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Kapitel 2 die echte Freundin

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Svenja kam erst in der Nacht zurück. Sue saß vor dem TV ohne das Filmgeschehen wahr zu nehmen. Zu viele Gedanken rasten Sue durch den Kopf. Würde das ´lesen´ von Svenjas Gedanken immer funktionieren oder würde der Sinn plötzlich wieder weg sein? Konnte Svenja spüren das sie ihre Gedanken hörte? Mehrmals betete Sue zu Gott, sie bat ihn ihr diese Gabe zu lassen. Sie versprach ihm nur Gutes zu tun ohne das sie genau wusste wie man damit Gutes tun konnte. Sue war aufgeregt wie ein dreijähriges Kind unmittelbar vor der Weihnachtsbescherung. Als am späten Nachmittag Sues Mutter angerufen hatte um sich zu erkundigen wie es Sue ginge war Sue derart unkonzentriert das ihre Mutter sich beklagte. „Mädchen was soll noch aus dir werden?“

Svenja sagte im vorbeigehen ´Hallo´ zu Sue und ging direkt in das Badezimmer. Sue hörte die WC-Spülung, dann das Rauschen der Dusche. Sie konnte es nicht abwarten das Svenja endlich aus dem Badezimmer kam und sich zu ihr in das kleine aber gemütlich eingerichtete Wohnzimmer setzte. Der Raum war nicht überladen sondern spartanisch eingerichtet. Eine Couch, ein kleines Tischchen davor und an der Wand ein Schrank aus dunklem Nussbaumholz. Einige Bilder verzierten die Wände. Es passte alles nicht harmonisch zusammen doch dafür war Sue schuldenfrei. Von den Banken hielt sie nicht viel, seit der Schuldenkrise, in der Banker die Regierungen abgezockt hatten, ging sie den Banken aus dem Weg. Sie besaß ein Bankkonto und eine Karte für den Geldautomaten doch das war genug Geschäftsbeziehung mit Banken. Vom Fenster aus hatte man einen wunderschönen Ausblick auf den kleinen Fluss der sich zwischen Stadt und Berg hinzog.

Sie verschwendete keinen Gedanke mehr daran, dass Svenja sie als Missgeburt bezeichnet hatte. Für Sue zählte nur eines, sie musste wissen ob sie immer noch Svenjas Gedanken lesen konnte? Sie musste ihre Mitbewohnerin unmerklich berühren. Susan war besessen von ihrer neuen Gabe. (Doch mal ehrlich, wer wäre das nicht gewesen?)

„Ich bin todmüde und will gleich schlafen gehen“ rief Svenja aus dem Badezimmer.

„Schade, ich dachte wir sehen den Film zusammen an“, rief Sue zurück.

„Ich bin wirklich nur noch müde“ entgegnete Svenja. „Ich würde beim Fernsehen sofort einschlafen.“

Sue gab nicht auf, zu wichtig war es für sie herauszufinden ob sie noch immer Svenjas Gedanken lesen konnte. Während sie überlegte wie sie das anstellen konnte das Svenja sich zu ihr setzte kaute sie auf den Fingernägeln herum. Das Nägel kauen war eine alte Gewohnheit gewesen. In den letzten Jahren, eigentlich seit sie ihr Abitur gemacht hatte kaute sie nicht mehr an den Fingern herum doch jetzt war sie seelisch in der gleichen angespannten Situation wie früher als Schülerin. Sie wusste selbst das solche abgekauten Nägel hässlich aussahen doch es geschah immer unterbewusst, sie hatte keinen Einfluss darauf.

Die Badezimmertüre öffnete sich, Svenja huschte heraus und verschwand mit einem ´schlaf gut´ in ihrem Schlafzimmer. Das lief nicht so wie Susan es sich vorgestellt hatte. Sie konnte schlecht zu Svenja ins Zimmer gehen, die Schlafzimmer waren bisher immer ´privat´ gewesen und sollten es auch bleiben.

