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Januar: Martina & Manfred auf Tour // Ein Tierarzt in Not:
ОглавлениеAlles fängt mit der Sylvesternacht am 31.Dezember an: Meine Mitbewohner Martina und Manfred sind mal wieder „ausgeflogen“, um wie sie sagen „auf Tour zu gehen, um mal endlich wieder ordentlich die Sau rauszulassen“. (Anmerkung Coon: In der Pfalz ist damit gemeint, daß die beiden ohne Sinn, und mit noch weniger Verstand, alkoholischen Getränken – gleich ob es sich um Wein, Sekt, Schnaps, oder auch Mischgetränke handelt -, so lange zusprechen werden bis nichts mehr flüssiges in sie hineingeht. Bekanntlich haben solche Alkoholexzesse negative Auswirkungen auf die Leistungen des Gehirns, im Kopf des Betreffenden. Der in der Pfalz gerne als „Rübe“ bezeichnet wird. Ganz abgesehen vom gigantischen „Kater“ den man am nächsten Tag verspüren wird).
Bevor sie „losgetigert“ sind, haben sie mir noch frisches Futter und Wasser hingestellt, die ich mir zu Gemüt geführt habe, bevor ich mich in mein Geheimversteck, in einem nur zeitweise bewohnten Haus in meiner Nähe, aufgemacht habe. Fast wolkenloser Himmel, angenehme Temperaturen im einstelligen, positiven Bereich. Bevor das Spektakel zur Mitternachtsstunde angefangen hat, habe ich es mir im Holz-Gartenhaus richtig gemütlich gemacht. Einfach hinlegen und durch die Ritzen in der Holzverkleidung den Himmel und dann das Feuerwerk ansehen, ist ein interessantes Vergnügen. Auffällig war, dass in diesem Jahr noch weniger mit Knallkörpern hantiert wurde, dafür aber die Nacht erhellenden Raketen eindeutig zahlenmäßig zugenommen haben. Es ist wunderschön die roten, blauen, weißen und grünen Sternenschweife zu sehen. Wenn man sich überlegt, dass die Farbgebung mit den Metallverbindungen zusammenhängt die auf kleinen Kugeln aufgetragen werden, haben sich ideenreiche Menschen einen tollen Effekt einfallen lassen. Verbrennungstemperaturen von 2.500° C herrschen wenn Bariumnitrat grün leuchtet, oder das Strontiumoxolat die rote Farbe präsentiert. Kupfersulfat ist für blau und für gelb ist das Natriumnitrat zuständig. Die silbernen Effekte entstehen durch das eingesetzte Antimonsulfit.
Prächtig die Farbenspiele und besonders um mein verlassenes Haus herum scheinen sich einige Familien wieder in gegenseitiger Konkurrenz ausstechen zu wollen. Ganz nach dem Motto: Wer hat in diesem Jahr die besten Effekte eingekauft? Ausgedacht und gestaltet wurden diese beiden Privatfeuerwerke von verschiedenen Feuerwerkern, die im übrigen Jahr auch kommerzielle Feuerwerke für Gemeinden, Vereine und Organisationen ausführen und überwachen. Um Unfälle zu vermeiden achten beide Konkurrenzfamilien streng darauf, dass beim Anzünden der Raketen und Betätigen der Abschussstationen kein Auto in die Straße einfährt und sich keine Personen nähern.
Natürlich wird auch hier um Mitternacht mit einem Glas Sekt angestoßen, und laut „Prosit Neujahr“ gerufen, sich umarmt und Küsschen gegeben, aber diszipliniert agieren die Hauptakteure des Feuerwerks. Sie nehmen keine weiteren, alkoholischen Getränke an, solange noch „Feuerkraft“ eingesetzt wird. An diesen beiden Burschen könnten sich meine Mitbewohner eine „gute Scheibe abschneiden“ (Coon: Bemerkung, wenn jemand etwas vorbildlich macht und es wünschenswert wäre, wenn auch andere seinem positiven Beispiel folgen würden). Wegen den Bodenfeuerwerken auf der Straße und ausglühenden, heruntergefallenen, ausgebrannten Leuchtkörpern ziehen Nebelschwaden durch die Straße. Zum Glück steht der Wind günstig und der direkte Geruch bleibt mir weitestgehend erspart.
Als sich nach etwas über einer Stunde die Feuerkörperreserven erschöpft haben und die letzten Raketen am Himmel ihre leuchtenden Spuren ziehen, verständigen sich die beiden Hauptakteure und beenden offiziell das Abfeuern. Jetzt schauen beide auf ihre Armbanduhren und einer ruft: „Noch 5 Minuten Wartezeit, vielleicht liegt irgendwo noch ein Kracher herum, dessen Zündschnur feucht war und sich deshalb erst mit Verzögerung entzündet“. Der andere Feuerwerker nickt zustimmend.
Nach einem neuerlichen Uhrenvergleich ruft der zweite Feuerwerker laut: „Jetzt bitte alle herkommen und wie abgesprochen arbeiten: Die einen mit gefüllten Gießkannen und Wassereimern, die anderen mit Schaufeln, Besen, leeren Kartons. Bitte alle mit Lederhandschuhen arbeiten. Denkt daran, es können Glassplitter irgendwo herumliegen, oder es können auch noch einige Feuerwerkshüllen glimmen. Das Holz der abgebrannten Raketen kann auch Splitter haben und durch die Haut eindringen. Wir wollen das neue Jahr niemanden ins Krankenhaus bringen müssen“.
Aus der Ferne hört man, wie zur Bestätigung, einen Krankenwagen mit Sirene. Dort hat anscheinend die Unversehrtheit der Anwesenden nicht so gut funktioniert wie hier. Ich hoffe es ist dem, oder den Verunfallten nicht zu viel passiert und denke an die Einsatzkräfte aus dem medizinischen Bereich. Auch die Feuerwehrleute und die Polizeikräfte tun mir ein wenig leid, weil sie in dieser Nacht Dienst haben und oft bei unvernünftigen Mitbürgern erste Hilfe leisten müssen. An einen alten Ausspruch muss ich denken: „Die Autofahrer sind sicherer, wenn die Straßen trocken sind, und die Straßen sind sicherer, wenn die Autofahrer trocken sind.
Mein nächster Augenmerk richtet sich wieder auf die beiden Feuerwerker mit ihren Feiergästen: So Etwas habe ich noch nicht gesehen: Genau wird eingeteilt welche am Boden liegenden und noch dampfenden Papier- und Plastikhüllen mit Wasser übergossen werden. Erst nachdem beide Hobby-Pyromanen sich vergewissert haben werden die nächsten Aktionen aufgerufen: „Alles ist gelöscht, jetzt zusammenkehren und die Reste in die leeren Kartons geben. Danach alles auf den Sammelplatz bringen und in die bereitstehende Tonne werfen“. Super diszipliniert verhalten sich beiden Gruppen und arbeiten Hand in Hand. Innerhalb einer halben Stunde ist von der vorherigen Pracht und danach den Müllhügeln nichts mehr zu sehen. Nochmals vergewissern sich die beiden Feuerwerker dass alles sauber ist, und sich auch am Sammelplatz nichts mehr entzünden kann, dann schlägt man sich gegenseitig auf die Schultern: „War gar nicht so schlecht Dein Feuerwerk, wenn ich nicht die neue „Heulergeneration“ gestern noch bekommen hätte, wäre mein Feuerwerk nicht so prachtvoll ausgefallen“. Der zweite meint: „Nicht schlecht, aber mir ist aufgefallen, Du hast auch einige hell-violette Farbeffekte dabei gehabt, wo hast Du die her“? Der erste meint nur: „Pst, geheime Kommandosache, ich sag es Dir gleich in meinem Haus, denn jetzt können wir auch mal was trinken. Deine Frau und Du schlafen sowieso in der Nachbarschaft und somit besteht auch keine Gefahr für Deinen Führerschein. Wenn Dich übrigens nachher Deine Schöne nicht mehr riechen kann, kannst Du auch bei mir, im Stall schlafen. Da habe ich einen kleinen Raum hergerichtet für fahruntüchtige oder müde Gäste“. Der zweite grinst und meint: „Wenn ich schon bei Dir schlafen soll, dann nur im „Gräbchen“. (Anmerkung Coon: Beim „Gräbchen“ handelt es sich um den Spalt in einem Ehebett, wenn zwei Matratzen vorhanden sind und ein Zwischenabstand besteht. Der im „Gräbchen/Ritze“ liegende würde also genau zwischen dem Ehemann und seiner Frau liegen. Ob er dann schläft ist eine ganz andere Sache). Untergeklemmt begeben sich die beiden lachend ins Haus.
