Читать книгу Nelly - Die Ponys kommen - Ursula Isbel-Dotzler - Страница 6

Halleluja!

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Ich habe schon mal besser geschlafen als in dieser Nacht. Immer wieder wache ich auf und denke an tausend Sachen. Vor allem an Lady, die schöne graue Stute. Aber auch an den Streit mit Sammy.

Eigentlich war es ja kein richtiger Streit. Sammy hat mich bloß nicht verstanden, oder sie wollte mich nicht verstehen. Natürlich muß ich noch einmal über alles mit ihr reden. Aber erst, wenn sie sich wieder beruhigt hat. Manchmal kommt Sammy mir wie ein Rumpelstilzchen vor, das sich vor Wut selbst in den Boden stampft. Dann läßt man sie besser in Ruhe, einen Tag oder so. Irgendwann kommt schon der Augenblick, in dem man wieder ganz vernünftig mit ihr reden kann.

Draußen rauscht und rinnt der Regen. Sonst hat dieses Geplätscher eine einschläfernde Wirkung auf mich, besonders in der Schule. In dieser Nacht ist es genau umgekehrt. Ich könnte davon aus der Haut fahren. So bin ich hellwach, als im Morgengrauen plötzlich die Tür aufgerissen wird.

Emma steht wie ein Nachtgespenst im Schlafanzug auf der Schwelle. „Ich kann nicht schlafen!“ jammert sie.

„Und wenn du nicht schläfst, brauchen’s andere auch nicht zu tun“, sage ich. Doch ich bin ausnahmsweise ganz froh, daß sie da ist. Ich hebe die Bettdecke hoch und rücke zur Seite.

Emma schlüpft darunter und kuschelt sich eng an mich. August, der am Fußende liegt, seufzt. So hat er es gern. Je mehr Leute aus unserer Familie mit ihm in einem Bett liegen, desto besser ist es.

„Diese ekelhafte Nacht hört und hört nicht auf“, murmelt Emma. „Vielleicht kommt der Morgen überhaupt nicht, nie wieder? Woher weiß man eigentlich, daß es immer wieder Tag wird, Nelly? Du, ich halte das Warten nicht mehr aus! Ich glaube, ich zerplatze, oder ich drehe durch, oder ich kriege Pickel …“

Irgendwie verstehe ich sie. „Es dämmert ja schon“, sage ich tröstend. „Bestimmt ist es bald fünf. Dann kommt Lady in … Paß mal auf, in ungefähr vier oder fünf Stunden wird sie gebracht.“

„Was?“ flüstert Emma entsetzt. „So lange müssen wir noch warten?“ Sie wälzt sich auf die Seite und stöhnt.

Damit sie ruhiger wird, erzähle ich ihr eine selbsterfundene Geschichte von einem Mann, der so dick war, daß er in keinen Sessel mehr paßte und schließlich auch nicht mehr durch seine eigene Tür kam. Er blieb einfach im Türrahmen stecken.

Emma kichert. Plötzlich hört sie damit auf, und ich merke, daß sie eingeschlafen ist.

Ich lausche ihren regelmäßigen Atemzügen. Sie bläst ein bißchen im Schlaf. „Psschscht-pfütthhh!“ macht sie. Seltsam, irgend etwas fehlt plötzlich. Was ist es bloß? Ich halte Emma den Mund zu. Jetzt höre ich es – oder vielmehr, ich höre es nicht: Es hat aufgehört zu regnen.

Kukirol hat seinen Pfeifkessel-Tag. Der Papagei kann pfeifen wie ein Wasserkessel. Das übt er heute ausgiebig, während wir auf Lady warten. Wir sitzen alle vor dem Haus – unsere Eltern, Daniel, Emma und ich, dazu August und die Katzen Milly und Molly. Kukirol hat auf dem Küchenfenster Posten bezogen. Er pfeift so schrill, daß einem fast die Ohren abfallen.

„Gut, daß ich so tierliebend bin“, sagt Chris, unser Vater. „Sonst würde ich diesen nervigen Vogel jetzt irgendwo im tiefsten Wald aussetzen.“

Zum Glück hat es nicht wieder angefangen zu regnen. Aber die Sonne scheint auch nicht. Vom tiefgezogenen Dach unseres Schwarzwaldhauses tropft es noch. Emma kaut an ihren Zöpfen und baumelt mit den Beinen.

Ich bin mindestens so aufgeregt wie sie. Ich zupfe am ausgefransten Saum meiner Jeans und denke: Warum kommen sie nicht endlich? Spätestens um zehn, hat Großvater gesagt, und es ist doch schon … Jetzt höre ich das Geräusch eines Motors.

Emma ist aufgesprungen. Manchmal ist sie schneller als der Schall.

„Ich schätze, sie sind da“, sagt Dani. Er versucht lässig zu klingen, aber ich sehe, daß seine Nasenspitze weiß wird. Das ist immer so, wenn er aufgeregt ist.

Schon biegt der Landrover mit dem Pferdeanhänger um das Gebüsch aus Jasminsträuchern. Herr Holz sitzt am Steuer. Hinterdrein fährt unser Großvater mit seinem grünen Volvo.

Emma hopst auf und nieder wie ein Springfrosch. „Ich dreh’ durch, gleich dreh’ ich durch!“ ruft sie unentwegt.

Ich renne los. August bellt und läuft hinter mir her, dem Landrover entgegen. In meinem Herzen jubiliert und frohlockt es. Lady! Die graue Stute ist da und darf für immer bei uns bleiben! Das ist fast mehr Glück, als ein einzelner Mensch aushalten kann.

Nelly - Die Ponys kommen

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