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Eine klassische Bewerberfalle

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Das größte Ereignis in unserer Familie war das neue Baby, der kleine Sohn meiner Schwester. Er war im Mai auf die Welt gekommen, also noch ganz frisch. Sie stellte ihn eben mal bei uns im Wohnzimmer ab. Der kleine Sonnenschein hatte sich mit seinem ständigen Gebrüll so verausgabt, dass er jetzt schön schläfrig an seinem Schnuller saugte, zufriedene Laute von sich gab und bald einschlafen würde. Klein-Olaf hatte uns alle verändert. Aus Inge hatte er gleichzeitig eine überaus glückliche Mutter und ein überaus reizbares Nervenbündel gemacht. Kein Wunder, sie musste Nacht für Nacht mindestens drei Mal raus, um das Baby zu füttern. Entsprechend schnell wuchs das Kind und mit dem Wachsen wurde auch sein Hunger immer größer. Mich störte das nicht weiter, denn Inge wohnte mit ihrem Sohn in unserer Mansarde. Ihr Ehemann hatte die beiden Zimmerchen liebevoll hergerichtet, nachdem Frau Scholz mit Mann und Baby in eine schöne, große Neubauwohnung umgezogen war. Außerdem haben er und Inge sich als Wohnungssuchende bei der Gemeinde registrieren lassen. Jetzt ist er wieder abgedampft, der liebe Ulrich, um bis auf weiteres in der Schweiz zu arbeiten. Er will aber ganz schnell ein richtiger Kattenbacher werden und, sobald er alles erledigt hat, nach Hause zu seiner Familie kommen. Schließlich freut er sich darüber, dass ihm ein Sohn geschenkt wurde.

Prinz Siddhartha Gautama sah das nicht so. Als man ihm sagte: „Freue dich, ein Sohn ist dir geschenkt“, seufzte er nur und meinte, eine Fessel sei ihm geschmiedet. Aber das ist schon zweitausendsechshundert Jahre her und aus dem Prinzen Siddhartha wurde trotz der Fessel der „Buddha“, also der „Erleuchtete“. Allerdings kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, das aus Ulrich jemals so ein „Erleuchteter“ wird.

Auf jeden Fall fesselt so ein Baby seine Mutter ans Haus. Aber Inge hat zum Glück ja uns! Sogar mir macht es Spaß, den Kleinen in seinem vorsintflutlichen Kinderwagen im Ort herum zu fahren und die unverhohlene Neugier der Kattenbacher zu stillen, oder auch nicht.

„Ach ist das ein süßes Kind, ist es ein Mädchen oder ein Junge?“

Wenn ich dann als Antwort brumme: „Ein Junge“, kommen natürlich die wichtigsten Fragen, nämlich ob es Inges Sohn ist und ob meine Schwester auch verheiratet ist. Es bereitet mir ein boshaftes Vergnügen, keine weiteren Auskünfte über meinen Schwager geben zu können. Die Leute haben erst mal zu schlucken, wenn ich so nebenbei bemerke, dass der Papa des Wonneproppens in der Schweiz lebt. Also wird derselbige schon als geheimnisumwitterter Exot abgestempelt. „Gelt, der ist nicht von hier“, kommt dann die folgerichtige Bemerkung! Ich spüre förmlich die Missbilligung der meisten Frauen, die ernsthaft glauben, meiner Schwester sei ein rechtschaffener Kattenbacher nicht gut genug gewesen. Da lobe ich mir die intelligenten Fragen, die sich in einem: „Ei, ei, ei, wo ist er denn?“ erschöpfen. Klein Olaf grinst die Leute daraufhin meist zahnlos an, als wollte er sagen: Da bin ich doch!“ Manchmal brüllt er auch, und zwar immer dann, wenn die Finger der Erwachsenen allzu dicht vor seinem Gesichtchen rumfuchteln. Man hat es wahrhaftig nicht leicht als frisch gebackene Tante. Der Kleine hat nämlich überhaupt keinen Respekt vor mir. Kaum sind wir allein, fängt er an zu greinen und ich bin schuld daran. Das Einzige, was hilft, ist, ihn raus zu nehmen und zu wiegen und zu hätscheln. Aber das soll ich auf keinen Fall tun. Brüllen soll er aber auch nicht, denn dann fühlt er sich nicht wohl. Was ich auch mache, es ist verkehrt!

