Читать книгу Baltrumer Maskerade - Ulrike Barow - Страница 6
Prolog
ОглавлениеMist. Vergebens griff sie nach ihrer Kapuze. Warum hatte sie nicht auf ihren Verstand gehört?
Sie hatte die grüne Lederjacke einen Tag vor ihrer Abreise nach Baltrum im Schaufenster eines Geschäftes entdeckt, sofort anprobiert und – sich auf das Urteil der Verkäuferin verlassend – auf der Stelle aus dem Laden getragen und spontan zu ihrem Lieblingsstück erklärt. Natürlich hätte ihr klar sein müssen, dass ›Lieblingsstück‹ nicht gleichbedeutend mit ›wasserdicht‹ war, und dass man auf der Insel nicht ohne wetterfeste Jacke auskam. Schließlich hatte sie sich vorher bereits online in den verschiedensten Foren zum Thema Baltrum umgeschaut. Aber nun lag ihre Regenjacke zu Hause und ihre Haare weichten langsam durch.
Sie klemmte ihre Einkaufstasche fester unter den Arm und begann zu laufen. Bis ins Ostdorf war es noch ein gutes Stück Weg. Sie hastete am Schwimmbad vorbei, dann an den Tennisplätzen. Der Regen legte noch einen Schlag nach. Vor der Tür von Onnos Kinnerspölhus stand ein Plakataufsteller.
Heute
Pomodoro
Clown und Zauberer
15:00 Uhr
Die Tropfen auf der Plexiglasscheibe gaben dem Gesicht mit der weißen Lockenperücke ein trauriges Aussehen.
Sollte sie im Kinderspielhaus Schutz suchen? Entschlossen bog sie links ab, rannte den schmalen roten Weg hoch und zog die Tür auf. In der feuchten Wärme dort drinnen beschlugen sofort ihre Brillengläser. Sie schüttelte sich den Regen aus den Haaren. Die Vorstellung hatte bereits angefangen.
»Kann ich helfen? Möchten Sie eine Eintrittskarte?«
Erst nachdem sie die Brille abgenommen und geputzt hatte, sah sie links von sich einen jungen Mann in der Kaffeeküche stehen und rote Kreise aus einem Pappkarton schneiden. Die offene Kasse stand daneben.
»Eigentlich wollte ich mich nur ein wenig vor dem Regen in Sicherheit bringen«, antwortete sie kläglich.
Der Mitarbeiter des Kinderspielhauses betrachtete sie von oben bis unten. Eine kleine Pfütze hatte sich auf den Fliesen rund um ihre Schuhe gebildet. Mühsam kämpfte sie sich aus ihrer klammen Jacke und hängte sie auf einen der Garderobenhaken. »Okay. Vielleicht sind meine Klamotten bis zum Ende der Vorstellung wieder trocken.« Sie bezahlte die Karte, dann öffnete ihr Marten Wienecke – zumindest hatte sie diesen Namen auf seinem bunten Namensschild gelesen – die Tür zum großen Spieleraum.
»Bevor Sie reingehen, müssen Sie sich Ihre Schuhe ausziehen«, flüsterte ihr der junge Mann zu.
Auch das noch. Sie bückte sich und fummelte genervt an den nassen Knoten in ihren Schnürsenkeln. Nichts tat sich. Egal. Sie zog die Schuhe von ihren Hacken und schob sie unter ihre tropfende Jacke. Marten Wienecke lächelte, als sie an ihm vorbeischlüpfte und sich leise auf den Stapel Gummimatten fallen ließ.
Der Clown auf der kleinen Bühne trug eine weite, mit bunten Blumen bedruckte Hose, ein gelbes Hemd und breite Hosenträger. Er spielte auf einer Mundharmonika.
Der Blick seiner weiß umrandeten Augen traf sie unvorbereitet und mit aller Macht.