„Scheiße“ fluchte Sue und stellte das TV ab. Dann ging sie selbst ins Badezimmer. Seit ihrem Unfall war sie vorsichtiger geworden wenn sie nach Svenja in das Bad ging. Sie hatte daraus gelernt und das war gut denn auch dieses Mal war der Fußboden überflutet. Sue wischte das Wasser auf ohne ihrer Mitbewohnerin etwas zu sagen. Es war ihre Art, sie machte ohne zu klagen die Arbeit der anderen mit. Svenja war nicht nur im Badezimmer nachlässig, sie nutzte die Gutmütigkeit anderer gerne aus. Sie war schon immer die Prinzessin gewesen. Früher, als sie noch zu Hause in Schopfheim im Haus ihrer Eltern gewohnt hatte trug ihre Mutter ihr alles nach. Selbst als sie schon 19 Jahre alt war putzte ihre Mutter noch jede Woche Svenjas Zimmer, brachte ihr täglich das Frühstück an ihr Bett und erfüllte ihr auch sonst jeden Wunsch. Ihr Vater sah das missbilligend doch nachdem er seine Frau mehrmals zur Rede gestellt hatte und seine Frau nicht auf ihn hören wollte gab er es auf. Weiber! Er machte sich seine eigenen Gedanken darüber wie sich ein Kind entwickeln konnte wenn man es zu sehr behütete.

Sue duschte und besah sich danach im Badezimmerspiegel der über dem Waschbecken hing. Der Spiegel war schon alt und an einigen Stellen war auf der Rückseite die Aluminiumschicht abgebröckelt wodurch das Spiegelbild unvollständig war. Trotzdem konnte man sich gut darin sehen. Es stimmte was andere über sie sagten, sie war wahrlich keine Schönheit. Sie hatte blasse Haut, 25 Kilogramm zu viel auf der Waage, rötlichblonde Haare wobei der Blondanteil überwiegte, die ihr im Zusammenspiel mit ihrer Haut ein kränkliches Aussehen gaben, dichte Augenbrauen, eine zu große Nase und ein vorspringendes Kinn. Sie drückte an ihrem Hals herum, das Fett vom Hals ging übergangslos in ihr Doppelkinn über. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und sah ihre Brüste an. Sie hatte viel zu kleine Brüste. Tränen liefen über ihr Gesicht, wer würde sie jemals lieben? Männer standen auf Frauen mit Brüsten, kleine mollige Frauen ohne Brüste waren nicht begehrt. Sie drehte sich vor dem Spiegel damit sie ihr Hinterteil betrachten konnte. Sie kam zu dem Schluss, dass ihr Hintern viel zu groß war und absolut nicht zu ihr passte wo sie mit nur 164 cm Körpergröße recht klein war. Svenja hatte Recht, sie war eine Missgeburt. Sue schwamm in Selbstmitleid, in dieser Verfassung hätte sie keiner trösten können. Sie beschloss ebenfalls zu Bett zu gehen.

Sie konnte Svenja im Nebenzimmer reden hören. Svenja telefonierte und lachte dabei mehrmals laut. Sue war sich sicher das ihre Mitbewohnerin gar nicht müde war sondern ihr nur aus dem Weg gehen wollte. Verärgert schlief Sue ein.

Der Montagmorgen war anders als die üblichen Arbeitstage. Svenja erschien nicht zum Frühstück. Als Sue sie rief antwortete Svenja nur, dass sie sich krank fühlte und zu Hause bleiben wollte. Sie sollte sich aber keine Sorgen machen und wünschte ihr einen schönen Tag.

Sue trank ihren Kaffee aus und machte sich auf den Weg. Sie ging rechts die Wollbacherstraße hinauf und erreichte nach wenigen Minuten schwer atmend die Firma in der sie arbeitete. Das Unternehmen, eine Filiale einer großen Handelsgesellschaft, hatte sie nach ihrem Abitur eingestellt und da verschwendete Sue nun ihre Zeit. Sie hätte studieren gehen können doch das wollte sie nicht. Genau genommen wollte sie ursprünglich nicht einmal das Gymnasium besuchen. Es war der Wunsch ihrer Mutter den sie damals befolgen musste. Ihre Mutter arbeitete den ganzen Tag in einem kleinen Lebensmittelgeschäft und wollte dass ihre Tochter es einmal besser haben sollte. An Intelligenz fehlte es Sue nicht, in der Schule hatte sie immer zu den Besten gezählt. Es fehlte ihr einfach am Willen mehr aus dem Leben zu machen als das man zur Existenz brauchte.

