Читать книгу Kirsch und die Eisleiche - Ursula Hass - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеHelen machte sich auf den Weg zu Hans Heger, um die Akten zu studieren. Heger kam noch kurz ins Büro, um auch zu erfahren, ob ein Anruf eingegangen sei. Doch seine Assistentin konnte ihm nicht weiter helfen. Helen erhielt die Unterlagen und überprüfte anhand der Akten die Personen, die vom Bankdirektor keinen Kredit erhalten hatten oder deren Häuser dann durch eine Zwangsversteigerung für die Eigentümer verloren waren. Da waren auch schon einige Schicksale darunter, wie Helen feststellen konnte.
Kirsch wollte nochmals den Eisweiher besichtigen und machte sich auf den Weg dorthin. Unterwegs sah er wieder so eine gruselige Hexe und er bemerkte kurz, dass sie ihm zuwinkte. Kirsch ließ sich jedoch nicht beeinflussen und marschierte an den Eisweiher. Und dabei verspürte er mal wieder einen richtigen Heißhunger, den er manchmal hatte, wenn er so mitten in einem verzwickten Fall steckte und die Ermittlungen ihn einfach nicht zur Ruhe kommen ließen. Also ging er kurzerhand noch in die Bäckerei Hutter, die sehr gute Fleischkäswecken anbot, die Eugen und Kirsch immer wieder gerne verspeisten und auch genossen.
„Hallo Andrea“, rief er schon von weitem, als er die Bäckerei betrat.
Er bemerkte jedoch nicht, dass die Bäckerei schon sehr voll war von Leuten, die er zum Teil gar nicht kannte. Doch da hinten stand Lene, die Bürgermeistersfrau und führte mal wieder lautstark die Unterhaltung an.
„Ich kannte den Jungen, wir sind ja mit der Familie befreundet“, sagte sie und erhaschte von den Umstehenden nur ein bedauerndes „Ja, ja“.
„Das ist ja schrecklich, der Tod des Jungen“, sprachen die Frauen alle nur so durcheinander.
„Aber wo war denn seine Mutter?“, fragten sich auch einige. Lene konnte da jedoch keine Auskunft geben.
„Ich weiß nur, dass die Mutter von Frau Heger in Rottweil wohnt und es gibt ja auch dort eine fantastische Fasnet, vielleicht wollte sie mit dem Jungen dahin reisen. Die Kinder haben ja schulfrei an Fasnet“, meinte sie etwas kurz angebunden.
Kirsch hörte sich alles an und verdrückte sich noch ein bisschen in der Ecke. Aber Andrea Hutter, die Bäckersfrau, hatte ihn ja gehört und auch gleich erkannt, dass Kommissar Kirsch in den Laden eingetreten ist. Denn um die Mittagszeit holte er sich schon mal einen Fleischkäswecken. Er und Eugen sind ja gewissermaßen Stammkunden hier.
„Herr Kirsch“, rief sie dann ebenfalls nicht gerade leise in den Raum und Kirsch spazierte seelenruhig an den Frauen vorbei, die ihn nur so anstarrten. Auch Lene machte sich so ihre Gedanken und flötete in hellen Tönen.
„Ach, der Herr Kommissar, ist auch hier. Gell, der Tod des Jungen macht Ihnen doch Kopfzerbrechen.“
„Hallo Lene“, sagte Kirsch nur und sprach dann noch leise zu ihr.
„Wir sollten uns mal draußen oder auf dem Revier unterhalten. Vielleicht kannst du uns etwas zum Jungen sagen. Was meinst du, Lene, hast du Zeit?“
„Ist gut Herr Kommissar, ich komme nachher auf das Kommissariat, ich muss noch ein paar dringende Erledigungen machen.“
„Gut, Lene, so machen wir es.“
„Also Andrea, wenn du einen Fleischkäswecken fertig hast, nehme ich ihn und mache mich dann wieder auf den Weg.“
Und Kirsch nahm eilig den Wecken an sich, biß mal herzhaft hinein, zahlte und spazierte dann aus der Bäckerei, und die Damen von Wiesenbach blickten ihm eifrig nach.
