Читать книгу Hallo Änne, hier is Lisbeth ... - Usch Hollmann - Страница 15
Rosen, Tulpen, Nelken
Оглавление… Änne, ich muß mir eben de Lachtränen abwischen! Hör mal zu, kommt dir dat irgendwie bekannt vor?
„Wenn du einst in späten Jahren, dieses Album nimmst zur Hand, denk daran, wie froh wir waren auf der kleinen Schülerbank. Dies schrieb Dir zur Erinnerung Deine Freundin Änne.“
Nä, da is nix zum Lachen dran, dat is rührend, aber wat sonst in mein altes Poesie-Album steht … Ich hab dat rausgesucht fürs Klassentreffen und schon mal ’n bisken durchgeblättert, dat is ja ne Fundgrube. Hier zum Beispiel:
„Rosen, Tulpen, Nelken, alle drei verwelken, nur die eine Blume nicht, welche heißt Vergißmeinnicht. Gedenke oft an Deine Banknachbarin Ingrid.“
Oder hier, von Anita, die heute in Holland lebt:
„Liebe Lisbeth, werde alt, bis die Welt in Stücke knallt.“
Und Doris schreibt:
„Dein schönstes Kleid sei Güte und Bescheidenheit. Die Reinlichkeit sei Deine Freude, die ziert Dich mehr als Gold und Seide.“
Wat für große Worte für so elfjährige Dötzkes, die wir damals waren! Erinnerst du dich an Helga? Die schrieb immer wat von Goethe.
„Das Leben ist ein Kampf. Liege!“
Dat sollte wohl „Siege“ heißen, aber in ihre Kinderschönschrift mit Schnörkel sieht dat S wie ’n L aus.
Ich hab auch immer wat von Goethe genommen, wenn ich jemand ins Album schreiben durfte oder mußte: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.“ Kurz und bündig, aber von Goethe. Mit Goethe kannste nix verkehrt machen.
Müllers Nelli? Und ob! Und wat die sich abgerungen hat:
„Ich saß im Garten und schlief, da kam ein Engel und rief, Nelli, du mußt dich beeilen, du mußt noch Lisbeth ins Album schreiben. Zur ewigen Erinnerung an Deine treue Freundin Nelli.“
Treue Freundin, dat ich nich lache! Ausgerechnet Nelli, die überall am Rumtratschen is, über jeden und jede, an niemand läßt die ’n gutes Haar, aber immer katzenfreundlich. Wenn ich der heute wat ins Album schreiben müßte, auf die fiele mir wohl wat ein. Zum Beispiel:
„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“
Bestimmt auch von Goethe. Oder:
„Wenn über eine dumme Sache mal endlich Gras gewachsen ist, kommt sicher ein Kamel gelaufen, das alles wieder runterfrißt.“
Aber die würde so ne feine Anspielung vleicht noch nichmal verstehn.
Hier steht noch ’n frommes Sprüchsken von unser Tante Paula, de olle Gaffeltange. Wat war die ewig am Käbbeln! Ein Satansbraten auf zwei Beinen, aber jeden Sonntag mit ’n dikken Gebetbuch unterm Arm inne Kirche, mit schräggelegten Kopp, fromm und gottesfürchtig inne erste Reihe, dat jeder sie sehen mußte. Und mir hat se ins Album geschrieben:
„Wenn dich die Menschen kränken durch Verrat und Trug, sollst Du stets gedenken, was dein Herr ertrug.“
Also, so schöne Poesiealben gibt dat heute nich mehr. Heute sind da vorgedruckte Fragen drin, die man ankreuzen muß oder ausfüllen: mein Lieblingstier oder mein Lieblingssänger oder meine Lieblingspopgruppe. Wen interessiert dat denn in dreißig Jahren? Aber so wat will man doch nich missen:
„Hinter einem Eisengitter, liegt ein Herz, das weint so bitter. Heb es auf, zertritt es nicht, denn es heißt Vergißmeinnicht. Deine Cousine Margret.“
Änne, ich freu mich richtig auf unser Klassentreffen!