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Die Geschichte zeigt nur die negative, die tödliche Seite der Viren und Bakterien. Pocken, Pest und Ebola: Als biologische Reiter der Apokalypse bedrohen sie seit dem Mittelalter die Menschen und vergrößern die Macht der Obrigkeit. Vergessen und übersehen wird ihre am Leben teilhabende, das Leben fördernde und seine Entwicklung beschleunigende, ja oft erst ermöglichende Seite. Um dies zu erkennen, bedarf es einer Revolutionierung unseres Denkens. Das würde auch einen entspannteren Umgang mit tatsächlichen oder behaupteten Pandemien ermöglichen.

Viren sind ubiquitär, sie sind die ältesten biologischen Informationsträger und Katalysatoren. Sie können unsere Feinde sein und unsere Freunde.

Die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Virusforscherin Prof. Karin Mölling schrieb in ihrem Buch Supermacht des Lebens1: Virale und bakterielle Sequenzen sind selbst bis in unser Erbgut vorgedrungen. – Was wollen sie dort?

Viren sind Elemente, die selbst keine Proteine herstellen können, dennoch sind und waren sie wandelnde und wandelbare Informationsträger, Agenten, Eindringlinge, Katalysatoren, Trittbrettfahrer. Sie standen und stehen am Beginn des Lebens. Sie sind Agenten der Replikationsfähigkeit von Informationen. Sie sind molekulare RNA- oder DNA-Ensembles, oft mit einer geliehenen Eiweißhülle. Sie existieren, aber sie leben nicht, denn sie besitzen keinen Stoffwechsel und verfügen über keine Energiequellen. Anders wird es, wenn sie sich das eine oder andere verschaffen, dann erwachen sie zum Leben und verändern sich selbst und andere, seit Jahrmillionen, für immer und für alle Zeit. Es gibt sogar Viren ohne eigenes Erbgut, das leihen sie sich dann.

Viren benötigen zwar Energie für ihre Replikation, das muss aber keine Energie aus Zellen sein, es genügt chemische Energie, die sie schon vor Millionen von Jahren den heißen Emissionen von Vulkanen in der Tiefsee entnehmen konnten.

Alle heutigen Viren benötigen Zellen zu ihrer Vermehrung, das war nicht immer so: Die erste vermehrungsfähige RNA, ein Viroid, benötigte anfänglich keine Zellen. Viren sind die Erfinder der genetischen Mannigfaltigkeit, ohne sie gäbe es keine wandelbaren Zellen, nur molekulare Entitäten.

Nach dem Eindringen in eine Zelle können sie persistieren, integrieren, replizieren oder die Zelle lysieren. Handelt es sich dabei um eine Tumor-Stammzelle, ist das segensreich. Reo- und bestimmte Adeno-Viren verfügen über diese Fähigkeit, die sich therapeutisch verwenden lässt. Sie lysieren die Tumorzelle dann so, wie das Bakteriophagen mit Bakterien tun können. Viren können aber auch Krebs auslösen, beispielsweise können Epstein-Barr-Viren das Burkitt-Lymphom auslösen oder Morbus Hodgkin.

Viren kontrollieren also den Kampf um die Zelle. Wie gelangen sie in die Zellen? Indem Sie mit der Zellmembran verschmelzen oder an einen Rezeptor dieser andocken. Sie gelangen dann in das Zellinnere, wo ihre Information ausgepackt, gegebenenfalls in das Wirtsgenom integriert und repliziert wird. Je nachdem, wo und wie das im Gastgenom geschieht, wird dann im Manuskript des Lebens der Zelle ein neues Kapitel geschrieben.

Ich fragte mich im Laufe der Jahre mehrfach, ob Zellen endogen-transfektiöse Schädlinge herstellen können und wenn ja, wie? Das würde dann bedeuten, dass die Zelle sich einen Krebs- oder Krankheitserreger selbst herstellen kann, möglicherweise als Ergebnis endogener oder exogener Noxen.

Viren schreiben Geschichte

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