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DAS GEHÖRT DOCH NICHT IN DIE FRITTEUSE!

FETTGEBACKENES VON FISH & CHIPS BIS MARS-RIEGEL

Dass ihr erster Arbeitstag am Krankenhaus von Inverness schon vorbei ist, merkt Franziska erst, als Emily und Eleanore mit ihren Taschen und Jacken an ihrem Schreibtisch auftauchen und gut gelaunt fragen, ob sie noch etwas essen gehen möchte, um ihren Einstand anständig zu feiern. Neugierig darauf, mit wem sie da in den nächsten Monaten zusammenarbeiten wird, sagt sie freudig zu und hängt ihren Kittel in den Spint. Vor der Tür trifft sie die beiden Mädchen, die inzwischen noch weitere Kollegen zum Mitkommen überreden konnten, darunter auch Jimmy und Sean, die Franziska bereits aus der Kantine kennt.

Die Wahl der Gruppe fällt auf das Johnny Foxes, gleich am Ufer des River Ness, unterhalb des Castle. Der Vorteil: Der Laden ist zugleich ein Pub, in dem es abends oft Livemusik gibt, sodass es gerne mal später werden und nach dem Essen das eine oder andere Bier geben darf, wie Emily verschwörerisch grinsend erklärt. Und für alle, die gar nicht nach Hause gehen wollen, öffnen sich anschließend die Türen des angeschlossenen Nachtclubs The Den, in dem weitergefeiert werden darf. Franziska versucht, etwas Unverbindliches zu sagen, schließlich ist es ihr erster Tag mit den neuen Kollegen. Gleichzeitig will sie morgen früh fit sein.

Die Speisekarte im Johnny Foxes ist übersichtlich, die große Auswahl an Frittiertem fällt deshalb umso deutlicher ins Auge. Frittierte Käsebällchen, Kartoffel-Wedges, frittiertes Hühnchen, fish & chips – die Auswahl ist groß. Emily deutet auf die fish & chips: »Die esse ich hier immer. Sehr lecker. Ansonsten kann ich den steak & ale pie empfehlen«, sagt sie und springt schon auf, um die erste Runde Bier zu holen.

»Ich steh eigentlich nicht so auf Frittiertes«, murmelt Franziska und spürt sofort, wie sich mehrere Augenpaare auf sie richten.

»Ähm, du bist hier in Schottland«, sagt Jimmy langsam, als müsse er sie wirklich vorsichtig daran erinnern und sei unsicher, wie sie reagieren würde. »Im Land des frittierten Mars-Riegels.«

»Das ist doch nur eine Legende, oder?«, fragt sie und versucht dabei, wie jemand zu klingen, den man mit solchen Ammenmärchen nicht reinlegen kann.

»Eine Legende? Quatsch! Nessie ist eine Legende; der Mars-Riegel ist knallharte Realität«, antwortet Jimmy entrüstet und nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme.

Besorgt, einmal mehr ein nationales Heiligtum mit Füßen getreten zu haben, hebt Franziska entschuldigend die Hände. »Es klang so verrückt, ich wusste nicht, dass man Schokolade frittieren kann. Bei uns gehört die eigentlich nicht in die Fritteuse.«

»Aye, das geht! Schokolade, Würstchen, Pizza, jedes Gemüse und praktisch jedes Obst, alle Arten von Fisch, Fleisch und Käse – es gibt eigentlich nichts, was man nicht frittieren kann.« Sean, der neben Jimmy sitzt, zieht bedeutungsvoll die Augenbrauen hoch und streicht sich mit einer übertriebenen Geste über den Bauch, als könne er sich auf der Welt nichts Besseres vorstellen.

»Kann man, muss man aber nicht«, mischt sich nun Eleanore entschieden ein und erklärt damit die Diskussion für beendet. »Also, ich nehme die Muscheln, die sind hier immer okay – und garantiert nicht frittiert!«

»Gute Idee«, sagt Sean. »Und eine Portion Pommes zum Teilen dazu?«

Die Wahrheit über den frittierten Mars-Riegel

Herzlich willkommen in Schottland, dem Land des frittierten Mars-Riegels! Wenn Sie das bisher für eine Legende und üble Verleumdung gehalten haben, liegen Sie leider falsch. Denn die Schotten haben tatsächlich eine Vorliebe fürs Frittieren, die auch vor Schokoriegeln nicht haltmacht. Der ist natürlich ein Exot und wird inzwischen fast ausschließlich von Touristen bestellt, aber schottische Speisekarten sind voll von Frittiertem.