Ein Großteil der Menschen scheint sich in dieser Nacht verantwortungsbewusst zu verhalten und so ist nur noch einmal ein Krankenwagen mit Sirene zu hören. Den Rest der Nacht habe ich im Gartenhaus meines Geheimverstecks geruht und teilweise geschlafen, denn es gibt bestimmt noch den einen oder anderen „Spätzünder“, der erst nach vielen Stunden des neuen Jahres bemerkt, dass irgendwo noch eine Tüte mit Feuerwerkskörpern herumsteht die schlichtweg beim Anzünden vergessen wurde. Den einen oder anderen davon kann ich am gelegentlichen Knallen bemerken, das sich in unregelmäßigen Zeitabständen immer mal wieder einstellt. Diese Nachzünder sind oft alkoholisiert und damit noch schlechter einschätzbar, als dies Menschen schon von Natur aus sind.
Erst als der neue Tag bereits genug Licht spendet schreite ich vorsichtig zu meinem Domizil denn ich will schließlich in keine Glasscherben oder zerborstenen Hartplastikmüll treten. Die Autos von Martina und Manfred stehen vorm Haus. Hinein durch die Katzenklappe in mein Haus. Bereits im Hausflur rieche ich dass meine beiden „Feiervögel“ schon längere Zeit anwesend sein müssen und gewaltige Ausdünstungen verbreiten. Dem Alkohol haben sie bestimmt auch besonderen Raum eingeräumt, denn Schuhe liegen im Flur kreuz und quer herum. Eine Winterjacke liegt in der Ecke, die andere ist nachlässig und schief aufgehängt. Na toll denke ich mir, wieder einmal so ein Tag wo ich die beiden bestimmt wieder ins Reich der Lebenden zurückbringen muss.
In der Küche sind sowohl meine Essensschüssel, als auch das Behältnis für das Wasser leer. Ich miaue laut durchs Haus, aber keine Resonanz erfolgt. Die Treppen hoch und vorsichtig ins Schlafzimmer gespitzelt. Tatsächlich, da liegen sie beiden und schnarchen im disharmonischen Duett, dass man meinen könnte sie wollten gemeinsam ein Abbruchunternehmen gründen. Das Make-up von Martina immer noch im verwischten Gesicht erkennbar, während sich der fehlende Rest auf den hellen Bettbezügen und Kopfkissen breitgemacht hat. Im Mund von Manfred befindet sich eine Ecke seines Kopfkissens und er zuckelt im Unterbewusstsein daran herum. Das Farbenspiel auf den Bezügen wäre kein Problem und auch dass die beiden Stinkstiefel quer im Doppelbett verteilt sind wäre nicht weiter bemerkenswert, wenn nicht die gewaltige Geräuschkulisse der Schnarcher befürchten lassen würde, dass meine Hörfähigkeit auf Dauer Schaden nehmen könnte, wenn ich mich zu lange in diesem Raum aufhalten würde.
Fast noch schlimmer ist aber den Gestank der beiden. Man denkt die hätten eine Langzeitmischung aus Bohnen, Sauerkraut, Erbsen, billigem Schaumwein, ranziger Butter und Schnaps zu sich genommen und das ganze mit gewaltigen Mengen von Knoblauch, Zwiebeln und vergorenem Fisch „aufgepeppt“. Wie kann ein Mensch nur so stinken – und wenn man wie ich jetzt sogar zwei dieser Stinkmorcheln herumliegen hat? Ich kann Euch sagen, einer wäre schon furchtbar genug, aber dieses Duo Infernale, ich kann Euch schon ein Liedchen davon singen, aber zuerst einmal muss ich sofort aus diesem Zimmer, bevor die Ausdünstungen aus Mund und dem Gedärm meiner Mitbewohner, mich in die Ohnmacht treiben. Rülps- und Pupsgeräusche begleiten mich bis ich endlich wieder den Flur erreicht habe und wieder etwas freier durchatmen kann.
Wecken will ich die beiden und mein Futter möchte ich natürlich auch, denn ein Besäufnis ist keine hinreichende Entschuldigung seinen Aufgaben nicht nachzukommen! Und warum sollte sich eine Katze eigenes Personal in Form von Menschen halten, wenn noch nicht einmal die einfachsten Dinge wie Futtergabe, Wasserbereitstellung und eine gereinigte Fäkalkiste funktionieren? Im Wohnzimmer drehe ich die Lautstärke der tollen Stereoanlage ganz leise, schalte dann die Anlage mit einem beherzten Tatzendruck ein und suche mir dort einen hübschen Radiosender für mein Vorhaben. Ein Sender spielt Hits aus den „Goldenen 60ern“ mit „Monday, Monday“, „San Francisco“ und „Black is Black“. Tolle Lieder, aber damit bekomme ich die beiden nicht wach genug und schon gar nicht aus den Betten.
Die nächste Radioanstalt bietet mir Johann Strauss mit dem Orchester der Wiener Volksoper an, die dann „An der schönen blauen Donau“ und die „Ungarische Polka“ zum Besten geben wollen.
Ein Sender weiter möchte mir Maurice Ravel mit dem „Klavierkonzert in G-Dur“ offerieren.
Ein weiteres Angebot ist mit Tschaikowsky und dem „London Festival Orchestra“ vorhanden, die „Schwanensee“ geben.
Der folgende Sender gibt Schlagern eine Chance.
Ich drücke nochmals den Sendersuchlauf und habe mich für Jean Sibelius entschieden, der von 1865 bis 1957 gelebt hat. Seine „Finlandia, op. 26“ und die „Karelia-Suite, op.II“ werden bestimmt meinen beiden Schnapsdrosseln das Blut im Leib gefrieren lassen und sie zum Aufstehen zwingen, denn im Gegensatz zu mir, gefällt den beiden die klassische Musik mit Sicherheit nicht! Zudem werden sie durch den extremen Alkoholgenuss mit Kopfschmerzen herumlaufen, wenn ich sie erst einmal wach bekommen haben sollte.
Jetzt schalte ich schnell noch mal die Anlage aus, drehe die Lautstärke der Stereoanlage auf das Maximum des möglichen, was laut Herstellerangaben bei einigen hundert Watt Ausgangsleistung liegen soll. Jetzt Anlage einschalten und schnell losrennen, bevor ich von der Lautstärke der Anlage schwerhörig werden kann. Im Flur rasch durch die Katzenklappe und ins Freie gehetzt.
Gegenüber meinem Hauseingang, auf der anderen Straßenseite, hinter ein Gebüsch setzen, durchatmen und den Klängen des Orchesters für die Musik aus Finnland lauschen. Bis zu mir ist die Musik sehr gut und vor allem sehr laut zu hören. Selbst die Nachbarschaft hat etwas davon und einige schon erwachte Mitbürger reißen ihre Fenster auf und schreien nach Ruhe, während die Musik weiter ihre Wirkung entwickelt.
Als ich schon nach relativ kurzer Zeit aus meinem Domizil schließlich Manfred laut schreien höre: „Diesmal schlage ich das verdammte Drecksvieh tot“! ist mir klar, dass jetzt auch die beiden im Haus nicht länger an Schlaf denken können und sich in Richtung der Stereoanlage bewegen müssen, wenn sie die Musik abstellen wollen.
Die Musik wird abgewürgt, aber ich warte vorsichtshalber noch mal eine Stunde außerhalb des Hauses, bevor ich freudig miauend wieder eintrete und kontrolliere ob sich in meinen Schüsseln etwas Gutes befindet. Ich habe zufrieden festgestellt: Die Schüsseln sind voll, und somit hat mein kleines Hauskonzert die erhoffte Wirkung gezeigt. Manfred hat mich zwar den ganzen Tag über grimmig angeschaut, aber das ist mir egal, denn hätte er seine Arbeit gewissenhaft ausgeführt, hätte er in seinem Gestank weiterschlafen dürfen.
