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AM ANFANG STAND EIN PLATTENWAGEN Wie der VW-Bus auf die Räder gestellt wurde
ОглавлениеMit der Aufnahme der Serienfertigung des VW-Busses – der Kleintransporter wurde werksintern als Typ 2 bezeichnet, war also der zweite zivile Volkswagen nach dem Typ 1 des VW Käfers – erschien Anfang März 1950 ein Volkswagen-Modell auf dem Markt, mit dem die Wolfsburger überall auf größtes Interesse stießen. Der VW-Bus war ein typisches Kind des Wirtschaftswunders der jungen Bundesrepublik. Die Formgebung seiner Frontpartie, u. a. auch bei der neuen Bundesbahn-Diesellok V 200 zu finden, galt als Synonym für den Zeitgeschmack und die Dynamik des Mobilitätsbedürfnisses, als Zeichen des Aufbruchs in eine neue Ära. Viele nennen den Transporter liebevoll Bulli, wobei die Herkunft dieses Namens nicht genau geklärt ist. Die einen vermuten, er beruhe auf der verkürzten Zusammensetzung der Worte „Bus” und „Lieferwagen”. Das Volkswagenwerk jedoch schreibt die Kurzform dem rundlichen und „bulligen” Erscheinungsbild der markanten Front des Kleintransporters zu. Für diese Variante spricht, dass der Spitzname „Bulli” offenbar bereits werksintern verwendet wurde, bevor er im Volksmund geläufig wurde. Am weitesten verbreitet hat sich in der Bevölkerung indessen die Bezeichnung „VW-Bus”.
Bis Kriegsbeginn im September 1939 hatte das am Mittellandkanal bei Fallersleben gelegene Volkswagenwerk nur eine kleine Serie des sogenannten KdF-Wagens, des Vorgängers des nach dem Krieg weltberühmt gewordenen Käfers, herstellen können. Dieses von einem luftgekühlten Heckmotor angetriebene Fahrzeug ging auf einen bereits 1934 dem Reichsverkehrsministerium eingereichten Entwurf zurück, der federführend durch den Konstrukteur Ferdinand Porsche erstellt worden war. Das Volkswagen-Projekt – das Fahrzeug sollte nach Hitlers Vorgaben bei einem Verkaufspreis von unter 1.000 Reichsmark liegen und damit weiten Volkskreisen zugänglich sein – ging 1937 in den Zuständigkeitsbereich der Deutschen Arbeitsfront (DAF) über, die wiederum ihre Unterorganisation „Kraft durch Freude” mit der weiteren Durchführung betraute. Damit entstand der Begriff „KdF-Wagen”. Dieser Pkw, auf den viele Menschen gespart hatten, wurde bis 1945 nie ausgeliefert und seiner ursprünglich gedachten zivilen Verwendung zugeführt. Denn mit Beginn des Kriegs änderten sich schlagartig die Aufgabenstellungen des noch im Bau befindlichen Werks. Der Fertigungsbeginn des KdF-Wagens wurde zugunsten der Rüstungsproduktion zunächst vorläufig und schließlich dauerhaft auf Eis gelegt. Technik und Konzept des Personenwagens hingegen wurden in einem für die Wehrmacht bestimmten viertürigen, als Typ 82 bezeichneten Kübelwagen und dem allradgetriebenen Schwimmwagenpendant des Typs 166 erfolgreich weiterverwendet.
Nach Kriegsende nahm das nur relativ gering zerstörte Werk unter Kontrollaufsicht der britischen Militärregierung seine Tätigkeit wieder auf. Die Fertigungsstätte firmierte zunächst unter dem Namen „Wolfsburg-Motor-Works” und begann – zunächst fast ausschließlich in Handarbeit – den ursprünglich geplanten Personenwagen zu bauen. Ab 1946 stiegen die Produktionszahlen schnell an, wobei die ersten 20.000 Nachkriegs-Käfer allerdings nicht an private Besteller gingen, sondern den Behörden der alliierten Besatzungsmächte vorbehalten blieben. 1955 rollte bereits das millionste Fahrzeug vom Fertigungsband.