Mein Vater schenkte seiner Tochter zwei alte Sessel und ein bisschen Krimskrams, den er schon länger loswerden wollte. Inge braucht auch keine Untermiete zu bezahlen, so kann sie das Geld für ihre künftige Einrichtung sparen. Mein Vater fand sich äußerst großzügig, und solange ihn Klein-Olaf in seinem gewohnten Trott nicht stört, ist er auch ein ganz umgänglicher Opa.

Meine Mutter ist eine ganz tolle Oma, herzt das Bübchen dauernd, spielt mit seinen Fingerchen und bewundert einfach alles, was an ihm dran ist. Natürlich ist er auch das schönste und begabteste Baby der Welt. Ich fand den Kleinen anfangs regelrecht hässlich mit seinem kleinen Greisengesicht und den aufgekratzten Mückenstichen. Meine Mutter meinte aber, das wäre normal, Neugeborene sähen halt erst mal verschrumpelt aus. Und für eine Mutter ist ihr Baby immer schön.

„Also, halte dich zurück, Ulrike, ich habe dich ja damals auch niedlich gefunden!“

Damals hat sie mich niedlich gefunden!

Sie ist regelrecht aufgeblüht und hat überhaupt kein großmütterlich durchfurchtes Gesicht. Jetzt rührt sie mit Behagen in ihrem Kaffee, wirft einen liebevollen Blick auf ihr Enkelkind, schaut mich besorgt an und seufzt:

„Was möchtest Du eigentlich mal werden?“

Aha, ich wurde zur Kenntnis genommen!

Oder auch: Das neue Kind ist da, das alte muss gehen, wie man es nimmt!

Aber jetzt, jetzt bin ich vierzehn und muss was lernen. Aber, was?

Meine alten Klassenkameraden haben diesen Weg schon beschritten. Rita glaubt, dass sie später mal eine Familie haben wird und dass sie dann sparen muss. Deshalb lernt sie Schneiderin. Schön dumm, denn dann darf sie nicht nur die Kleider für ihre Kinder nähen, nein, dann muss sie die nähen!

Die Buben werden in der Regel auch was Praktisches. Handwerk hat ja goldenen Boden, wie es so schön heißt. Die meisten lernen in der Kunstlederfabrik, weil ja ihre Väter auch „Hinten“ arbeiten. Nur Kolle sah nicht ein, dass er was lernen soll, wenn er sofort richtig Geld verdienen kann und ging als Anlernling. Harald Grunz wird Holzhändler, weil es zum Förster nicht reicht. Die schöne Helene hat sich entschieden, Industriekaufmann zu werden. Aber, bei ihr ist das sowieso egal, denn sie ist derart talentiert, dass sie sogar als Korbflechterin eine ganz große Karriere machen würde. Was Kaufmännisches ist immer gut. Einige gehen deshalb noch auf die Handelsschule. Wenn mich niemand nimmt, soll ich das auch machen. Ach, der alte Kumpel Paul hat es gut. Der drückt noch ein halbes Jahr länger als ich die gute, alte Schulbank, weil er muss. Aber für mich wird es endlich Zeit. Die Uhr ist endgültig abgelaufen. Ich bin reif fürs Arbeitsleben!