„Der hat es auch nicht immer leicht, immer diese Mordfälle in Wiesenbach aufzuklären, das ist auch keine schöne Arbeit“, meinten sie nur und hatten schon etwas Mitleid mit ihrem Kommissar.
„Ich glaube eher, dass unser Kommissar diese Mordfälle nur so anzieht“, meinte Andrea Hutter etwas süffisant.
Doch dann nahm sie wieder eifrig weiter die Wünsche der Frauen entgegen und bediente sie zuvorkommend, wie es ihre Art war.
Kirsch spazierte derweil mit seinem Fleischkäswecken an den Weiher, der noch ziemlich mit Eis bedeckt war. Nur am Rand hatte die Eisdecke schon einige Löcher aufzuweisen und da sprudelte das Wasser und gurgelte nur so vor sich hin. Auch ein paar Enten nutzten das eiskalte Wasser um wieder im Weiher zu schwimmen.
Kirsch inspizierte nochmals alles, wobei der Eisweiher etwas von Wald umgeben war, so dass es der Mörder leicht gehabt hat, den Jungen an dieser Stelle ins Wasser zu legen. Er wurde wahrscheinlich von Niemandem bemerkt.
Plötzlich kam eine ganze Horde von Fasnachtsgestalten auf Kirsch zugelaufen und er hatte Mühe die Hexen und Hansele abzuwehren.
Kirsch ging dann zurück ins Kommissariat, wo ihn schon Helen erwartete, die ein paar Unterlagen unter dem Arm hatte.
„Hast du schon was aus den Unterlagen entdecken können, das für uns hilfreich ist.“
„Nein, Chef, aber wie mir Hans Heger erklärte, hat auch Winzer Sänger um einen Kredit nachgefragt und er musste ihn leider abschlägig entscheiden. Auch das Weingut Huber steht mit einigen Tausend Euro in der Kreide und braucht dringend einen Kredit bis der neue Wein wieder verkauft werden kann, quasi zur Überbrückung. Doch Hans Heger hat Entwarnung gegeben, den Eheleuten Huber seine Zusage gegeben und er wollte auf jeden Fall den Kreditvertrag unterschreiben. Es gibt noch einige Kandidaten, die eventuell in Frage kommen könnten, aber da muss ich jetzt erstmals die Unterlagen aufarbeiten“, sagte Helen und entschwand in ihr Büro.
„Wo ist Eugen?“, rief der Kommissar noch ins Büro, „er soll doch sofort mal kommen“, meinte Kirsch.
„Hallo, Chef, was gibt es?“, fragte Eugen, der ganz plötzlich aufgetaucht war und natürlich gleich seinem Chef zu Diensten eilen wollte.
„Ja, es gibt für uns genug Arbeit, wo warst du denn?“, wollte Kirsch wissen, denn er war es eigentlich nicht gewohnt, dass Eugen einfach verschwand. Ansonsten lief er ihm doch immer wie ein Hündchen hinterher.
Eugen lief ganz schön rot an, fast so rot, wie seine roten Haare und stotterte nur so herum.
„Na, Eugen, was ist denn los mit dir, so kenne ich dich ja gar nicht“, erwiderte Kirsch, der einfach nicht wusste, was mit Eugen los war.
„Ich war mal bei den Verkehrspolizisten“, sagte Eugen ganz leise, als wollte er sich entschuldigen.
„Verkehrspolizei, hattest du einen Unfall mit deinem Auto oder was?“, fragte Kirsch unwirsch nach.
„Nein, nein, wo denken Sie hin.“
„Ach jetzt geht mir ein Licht auf, natürlich die neue Kollegin hat es dir angetan, deshalb warst du bei der Verkehrspolizei.“ Kirsch lächelte etwas geheimnisvoll vor sich hin.
„Dass ich da nicht gleich draufgekommen bin“, lachte Kirsch dann etwas lauter.
„Ja, ja die Liebe, wolltest ihr vielleicht was zum Valentinstag schenken, der ist doch in ein paar Tagen“, kullerte Kirsch immer lauter los.
Eugen versteckte sich etwas hinter Kirsch, weil der jetzt doch zu laut wurde und das passte Eugen ganz und gar nicht, denn er wollte ja nicht, dass es die Kollegen vernahmen und ihn wohl hänselten und aufzogen mit der neuen Kollegin.