Doch zurück zum VW-Transporter. Findige Arbeiter des VW-Werks hatten zur Erleichterung des werksinternen Transportverkehrs, insbesondere um sperrige Lasten befördern zu können, eine Bodengruppe aus der Serienfertigung des VW Käfers genommen, darauf vorn eine einfache Holzplatte als Ladefläche montiert und über der Hinterachse die Lenksäule mit Fahrstand und Doppelsitzbank angeordnet. Dieses heute skurril erscheinende Vehikel bezeichneten die Mitarbeiter als Plattenwagen. Dem niederländischen VW-Importeur Ben Pon aus Amersfoort fiel bei einem seiner häufigen Werksbesuche Anfang 1947 dieses Provisorium auf. Er fragte sich sofort spontan, ob ein solch einfaches, aber praktisches Gefährt nicht in Serie gebaut werden könne: Es müsste bestimmt gut verkäuflich sein. Für dieses Arbeitsgerät allerdings eine behördlich genehmigte Straßenzulassung zu erlangen bereitete schon in den ausgehenden 1940er-Jahren ein unüberwindliches Hindernis. Dadurch ließ sich Ben Pon aber nicht entmutigen. Da er nach wie vor von seiner Idee überzeugt war, skizzierte und verfeinerte er den groben Entwurf eines auf dem VW Käfer basierenden Kleinlasters in Frontlenkerbauweise mit Kastenaufbau in seinem Notizbuch. Bei diesem ersten Konzept befand sich der Motor nach wie vor hinten, der Fahrstand allerdings vorn. Bereits am 23. April 1947 erläuterte Ben Pon einigen Werksvertretern der britischen Besatzungsmacht – eine zivile Leitung hatte das VW-Werk damals noch nicht – den Grundgedanken seines geplanten Fahrzeugs: Die Herren beurteilten die Verkaufsmöglichkeiten allerdings eher skeptisch. So verschwand der Entwurf zunächst in der Schublade. Die Idee des Transporters aber war geboren.
Der Niederländer Ben Pon war der Ideengeber des VW-Transporters. Hier seine erste flüchtige Skizze.
Ein Prototyp des VW-Transporters. Die Lüfterschlitze über dem Laderaum fehlen noch. Über den Frontscheiben befindet sich eine durchgehende Regenrinne.
Im folgenden Jahr erhielt Ben Pon Gelegenheit, seine Überlegungen dem neuen Generaldirektor der Volkswagen GmbH, Heinrich Nordhoff, sowie dem Leiter der Technischen Entwicklung, Alfred Haesner, vorzutragen. Beide besaßen einige Erfahrung hinsichtlich Konstruktion und Serienbau von Lastkraftwagen. Nordhoff kam von Opel in Rüsselsheim und war ab 1940 Direktor des neu errichteten Lastwagenwerkes in Brandenburg an der Havel, wo der Opel-Blitz-Dreitonner bis zur Zerstörung der Produktionsanlagen im August 1944 in großen Stückzahlen hergestellt wurde. Haesner, der als Hauptabteilungsleiter und Prokurist bei der Volkswagen GmbH mit der Leitung der Technischen Entwicklung betraut war, war langjähriger Mitarbeiter der Phänomen-Werke in Zittau, zu deren Chefkonstrukteur er 1943 aufgestiegen war. Im Herbst 1948 kam man überein, einen ersten Transporter-Prototyp nach den Vorstellungen des niederländischen VW-Händlers zu bauen. Sollte es zu einer Serienfertigung kommen, hieß das vorgegebene Ziel, die Lücke im Nutzfahrzeugbereich zwischen Dreirad bzw. Kombifahrzeug und Lastkraftwagen zu schließen – eine Idee, die bereits Ferdinand Porsche in Form eines Karosseriewechsels vorschwebte, als er 1934 sein Käfer-Konzept zu Papier brachte.
Die Vorgaben für ein solches Fahrzeug waren sehr vielfältig – preisgünstig in der Anschaffung sowie wirtschaftlich in Betrieb und Unterhaltung waren die wichtigsten. Daneben sollten die Fahreigenschaften des Transporters weitgehend denen eines Personenwagens entsprechen, das Fahrzeug übersichtlich und wendig im Straßenverkehr sein und über einen größtmöglichen Laderaum, bei 750 kg Nutzlast, verfügen. Es sollte universell und sehr vielseitig einsetzbar sein sowie Handel, Handwerk, Gewerbe und Industrie einen großen Nutzen bei einem vergleichsweise niedrigen finanziellen Einsatz bieten.