Der Zeit zog an ihr vorbei, unkonzentriert schaute sie die meiste Zeit auf ihren Monitor. Mitarbeiter kamen und gingen, manche richteten das Wort an sie doch wenn die merkten das Sue nicht gut drauf war verließen sie das Büro wieder. Einzig als Martina in der Mittagspause zu ihr kam wurde Sue umgänglich. Martina war ein lebenslustiges Mädchen von gerade mal zwanzig Jahren. Sie mochte Sue weil Sue nicht von oben auf sie herab sah. Martina war wie eine Schwester für Sue. Sie waren gute Freundinnen und teilten oft ihr Leid mit den „Idioten“, so nannten sie die Jungs wenn die über sie lachten, untereinander. Martina war gerade mal 3 Jahre jünger als Sue doch Sue sah 10 Jahre älter aus. Martina hatte beste Chancen bei den Jungs auch wenn es keiner von denen es ernst mit ihr meinte. Sie war bei ihren Bekannten als Schlampe, als Mädchen für eine Nacht bekannt.

Die beiden saßen zusammen und teilten sich ein Fischbrötchen das Martina vom Fischladen aus der Innenstadt mitgebracht hatte. Dabei erzählte Martina ihrer Freundin alles vom Wochenende.

Sue wollte ihrer Freundin ebenso gerne alles erzählen doch das mit dem Gedankenlesen konnte sie keinem anvertrauen. Jeder würde sie für verrückt halten. Das musste leider für immer ihr Geheimnis bleiben. Martina erzählte gerade von einem Jungen, der sie küssen wollte und sie ihn mit einer Ohrfeige abwies. Sue lachte so heftig, sie konnte sich das bildlich gut vorstellen, dass sie sich vorlehnte und Martina mit einer Hand umarmte. Schlagartig waren Martinas Gedanken in Sues Kopf. Es war als hätte man eine Maschine eingeschaltet. Sie erschrak, lehnte sich wieder in ihrem Bürostuhl zurück und starrte Martina an. Die beschrieb noch immer ausführlich wie das geklatscht hatte.

Sue lächelte obwohl sie vor Freude am liebsten los geschrien hätte doch sie lies sich nichts anmerken. Sie die Gedanken von Martina gut. Es war eindeutig die Berührung, sie musste offensichtlich nur jemanden berühren um seine Gedanken ´hören´ zu können. Martina schüttelte sich vor Lachen und dabei redete sie ohne Pause. Was Sue zuerst auffiel war:

- sie konnte nicht nur Svenjas Gedanken lesen

- solange Martina redete hörte sie ihre Gedanken nicht.

Doch wenn Martina kurz innehielt um den nächsten Satz im Kopf zu formulieren hörte Sue das sofort. Es war als würde Martina alles zweimal sagen. Es war verwirrend.

„Du ich muss weitermachen, meine Pause ist um“, stoppte sie ihre Freundin. Martina sah auf die Uhr und sprang auf.

„Bis morgen, ich rufe dich heute Abend mal an“, rief Martina und ging zur Türe.

„Mach das, dann kannst du mir das mit der Ohrfeige noch mal erzählen.“

Martina lachte und öffnete die Türe. Sue hörte ihre Gedanken. „Schade dass die Pause vorüber ist“ – „Ich möchte mehr mit Sue ausgehen, wir hätten so viel zu lachen“ – „Sie ist meine beste Freundin, ich habe sie so lieb.“

Zum ersten Mal seit dem Vortag war Sue glücklich. Martina hatte sie gerne, von ihr kamen keine bösen Gedanken wie von Svenja. Vielleicht sollte Martina bei ihr einziehen. Svenja musste gehen, da gab es keinen Zweifel mehr. Glücklicherweise lautete der Mietvertrag auf ihren Namen.

Susan

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