Meine künstlerischen Vorstellungen kann ich nicht verwirklichen. Weder tanzend noch singend, denn ich bin hoffnungslos unmusikalisch. Im Schulchor reichte es gerade für die dritte Stimme, weil da niemand so genau hinhört. Und im Privatleben hieß es immer: „Geh in den Hof und übe“, wenn ich Flöte spielen wollte. Oder: „Fang Deine Lieder alleine an“, wenn ich meine Mutter bei ihren Gesängen mit jugendlichem Elan unterstützen wollte. Beim Tanzen ist es nicht anders, da muss man die betreffende Musik umsetzen können und außerdem noch sehr gelenkig sein. Das bin ich nicht! Leider stamme ich auch nicht von solchen Eltern ab, die mir eine Begabung dieser Art in die Wiege hätten legen können, wie das bei den Scherer-Schwestern der Fall ist. Barbara Scherer ist schon achtzehn und fährt jeden Tag nach Frankfurt. Es heißt, sie studiere Tanz. Andere sagen, sie quäle sich an der Stange ab und sei eine Ballettratte. Sie steht jeden Morgen, so perfekt geschminkt, sodass sie fast schon wieder natürlich aussieht, am Bahnhof und wartet auf ihren Zug. Im Winter friert sie ganz schön, denn ihr Mäntelchen bedeckt gerade mal ihre Knie. Die Füße stecken in modischen Pumps und die wohlgeformten Beine in Nylons. Je kälter es ist, umso mehr Verspätung hat der Zug. Kommt er endlich angeschnauft, ist es drinnen so warm, dass Barbara durch das wechselseitige Frieren und Schwitzen ständig Schnupfen hat. Aber sie kämpft weiter für ihre Karriere. Ihre Mutter war früher einmal eine richtige Tänzerin. Von ihr hat sie die Grazie und das Schweben in anderen Sphären. Ihrem Vater, einem Offizier und Ehrenmann, verdankt sie ihre eiserne Disziplin. Er ist im Krieg gefallen, hat aber diese Disziplin seinen Töchtern vererbt.

Bei der jährlichen Theateraufführung der Auenheimer Mädchenschule hat Felicitas Scherer die Hauptrolle in Schillers „Jungfrau von Orleans“ gespielt. Sie hat nicht nur den ellenlangen Text fehlerfrei auswendig gekonnt, nein, sie entführte das Publikum auch durch ihre vollendete jungfräuliche Hingabe problemlos ins kriegerische Frankreich des fünfzehnten Jahrhunderts. Die Leute haben sich die Hände wund geklatscht. So hingerissen waren sie von Felicitas. Ich weiß das, weil ich die Aufführung gesehen habe. Ich fieberte und litt mit Johanna und sehnte mich so sehr nach den Brettern, die die Welt bedeuten. Ach, wenn ich nur darauf stünde, das wäre der Höhepunkt meines Lebens, das Schönste, was es gibt. Selbst die Rolle der Jungfrau würde ich spielen, obwohl es sich nur um einen Klassiker von Schiller handelt, in welchem die Heldin auch noch verbrannt wird.

Aber für unsereins sind das nur aufgeschäumte Träume. Man träumt beispielsweise auch, dass man plötzlich für den Film entdeckt wird. Aber das entdeckt werden, ja das gibt es wiederum nur im Film. Das heißt, die Filmindustrie lebt davon. Von den Träumen der Leute, meine ich. Deshalb spricht man auch von der Traumfabrik.

Die Bretter allerdings, die für mich und meine Schulkameraden etwas bedeuteten, waren immer eine sehr wacklige Angelegenheit. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Bühne mussten wir nämlich auch selbst bauen, dementsprechend gefährlich war sie für Darsteller und Publikum. Internationale Ehren konnte man darauf auch nicht erringen. Der Ruhm hielt sich in Grenzen, nämlich in denen von Kattenbach.

Da gibt es aber noch andere sehr interessante Berufe, zum Beispiel Archäologe, das ist ein Forscher, der nach verschollenen Schätzen gräbt. Mein Brieffreund Knut hat mir zum Geburtstag mal ein Schneider-Buch geschenkt, das hieß „Schliemann, der Schatzsucher“. Dieses Buch habe ich verschlungen, weil Heinrich Schliemann auch ein ganz armer Junge war, der seit seiner Kindheit davon träumte, das sagenhafte Troja auszugraben. Um seinen Traum erfüllen zu können, ist er erst mal sagenhaft reich geworden. Dann hat er nach Troja gesucht und es in der Türkei gefunden. Damit hat er der ganzen Welt bewiesen, dass es diese Stadt wirklich einmal gab, was mich ganz persönlich riesig freute, da ich die Sagen von Troja sehr liebe. Mir gefällt überhaupt das ganze griechische Altertum, bis zurück in die Bronzezeit. Da gab es nämlich nicht nur edle Helden, sondern auch ganz tolle Heldinnen, und massenhaft Tragödien. Schliemann hat zur Belohnung auch noch den Schatz des Königs Priamos gefunden, jedenfalls hat er das geglaubt. Später hat man jedoch festgestellt, dass dieser Schatz zweitausendvierhundert Jahre älter war, als man ursprünglich annahm. Was hatte Schliemann doch für ein aufregendes Leben! So etwas würde mir auch gefallen. Natürlich ist mir klar, dass man wochenlang bei mörderischer Hitze graben muss, und wenn es dann endlich mal regnet, kommt die reine Sintflut. Schneidende Kälte kriecht einem zur Abwechslung in die Knochen, Schlangen und Skorpione in die Hosenbeine. Und immer bläst der Wind, derselbe, der schon die schöne Helena umwehte.