„Hoffentlich hat es von den Kollegen niemand mitbekommen?“, bemerkte er zu Kirsch.
Kirsch hatte gerade erst in der Bäckerei eine kleine Werbung auf diesen Valentinstag entdeckt und sich überlegt, ob Moni sich über eine Schachtel Pralinen freuen würde. Deshalb war er auch ein bisschen versöhnlicher gestimmt und verstand ja Eugen auch irgendwie. Denn die junge Kollegin war auch bildhübsch, wie er selbst fand, und da gönnte er ja auch Eugen sein bisschen Verliebtsein.
„Immer nur Arbeit, das gibt es nicht, Eugen, nur Mut, vielleicht hast du ja Chancen bei der neuen Kollegin“, erwiderte Kirsch.
Doch Eugen wollte gar nicht mehr über die Angelegenheit sprechen und fragte nochmals nach, was Kirsch von ihm wollte.
„Du marschierst jetzt zu Öhler in die Bank, zu deinem Sportkameraden und hörst dich ein bisschen um. Es kann ja nicht sein, dass ein Kind ohne seine Mutter hier ermordet aufgefunden wird. Und auch der Bankdirektor kommt mir schon ein bisschen suspekt vor. Gut, es hatte ihn ehrlich getroffen, dass sein Sohn so furchtbar ums Leben gekommen ist. Er war sehr erschüttert, aber dass er die Entführung überhaupt nicht gemeldet hatte, das verstehe ich bis heute nicht.“
„Also Eugen, marsch, marsch. Und dann berichtest du mir alles.“
Und Eugen machte sich auf den Weg in die Bank.
„Huber und Drechsler sollen mal das Umfeld des Kindes unter die Lupe nehmen. Helen, wo stecken denn die beiden?“, fragte Kirsch und wurde immer unruhiger und ungeduldiger.
Er gab Helen schnellstens Anweisung, die beiden zu verständigen und so eilten Huber und Drechsler, als sie Kirschs Anordnung vernahmen, eilig ins Kommissariat.
Von Helen erfuhren sie dann weitere Instruktionen.
Kirsch machte sich nochmals auf den Weg zu Hans Heger, denn er hatte doch noch einige Fragen an ihn.
Hans Heger erwartete ihn schon im Büro, denn Helen hatte den Kommissar angekündigt und er hatte sich doch noch nicht in seine Wohnung zurückgezogen.
„Herr Heger, ich muss nochmals auf die Entführung eingehen. Wo war denn die Übergabe?“
„Sie war am Eisweiher, direkt am Wald, wie ich es Ihnen schon gesagt habe, aber sie fand nicht statt, das Geld ist bei mir im Tresor gut aufbewahrt.“
„Haben Sie keine andere Adresse für die Geldübergabe von den Entführern genannt erhalten oder haben Sie vielleicht die Stimme erkannt?“, bohrte Kirsch weiter nach.
„Nein, keineswegs, die Stimme klang ziemlich verzerrt.“
„Wo wurden Sie angerufen, zuhause oder im Büro.“
„Es war hier im Büro.“
„Gut, dann muss die Spusi nochmals alles untersuchen und sicher ist ja das Gespräch aufgezeichnet worden, oder nicht?“
„Doch, die Gespräche werden aufgezeichnet, aber wenn ich eine Taste drücke, dann wird es nicht aufgezeichnet, dann ist es ein Privatgespräch und so habe ich es auch gemacht“, entgegnete Heger etwas gefasster.
„Trotzdem, die Spusi muss herkommen und wir wollen schauen, ob wir Glück haben und vielleicht etwas entdecken bzw. dass wir über die Telefongesellschaft mehr erfahren.“
„Zu Ihrem Sohn habe ich auch noch einige Fragen.“
„In welche Schule ging er und wie heißen seine Freunde, war er in einem Verein?“
Hans Heger antwortete ziemlich schnell und präzise, dass Lasse in eine Privatschule ging in Burgstetten, er ist ja noch in der Grundschule. Seine Freunde sind Manuel und Daniel, das sind die besten Kameraden.