Das geht schon bei den Klassikern los: Bei fish & chips wird an Frittieröl ganz sicher nicht gespart, frittierte Würstchen sind ein Dauerbrenner, und auch die sogenannten Scottish eggs kommen erst in die Fritteuse und dann auf den Teller. Bei Letzteren handelt es sich übrigens um hartgekochte Eier im Hackfleischmantel, die paniert und dann frittiert werden. Der deep-fried Mars bar war da fast eine logische Fortsetzung der schottischen Frittierbegeisterung.

Die Zeiten des großen Hypes hat der legendenumwobene Snack jedoch längst hinter sich. In den schottischen Imbissbuden sind es heute fast nur noch Kinder und Touristen, die nach dem deep-fried Mars bar fragen. In den meisten Fällen wird er ohnehin nur dann zubereitet, wenn er explizit bestellt wird; kaum ein Lokal hat ihn tatsächlich auf der Karte stehen. Laut einer offiziellen Untersuchung von David S. Morrison und Mark Petticrew verkauften 2004 nur 22 Prozent aller schottischen fish-&-chips-Buden die Kalorienbombe überhaupt. Inzwischen sind es vermutlich noch einmal deutlich weniger geworden. Es kann also nicht im Entferntesten die Rede davon sein, dass es sich hier um ein weit verbreitetes Phänomen handelt.

Schade eigentlich, dass der frittierte Schokoriegel die gesamte Küche des Landes trotzdem so sehr in Verruf gebracht hat. Denn tatsächlich hat gerade die neuere schottische Küche den Gourmets jede Menge zu bieten. Ob zartes Aberdeen-Angusrind, schottischer Wildlachs, Austern und Hummer von der Ostküste oder aromatischer Cheddar von den Orkneys – die modernen schottischen Köche besinnen sich auf die kulinarischen Schätze ihres Landes und setzen sie innovativ in Szene. Dabei wird oft auf störendes Beiwerk verzichtet und nur angerichtet, was den puren, unverfälschten Geschmack der Lebensmittel unterstreicht. Weniger ist mehr in der neuen schottischen Küche, die sich auch nicht scheut, dafür auf der ganzen Welt nach Gewürzen und Inspirationen zu suchen. Da trifft zartes Lamm von den Shetlandinseln auf Tahini und Harissa aus der orientalischen Küche und Lachs aus schottischen Seen auf indisches Tandoori-Dressing.

Lassen Sie also lieber die Finger von dem frittierten Zeug und probieren Sie sich stattdessen durch die kulinarischen Highlights der schottischen Küche, wann immer sich Gelegenheit dazu ergibt.

DIE ERFINDUNG DES FRITTIERTEN MARS-RIEGELS

Die Geschichte des deep-fried Mars bar begann angeblich Anfang der 1990er-Jahre in Aberdeenshire, an der Ostküste Schottlands, wo sich die Carron Fish Bar in Stonehaven, unweit des Dunnottar Castle, bis heute damit brüstet, den frittierten Marsriegel erfunden zu haben. Damals litt das ganze Land nach Jahren der Deindustrialisierung unter einer hohen Arbeitslosigkeit, was einen entscheidenden Einfluss auf seine Entwicklung hatte.

Catherine Browne, ehemalige Foodjournalistin, sagte dem digitalen Foodmagazin Munchies, die Idee, Schokoriegel zu frittieren, habe viel »mit der urbanen Verwahrlosung, mit Arbeitslosigkeit und einer selbstzerstörerischen Kultur in den am schlimmsten betroffenen Gegenden zu tun. Billiges, heißes Essen mit viel Kalorien von der Imbissbude sättigte und spendete Trost.« Diese Zeiten sind zum Glück inzwischen vorbei, doch der Mythos vom frittierten Mars-Riegel hält sich – aller Versuche des Schokoladenherstellers, dies zu verhindern, zum Trotz – bis heute.

Fettnäpfchenführer Schottland

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