Ich hoffe nur, daß beim Öffnen der Fenster, zum Lüften des Schlafzimmers, wegen des austretenden Gestanks nicht die Vögel tot vom Himmel fallen. Den armen gefiederten Flugkünstlern wird bei einem solchen, unappetitlichen Mief, das Singen auf jeden Fall vergangen sein. Menschenrechtskonventionen verbieten ja eigentlich den Einsatz von Giftgas, auch wenn es in der Geschichte immer wieder eingesetzt wurde, beispielsweise in China, seit dem 4. Jahrhundert, als man mit dem Rauch von verbrennenden Senfkörnern und dem Einsatz von Gebläsen, die feindlichen Soldaten betäubt hat um sie dann niederzumetzeln. Die Mongolen haben aus dieser Methode gelernt und prompt in der Schlacht bei Liegnitz 1241, mit „Dampf ausstoßenden Kriegsmaschinen“, die christlichen Ritter in Erschrecken und Bedrängnis versetzt. Das gleiche geschieht jetzt mit der Vogelwelt rund um die Schlafzimmerfenster meiner beiden Stinker.
Mich selbst und mein pfälzisches Städtchen möchte ich kurz vorstellen: Ich bin ein großer, schwarzer Maine Coon Kater und meine Ahnenreihe setzt sich aus britischen Siedler Katzen, sowie langhaarigen russischen und skandinavischen Pfotengängern zusammen. Mein Urvater, „Captain Jenks of the Horse Marines“ löste bei seiner Beurteilung im Jahr 1861, in den Katzenausstellungen von New York und Boston, höchste Bewunderung und Ehrungen aus. Mein üppiges, glänzendes Fell hält mich warm und ich kann auch den härtesten Wintern trotzen. Gegen Wasser bin ich nicht allergisch und kann sogar gut schwimmen, falls dies erforderlich sein sollte. Meine golden-grün leuchtenden Augen und mein Kampfgewicht, das mittlerweile bei etwas über 7.000 Gramm liegt, machen aus mir eine ausdrucksvolle Erscheinung und in Katerkreisen zu einem gefürchteten Kämpfer. Mein eigentliches Domizil befindet sich in einem kleinen pfälzischen Städtchen, in der 3.Querstraße Nummer 12. Die Straßen im Ort sind teilweise einfach durchnummeriert, bösartige Zungen behaupten immer wieder, der Grund war die Unmöglichkeit betrunkener Pfälzer, sich Straßennamen zu merken, wenn sie auf der Suche nach ihrem Haus waren. Zudem fällt es auswärtigen Besuchern schon schwer genug die pfälzische Sprache nachzuvollziehen, in Verbindung mit Alkohol wäre es dann gänzlich unmöglich gewesen sinnstiftende Wort aus dem Mund eines Pfälzers, richtig zu deuten. Einfacher war dann die Nummerierung der Straßenanzahl, die sich einfach auch mit den Fingern zeigen lässt. Dies funktioniert selbst dann, wenn der betreffende Pfälzer, durch Straßen kriechend sein Haus, und somit sein Bett sucht. Wie gesagt, dies behaupten bösartige Zungen, die sich aber nicht scheuen jedes Wochenende in die Pfalz zu fahren um ein Weinfest zu besuchen. Traditionell ist das erste Weinfest die „Rotweinwanderung in Freinsheim“, die jedes Jahr, Ende Januar, in den Weinbergen dieses Städtchens stattfindet. An vielen Zelten bieten verschiedene Weingüter Essen und Trinken an. Die Geselligkeit und die gute Laune stellen sich dann von selbst ein. Auch Schnee, Eis und Regen können nicht verhindern, dass diese Wanderung durch die Weinberge einen enormen Zuspruch hat. Sogar Amerikaner und Saarländer lassen sich diesen Termin nicht entgehen. Meine beiden Mitbewohner Martina und Manfred übrigens auch nicht.
Eingebettet ist mein Städtchen auf einer Seite von Wald- und Wiesengrundstücken und einigen Feldern, auf der anderen Seite, weit hinter der Hauptstraße, in Richtung des nächsten Städtchens, von Obstgrundstücken und Weinreben. Mein normales Gebiet umfasst die Hälfte des Städtchens, bis zur Hauptstraße. Im Bedarfsfall, oder wenn ich auf Abenteuer aus bin, sind mir aber keine Grenzen gesetzt, denn die dort lebenden Kater sind längst bereit mir freiwillig Platz zu machen. Als ich noch ganz jung war, habe ich das bereits mit einigen Kämpfen um die Rangfolge abgeklärt und muss seitdem kaum einmal meine Position bestätigen.
Nun zu meinem Namen: Eigentlich habe ich bei meiner Geburt einen Adelstitel erhalten, der ist den Menschen aber zu lang und zu kompliziert, deshalb geben sie mir immer wieder sehr unterschiedliche Namen und Bezeichnungen. Mit „Coon“ wäre ich schon zufrieden und das würde mir genügen, aber je nach Gelegenheit und Stimmung nennen sie mich auch: Schwarzer Prinz, König der Kater, Mistvieh, Dreckskater, verlauster Fellträger, liebster aller Katzen, mein Retter, Drecksack, Teufelsbraten, verfluchter Kater, mein liebstes Katerchen, mein bester Freund, Satansbraten, Geschenk des Himmels, Teufelsbrut, Ausgeburt der Hölle, Fürst der Finsternis, Gottesgeschenk, mein Engel … und vieles andere mehr. So weit gehen die Meinungen und Einschätzungen der Menschen bezüglich Katzen – und besonders gegenüber mir - auseinander. Die meisten Namen kümmern mich nicht weiter, doch das mit dem verlausten Fellträger nehme ich höchst persönlich, weil ich sehr reinlich bin und mich regelmäßig säubere. Gründe dafür sind neben meinem Wunsch nach guter Fellpflege der Schutz vor Ungeziefer und das Verhindern von Geruch, der von meinen Beutetieren sonst gewittert werden könnte.
Ob sich die Leute die mich als Teufel bezeichnen darüber Gedanken machen wann dieser Begriff eingeführt wurde? Kommt doch die Einteilung zwischen dem absolut Guten, also dem lieben Gott und der Gegenseite, dem absolut Bösen, dem Teufel, ursprünglich aus Persien. Vor 2.600 Jahren, also 600 Jahre vor der Geburt von Jesus, hat diese Begriffe der Religionsstifter Zarathustra (630 – 553 vor Christus) in seine Religion eingeführt. Das Christentum hat das dann später übernommen. Den Teufel und die ewige Verdammnis gab es bei den Religionen der Kelten, Römer, Griechen und Ägyptern nicht. Ebenso wenig wie bei den Indianern Nordamerikas, den Asiaten oder den afrikanischen Völkern.
Noch besser wird es wenn mich manche als Sohn von Lucifer bezeichnen und dabei Lucifer mit dem Teufel gleichsetzen: In der Bibel kommt dieser Name für den Teufel nicht vor. Im Altertum war Lucifer der Name für den Morgenstern, also den Planet Venus. Die Namensgleichsetzung Teufel = Lucifer kommt wahrscheinlich durch eine Fehlinterpretation von Jesaja 14,12, dort wird auf den König von Babylon Bezug genommen: „Ach, du bist vom Himmel gefallen, du strahlender Sohn der Morgenröte. Zu Boden bist du geschmettert, du Bezwinger der Völker“ Die Bibelübersetzer haben daraus eine Interpretation auf den Teufel gesehen und diesen mit dem König von Babylon gleichgesetzt, nach dem Motto: Der „König von Babylon“ ist der „Sohn der Morgenröte“ und somit des „Morgensterns“ und daraus gefolgert, dass dies gleichbedeutend mit „Lucifer“ sein muss. Diese Informationen nur so nebenbei. Übrigens ist es mir am liebsten und für Dich am einfachsten, wenn Du einfach Coon zu mir sagst.