„Gut, dann brauche ich noch die Adressen, damit ich sie aufsuchen kann.“
Heger teilte ihm dies auch noch mit und informierte ihn auch, dass Lasse im Fußballverein gespielt hatte. Sein Trainer war Olaf Kaiser, der die Jungen und auch die erwachsenen Amateure, trainiert.
„Gut, seine Adresse soll Helen herausfinden. Meine Assistentin war ja hier und hat noch Unterlagen von Ihnen erhalten.“
„Ich bin mir fast sicher, dass es sich um eine Beziehungstat handelt oder auch um Rache. Deshalb auch meine nochmalige Frage an Sie, haben Sie Feinde?“
Heger verneinte dies und konnte dem Kommissar nicht weiterhelfen.
„Danke Herr Heger, wir versuchen alles, damit wir Ihre Frau so schnell wie möglich finden, aber Sie müssen uns da auch behilflich sein. Sobald sich die Entführer wieder melden, geben Sie uns Bescheid.“
Dann verließ Kirsch den Bankdirektor, der ihm sehr nachdenklich nachschaute und in nicht gerade bester Verfassung war, als der Kommissar ging.
„Wer ist das schon, in bester Verfassung?“, dachte Kirsch, als er den Bankdirektor so leiden sah und wenn der eigene Junge tot ist und seine Frau verschwunden bleibt.
Als er die Treppe hinuntereilte, sah er schon von weitem Eugen stehen, der noch mit dem Bankangestellten Öhler sprach.
„Das sollte er ein bisschen diskreter machen“, fand Kirsch.
Als er unten in den Empfangsraum kam, sah er Olaf Kaiser, den er von einem Foto aus der Zeitung her kannte. Er stand gerade am Bankschalter und war sehr vertieft im Gespräch mit einem Bankangestellten.
„Wie heißt der denn nochmal?“, überlegte Kirsch, kam aber nicht auf den Namen des Bankangestellten.
„Die kennen sich wohl gut“, dachte Kirsch und ging auf Eugen zu.
„Hallo, Eugen!“
Eugen zuckte ein bisschen zusammen und auch Öhler bemerkte den Kommissar nicht gleich.
„Ah, Hallo, Herr Kirsch. Das sind ja keine guten Nachrichten heute Morgen, der liebe Junge, Lasse, ich mochte ihn so.“
Um die Mundwinkel von Öhler zuckte es sehr verdächtig, so als wollte er plötzlich anfangen zu heulen.
„Hoffentlich fängt er nicht an zu heulen“, dachte Kirsch, der es aber sehr sympathisch fand, dass Öhler seinen Kummer so öffentlich zeigte.
„Das gibt es nicht immer und schon gar nicht bei einem Mann“, meinte er mehr zu sich selbst und wandte sich dann Öhler zu.
„Herr Öhler, haben Sie Eugen alles gesagt, was Sie wissen?“, wurde Kirsch wieder förmlicher.
„Ja, Eugen weiß alles.“
„Gut, vielen Dank, komm Eugen, dann machen wir uns auf den Weg ins Kommissariat.“
„Nochmals vielen Dank, Herr Öhler, und wenn Ihnen noch was einfallen sollte oder Ihnen etwas merkwürdig vorkommtt, dann teilen Sie es uns bitte mit. Denn ich bin sicher, es hat irgendwas mit der Bank zu tun, denn alles läuft eigentlich direkt auf die Bank und den Bankdirektor zu.“
Eugen und Kirsch gingen auf dem schnellsten Weg ins Kommissariat zurück, wo sie schon von Helen erwartet wurden.
„Übrigens, Ihre Frau hat angerufen, Herr Kirsch, und gefragt, ob Sie heute nicht zum Mittagessen kommen?“
Kirsch wurde ganz still.
„Ach, das habe ich ja ganz vergessen, heute gibt es nämlich die berühmten Fasnachtsküchle meiner Frau und dazu eine Kartoffelsuppe mit viel Gemüse und noch Würstchen drin.“
„Nein, das hab ich jetzt ganz vergessen und Moni weiß ja noch nichts vom Tod des Jungen.“
Kirsch ging ins Büro und nahm den Hörer in die Hand, um Moni anzurufen.
