Читать книгу Sklaverei in Amerika - Udo Sautter - Страница 10
Die Sklaverei etabliert sich
ОглавлениеWährend der ersten Jahrzehnte konnten sowohl in Virginia als auch in Maryland freie Schwarze vor Gericht ebenso wie Weiße klagen, und einige von ihnen vermochten sogar Land zu erwerben und weiße Dienstverpflichtete oder auch afrikanische Sklaven zu kaufen. Bekannt ist das Beispiel des Schwarzen Anthony Johnson, der während der 1620er-Jahre in Virginia als Sklave ankam; man weiß nicht, wie er seine Freiheit erhielt, doch in den 1640er-Jahren besaß er mehrere Sklaven und einige Hundert acres Land an der Ostküste der Kolonie. In den Tabakfeldern arbeiteten Schwarze und Weiße Seite an Seite; sie entflohen gelegentlich in gleicher Weise aus der Dienstbarkeit; und sie hatten miteinander intime Beziehungen.
Andererseits erhielten schon früh einige auf Rasse basierende Unterschiede gesetzliche oder administrative Festlegung. Bereits in den 1620er-Jahren wurde bestimmt, dass Schwarze nicht in der virginischen Miliz dienen dürften. Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe zwischen Afrikanern und Europäern wurde strenger geahndet als der zwischen zwei Weißen. 1639 verbot Virginia Schwarzen, frei oder leibeigen, Feuerwaffen zu tragen. Schwarze durften keine weißen Dienstverpflichteten mehr beschäftigen; und sie konnten bestraft werden ohne Ansehen der Ursache, wenn sie eine weiße Person schlugen. 1640 wurde der entlaufene und wieder eingefangene Schwarze John Punch zu lebenslanger Dienstbarkeit verurteilt, während zwei weißen Mitgefangenen ihre Dienstverpflichtung lediglich verlängert wurde.
Aber erst in den 1660er-Jahren sprachen Gesetze in den beiden Kolonien ausführlich von Sklaverei. Als sich der Tabakanbau ausweitete und die Nachfrage nach Arbeitskräften größer wurde, strebten die Bedingungen für schwarze und weiße Beschäftigte stärker auseinander. Die Behörden gingen daran, den Status weißer Dienstverpflichteter zu verbessern. Sie wollten auf diese Weise der in England weit verbreiteten Meinung entgegenwirken, dass die Kolonie Virginia eine Falle war, in welcher der Tod lauerte.
Im Zusammenhang damit schwand die Freiheit der Schwarzen immer mehr dahin. Heiraten zwischen weißen Frauen und schwarzen Bediensteten wurden als „beschämende Verbindungen“ hingestellt und als „Schande der Nation“. Ein virginisches Gesetz legte 1662 fest, dass ein Kind, dessen einer Elternteil frei und der andere Sklave war, den Status der Mutter erhalte (lat. partus sequitur ventrem, „der Spross folgt dem Bauch“). Diese Bestimmung stellte nicht nur eine Abkehr von der europäischen Praxis dar, dem Kind den Status des Vaters zuzuerkennen, sondern sie machte auch den sexuellen Missbrauch von weiblichen Sklaven durch ihren Besitzer für diesen profitabel. 1667 entschied das virginische House of Burgesses (Parlament), dass Konversion zum Christentum einen Sklaven nicht von der Leibeigenschaft befreie. Somit konnten künftig Christen andere Christen als Sklaven besitzen, eine bis dahin umstrittene Praxis. Obwohl um 1680 die schwarze Bevölkerung im Chesapeake-Gebiet noch klein war, hatte auf diese Weise die Idee eines rassenbedingten Unterschieds bereits solide rechtliche Wurzeln getrieben. Und zur schwarzen Rasse gehörten alle, die afrikanische Vorfahren besaßen, selbst wenn sich unter diese eine weiße Person gemischt hatte.
Im Jahre 1676 erschütterte die von dem jungen Pflanzer Nathaniel Bacon angeführte Rebellion die Kolonie Virginia. Letztlich obsiegten zwar die Autoritäten, doch beschleunigte die Revolte den Übergang zur breitflächigen Sklaverei in der Kolonie. Die Behörden wollten die Zahl der unzufriedenen Dienstverpflichteten reduzieren, und in dieser Absicht wurden deren Existenzbedingungen auf Kosten ihrer Arbeitgeber verbessert. Daraufhin begann in den letzten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts die Arbeit von Sklaven die von weißen Dienstverpflichteten abzulösen. Ein Gesetz des Jahres 1705, das Dienstverpflichteten zum Ende ihrer Dienstzeit Anspruch auf 50 acres Land gewährte, verstärkte diese Tendenz.
Es gab freilich noch andere Ursachen für diese Entwicklung. Da aufgrund der sich allgemein verbessernden Lebensumstände die Sterblichkeitsrate auch der Schwarzen zurückging, wurde es allmählich rentabler, einen sein ganzes Leben lang einsetzbaren und gefügigeren Arbeiter zu erwerben. Obendrein stieg auch in England der Lebensstandard, sodass der Nachschub von Dienstverpflichteten auszutrocknen begann, zumal ab 1681 in der nun offiziell gegründeten Kolonie Pennsylvania weiteres attraktives Siedlungsland zur Verfügung stand. Und schließlich öffnete das Ende des Monopols im englischen Sklavenhandel, das von der Royal African Company (RAC) ausgeübt worden war, das Tor für andere Händler, was den Preis importierter Sklaven verminderte. Aus all diesen Gründen schrumpfte die Zahl der weißen Dienstverpflichteten bis zu den 1730er-Jahren zur Bedeutungslosigkeit.
Um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert waren gut zehn Prozent der Bevölkerung Virginias schwarz. 50 Jahre später war es fast die Hälfte. Angesichts der wachsenden Bedeutung der Sklaverei verabschiedete das House of Burgesses 1705 einen neuen Sklavenkodex, der die ungeordnete Gesetzgebung des vorangegangenen Jahrhunderts zusammenfasste und neue Bestimmungen hinzufügte, die das Prinzip des weißen Vorranges endgültig verankerten. Sklaven waren demgemäß Eigentum ihres Besitzers und seinem Willen vollkommen unterworfen, allgemein gesehen auch dem der weißen Gesellschaft insgesamt. Sie konnten gekauft und veräußert, vermietet oder vererbt werden oder auch Gegenstand eines Gerichtsprozesses sein. Kein Schwarzer, frei oder versklavt, durfte Waffen besitzen, einen Weißen schlagen oder einen weißen Dienstverpflichteten beschäftigen. Jede weiße Person konnte jeden Schwarzen festnehmen und eine Freiheitsbescheinigung verlangen oder einen vom Besitzer ausgestellten Passierschein, der dem Sklaven das Recht zur Abwesenheit von der Plantage testierte. Dieser Sklavenkodex war der rechtliche Ausdruck dafür, dass sich Virginia von einer Gesellschaft, in der die Sklaverei ein Arbeitssystem unter anderen war, in eine Sklavengesellschaft gewandelt hatte, in der Sklaverei im Zentrum des wirtschaftlichen Prozesses stand.