Das Wetter zu Monatsbeginn war gut erträglich, auch wenn fast täglich Regen gefallen ist. Die Temperaturen waren im Plus-Bereich. Dies hat aber nur teilweise für Freude gesorgt, denn die Winzer haben beispielsweise mit den Plusgraden gehadert. Einige von ihnen lassen nämlich im Spätjahr, in den kältesten Lagen, noch Trauben hängen, weil sie bei entsprechenden Frostnächsten auf eine Eisweinernte spekulieren. Für diese Spezialität ist allerdings klirrende Kälte erforderlich, weil die Trauben komplett durchgefroren sein müssen. Die magische Grenze liegt bei minus 7° C, unter der die Eisweinernte durchgeführt werden darf. Ab dem 19. Januar ist es dann soweit: Die Winzern räumen die Netze von den Rebstöcken die bislang verhindert hatten, dass die Vogelwelt eine totale Traubenräumung vorgenommen hat. Einige Weingüter stapfen mit den Familienmitgliedern in der Kälte mit Eimern und Bütten bewaffnet, durch die Reihen der rosinenartigen Trauben und führen die Lese von Hand durch, während andere mit einem Vollernter die Trauben zu ernten versuchen. Rebsorten wie Weißburgunder, Silvaner, Cabernet Blanc und Chardonnay sind für die Eisweingewinnung in unserer Region vorherrschend. Durch die moderaten Temperaturen in unserer Region ist dies aber im Schnitt nur alle 10 Jahre der Fall. Dann rasch die geernteten Trauben in die Keltern bringen. Dort bleibt nochmals gefrorenes Wasser zurück, sodass der gewonnene Most hochkonzentriert, mit viel Fruchtsäure, guten Inhaltsstoffen und Zucker durchsetzt ist. Die mindestens geforderten 120 Oechsle-Grade werden problemlos überrannt. Je nach Weingut und Rebsorte werden 140 bis 170 Oechsle-Grade nach dem Filtrieren erreicht. Die flüssige Substanz wird nach Fertigstellung in 0,375 Literflaschen abgefüllt und kann pro Flasche, je nach Weingüte und Name des Weingutes, über 100 Euro kosten. Als Aperitif zur Anregung des Appetits genommen, oder als leichten Überguss auf dem Dessert-Pudding, mit frischen Beerenfrüchten bestückt, ist der Eiswein hervorragend geeignet und findet auch im asiatischen Ausland seine Liebhaber und Abnehmer. Durch den hohen, natürlichen Zuckergehalt ist zudem eine lange Haltbarkeit und Genussfreude garantiert.
Während dieser kalten Tage ist meine Chrysantheme mit ihrem kleinen Blütenansatz immer noch im Kampfmodus, muß aber allmählich die Hauptstängel beugen und die Blätter sehen aus wie übergroße Hände aus, die in Richtung des Erdbodens gestreckt werden.
Die Jungpflanzen des Borretschs sind erstaunlich stabil und haben sich zwischen Knochensteinfugen und in den Beeten ihr Refugium gesucht, während zwei Altpflanzen die noch versucht hatten ihre Blüten aufzubekommen in der Schockstarre erfroren sind. Hoffentlich kommt keine Extremkälte, wie dies in den Jahren 829 und 1010 nach Christus war, als sogar der Nil in Afrika zugefroren war.
Die Löwenmäulchen mit ihrem grünen Blattwerk richten ihr Wohlbefinden offensichtlich nach den Außentemperaturen. Um den Gefrierpunkt noch erstaunlich agil, doch wenn das Thermometer unter die 0° C-Grenze fällt, ist Schluss mit lustig: Blätter und Hauptstiel beugen sich herab. Klettert dann die Temperatur wieder höher, reagiert die Pflanze erneut und reckt sich stolz nach oben. Einige Erdbeerpflanzen die aus Absenkern gezogen wurden haben noch Blattgrün. Die Knospen an Johannisbeeren scheinen austreiben zu wollen. Fetthennen zeigen die neuen Austriebe die den Frostboden nach oben durchstoßen haben. Den Eiben mit ihrem satten Grün, dem Sauerampfer und Lorbeer scheinen die Minusgrade nicht zu imponieren, während die Campanula sogar wieder Blüten hat. Osterglocken zeigen sich bereits mit einem Blattaustrieb von 5 cm, Küchenkresse die ins Freie gelangt ist und dort ausgetrieben hat, besitzt noch einige grüne Blätter und kann selbst in diesem Zustand geerntet und gegessen werden.
Meine geliebten Hyazinthen scheinen in Anbetracht der Erfahrungen des letzten Jahres, mit ihrem Wachstum vorsichtiger zu sein. Mancher Gartenfreund gibt jetzt mit ausgekühlter Holzasche, Kaffeepulverresten und kalten Teeblätterabfällen Düngemittelunterstützung für die Pflanzen. Doch ist die Pfalz witterungstechnisch gesehen eine gesegnete Region und wenn es bei uns einmal den seltenen Schnee gibt, ist es in anderen Teilen Deutschlands wesentlich schlimmer bestellt. Da wird in den Nachrichten von eingeschneiten Wintersportorten in den Alpen berichtet, die von den Urlaubern nicht mehr verlassen werden können. In einer Region wird die zweithöchste Lawinenwarnung ausgesprochen, bei Berchtesgaden müssen über 300 Personen mit Lebensmitteln versorgt werden, die nur noch mit dem Lastwagen gebracht werden können. Auch in der Nähe von Bad Tölz ist man auf Hilfslieferungen angewiesen, weil die normalen Zufahrtsstraßen gesperrt werden mussten. Unterrichtsausfälle, vor allem in Südbayern, weil die Schüler nicht mehr zu ihren Schulen gelangen können. In extremen Lagen haben nur noch einige Spezialhubschrauber die Möglichkeit der Landung und der Aufnahme von wenigen Passagieren. Ob sich diese Menschen für unersetzlich halten und durch Vertragsunterzeichnungen oder andere geschäftliche Anlässe unbedingt sofort ausgeflogen werden müssen, oder es sich um Patienten handelt die dringend in eine bestimmte Klinik gelangen müssen, möchte ich an dieser Stelle dahingestellt sein lassen. Auf jeden Fall werden bei extremen Schneefällen die Hausdächer von den tonnenschweren Schneelasten befreit, um ein Einstürzen der Dächer zu verhindern. Besonders verheerend ist die Gewichtszunahme auf den Dächern, wenn es in den oberen Wolkengebieten wärmer ist und es auf die hohen Schneedächer regnet. Der Schnee nimmt das Wasser in sich förmlich auf und entspricht jetzt fast einem schweren, vollgesaugtem Schwamm. Wenn noch die Dachneigungen berücksichtigt werden, die eventuelle Teilglätte des Untergrunds und die Schwere der Arbeit, ist es ganz bestimmt kein leichtes Unterfangen die vollgepumpte Schnee-Wasser-Mischung vom Dach herunterzudrücken. Mein Kompliment an alle die an solchen Aktionen beteiligt sind und den Hausbewohnern Soforthilfe leisten
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Ich besuche meine Freundin Gisela, eine pensionierte Lehrerin, mit ihrem weißen Malteserhund Maxl. Mittlerweile hat die alte Dame zwar die 80 Lebensjahre schon überschritten, ist aber nach wie vor an ihrem Garten, an Geschichte und täglichen Informationen interessiert. Maxl hat mich schon frühzeitig bemerkt und begrüßt mich überschwänglich, wobei er allerdings zu lautes Bellen vermeidet, weil ihm bekannt ist, dass ich zu laute Geräusche einfach nicht mag und bevor er sich eine kleine Tatze von mir einfängt, ist er lieber rücksichtsvoll.
Ich werde in die Küche gebeten und schon seit die Eingangstüre geöffnet wurde, konnte ich den Duft erschnuppern. Gisela lacht und meint: „Aha, unser Herr Feinschmecker hat mitbekommen, dass ich ein Hähnchen im Backofen grillen lasse. Das Fleisch ist schon gar, aber es ist noch zu heiß, deshalb müssen wir noch einige Minuten warten. Ich bin gerade am Lesen der Tageszeitung, setze dich zu uns, danach geben Maxl und ich auch ein gutes Stück des Geflügels an dich ab“. Tja, die Gisela, die kennt sich aus und ist so weise einen lieben Kater wie mich mit solchen Äußerungen zu erfreuen. Während ich aufmerksam zuhöre was sie aus der Zeitung vorliest, legt sich Maxl auf den Boden und schließt die Augen. Gisela räuspert sich: „Am Samstag hat es in Duisburg ein besonderes Ereignis gegeben: Ein Auto ist an einer Kreuzung mit einem anderen Wagen zusammengestoßen. Zunächst hat alles nach einem normalen Blechschaden-Unfall ausgesehen, doch wie die Polizei dann ermittelt hat war folgendes vorgefallen: Der Unfallverursacher, ein 70ig jähriger Mann hatte eine 34 jährige Beifahrerin. Die Beifahrerin war auf dem Schoß des Mannes gesessen und die beiden hatten während der Fahrt Sex miteinander. Das Lenken, Schalten und Bedienen der Pedale haben sich die beiden geteilt, je nachdem wer in der jeweiligen Situation irgendwo noch am besten drangekommen ist. Die Polizei hat dann weiter nachgeforscht und dann feststellen müssen, dass keiner der beiden Sexpartner einen Führerschein hatte, deshalb konnte dieser auch nicht eingezogen werden“.
