Читать книгу Honeymooner - Ulrike Meiss - Страница 4
Der VW-Bus
ОглавлениеLothar hatte entschieden, dass die Flitterwochen auf jeden Fall günstig sein sollten. Aber trotzdem sollte es ein unvergesslicher Urlaub werden. Was lag da näher, als den alten, zum Wohnmobil ausgebauten VW-Bus mit diesem Schnäppchenpreis zu kaufen und herzurichten, so dass man eine wunderbare Tour durch den Süden Europas machen könnte. Im August war das Wetter überall klasse und bei der Entscheidung für den Bus waren es noch über vier Wochen Zeit bis zur Hochzeit. Das würde locker ausreichen, hatte Lothar ihr versichert.
Wer hätte ahnen können, dass ein Austauschmotor nötig sein würde? Das festzustellen hatte kaum eine Woche gedauert, einen passenden Motor beim Schrotthändler aufzutreiben, eine weitere. Dann war aber alles klar, der Bus wurde in der Garageneinfahrt auf vier Böcke gestellt. Der neue Motor lag in der richtigen Position auf einem Rollbrett in der Garage bereit. Sobald der alte Motor ausgebaut war, müsste man den neuen nur unter den Bus schieben, mit dem Wagenheber hoch bocken und festschrauben. Peter, Lothars Trauzeuge und bester Freund war gekommen, um mit anzupacken. Beide Männer lagen unter dem Bus, um den Motor vorsichtig auf den bereitstehenden Wagenheber zu balancieren und abzulassen, wenn Lothar die letzte Schraube gelöst hatte. Olivia hatte die Aufgabe, sich von hinten durch die Heckklappe in den Motorraum zu beugen und den Motor in der Waage zu halten, damit sich die Schrauben nicht verkanten konnten und vor allem, damit der gelöste Motor nicht vom Wagenheber herunter rutschen würde. Der Plan war gut, Lothar hatte nur eine klitzekleine Kleinigkeit nicht bedacht, nämlich, dass die Einfahrt schräg war und der Bus deshalb nicht wirklich stabil auf den Stützen stand.
Gerade als sich Lothar so richtig ins Zeug legte und die letzte, festsitzende Schraube lösen wollte, geriet der Bus kurz ins Schwanken und stürzte von den hinteren zwei Stützen herunter. Nicht tief, die Räder waren ja montiert und fingen den Bus ab. Aber Oli kam es, mit dem Oberkörper in den Motorraum gebeugt, so vor, als hätte sie den gesamten Bus auf den Kopf bekommen.
„Gehirnerschütterung und eine gestauchte Wirbelsäule“ war die Diagnose im Krankenhaus und die Anweisung des netten Arztes lautete, die nächsten Tage absolute Ruhe und ungefähr vier Wochen Halskrause.
Es war nicht ganz so einfach, sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen und jedes Mal tapfer zu lächeln, wenn wieder ein Witzbold darauf hinwies, dass es wohl kaum ein deutlicheres Zeichen gäbe, das geplante Leben als Ehepaar lieber sein zu lassen, als wenn der Bräutigam seiner Braut ein ganzes Auto auf den Kopf schmeißt. Aber Olivia trug es mit Fassung. Auf keinen Fall sollte Lothar schlechte Laune bekommen und sich vielleicht überlegen, die ganze Hochzeit abzusagen. Schließlich hatte sie auch bei dem letzten großen Streit im Januar klein beigegeben und wieder mal festgestellt, dass er mit seinen sieben Jahren mehr an Lebenserfahrung einfach immer die besseren Entscheidungen traf.
Sie liebte ihn so sehr.
Zwar stand sie mit ihren sechsundzwanzig Jahren fest im Berufsleben und auch während ihres Mathematikstudiums war ihr nichts geschenkt worden, aber ein Leben ohne Lothar wollte sie sich gar nicht mehr vorstellen. Und sie war sich ganz sicher, dass er es tief in seinem Inneren genauso sah, auch wenn er es nicht immer zeigen konnte.
Leider hatte Lothar es in den zwei Wochen nicht mehr geschafft, den VW-Bus startklar zu bekommen. Den Motor hatte er zwar noch gewechselt, diverse andere Kleinigkeiten hatten sich aber dann ohne Olivias helfende Hände doch aufwändiger als erwartet herausgestellt und schließlich hatten sich die beiden Mittwochs darauf geeinigt, direkt am Montag nach Frankfurt zu fahren, um dort eine ganz besondere (aber trotzdem nicht so teure) Pauschalreise für die Flitterwochen zu buchen. Der Urlaub in beiden Firmen war ja schon eingetragen und Olivia wollte auch von dem romantischen Gedanken, typische Flitterwochen direkt nach der Hochzeit zu erleben, nicht ablassen. Ein gutes Argument war außerdem, dass Last-Minute-Buchungen erheblich günstiger waren, als reguläre und es bestand ja die Möglichkeit, ein echtes Schnäppchen zu ergattern.
Zum Glück war das Geld für den VW-Bus auch nicht verloren, denn sie hatten sich vorgenommen, noch viele andere Urlaube mit diesem Schätzchen zu machen.
Olivia schaute in den Spiegel und sah, dass sie lächelte. Gleich das Standesamt, nach der Trauung mit den Trauzeugen und Müttern nett Essen gehen und dann die Tasche packen und zu Mutti fahren. Diese Nacht würden sie getrennt verbringen, damit die Begegnung vor der Kirche für beide eine echte Überraschung wird.