Behutsam äußere ich mich über die Archäologie. Da antwortet Mama spitz: „Da hättest Du Dich in der Schule aber mehr anstrengen müssen, bleib auf dem Teppich!“

„Ich will aber nicht im Büro arbeiten, um den ganzen Tag Briefe schreiben zu müssen, die stets mit „Hochachtungsvoll“ enden, obwohl man die Angeschriebenen nicht mal kennt. Allerdings hatte ich keine besonders klaren Vorstellungen von Büroarbeit, dafür umso bessere von meinen schlechten Stenokenntnissen.

„Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass aus Dir mal eine Sekretärin wird. Weißt Du was, ich habe da so eine Idee. Was hältst Du davon, wenn Du Verkäuferin wirst? Die müssen reden können. Und das kannst Du gut. Du redest doch so gerne!“

Verkäuferin? Im Geiste sah ich mich Wurst abschneiden und dabei meinen Finger gleich mit. Ich bemühte mich um einen passenden Gesichtsausdruck und meldete meinen Zweifel an.

Meine Mutter schüttelte den Kopf und meinte aufgeräumt:

„Ach was, Wurst, Käse, nein, ich dachte an schöne Kleider, und was da so dazu gehört. Natürlich in einem erstklassigen Modehaus. Wenn die Dich da nicht nehmen wollen, kannst du es ja immer noch im Kaufhof probieren, die verkaufen auch was zum Anziehen.“

Bis jetzt war ich solchen Modehäusern immer ehrfürchtig ausgewichen, weil weder die Damengrößen noch die dazugehörigen Preise für mich in Frage kamen. Für erstere war ich figürlich noch zu unförmig. Und die Preise, naja, die lagen sowieso jenseits von Gut und Böse!


Mein Herz klopfte, meine Hände, die ich in sich gefangen hielt, indem ich sie in meinem Schoß faltete, waren schweißnass. Außerdem juckte es mich an den unmöglichsten Stellen, als ich meinem zukünftigen Chef (wie ich hoffte), bei einem Vorstellungsgespräch gegenübersaß.

Er trug einen grauen Anzug, eine zu seinen Augen passende, blaugrau gemusterte Krawatte und ein weißes Hemd mit gestärktem Kragen. Wenn man seinen Blick etwas abwärts gleiten ließ, sah man auch die blitzblank polierten schwarzen Schuhe. Ich sah ganz gezielt auf den Boden und entdeckte die klassische Falle für Bewerber. Da lag eine Büroklammer auf dem Teppich! Die musste da liegen, denn das hatten wir im Unterricht gelernt. Eine von Schule zu Schule reisende Berufsberaterin hatte uns nämlich darüber aufgeklärt, wie man sich um eine Lehrstelle bewirbt. Ich hob die Büroklammer also ganz nebenbei auf und beobachtete, wie mein Gegenüber diese Aktion scheinbar völlig desinteressiert aus den Augenwinkeln verfolgte.