Gisela schüttelt ungläubig den Kopf und murmelt vor sich hin, als sie das Brathähnchen aus dem Backofen holt: „Der Kerl war fast so alt wie ich, seine Beifahrerin nur halb so alt, Respekt, Respekt“. Dann lacht sie auf und zerteilt den Vogel, wobei sie diese Tätigkeit immer wieder lachend kurz unterbrechen muss, wahrscheinlich denkt sie dabei jeweils an die „Verkehrssituation“ in Duisburg. Gemeinsam haben wir uns dann den Vogel schmecken lassen. Ich habe vorwiegend weißes Fleisch auf meinem Teller, damit die Würzung nicht so stark ist, während sich Maxl und Gisela die angebräunte Haut und den Rest des weißen Fleisches teilen. Zusätzlich haben sie noch Kartoffeln und etwas Rosenkohl auf ihren Tellern. Nach dem Essen bin ich noch geblieben bis Gisela den Abwasch erledigt hat, habe sie dann noch für die geschmackvolle Essenzubereitung mit zwei, drei Miau-Rufen gelobt und bin dann wieder ins Freie gegangen, denn es ist mittlerweile dunkel geworden und schließlich habe ich noch einen Hauptjob als Nagetierbeauftragter, der das Überhandnehmen der Fellträger in meinem Gebiet verhindert.
Ende Januar, es hat diese Nacht auch in meinem Gebiet geschneit. Hurra, wie lustig ist es die leichten Schneeflocken auf der Nasenspitze schmelzen zu fühlen. Die Luft erscheint würzig und mit feinen Salzen angereichert zu sein. Der Schnee bleibt liegen und ich mache mir einen Spaß daraus mit einen Pfoten Abdrücke im frischen Schnee zu hinterlassen. Absichtlich gehe ich mal etwas mehr von links nach rechts und schaue dann hinter mich. Die Spuren sehen fast so aus wie bei betrunkenen Menschen, wenn sie nach ausreichendem Alkoholkonsum den ganzen Bürgersteig benötigen und mal hierhin, mal dorthin torkeln. Manchmal haben sie sich aber so „abgefüllt“, dass sie sogar auf den Boden sinken und dort ihren Rausch ausschlafen wollen. Bestimmt werden sich einige aufmerksame Beobachter über meine kurvigen Fußabdrücke wundern, doch weil der Schneefall etwas stärker wird, sind meine Spuren schon bald überdeckt und bleiben zu meinem Leidwesen unbemerkt. Wie hatte doch der Dichter Rainer Maria Rilke so treffend ausgeführt: „Das Leben und dazu eine Katze, das ergibt eine unglaubliche Summe“.
Ich bin in die 1.Querstraße Nummer 9 gegangen, dort wohnt Jürgen, ein ganz gemeiner Bursche. Er ist ausgerechnet der Geselle meines guten Freundes des Metzgers Josef. Jürgen hat zwei ausgewachsene Boxer-Hunde, einmal das 25 kg schwere Weibchen „Shila“ und dann den Rüden „Jack“, der 40 kg Gewicht haben dürfte. Jürgen schießt mit seinem Luftdruckgewehr gerne Vögel und andere Tiere an und lässt die verletzten Kreaturen dann von seinen beiden Hunden, bei lebendigem Leibe zerfetzen. Er hat auch meinen Freund, den kastrierten Kater Tiger, der zusammen mit der blonden Studentin Petra, in der 2.Querstraße lebt, hinten links angeschossen und den armen Kerl zum Krüppel gemacht, der an manchen Tagen nur sehr schwer humpelnd laufen kann. Zum Glück hat es damals Tiger noch geschafft über die Gartenmauer von Jürgens Grundstück zu kommen, bevor ihn die beiden Boxer-Bestien zerrupfen konnten – doch manchmal wacht mein armer Freund noch heute in der Erinnerung an die damaligen Geschehnisse zitternd auf.
Ich vergewissere mich, dass die Fenster nicht geöffnet sind und ich somit von einer Kugel nicht überrascht werden kann, dann bin ich auf die Mauer von Jürgens Grundstück gehuscht, rasch hinunter in seinen Garten gesprungen und habe dann so viele Duftmarkierungen wie möglich hinterlassen. Die Hunde werden morgen bei ihrem Gartenrundgang alles erschnuppern und dann wieder herumgeifern, doch da werde ich schon lange nicht mehr hier sein. Der nach wie vor fallende Schnee verwischt derweilen meine Spuren und so hinterlasse ich nichts als stark riechende Fäkalien auf seinem Gelände. Bei meinem nächsten Besuch bei Tiger werde ich ihm davon berichten, damit er sich wenigstens ein klein wenig an meinem Streich erfreuen kann.
Am nächsten Tag, es ist ein Freitag. Normalerweise sind doch meine beiden Sorgenkinder Manfred und Martina nur am Wochenende, oder im Urlaub gemeinsam da. Etwas misstrauisch geworden bemerke ich den gespannten Blick der beiden, als ich an meine Futterschüssel gehe. Wieso sind die beiden so erpicht darauf wie ich mich beim Essen verhalte? Das Futter ist offensichtlich das gleiche, das ich auch sonst immer bekomme und auch die Ration ist in Ordnung. Doch wenn sich die beiden angespannt gegenseitig lächelnd zunicken und dann wieder aufmerksam zu mir und meinem Futter sehen, macht mich das mehr als misstrauisch. Ich schnuppere auch am Wasser und das scheint ganz rein zu sein, also zuerst einmal Wasser trinken und dann vortäuschen ich hätte derzeit noch gar keinen Appetit. Als Kater von Welt kenne ich natürlich auch den Trick erst anzutäuschen und dann zuzuschlagen, also erst einmal so machen als wäre ich sehr müde und würde jetzt ein Nickerchen halten wollen. Nachdem ich scheinbar schlafe und meine Augen nur einen kleinen Schlitz geöffnet halte, stehen meine beiden Menschen etwas enttäuscht vom Küchentisch auf, heben ihre Schultern und machen sich dann fertig um noch Einkäufe zu erledigen.
Als sie schließlich mit dem Auto abdüsen bin ich aufgestanden und habe einige Zimmer nach verdächtigen Gegebenheiten untersucht. Immer wieder habe ich diese Suche unterbrochen und wieder an meinem Futter gerochen. Mit der Pfote habe ich auch ganz achtsam die Essensbrocken von einer Seite auf die andere verschoben. Mit der Zeit glaube ich einen Fremdgeruch beim Essen feststellen zu können. Es riecht etwas chemisch, und einige weiße, zerkleinerte Teilchen fallen mir auf. Fast so als wären Medikamente unters Essen gemauschelt worden. Im Badezimmer habe ich dann die Flaschen im Regal durchgesehen. Auf einer davon war eine Katze abgebildet. Es handelt sich laut Beschreibung um „gute Chemische Ergänzungsmittel die einerseits die Katze beruhigen sollen, andererseits aber auch für ein glänzendes Fell und gute Augen sorgen sollen. Als ob durch meine erjagten Nagetiere irgendwo ein Nachholbedarf erforderlich wäre. Seltsamerweise finde ich noch eine zweite Medizinflasche, diesmal mit Tabletten, die ein Betäubungsmittel enthält, damit man die Katze ruhig stellt und dann ohne Probleme zum Tierarzt bringen kann. Was für eine hinterlistige Gemeinheit Freunde! Ich öffne auch diese Flasche vorsichtig und schnuppere daran. Besonders gut riecht das für meine Nase nicht. Mal sehen mit welchen Tricks mich die beiden noch ausmanövrieren wollen. Na den beiden werde ich es aber zeigen. Ich suche die Tablettenflaschen und Nahrungsergänzungsmittel von Manfred durch und öffne sie mit den Zähnen vorsichtig auf dem Frisiertisch, dann schüttelte ich jeweils eine Tablette darauf, bis ich eine Sorte finde, die meinen K.O. – Tabletten fast wie ein Ei dem anderen gleichen. Diese Flasche nehme ich dann und schütte komplett alle Tabletten auf die Tischplatte. Jetzt die Beruhigungstabletten für Katzen aufdrehen und den Tabletteninhalt in die jetzt leere Schilddrüsenflasche einfüllen. Danach Manfreds Tabletten vom Tisch in meine leere Flasche schieben und beide wieder zudrehen. Dann beide zurück ins Regal. Manfred wird vielleicht eine Freude haben, wenn er künftig seine Medizin einnimmt und kurze Zeit danach einschlafen wird. Das für mich eigentlich vorgesehene, mit den Schlaftabletten versetzte Essen habe ich übrigens in der Toilette entsorgt und gründlich nachgespült.
