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2.1.3 Soziale Arbeit als Disziplin und Profession

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Soziale Arbeit gilt also als neuer Leitbegriff für Disziplin und Profession. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, was mit dieser Unterscheidung gemeint ist.

Stichweh (1994) schlägt vor, Disziplin und Profession als zwei unterschiedliche Systeme mit je eigenen funktionalen Aufgaben auszuweisen. So sind Disziplinen Wissenschaftszweige, welche einen spezifischen Ausschnitt der Wirklichkeit auf bestimmte Weise betrachten. Zu jeder Disziplin gehören Forschungsgegenstände, Methoden, Theorien und Forschungszwecke (vgl. Wilhelm 2005:43). Disziplinen sind Ergebnisse einer Binnendifferenzierung des Systems Wissenschaft. Spezifisch für eine Disziplin sind nicht nur der Gegenstand, sondern auch die jeweilige Fragestellung und die Problemperspektive, d. h. die Art und Weise des Blickes auf den spezifischen Wirklichkeitsausschnitt. Sinnvoller als über den Gegenstand kann eine Disziplin bestimmt werden über die Zuständigkeit, so Merten (2002:39), mit Hilfe der Frage, welche Probleme als zur Disziplin zugehörig betrachtet werden. Er fasst die Strukturmerkmale von Disziplinen folgendermaßen zusammen:

• Scientific community, d. h. die soziale Gemeinschaft von Wissenschaftlern,

• Disziplinspezifische Sozialisationsprozesse (die sich innerhalb spezifischer Ausbildungsbedingungen an den Hochschulen vollziehen),

• besondere Fragestellungen, besonderer Problembezug,

• aktueller Diskussionsstand,

• besondere Methoden und Lösungsverfahren (vgl. ebd.:41).

Im Vergleich zu anderen Wissenschaftszweigen ist die Soziale Arbeit eine junge Disziplin. Das zeigt sich insbesondere darin, dass die akademische Ausbildung eine kurze Geschichte hat. In der Bundesrepublik Deutschland wird als Leitbegriff für das wissenschaftliche Feld teilweise auch Sozialpädagogik verwendet, in der Schweiz oft auch – verweisend auf den angelsächsischen Diskussionsstrang – der Begriff Sozialarbeitswissenschaft (vgl. u. a. Tohle 2012a:20; Chassée/von Wensierski 2004a:7).

Mit dem Begriff Profession wird demgegenüber nicht einfach nur die ›Praxis‹ der Sozialen Arbeit, das Handeln, gefasst (im Gegensatz etwa zur ›Theorie‹ der Sozialen Arbeit). Der Begriff bezeichnet vielmehr die Berufsgruppe der hier tätigen Personen sowie die Orte und Institutionen des Praxissystems, des gesamten Arbeitsfeldes also, das Beratung, Unterstützung und Hilfe für bestimmte Klienten offeriert. Gemäß Thole wird mit dem Begriff Profession »das gesamte fachlich ausbuchstabierte Handlungssystem, also die berufliche Wirklichkeit eines Faches« beschrieben, der Begriff bezeichne »die Realität der hier beruflich engagierten Personen sowie die von ihnen offerierten Hilfe-, Beratungs- und Bildungsleistungen auf der Basis der von der Gesellschaft an sie adressierten Ansprüche und Wünsche« (2012a:21).

Aufgrund dieser kurzen Umschreibungen von Disziplin und Profession zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Systemen. Professionen zeichnen sich aus durch Handlungsorientierung, sie zielen ab auf Veränderung von Situationen oder Personen. In der Disziplin hingegen ist Handlungsentlastetheit eine unabdingbare Bedingung für die Möglichkeit wissenschaftlicher Tätigkeit. Die Profession der Sozialen Arbeit zielt also auf Wirksamkeit – und dabei muss sie sich stets fragen, ob das Handeln dem Kriterium Angemessenheit genügt, d. h., ob es geeignet war oder nicht. In einer wissenschaftlichen Disziplin hingegen geht es darum, mittels Forschung, Produktion und Reflexion von Theorien Welt- und Gesellschaftsbilder zu kreieren und zu beeinflussen. Die Disziplin setzt auf Wahrheit und Richtigkeit, ihre Argumentationen müssen schlüssig sein (vgl. Merten 2013a; Merten 2002; Thole 2012a; Stichweh 1994). Abbildung 1 von Merten fasst die Unterschiede zwischen Disziplin und Profession prägnant zusammen.


Abb. 1: Differenz Disziplin – Profession (Merten 2002:44)

Inwiefern diese beiden Systeme – Disziplin und Profession – in einem hierarchischen Verhältnis zu einander stehen (weil theoretisches Wissen höher zu bewerten ist) oder aber zwar divergent, aber gleichwertig sind, wird vielfach diskutiert. In der Sozialen Arbeit gilt das Verhältnis von Theorie und Praxis in besonderer Weise als problematisch. Die Kluft zwischen den Welten des beruflichen Alltags der Professionellen und des Wissenschaftssystems sei groß, konstatiert beispielsweise Schone (vgl. 2008:981), das Verhältnis zwischen den Angehörigen der beiden Gruppen sei distanziert und durch Vorurteile geprägt. Idealerweise bereichern, durchdringen und befruchten sich die beiden Systeme gegenseitig: Professionelle nutzen wissenschaftliches Wissen um einen konkreten Einzelfall einordnen und verstehen zu können und auf dieser Basis Interventionen planen zu können. Wissen ist eine notwendige Voraussetzung für professionelles Handeln. Gleichzeitig lassen sich aus wissenschaftlichem Wissen keine Regeln für das konkrete berufliche Handeln im Einzelfall ableiten, ist der ›Nutzen‹ von wissenschaftlichem Wissen immer beschränkt. Auch wenn es unabdingbar ist, den konkreten Einzelfall auf der Folie des Allgemeinen beleuchten zu können, so reicht das theoretische Wissen nie aus, um das konkrete Handeln im Fall bestimmen zu können. Professionelle der Sozialen Arbeit müssen nicht nur in der Lage sein, wissenschaftliches Wissen auf den Fall zu übertragen, zu transformieren, sondern darüber hinaus auch zu verknüpfen mit den Informationen von Klientinnen zu ihrer Lebenssituation und zu ihrer eigenen Deutung dieser Situation (vgl. u. a. Merten 2013a:670; Kap. 10.2.1).

Kooperative Prozessgestaltung in der Sozialen Arbeit

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