Doch Moni war nicht im Haus, denn das Telefon blieb still und so dachte Kirsch, dass Moni wahrscheinlich im Garten bzw. in ihrem kleinen Gewächshaus war und nach ihren Kakteen schaute.
„Ich kann jetzt noch nicht nach Hause gehen, da liegt noch viel zu viel Arbeit an. Zuerst will ich wissen, was Eugen vom Banker Öhler erfahren hat“, bemerkte er zu Helen.
„Eugen, berichte uns mal, was Herr Öhler wusste.“
Eugen berichtete, dass Lasse ein lieber, guter Junge war, der seinen Eltern nur Freude gemacht hatte. Der Bankdirektor und seine Frau waren ja noch nicht solange in Wiesenbach, vielleicht drei oder vier Jahre. Vorher war er in Burgstetten und seine Frau war dort Lehrerin. Als er allerdings die Stelle in Wiesenbach angetreten hatte, wurde er zum Bankdirektor, zum Vorstand der hiesigen Bank, ernannt und seine Frau kümmerte sich mehr um den Haushalt und den Jungen. Sie hatte nur noch ein paar Stunden Unterricht in der Grundschule. Lasse war im Fußballverein und er wurde trainiert von Olaf Kaiser.
„Das weiß ich ja alles schon von Herrn Heger selbst“, rief Kirsch etwas ungeduldig dazwischen.
„Was konnte er noch zu den Krediten sagen?“
„Er bearbeitet doch die Kredite oder?“
„Ja, das ist richtig, Öhler bearbeitet im Vorfeld die Kredite und der Bankdirektor muss sie dann letzten Endes entscheiden.“
„Es gab da ein paar Fälle, wo der Bankdirektor nicht ganz im Sinne von Öhler entschieden hatte“, meinte Eugen.
„So in etwa hat sich Öhler ausgedrückt.“
„Namen wollte er mir keine nennen, das gehört zum Datenschutz.“
„Ja, wir haben die Unterlagen vom Bankdirektor erhalten und wir werden sie diskret behandeln.“
„Kennst du übrigens Olaf Kaiser, den Trainer der Fußballmannschaften?“
„Nein, nicht direkt, ich bin ja im Sportverein und nicht im Fußballclub, Chef.“
„Aber du könntest dich mal auf die Fersen des Trainers machen, Eugen. So von Sportkamerad zu Sportkamerad.“
„Was meinst du dazu?“
„Ist gut, Chef, mache ich, ich glaube, die haben heute Abend Training, da gehe ich mal vorbei.“
„Ja, mach das, Eugen.“
„Huber und Drechsler werden auch das Umfeld des Jungen und der Familie untersuchen. Ich bin mal gespannt, was die beiden zu berichten haben.“
„Helen, ist die Spusi schon ins Büro zu Herrn Heger gegangen, denn wir müssen unbedingt die Entführer finden oder Spuren, die zu den Entführern führen. Aber ob sie den Jungen umgebracht haben, ist auch noch nicht sicher. Es könnte durchaus auch eine andere Person gewesen sein.“
„Die Spusi ist schon dort und schaut sich auch die Telefonbänder an“, berichtete Helen.
„Gut, ich werde auf meinem Heimweg noch bei den beiden Jungen, den Freunden von Lasse, bei Manuel Zoller und Daniel Bender vorbeischauen und mal hören, was die Jungen zu berichten haben.“
„Dann werden wir morgen früh wieder eine Besprechung machen. Bis dort wissen wir mehr und vielleicht haben sich ja auch die Entführer wieder gemeldet, was ich aber nicht glaube, denn die haben sicherlich jetzt auch entdeckt, dass sich die Polizei eingeschaltet hat.“
Kirsch verließ das Kommissariat und auf dem Heimweg kamen ihm wieder die urigen Maskenträger entgegen. Da waren Wölfe und Füchse, Esel, Dachse und jede Mengen Hexen unterwegs und bevölkerten die Stadt. Es war fast kein Durchkommen.
„Da bin ich mal gespannt, ob die Jungen zuhause sind, wenn so viel Narrenvolk unterwegs ist, da mischen die doch mit“, sagte Kirsch nur kurz zu sich selbst.