Eine Stunde später sind meine beiden heimtückischen Zweibeiner wieder da. Ich stelle mich etwas teilnahmslos, schwanke ein wenig, wirke etwas desorientiert und auch die leere Futterschüssel scheint die beiden zusätzlich zufriedenzustellen. Dann streicht mir Martina mit einem Pinsel eine Flüssigkeit auf mein Fell und meine Vorderpfoten. Schon am Geruch erkenne ich dass es sich um eine Flasche mit dem flüssigen Betäubungsmittel für Katzen handelt und hier offensichtlich versucht wird ein Ablecken der Substanz zu bewirken und mich vollends zu betäuben.
Ach Leute, diese Bauerntricks, sowohl mit den zerdrückten Tabletten im Essen, als auch mit der aufgestrichenen Flüssigkeit auf dem Fell und den Vorderpfoten, kenne ich schon lange. Ich bin dann heimlich, in einem unbeobachteten Augenblick, rasch ins Freie gelaufen und habe mich dort, mit dem Wasser das noch in einigen kleinen Vogeltränkbecken war, gründlich gewaschen, damit ich über meine Zunge keine ungeklärten Chemiestoffe einführe. Erst dann habe ich mich mit der Zunge gesäubert. In die Vogeltränken habe ich übrigens noch Dreck geworfen, damit die Hausbewohner bald die Becken entleeren und mit frischem Wasser füllen. Ich will ja schließlich nicht aus Singvögeln Vögel der Nacht machen.
Von der Fremdflüssigkeit die mir Martina aufs Fell gestrichen hatte, war kein Geruch mehr feststellbar und ich bemerke nur ein klein wenig die betäubende Wirkung der Substanz, weil minimale Bestandteile offensichtlich doch noch am Fell anhängig waren. Zuhause habe ich dann die neugierigen Blicke von Martina und Manfred einfach ignoriert und mich dann so verhalten, als sei ich unheimlich müde und schlafbedürftig. Die beiden müssen nach kurzer Zeit angenommen haben ich sein vollständig betäubt und auch als mich Martina vorsichtig in den Katzen-Transportkorb hebt, stelle ich mich teilnahmslos und mache einen ohnmächtigen Eindruck. Die beiden haben mich dann zum Tierarzt gefahren – mit mir, dem scheinbar eingeschlafenen Coon. Unterwegs meint Manfred: „Jetzt mach´ nicht so ein Gesicht, ich habe extra den Termin mit dem Tierarzt gemacht, damit Coon kastriert wird. Du wolltest doch das auch schon mal haben und jetzt machst Du fast so als wäre es Dir nicht recht. Überlege doch mal: Das Vieh wird danach viel anhänglicher und friedlicher sein und uns keine Streiche mehr spielen, wie eine lebende Ratte aufs Bett legen, oder unsere Handys verstecken, oder die Sportschuhe mit Wasser füllen und, und, und“. Martina schweigt nur und schaut starr nach vorne, doch auch sie versucht mit keiner Silbe den medizinischen Eingriff zu verhindern.
Wie würde jetzt Goethe im Faust sagen lassen: „… das ist des Pudels Kern ..“Ausgerechnet auch noch zum „Quäler-Tierarzt“, der schmerzhafte Spritzen gibt und auch meine beiden Katzenfreundinnen Daisy und Lilly sterilisiert hat, die bei Carola, der Tochter im Obstgeschäft Friedrich wohnen. Dieser sogenannte Arzt soll mich verstümmeln, soll mich kastrieren, um es mit Shakespeare in „Die lustigen Weiber von Windsor“ zu sagen: „Ich will eher zwanzig treulose Turteltauben finden als einen züchtigen Mann“. Oder noch drastischer mit Bert Brecht der erkannt hatte: „Es gibt kein Geschäft, das so gemein wäre, dass nicht sofort ein anderer es macht, wenn man darauf verzichtet“. Und dieser studierte und diplomierte Kerl würde sich sofort für jede Schandtat zur Verfügung stellen, selbst der Kastration des lieben, kleinen, besten Coons aller Zeiten! Schande über so einen Mediziner!
Manfred hat dann den Korb, mit mir als Inhalt, in die Praxis getragen, als offensichtlich total weggetretenem Transportgut. In Anbetracht meiner vorgetäuschten Ohnmacht haben meine beiden Schutzbefohlenen noch nicht einmal die Transportbox richtig verschlossen. Wie sagt ein Sprichwort aus Japan: „Der Dumme schließt die Tür schlecht, der Faule lehnt sie nur an, und der Narr lässt sie offenstehen“.
An der Anmeldung keine Probleme und wir müssen noch ein wenig im Wartezimmer auf den Arzt warten. Obwohl dort auch weitere Tierhalter mit verschiedenen Tieren wie Vögeln, Hunden und Katzen sind, rühre ich mich nach wie vor nicht. Wie lautet ein Spruch aus dem Sudan: „Beißt dich ein Hund und du beißt ihn nicht wieder, so denkt er, du hättest keine Zähne“. Natürlich hat mich niemand gebissen, weshalb es mir auch besonders leicht gefallen ist weiter den problemlosen Patienten zu spielen.
Ich bin sogar noch ganz entspannt, als wir endlich an die Reihe kommen und wir in den Praxisräumen des Tierarztes angekommen sind. Nach einer kurzen Begrüßung hebt Manfred den Tragekorb auf den Behandlungstisch und Martina öffnet nun ganz die Türe und zieht mich scheinbar bewusstlos, vorsichtig heraus. Der Arzt steht mit einer medizinisch, technischen Angestellten bereit und bereitet nun auch noch eine Spritze vor. Meine Gedanken sind kurz bei Nietzsche, der in der „Unschuld des Werdens“ geschrieben hat: „Jedem das Seine geben: Das wäre die Gerechtigkeit wollen und das Chaos erreichen“.
Jetzt springe ich auf und hellwach kriegt der Tierarzt einen Prankenhieb von mir, kurz bevor ich ihm noch einen Biss verpasse. Die Spritze fällt zu Boden und es dauert noch eine kleine Weile, bevor der Arzt vor Überraschung, Ungläubigkeit und Schmerz den ersten Ton herausbringt. Doch jetzt ist alles zu spät, ich bin in meinem Element.
Ich werde Euch helfen mich betäuben zu wollen um Eure grausamen Experimente mit mir vornehmen zu können. Den Tag werdet ihr allesamt so schnell nicht vergessen. Den Tierarzt jage ich um den Tisch, auf seinen Buckel springe ich auch noch und ein weiterer Krallenhieb auf seine Ohrmuschel bereitet dem „Quäler“ so große Schmerzen, daß er schreiend versucht aus der Praxis zu rennen, während einige Tropfen Blut auf dem Boden zurückbleiben. Meine beiden Mitbewohner sind starr vor Schreck und stehen nur mit offenen Mündern und aufgerissenen Augen herum.