„Warum möchten Sie denn Verkäuferin werden, Fräulein Scholl?“ Diese Frage habe ich natürlich erwartet und mich darauf vorbereitet. Also schaue ich meinem Gegenüber fest in die von freundlichen Runzeln umgebenen blaugrauen Augen und antworte ihm munter und frisch, eben genauso, wie ich mich überhaupt nicht fühle:

„Ich habe so gern mit Menschen zu tun und außerdem finde ich es wunderbar, die Leute modisch beraten zu können. Natürlich muss ich das erst noch lernen und deshalb komme ich ja zu Ihnen!“

„Und Sie glauben, Sie können genau das erlernen?“

Herrn Jägers silbrige Schläfen blitzen vornehm im Licht der Lampe über seinem dunkelblonden, leicht gelichteten Schopf auf. Was für ein feiner Herr. Er spricht langsam, lächelt dabei ab und zu sparsam, aber freundlich und bewegt sich trotzdem irgendwie natürlich. Da komme ich mir noch kleiner vor, ja vollkommen fehl am Platze. Warum muss ich mich auch ausgerechnet im vornehmsten Modehaus der Stadt bewerben?

Ich habe für diese wichtige Angelegenheit das hellgraue Kleid angezogen, das ich zur Vorstellung als Konfirmandin bekommen habe. Dieses Kleid soll mir eine gewisse Vornehmheit verleihen, aber ich hasse es. Es ist so kindisch, obwohl die Taille gehoben wurde. Es lässt mich insgesamt nur noch formloser aussehen, als ich es ohnehin schon bin! Außerdem blüht ein riesiges Furunkel in meinem Mundwinkel. Das Pflaster, das darüber geklebt ist, betont diesen Auswuchs eher noch. Aber ich muss das durchstehen, deshalb lächle ich auch. Jedenfalls, soweit dieses Geschwür ein Lächeln zulässt. Das verflixte Ding tut nämlich auch noch weh.

„Ja, ich kann das lernen. Meine Mutter meint das übrigens auch. Sie sagt immer, ich würde so gerne reden und das wäre sehr wichtig für eine Verkäuferin!“ Kaum sind mir diese Worte entschlüpft, werde ich knallrot, schlage die Augen nieder und wünsche mich Gott weiß wohin. Herr Jäger raschelt mit meinen Papieren, schaut sich wahrscheinlich meinen handgeschriebenen Lebenslauf an, der auch nicht anders ist als der von Millionen Mädchen in meiner Situation. Dann hat er da noch mein Zeugnis. Na, so schlecht ist es ja nicht und es besteht ja auch noch Hoffnung, schließlich bin ich noch jung. Außerdem ist das mein erster Versuch, eine Lehrstelle zu bekommen. Ich muss eben tapfer sein und darf nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Ich straffe mich und mein Selbstbewusstsein und warte auf das: “Es tut mir leid, aber…“.

Stattdessen gibt er mir ein paar eng bedruckte Blätter und sagt leicht hüstelnd:

„So, das ist ein Lehrvertrag, den nehmen sie jetzt mit nach Hause und lesen ihn gründlich durch, auch das Kleingedruckte! Dann besprechen sie das mit ihren Eltern. Wenn sie dann immer noch bei uns anfangen wollen, bringen sie mir den Vertrag, von ihren Eltern und ihnen unterschrieben, zurück. Dann sehen wir weiter.“

Er steht auf und reicht mir die Hand. Ich bin sprachlos und werde schon wieder rot.

„Normalerweise wollte ich ja keinen Lehrling mehr ausbilden“, schmunzelt mein zukünftiger Chef, „aber als sie da so ganz allein und couragiert zu mir gekommen sind, habe ich es mir halt anders überlegt!“ Damit meint er doch tatsächlich mich! Ich und couragiert? Dabei habe ich doch lediglich meine Angst überwunden!

Ich renne, ach was, ich fliege, es hat auf Anhieb geklappt. Erst als ich durch die Hintertür in das Geschäft komme, zwinge ich mich, zu gehen, da ich die Blicke all der vornehmen Verkäuferinnen auf mir spüre. Schließlich komme ich vom Chef. Und der hat mich sogar die ganze Zeit über mit „Sie“ angeredet.

Am ersten Oktober beginnt für mich ein neues Kapitel auf meiner Lebensreise: Ich trete meine Lehre an.

Drei Tage später beginnt ein neues Kapitel für die Menschheit: Die Russen schießen den Sputnik ins Weltall!


Lockenkopf 3

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