ist: Heute ein Held, morgen ein Opfer und einen Tag später schon der Täter oder der Depp der Nation. Also: Entscheidet immer lieber selbst von wem Ihr Lob oder Kritik annehmt, denn dessen Meinung hat Einfluss und Macht über Euch. Diese geschriebenen und gedruckten Plattitüden sollen jedoch keinen Einfluss auf mich haben, denn ich habe schließlich nur meine Freunde vor Schaden bewahrt und bin davon überzeugt daß die in einer ähnlichen Situation auch zu mir gestanden wären.