Kirsch lief ziemlich schnell die Straße entlang und kam schon in den Ahornweg, wo Manuel Zoller wohnte. Ein paar Häuser weiter ist auch schon die Eichengasse, in der Daniel Bender zuhause ist.
Als Kirsch bei Manuel Zoller läutete, öffnete ihm seine Mutter die Tür.
„Oh, Herr Kommissar, was beschert mir die Ehre für Ihren Besuch“, antwortete Manuels Mutter als sie Kirsch gegenüber stand.
„Ist Manuel zuhause, ich sollte ihn dringend sprechen?“
„Nein, er ist mit seinem Vater in der Stadt, sein Vater ist doch auch im Narrenverein und da wollte Manuel mit, weil er auch gerne so ein Hansele werden möchte.“
„Dann habe ich die Bitte, dass Sie morgen früh mit dem Jungen bei mir im Kommissariat vorbeischauen. Sein Freund, der Lasse, der Sohn vom Bankdirektor, ist im Eisweiher tot aufgefunden worden.“
Die Mutter von Manuel schlug entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen und fing an zu weinen.
„Das weiß ich ja noch gar nicht.“
„Hat denn Manuel nichts erzählt, denn es ging ja wie ein Lauffeuer in der Stadt herum.“
„Nein, es ist doch keine Schule, es sind doch Schulferien und wir waren heute bei meinen Eltern und sind erst gerade vorhin zurückgekommen.“
„Das ist ja schrecklich, was Sie mir da erzählen, Lasse tot im Eisweiher. Ist er hineingestürzt, wollte er Schlittschuhlaufen?“
„Nein, Lasse ist ermordet worden. Das ist ja das Schlimme.“
„Mein, Gott, was sind denn das für Zeiten, dass so ein kleiner, lieber Junge ermordet wird. Das ist ja unfassbar.“
Manuels Mutter war zu Tode betrübt und konnte sich gar nicht beruhigen.
„Wenn das Manuel erfährt, die sind doch so dicke Freunde, da wird er sehr traurig sein.“
„Herr Kommissar wir kommen morgen um 9.30 Uhr bei Ihnen vorbei“, sagte Manuels Mutter, die ob der Nachricht ganz entsetzt war und Kirsch gerne verabschieden wollte.
„Vielen Dank Frau Zoller und bitte bringen Sie es Manuel schonend bei.“
Kirsch ging langsamen Schrittes dann in die Eichengasse, wo Daniel Bender wohnte.
Auch dort traf er nur die Mutter an, denn Daniel war mit seinen Geschwistern natürlich in Wiesenbach unterwegs, um zusammen mit den Narren herumzuziehen. Fasent, das ist auch Straßenfasnacht und da sind die Kinder Feuer und Flamme und haben zuhause kein Sitzfleisch. Auch Daniel Bender wurde mit seiner Mutter auf den morgigen Tag, 9.30 Uhr, ins Kommissariat bestellt.
Dann ging Kirsch nach Hause und wieder sah er eine Hexe, die ihm ein paar Zeichen in die Luft machte, die er aber nicht verstand, als sich Kirsch ihr nähern wollte. Aber als er nur noch wenige Meter von ihr entfernt war, verschwand sie ganz und er konnte sie nicht mehr finden. Ziemlich gedankenverloren schritt er zu seinem Haus. Dort kam ihm schon Moni entgegen.
„Ach, Kirsch, da bist du ja, ich habe mal im Kommissariat angerufen, weil du gar nicht nach Hause zum Mittagessen gekommen bist.“
„Moni, es ist wieder etwas Schreckliches passiert, ein Junge, Lasse, der Sohn von Bankdirektor Heger, haben wir am Eisweiher gefunden. Er ist jedoch nicht ertrunken, sondern er wurde ermordet, stell‘ dir vor, ermordet“, sagte Kirsch und das Wort ermordet betonte er nochmals extra laut.
„So ein kleiner Junge!“
Moni riss nur ihre Augen auf und schaute Kirsch ganz entsetzt an.