Die Türe zur Sprechstundenhilfe und zum Wartezimmer wird jetzt vom Arzt aufgerissen, aber der Narr ist mich noch lange nicht los. Frei nach Paracelsus im „De fundamento sapientiae“ verfahre ich jetzt: „Wie kann der Narr nach dem Willen Gottes sein? Wie kann der nichts könnende Mensch im Willen Gottes sein? Diese Dinge sind alle wieder den Willen Gottes, denn Gott will uns nicht als dumme Narren haben, die nichts wissen, nichts können und nichts verstehen“.
Die Verfolgungsjagd geht durch das Wartezimmer, wo tierische Patienten und ihre sitzenden und lesenden Tierhalter vor Schreck zusammenzucken, weil ich auch noch heftig fauche. Ein Kakadu beginnt panisch mit den Flügeln in seinem Käfig zu schlagen und laut zu krächzen, zwei Hunde bellen erschreckt und aufgeregt und zwei Katzen die sich bisher ruhig verhalten hatten, beginnen vor Begeisterung mich mit weiteren Fauchgeräuschen anzuspornen. Einige Meerschweinchen hasten aufgeregt in ihre dunklen Höhlen in ihrem Transportkäfig.
Der Arzt rennt laut schreiend an der Sprechstundenhilfe vorbei, ein kurzer Kralleneinsatz in die Hose geht problemlos bis zur Haut und der Fliehende schleift mich dabei sogar ein wenig mit, bevor ich mich von der Baumwolle wieder lösen kann.
Vor lauter entsetztem Umschauen zu mir, bemerkt der Arzt in seiner Panik nicht, dass sich soeben die Eingangstüre zur Praxis öffnet und ein 2-Meter großer Mann, mit einem Hund eintreten will. Der Arzt rennt mit dem Kopf an die geöffnete, stabile Eingangstüre und landet, das Gleichgewicht verlierend, auf dem Boden. Ich denke der Bursche wird bestimmt zweimal aufschlagen: Das erste Mal jetzt auf dem Boden und dann zum zweiten Mal im Krankenhaus, wenn er die Augen, nach seiner Ohnmacht wieder aufschlägt.
Ich bin vollends mit meinem Werk zufrieden und lasse von dem Ohnmächtigen ab, denn mit einem Gegner kann ich kämpfen, aber was ist schon an einem am Boden liegenden Zweibeiner dran, der total weggetreten herumliegt? Meine Mitbewohner sind immer noch nicht aus der Praxis gekommen, während sich jetzt die Sprechstundenhilfe an der Annahme um ihren Chef kümmert. Warum sie dabei grinst und auch die MTA die mittlerweile dabeisteht auch nicht unglücklich aussieht, ist mir nicht bekannt, aber wenn dieser Stinkstiefelarzt sich gegenüber seinen Mitarbeitern genauso verhält wie gegenüber seinen Tier-Patienten, kann ich mich über ihre mangelnde Betroffenheit nicht wundern. Die Sprechstundenhilfe höre ich sogar noch leise sagen: „Sieben, acht, neun, … aus. K.o. in der ersten Runde“! Mit etwas stolz geschwellter Brust bin ich dann fast schon majestätisch aus der Praxis geschritten und langsam, auf Umwegen nach Hause gegangen. Ich hoffe doch dass ich bei diesem Tierarzt nicht mehr auf der Matte stehen muss. Zudem wurden von mir die Sterilisationsoperationen meiner Katzendamen gerächt und bestimmt noch weitere Verbrechen an der Würde von Katzen und anderen Tierarten. Um es mit La Rochefoucauld in den „Unterdrückten Maximen“ zu sagen: „Um immer gut sein zu können, ist es erforderlich, die anderen davon zu überzeugen, dass sie uns gegenüber niemals ungestraft böse sein dürfen“.
In meinem Domizil angekommen, habe ich mich zwischen Rückseite der Couch und Wand gelegt, denn ich will doch meinen beiden Mitbewohnern nicht zu früh verraten, dass ich schon vor ihnen angekommen bin. Kurz nach mir sind die beiden eingetreten: „Martina, hast Du das gesehen, wie das Vieh verrückt gespielt hat und plötzlich wach geworden ist?“
„Manfred, vielleicht sind das Nebenwirkungen der Tabletten und des flüssigen Mittels das wir Coon verabreicht haben. Bei dem Tierarzt brauchen wir uns mit Sicherheit nicht mehr sehen zu lassen. Nach den Vorkommnissen im letzten Jahr hat er uns nur sehr widerwillig einen Termin gegeben. Das können wir uns in Zukunft ganz abschminken. Alle Anwesenden wurden mit ihren Tieren, von den Sprechstundenhilfen heimgeschickt und die haben, für dringende Fälle, gleich noch die Anschrift für einen anderen Tierarzt, in der Nachbarstadt gegeben. Aber wie die Leute auch nach dem ersten Schock gelacht haben und selbst die Mannschaft des Arztes hat vor Lachen Tränen in den Augen gehabt. Besonders beliebt scheint der Arzt wirklich nicht zu sein. Selbst die herbeigerufenen Sanitäter haben sich Zeit gelassen und sich fast kaputtgelacht, als wir und die MTA den Vorfall beschrieben haben.“ Martina, überlege doch mal, wenn uns jetzt der Arzt verklagt, was machen wir dann?“ Dann ist Schweigen im Raum.
Einige Zeit später bin ich einfach durch das Haus gelaufen, als wäre überhaupt nichts vorgefallen. Nur bei der Aufnahme von Essen und Wasser habe ich ab jetzt immer sehr, sehr vorsichtig nachgesehen, damit mir keiner meiner beiden Giftmischer etwas unterschieben kann.
Am letzten Tag des Monats bin ich dann zu Mathias und Ingrid gegangen. Aus einem angelehnten Küchenfenster dringt Kochdunst, der auf eine vorzügliche Nahrungszubereitung schließen lässt. Ich melde mich mit einem lauten Miauen an, die blonde Ingrid öffnet lachend die Türe und ruft ins Haus: „Mathias, Bärchen, sieh mal mein schwarzer Prinz ist da und scheint etwas Hunger mitgebracht zu haben. Wie mittlerweile in der ganzen Stadt bekannt ist, muss er ja bei seinen beiden Mitbewohnern immer aufpassen, dass sie ihn nicht zu betäuben versuchen, um eine Kastration durchführen zu lassen. Haben wir noch etwas für einen hungrigen, notleidenden Kater übrig“? Die dröhnende Antwort kommt rasch: „Natürlich mein Zuckerschneckchen. Für Deinen Helden habe ich immer etwas da. Das ist mir schon alleine das Gelächter im ganzen Ort wert, weil der Kater den Tierarzt gründlich vermöbelt hat. Es ist so schade dass ich nicht live dabei war. Das hätte ich so gerne live miterlebt“! Nachdem ich mich in der Küche hingesetzt habe, informiert mich Mathias über das Essen: „Blondchen und ich essen gekochten Wildreis sowie eine Gemüsekombination aus Paprikastreifen, angerösteter Sesamsaat mit gebratenen Ingwerwurzelwürfelchen, blauen Zwiebeln und einer kleinen Chilischote. Dazu gibt es Fisch aus Norwegen. Endlich ist der Skrei wieder da. Im Winter kommt der Kabeljau aus der eisigen, sturmgepeitschten Barentssee, zum Laichen in die wärmeren Gewässer um die Lofoten, einem Gebiet im nördlichen Einflussbereich von Norwegen. Das ist eine Strecke von über 800 km, die der Kabeljau auf seiner weiten Reise zurücklegen muss. Nur in den Wintermonaten von Januar bis April wird er deshalb von der norwegischen Flotte gefangen. Das Fleisch ist geschmackvoll und weiß, vor allem aber besonders fest, weil der Fisch weite Strecken im Meer zurücklegt. Jeder Fang wird genau registriert und hat exakt vorgeschriebene Qualitätsstandards. Es wurde ein Qualitätssiegel kreiert um sicherzustellen dass sowohl die Kühlkette, als auch der Umgang mit dieser tollen Ware optimal umgesetzt wird. Nur Fische im makellosen Zustand bekommen das Qualitätssiegel und nur an speziell lizenzierte Händler geht die Ware. Neben dem tollen Fischfleisch werden auch der Rogen und die Leber von den Kunden sehr stark nachgefragt. Wegen all diesen Gründen gilt der Skrei als edelster Kabeljau auf der Welt“.