Die Versuchs- und Entwicklungsarbeiten für diese zunächst als Sonderkonstruktion Typ 29 geführten Arbeiten begannen Mitte November 1948. Schnell erkannte Haesner als verantwortlicher Entwicklungsingenieur, dass die Vorgaben mit einem konventionellen Pkw-Chassis kaum zu erfüllen waren: Die serienmäßige Volkswagen-Basis war zu schwach, um 750 kg zu tragen. Verstärkungen des Plattformrahmens schieden mit Rücksicht auf das verschlechterte Verhältnis zwischen Eigengewicht und Nutzlast aus. Die Gewichtsverteilung mit einem auf der angetriebenen Hinterachse lastenden Motor, dem großen Laderaum in der Mitte und dem vorn sitzenden Fahrer als Gegengewicht war zwar vorbildlich. Gänzlich neue, unerwartete Probleme ergaben sich jedoch nach der am 7. Februar 1949 erfolgten Fertigstellung des ersten Prototyps und einiger Probefahrten. Bremsanlage und Federung der Vorderachse waren den Belastungen bei voller Beladung nicht gewachsen und mussten verstärkt werden. Das Tragfähigkeitsproblem wurde durch eine radikale Kehrtwendung zu einem selbstragenden Karosserieaufbau mit angemessen verstärktem Unterbau gelöst. Diese Bauweise war auch der konstruktive Hauptunterschied zwischen Transporter und Käfer. Die selbsttragende Bauweise verbesserte gleichzeitig das Verhältnis von Gesamtgewicht zu Leergewicht. Zugleich entschieden sich die Konstrukteure für vergrößerte Teleskop-Stoßdämpfer vorn und doppelte Torsionsfederpakte im hinteren Bereich. Da dieser Prototyp im Unterschied zu der Ben-Pon-Skizze und der späteren Serienausführung zunächst ein sehr eckiges Fahrerhaus mit einfachen, abgekanteten Blechen besaß, war der Kraftstoffverbrauch überaus hoch. Eine deutliche Verringerung des Verbrauchs erreichte man durch die mittels Windkanalversuchen im Institut für Strömungstechnik der nahe gelegenen Technischen Universität Braunschweig gewonnene Erkenntnis, dass bei einer relativ geringen Frontwölbung eine Reduzierung des Luftwiderstandes um 40 % möglich ist. Die Erprobung von Holzmodellen im Windkanal, durch die eine Senkung des Luftwiderstands-Beiwertes, des cw-Wertes, von 0,75 auf 0,44 möglich wurde, trug entscheidend dazu bei, die richtige Form des neuen Transporters zu finden, mit der nicht nur ein Verbrauchslimit von weniger als 10 l auf 100 km, sondern als positiver Nebeneffekt zudem eine Erhöhung der Maximalgeschwindigkeit auf rund 90 km/h erreicht wurde. Mit diesem cw-Wert schnitt der Transporter nicht viel schlechter ab als die Stromlinienform des Käfers, die mit einem cw-Wert von 0,39 als vorbildlich galt.
Die erste Ausführung von Lenkrad und Armaturenbrett mit Kombiinstrument.
Der Platz im Motorraum war anfangs überaus reichlich bemessen. Das bei der Serienfertigung über dem Motor gelagerte Reserverad befindet sich hier noch an der rechten Seitenwand.
Bei den weiteren Musterwagen wurden die gewonnenen Erkenntnisse aus den ersten Versuchsfahrzeugen berücksichtigt und viele Details überarbeitet. So wurden bei der Motorenbelüftung, den Türen und der Beleuchtungsanlage Details z. T. erheblich verändert. Nach mehr als 12.000 km erfolgreich verlaufener Versuchsfahrtstrecke wurde die Gesamtkonstruktion des Wagens schließlich als serienreif vermeldet. Das veranlasste Nordhoff am 19. Mai 1949, eine Terminplanung für den Serienbau vorzunehmen. Demnach sollte die Produktion der Null-Serie Anfang November starten und zum Jahresbeginn 1950 der Bau größerer Stückzahlen als eigentliche Serienfertigung anlaufen. Um den engen Zeitplan einhalten zu können, gab es noch vieles zu erledigen. Da die VW-eigene Lenkung nicht rechtzeitig fertig zu werden drohte, griff Haesner auf eine bereits erhältliche Ross-Lenkung der Zahnradfabrik Friedrichshafen (ZF) zurück. Vor allem mussten vor Beginn der Serienproduktion noch alle Presswerkzeuge gebaut werden. Aussagekräftiges Prospekt- und Werbematerial musste entworfen und gedruckt werden. Haesners sinnvollen Vorschlag, in den neuen Transporter Schiebetüren einzubauen, musste Nordhoff wegen des überaus knappen Zeitplans ablehnen. Bis zum Herbst 1949 fertigte der Versuchsbau unter höchstem Zeitdruck rund ein halbes Dutzend Prototypen, die noch Ende Oktober auf die Lackierung warteten.
Am 12. November 1949 schließlich konnte der erste VW-Lieferwagen – ein geschlossener Kastenwagen – vor etwa 200 handverlesenen geladenen Gästen und Pressevertretern präsentiert werden. In seiner Taufrede musste Nordhoff allerdings eingestehen, dass das neue Fahrzeug noch keinen richtigen Namen habe. Denn die Mannheimer Landmaschinenfabrik, die den berühmten Ackerschlepper „Lanz-Bulldog” herstellte, hatte Wind von den Volkswagen-Plänen bekommen, den neuen Transporter „Bulli” zu nennen. Diesen Namen beanspruchte die Firma Lanz für sich und setzte schließlich juristisch durch, dass er von Volkswagen nicht verwendet werden durfte. So musste der „Bulli” ohne einen richtigen Namen ins Rennen gehen: Anfangs wurde er werksseitig schlicht als „VW-Lieferwagen” und ab Mitte 1950 als „VW-Transporter” geführt. Namen hin oder her: Die Fachpresse beurteilte die Neuvorstellung überaus wohlwollend. So lobte der Chefredakteur der Motor-Rundschau in höchsten Tönen: „Der VW-Lieferwagen ist wohl der schnittigste Kleinlastwagen mit vorgebautem Führerhaus, den ich kenne …”