„Das ist ja furchtbar, wieso denn der Junge?“
„Ich bin mir da nicht so sicher, ob es sich dabei nur um eine Entführung handelt“, meinte Kirsch zu Moni, die gar nicht wusste, von was Kirsch sprach.
„Was denn für eine Entführung?“, brachte sie nur noch hervor.
„Die Mutter von dem Jungen, die Frau von Bankdirektor Heger, Elisabeth Heger, ist zusammen mit dem Jungen entführt worden. Die Geldübergabe fand nicht statt. Das ist vielleicht das Verhängnis, weshalb der Junge getötet worden ist.“
„Du kannst dir sicherlich denken, dass Bankdirektor Heger entsetzt war, als er hörte, dass sein Junge ermordet wurde und dass er womöglich Schuld hat, weil die Geldübergabe nicht stattgefunden hat, obwohl er ja das Geld, 200.000 Euro, gut sichtbar an der Stelle, wo es die Entführer haben wollten, hingelegt hat. Aber die Entführer kamen nicht und dann ist er nach einer Stunde wieder an den Platz zurückgefahren und stell dir vor, das Geld war noch da, es wurde nicht abgeholt.“
„Das verstehe ich nicht, Kirsch.“
„Ja, wir sind auch alle entsetzt, Eugen und Helen und auch der Bürgermeister und seine Frau, die ja die Familie kannten. Auch die Mütter der Schulkameraden von Lasse können es nicht fassen.“
„Ich war heute Nachmittag im Gewächshaus und nicht in der Stadt, deshalb habe ich auch nichts mitbekommen. Wer macht denn so was?“, rief Moni ganz entsetzt und auch verzweifelt heraus, weil sie natürlich wußte, dass jetzt Kirsch wieder gefordert war und nicht zur Ruhe kommen konnte, bis der Fall gelöst war.
„Komm Kirsch, wir essen jetzt zu Nacht. Ich wärme die Kartoffelsuppe auf und die Küchle schmecken auch noch.“
Kirsch nahm derweil wieder in seinem Lieblingssessel Platz und sann darüber nach, wer denn alles für den Mord in Frage kommen könnte. Doch Kirsch fand keine Lösung, wie auch, wenn er schon mal gar nicht wusste, wo er ansetzen sollte.
Dann hatte ihn Moni zum Essen gerufen und er freute sich ein ganz klein wenig auf seine Kartoffelsuppe, denn das ist und bleibt einfach seine Lieblingssuppe. Und viel Gemüse, vor allem Karotten, Sellerie und Lauch zusammen mit den Kartoffeln und einem Schuss Sahne machen einfach ein deftiges Mahl, wie Kirsch fand. Dazu gab es noch die Fasentsküchle, die Moni wieder perfekt zubereitet hatte.
Gesättigt zog sich Kirsch wieder in seinen Lieblingssessel zurück und holte sich noch ein Glas Rotwein. Denn er hoffte mit diesem Schlummertrunk besser einschlafen zu können.
Doch das war ein frommer Wunsch, der allerdings nicht in Erfüllung gegangen ist. Kirsch wälzte sich auf seinem Bett hin und her und die schrecklichsten Träume quälten ihn. Er sah den Jungen vor seinem Auge, wie er die Hände hockreckte und nach Luft schnappte. Irgendwie beruhigte sich Kirsch selbst in seinem Traum damit, dass der Junge sicherlich nichts mehr verspürt hatte,denn er war betäubt worden. Und dann sah er auch eine Hexe am Rand des Eisweihers stehen, die ihm wieder zuwinkte.Mitten im Traum sprang Kirsch in die Höhe und fasste sich an seinen Kopf.
„Sie weiß etwas, diese Hexe, darum geistert sie bei Tag und auch bei Nacht in meinen Träumen herum. Was weiß sie?“
„Gut morgen ist auch noch ein Tag, jetzt brauche ich meine Nachtruhe“, sagte es Kirsch leise zu sich selbst, denn Moni schlief fest neben ihm und er wollte sie nicht aufwecken.
„Morgen ist auch noch ein Tag“, murmelte er nochmals leise vor sich hin, um sich wohl selbst Mut zuzusprechen.
Und dann war wieder Ruhe im Hause Kirsch eingekehrt.