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Pfründe und Pitanz
ОглавлениеDas deutlichste Zeichen einer neuen Lebensweise in den Männer- und Frauenklöstern des Ordens ist die Abkehr von der Gütergemeinschaft und die Rückkehr zum Pfründensystem (praebenda), wie es schon seit dem 9. Jahrhundert in vielen Klöstern üblich war.30 Das Kloster war gegenüber den Konventualen zu bestimmten Unterhaltsleistungen an Wohnung, Speise und Trank, ggf. auch an Kleidungsstücken verpflichtet. Was über den persönlichen Bedarf hinausging, z. B. von der festgelegten Essensration im Refektorium, konnte von einzelnen Mitgliedern verschenkt oder verkauft werden. Alle Mitglieder und Bediensteten des Klosters erhielten somit ihren Unterhalt in Form von Pfründen, wobei einzelne Formen nach Stand unterschieden wurden (Abts-, Herren-, Frauen-, Jungherren-, Konversen- und Novizenpfründen usw.). Der Ordenseintritt wurde damit zur Einpfründung in ein Stift mit den daraus abgeleiteten Ansprüchen. Jede Herabsetzung der Reichnisse, z. B. gerade in Notzeiten, rief Widerstand hervor. Deshalb wurde bei der Minderung der Reichnisse durch das Generalkapitel im Jahr 1307 bei Widerstand mit schwerer Bestrafung gedroht. Die einzelnen Ämter der Wirtschaftsführung (Kellermeister, Kastner usw.) hatten zudem eigene Kassen und Ansprüche, sodass ein Gefälle zwischen armen und reichen Chorherren und Chorfrauen entstand. Wurden die Pfründen auf eine bestimmte Zahl (numerus clausus) beschränkt, ergaben sich Wartezeiten auf eine Pfründe, wie sie vornehmlich in Frauenklöstern feststellbar sind.
Die Pfründen der einzelnen Mitglieder konnten auch durch Erbbeteiligungen und Leibrenten von Seiten der Verwandten aufgebessert werden. In den Frauenklöstern wurde die Mitgift allgemein üblich, auch in Form von Gütern, die nach dem Tod der Inhaberin an den Konvent fallen sollten. Einzelne Konventualen erhielten auch Ländereien in Pacht, die nach dem Tod des Inhabers ggf. nach Leistung einer Sterbeabgabe (Kurmende) an den Grundherren an andere Konventualen verpachtet werden konnten. Leibrenten für einzelne Mitglieder konnten nach deren Tod in Erbrenten für das Stift umgewandelt werden. Solche Leibrenten sind z. B. im Kölner Frauenstift Dünnwald bereits seit 1190 nachweisbar.31 Was über die Pfründe hinaus für den Lebensunterhalt benötigt wurde, mussten die Konventualen aus ihrem Eigenvermögen (Peculium) bestreiten, das sich aus Naturalien und Geld, Renten und Gehältern zusammensetzte, im Normalfall aber nicht vom Kloster zur Verfügung gestellt wurde.32 Zwar wurden auf den Generalkapiteln 1247 und 1261 Beschlüsse gegen die Proprietarier, d. h. Kanoniker mit Eigenbesitz, gefasst und das Armutsgelübde erneut eingeschärft sowie am Ende eines jeden Generalkapitels die Proprietarier exkommuniziert, doch diese Maßnahmen blieben in der Praxis fruchtlos.33
Mit Rücksicht auf die Pfründen wurden ab dem 13. und 14. Jahrhundert, besonders in Notzeiten, inkorporierte Seelsorgestellen mit eigenen Kanonikern besetzt, die damit aus der Versorgungslast des Stiftes ausschieden. So setzte die Abtei Steinfeld z. B. in der Wirtschaftskrise des 14. Jahrhunderts Chorherren auch auf nicht dem Stift zugehörige Pfarreien.34
Der Aufbesserung des Lebensunterhaltes der »armen« Klosterleute ohne Amt dienten die reichen Pitanzstiftungen, oft hervorgegangen aus Jahrestagsstiftungen an die Klosterkirche. Aus diesen Stiftungen wurden an bestimmten Tagen den zelebrierenden Priestern und den Konventualen über die in der Pfründe festgelegten Rationen hinaus Speise und Trank, gelegentlich auch Geldmittel für die Beschaffung der Kleidung zugeteilt.35 Die Verwaltung des gesamten Pitanzwesens oblag dem Amt des Pitanzers, in manchen Stiften (z. B. Veßra) nach dem Vorbild der Kollegiatstifte auch Obleier genannt,36 in dem das Stiftungswesen, soweit es vom Kustos (Küster) und Abt unabhängig war, vereinigt war.
Die Pfründe eines Männer- oder Frauenklosters konnte aber auch Weltleuten (Männern und Frauen, auch Weltpriestern) gegen eine entsprechende Schenkung, meist des gesamten Vermögens und der künftigen Einkünfte, zugesprochen werden in Form der sog. Herrenpfründen.37 Dem Pfründnehmer wurden dabei Wohnung, Holz und Verpflegung im Kloster zugesichert, ohne dass er Gelübde ablegen musste. In einem Verpfründungsvertrag wurden die Einzelheiten der Pfründe festgelegt, die sich meist an den Reichnissen der klösterlichen Herrenpfründe, bei Adeligen auch an der Prälatenkost orientierte. Der Pfründner (Donate) begab sich damit in die rechtliche Obhut (Munt) des Klosters und seines Abtes.