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Levy, Bernard-Henri: Den Teufel im Kopf

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„Ich blickte in dieses Gesicht, und ich sah unser Jahrhundert.“ Fünf Fragmente: ein Tagebuch, ein Interview, Briefe, ein Monolog, eine Beichte, die hintereinander weg ein breit gewebtes Band von Ereignissen und mit diesen wiederum die Person des Benjamin C. von dessen Geburt 1942 und davor bis in die Jetztzeit zu umschreiben suchen. Der Rechercheur kommt nur auf wenigen Seiten als vages Bindeglied zu Wort. Er erklärt eigentlich auch nur mit obengenannten Zitat seine Motivation, diese doch sehr umfangreiche Spurensuche aufzunehmen und ihr Ergebnis in chronologischer Reihenfolge wiederzugeben. Das Tagebuch der Mutter zeichnet eine Dreiecksgeschichte während der Jahre 42 bis 54 auf. Eine Geschichte, die sich wie von vergilbten Fotos abliest – verschleiert, einer edlen, melancholisch-literarischen Welt des 19. Jhdts. verbunden, löst diese Frau ihre Probleme mit dem jeweils stärksten Mann. Der Vater des Benjamin wird wegen Kollaboration hingerichtet, aber der schöne, edle Jean bleibt auch nicht das, was er war ... Was dem Tagebuch getreulich angetragen wurde – unvermeidliche erotische Details, die das Hohe Lied des „nimm mich, aber richtig“ singen, aber auch das „wahre“, dem Sohn verborgene Schicksal des Vaters – wird von Benjamin schließlich entdeckt und gelesen ... Dies war der erste Streich, in den folgenden Kapiteln aber wird das Träumerische zur Seifenblase, die platzt: Allesamt betrogene Betrüger/innen! Ein Zeitbild? Sicher, noch dazu aus französischer Tätersicht, aber ohne Anteilnahme des Autoren, der ja nicht mit dem Rechercheur zu verwechseln ist. Formale Unzulänglichkeiten für einen Roman wie die einfache Aneinanderreihung von „Zeugenaussagen“ sind hier zum Stilmittel, zum Experiment erhoben. Auf die vorgeführten Zeugen/innen und deren Aussagen soll der Leser sich selbst einen Reim machen. Auf jeden Fall zeigt es, wie unterschiedlich jeder den anderen und das Zeitgeschehen drumherum interpretiert, verdrängt, vergißt. Jedoch das Unverbindliche des Autoren erinnert an einen Lehrer, der bei größter Hitze keine Schweißflecken zeigt, aus dem man nicht herauskriegt, wie er z.B. zu dem durchweg frauenverachtenden Bild seiner Zeitzeuginnen steht. Dazu muß man schon eine eigene Position entwickeln. Bernard-Henri Levy: Den Teufel im Kopf. Roman. List Verlag, München 1986. 579 Seiten. ISBN: 3-471-78033-5 Vö.: zitty 19/1986; Münchner Stadtzeitung 2/1987

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