Beim Essen darf ich als Kenner feststellen, dass Mathias nicht zu viel versprochen hat, die mit Salbeibutter angebratenen Kabeljaustücke munden mir hervorragend und auch die zurückhaltende Würzung bei meinem Essensanteil kann ich an dieser Stelle nur lobend erwähnen und gestehe, dass mir bereits vor dem Essen das Wasser im Munde zusammengelaufen ist. Als ich dann auch noch das erste Stückchen Fisch zu mir genommen habe, gibt es für meine Begeisterung kein Halten mehr und ich habe vor Aufregung mit dem Schwanz freudige Klopfbewegungen auf den Boden gemacht. Bei Euch Menschen würde das fast einem Begeisterungssturm entsprechen. Doppelt schön wird so eine Köstlichkeit, wenn man nicht befürchten muss artfremde Chemikalien, aus unkalkulierbaren Beweggründen, untergeschoben zu bekommen.
Nach dem Essen wird der Tisch gemeinsam abgeräumt, das heißt Mathias reinigt grob Töpfe, Schüsseln, Teller und Pfannen. Ingrid beseitigt Reste der Mahlzeit in die dafür vorgesehenen Behältnisse für den Abfall und räumt dann die Spülmaschine ein. Ich laufe langsam herum und kontrolliere ob nicht etwas auf den Tischen vergessen wurde, oder ob vielleicht etwas auf den Boden heruntergefallen ist, was noch aufgekehrt werden muss, bevor jemand darauf entweder ausrutscht, oder den Unrat unbeabsichtigt im ganzen Haus verteilt. So hat ein jeder seine verantwortungsvolle Arbeit zu verrichten. Ingrid füllt Pulver und Flüssigkeiten in die Spülmaschine ein und Mathias führt eine Geschirr-Platzierungs-Endkontrolle durch, damit das Maschinenvolumen auch optimal genutzt wird. Ingrid stemmt schließlich resolut ihre Arme in die Seiten und ruft, scheinbar kampfeslustig: „Noch einer aus der Männergilde der sich am Geschirrreinigen beteiligen will und seinen ungefragten Kommentar zum Besten geben möchte“? Ich schaue ganz unschuldig zur Decke hoch und überlege ob die wieder gestrichen werden muss, während Mathias seine Holde packt, hochhebt und ihr einen Atem raubenden Kuss gibt. Dann grinst er schief und ruft zu mir: „Nun Coon, wie findest Du meine kleine Kampfmaus“? Ich sitze und hebe nun meinen rechten Arm, bis meine Pfote an meinem linken Oberarm ankommt, dann senke ich ergeben mein Köpfchen, eine Szenerie wie ich sie in Mantel- und Degenfilmen schon oft gesehen habe. Schallend höre ich zwei Erwachsene loslachen, bis ihnen dicke Tränen über die Wangen kullern.
Als Ingrid wieder zu Atem gekommen ist, wendet sie sich an mich: „Lieber Coon, Deine Heldentat beim Tierarzt hat sich bereits im ganzen Ort herumgesprochen und natürlich ist es immer noch Stadtgespräch. Einige Stammtischbrüder haben sich in geselliger Runde gefragt, ob sie dich nicht vermarkten könnten und Besuchergruppen hierher führen sollen. Ich habe mich mit Mathias abgesprochen und war deshalb gestern noch bei Manfred und Martina. Den beiden haben wir angeboten Dich ihnen abzukaufen. Den Preis sollen die beiden festlegen. Unsere Bedingung war: Du darfst nicht kastriert werden. Durch heutige Informationen auf den Sozialseiten unseres Städtchens habe ich erfahren, dass wir nicht die einzigen sind die Dich sofort von Martina und Manfred loskaufen würden. Horst hat in der Vergangenheit bereits sein Interesse bekundet und auch die alte Lehrerin Gisela ist dazu bereit. Selbst vom Seniorenprojekt in der 1.Querstraße sind einige Interessenten sofort bereit Dich zu nehmen, wenn Du willst“.
Ich überlege kurz und werfe Ingrid und Mathias dann eine Kusshand zu, als Zeichen wie sehr ich ihr Angebot zu schätzen weiß. Dann schüttele ich aber bedauernd den Kopf, denn so leicht möchte ich es meine beiden Sorgenkinder nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, ein liebenswertes, treusorgendes Lebewesen wie mich, artgerecht und mit Achtung zu behandeln. Wieder müssen Mathias und Ingrid herzhaft lachen, bevor Mathias dann meint: „Coon, Du kannst jederzeit bei uns auftauchen und hierbleiben. Auch von Angelika und ihrer Tochter Rebecca, habe ich mitbekommen, dass sie Dich auch sofort bei sich aufnehmen würden. Ich soll Dir ausrichten: Sie hätten übrigens einige tolle Lachsstücke für Dich eingefroren, die Du bei Deinem nächsten Besuch erhältst“. Dankbar nicke ich und zur Bestätigung alles verstanden zu haben, miaue ich noch zweimal, was durch lautes Lachen der beiden fast untergeht. Während die Spülmaschine läuft, lesen Ingrid und Mathias in Zeitschriften, während ich gesättigt und durch die gleichmäßigen Maschinengeräusche zwischen den beiden einschlummere. Es stellt sich beim mir ein Gefühl der absoluten Sicherheit und Geborgenheit ein. Ich glaube ich habe im Schlaf sogar vor Wohlbehagen geschnurrt.
Nach meinem Erholungs- und Verdauungsschlummer habe ich mich nochmals für die herzlichen Worte und das tolle Essen bedankt und bin dann in die Nacht hinausgegangen um zu sehen ob die Nagetiere sich aus ihren Bauten trauen und wie viele sich heute fangen lassen. Die leichtsinnigen Viecher haben es wirklich diese Nacht darauf angelegt und so erbeute ich einige Ratten und Mäuse, die ich kunstvoll im Revier meiner Freundinnen Lilly, Daisy und Natasha verstecke. Selbstverständlich berücksichtige ich auch meinen kastrierten und angeschossenen Freund „Tiger“, der zusammen mit der blonden Studentin Petra unter einem Dach lebt. Selbst wenn es kalt ist, meine Essensgeschenke werden wahrgenommen werden. Schade nur, dass ich in den jeweiligen Momenten, wenn die Fundstücke entdeckt werden, wahrscheinlich nicht anwesend sein werde, um die Freude und Begeisterung direkt sehen zu können. Jedoch haben die Katzenbesitzer da einen „Riegel vorgeschoben“ (Anmerkung Coon: Unter „den Riegel vorschieben“ meint man Vorkehrungen zu treffen, damit gewisse Ereignisse nicht eintreten, oder doch zumindest total erschwert werden). Dabei wären ihre Vierbeiner höchst erfreut so eine tolle, fangfrische Nahrung gereicht zu bekommen. Doch wie sollen es Menschen bei ihrer Entwicklungsgeschichte gelernt haben sich über Geschenke zu freuen, die ihnen von ihren mitbewohnenden Fellträgern gebracht wurden?
Mit dieser Frage lasse ich Euch in dieser Nacht allein, denn ich muss noch an verschiedenen Orten, einige Gesangsvorführungen zum Besten geben. Meine Darbietungen müssen zum Teil so gut gewesen sein, dass sogar einige Bewohner meines Städtchens, mitten in der Nacht, die Fensterläden und die Fenster geöffnet haben um herauszurufen. Bestimmt haben sie damit um eine Zugabe gebeten. Dieser indirekten, bescheidenen Bitte bin ich natürlich sehr gerne nachgekommen und habe nochmals besonders stark und oft meine Stimme erklingen lassen und mich auch nicht geziert, einige weitere Zugaben meinem verehrten Publikum zu Gehör zu bringen. Einige weitere Mitbürger haben daraufhin ihre Fenster besonders rasch aufgerissen und laut in die Nacht geschrien, aber irgendwann muß einmal mit den Zugaben Schluss sein und zudem gibt es auch Menschen die am nächsten Morgen sehr früh aufstehen müssen um ihr Tagwerk zu vollbringen. Deshalb habe ich dann trotz dieses enormen Zuspruchs mein Solo-Konzert beendet.