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Willkommen auf dem Rösslehof

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Daniel und ich helfen Großvater, die graue Stute aus dem Anhänger zu holen und über die Laderampe nach unten zu führen. Sie fürchtet sich, das merkt man. Ihre Nüstern sind geweitet, und sie rollt mit den Augen.

Wir reden ihr gut zu.

„So, mein Mädchen“, murmelt Großvater, „jetzt ist endlich Schluß mit dem ewigen Heckmeck. Nur noch die paar Schritte, dann hast du deine Ruhe. Komm nur! Ja, so ist es gut, braves Mädchen! Hab keine Angst!“

„Willkommen zu Hause, Lady“, sage ich. „Schau mal, wie schön es bei uns ist! Wir haben saftige Wiesen und schattige Plätze unter den Bäumen und einen eigenen Bach, aus dem du trinken kannst. Und das ist August! August, sieh mal, da kommt Lady!“

Die graue Stute bewegt sich langsam und zögernd. Dabei zieht sie das linke Hinterbein nach. Es ist noch immer schrecklich dick und unförmig wie ein Elefantenfuß, bis hinauf zum Unterschenkel.

August steht vor der Laderampe und sieht zu Lady auf. Er wedelt sacht mit dem Schwanz, so, als wüßte er nicht recht, ob er sich fürchten oder freuen soll. Seine goldenen Augen verfolgen jede Bewegung der Stute.

Ja, alle sehen Lady an, auch Bauer Holz vom Tannenhof und unsere Eltern, die sich etwas im Hintergrund halten. Emma hat ein Stück Zucker in der Hand, obwohl ich ihr gesagt habe, daß das nicht gut für Ladys Zähne ist. Aber ein Stück macht wohl nichts aus.

„Ausnahmsweise“, hat Emma gesagt. „Nur ganz ausnahmsweise.“

Doch Lady mag jetzt keinen Zucker. Sie ist viel zu aufgeregt. Sie hebt die Nase und wittert, als wollte sie all die neuen Gerüche in sich aufnehmen und feststellen, wohin man sie gebracht hat und ob ihr hier irgendeine Gefahr droht.

„Alles ist gut“, sagt auch Daniel mit seiner sanftesten Stimme. „Hier passiert dir nichts, Kerlchen.“

Endlich steht Lady auf dem Hofplatz vor unserem Haus. Wieder staune ich, wie schön sie ist. Tiere können unheimlich schön sein, viel schöner als wir Menschen. Und Pferde gehören für mich zum Allerschönsten, was es gibt. Besonders, wenn sie durch die Landschaft galoppieren, mit dem Wind in ihren Mähnen und Schweifen …

„So“, sagt Großvater zu uns. „Jetzt könnt ihr sie auf die Weide bringen.“

Herr Holz verabschiedet sich und steigt wieder in seinen Wagen. Wir fassen Lady an ihrem neuen Halfter, Dani links und ich rechts. Emma geht nebenher. Langsam und feierlich führen wir die graue Stute ums Haus herum und am Gemüsegarten vorbei. August folgt uns. Dann kommen Großvater, Chris und Kathi, unsere Mutter.

Das neue Gatter, das wir erst gestern aufgestellt haben, steht weit offen. Dahinter erstreckt sich die große Wiese mit den Obstbäumen, die erst beim Bärentalwald endet, und wartet auf Lady.

Dani, Emma und ich führen Lady durch das Gatter. Ich weiß, daß ich diese Minuten nie vergessen werde, auch wenn ich alt und grau bin und mit dem Kopf wackle. Ich werde mich immer daran erinnern, wie es war, als Lady, die graue Stute, ihre ersten hinkenden Schritte im Gras und in den Sommerblumen des Rösslehofs machte. Wie sie sich aufmerksam umsah und ganz leise wieherte. Irgenwie kam mir dieses Wiehern erstaunt vor, so, als wollte sie sagen: Wie komme ich bloß hierher – an diesen Ort, in dieses blühende Land?

Auf dem Hausdach zwitschern die Schwalben. Emmas kleine Hand taucht unter meinem Arm auf. Sie streichelt Ladys Brust. Leise sage ich: „Willkommen auf dem Rösslehof, Lady!“

Dann lasse ich das Halfter los. Unter dem Hals der grauen Stute sehe ich in Danis Augen. Mein Bruder lächelt ein bißchen und nickt.

„Laßt sie jetzt allein, Kinder“, ruft Großvater vom Gatter her. „Sie muß erst mal zu Ruhe kommen.“

Nicht einmal Emma widerspricht. Wir verlassen die Wiese und schließen das Gatter hinter uns. Dann stehen wir alle am Zaun, der aus mehreren Dutzend Holzpfosten besteht. Dazwischen sind Drähte gespannt. Kein Stacheldraht, an dem Lady sich verletzen könnte, sondern einfache Drähte, mit grünem Kunststoff ummantelt. Es ist auch kein Elektrozaun. Wir wollen nicht, daß Lady oder eines von unseren anderen Tieren irgendwann einen Stromschlag bekommt.

Dani und ich haben in den vergangenen Tagen mit unserem Vater viele Stunden an dieser Umzäunung gearbeitet und das Material dafür mit dem Anhänger vom Baumarkt geholt.

Großvater sieht zufrieden aus. „Sie hat Glück gehabt, die graue Stute“, murmelt er. „Glück im Unglück.“

„Meinst du nicht, daß sie Schmerzen hat?“ fragt Chris.

Großvater schüttelt den Kopf. „Das Bein ist nicht empfindlich, wenn man es anfaßt. Aber natürlich ist sie beim Gehen stark behindert. Ich werde morgen mit einem Kollegen in Freiburg telefonieren, der sich mit Pferden besser auskennt als ich. Er hat schon viele Sprungverletzungen behandelt.“

Eine Hummel düst an Lady Ohr vorbei. Jetzt senkt sie den Kopf, taucht die Nase ins dichte, hohe Gras und rupft bedächtig an den Halmen.

„Sie frißt!“ sagt Emma andächtig.

„Dann ist die erste Aufregung vorbei. Sie spürt wohl, daß sie hier in Sicherheit ist“, meint unsere Mutter und nimmt Emmas Hand.

Nelly - Die Ponys kommen

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