Читать книгу Vermisst in Nastätten - Ute Dombrowski - Страница 4

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Am nächsten Morgen machte sich Reiner auf den Weg ins Büro. Er hatte in seiner Wohnung geschlafen, um Undine nicht so früh zu stören. Jennifer kam fünf Minuten nach ihm und strahlte wie immer über das ganze Gesicht.

„Guten Morgen! Wie fand sie die Kette?“

„Morgen“, brummte Reiner und schlürfte seinen Kaffee. „Was bist du denn schon wieder so ekelhaft munter? Undine war begeistert von der Kette und hat mich zum Dank in Limburg durch die Läden geschleift. Dabei wollte ich nur eine Bratwurst auf dem Weihnachtsmarkt. Aber am Abend waren wir noch schön essen.“

„Sehr gut, Juliano und ich fahren am ersten Feiertag nach Italien.“

„Aha, daher die gute Laune.“

„Ich hoffe, du kommst ohne mich zurecht.“

„Kaum, ich bete, dass keine Verbrechen geschehen, solange du nicht im Lande bist. Wir fahren über den Jahreswechsel zu meiner Mutter. Sie bekommt eine neue Tischdecke und Deko-Kram.“

„Das ist doch schön. Jahreswechsel an der Küste ist ein Traum!“

Reiner schüttelte sich. Jennifer war schnell zu begeistern und ihre heiße Liebe zu Juliano war noch kein bisschen abgekühlt. Jeden Morgen kam sie gutgelaunt ins Büro und sprühte nur so vor Energie. Reiner war zufrieden, dass es privat in letzter Zeit gut lief und außerdem war es auch im Job ruhig und entspannt. Es gab kleinere Delikte, aber niemand war seit dem letzten Mordfall zu Schaden gekommen. Sie hatten Zeit, Liegengebliebenes aufzuarbeiten.

„Was liegt an?“

„Nichts.“

„Dann lass uns mal eine Runde herumfahren und nach dem Rechten sehen. Ich mag nicht schon wieder den ganzen Tag im miefigen Büro sitzen.“

Reiner griff nach seiner Jacke.

„Das ist eine gute Idee.“

Auf der Fahrt durch den Landkreis saß Reiner am Steuer und Jennifer behielt die Umgebung im Blick. Menschen sahen sie auf dem Lande so gut wie keine und das lag nicht nur am Wetter. Hier war einfach niemand unterwegs. Die meisten Leute arbeiteten außerhalb, andere waren daheim und bereiteten das Weihnachtsfest vor. Am Tage fehlten auch die Lichterketten, wodurch noch keine richtige Weihnachtsstimmung aufkam. Abends allerdings konnte man überall ein zauberhaftes Lichtspiel in allen Farben sehen.

Reiner hatte wortlos zahlreiche Lichterketten auf Undine Wunsch hin platziert, aber als sie auch in seiner Wohnung weihnachtliche Hand anlegen woll­te, hatte er sich tapfer gewehrt.

„Dann eben nicht!“, hatte sie gesagt und war gegangen.

„Habt ihr schon einen Weihnachtsbaum?“, hörte Reiner Jennifer fragen.

„Wozu? Wir fahren doch weg.“

„Aber doch nicht an Heiligabend. Komm, wir holen einen Baum in Nastätten und du machst Undine eine Freude.“

„Ich habe ihr mit der Kette schon genug Freude gemacht.“

„Ach was! Man kann einer Frau nie genug Freude machen. Los, fahren wir nach Nastätten. Juliano hat uns auch schon einen mitgebracht und aufgestellt. Und das, obwohl wir nicht viel davon haben werden.“

Reiner knurrte, ergab sich aber schon wieder in sein Schicksal.

„Weiberkram!“

„Das hat nichts mit Weiberkram zu tun, es ist nun einfach mal ein Brauch. So wie die Eier zu Ostern.“

„Aber wir fahren doch weg! Da bröseln dann während unserer Abwesenheit die Nadeln auf den Boden und … ich … Undine hat nur Arbeit damit. Später verheizt sie den Kram und damit das viele Geld, was so ein Ding kostet.“

An der Tankstelle in Nastätten sah Jennifer Sabine beim Tanken. Nun, krank scheint Sabine nicht zu sein, dachte sie, denn auch sie hatte sich über die Absage der Freundin beim letzten Essen gewundert. Bei den Treffen davor hatte sie jedes Mal recht früh ihr Freund Robert abgeholt. Wenn Sabine ihn in der Tür entdeckt hatte, war sie immer hektisch aufgebrochen.

„Sabines Freund ist komisch. Er ist mir … irgendwie … unsympathisch.“

„Wie kommst du denn jetzt darauf?“

„Sie war eben an der Tankstelle.“

„Undine hat auch schon erzählt, dass sie bei eurem letzten Treffen nicht dabei war. Darf man bei euch denn nicht fehlen?“

„Quatschkopf, natürlich darf man fehlen. Aber Robert hat sie immer um neun abgeholt, nie durfte sie länger bleiben und er hat so verkniffen geschaut, als würde es ihm nicht gefallen, dass sie dabei ist.“

„Ach was, der hatte bestimmt nur keine Lust auf solch einen Haufen Frauen. Wenn er dagegen wäre, wäre sie doch gar nicht erst gekommen.“

„Als wenn ein Mann bestimmt, ob sich eine Frau mit ihren Freundinnen trifft! Du hast echt keine Ahnung, wie Frauen ticken.“

„Ich wollte eben sagen: Klär mich auf. Aber nein, lass es lieber, ich habe genug damit zu tun, die EINE Frau zu verstehen, mit der ich zusammen bin.“

Sie schwiegen, als Jennifer auf den Weihnachtsbaumhändler zeigte, der seinen Stand rechts auf dem Parkplatz aufgebaut hatte. Reiner blinkte, bog widerwillig ab und parkte. Dann schlenderte er an den Bäumen entlang, während Jennifer einen nach dem anderen anpries, als würde sie selbst das Geld dafür bekommen.

„Ach schau, der ist doch ein Prachtstück“, rief sie, nahm den Baum, drehte ihn vor Reiner hin und her.

„Jaja, hübsch.“

„Wollen Sie den?“, fragte der Verkäufer, der Reiners Not sah.

Der Kommissar nickte, der Verkäufer packte den Baum in ein Netz und trug ihn zum Auto. Reiner atmete auf, als sie wieder weiterfuhren.

„Wir bringen den gleich zu Undine und ich kaufe noch etwas zum Mitnehmen nach Italien.“

Aha, dachte Reiner, das war also der Grund. Er seufzte und Jennifer begann zu lachen. Vor Undines Haus stand ein dunkel gekleideter Mann, der sich am Briefkasten zu schaffen machte. Reiner stutzte. Nachdem sie hinten geparkt hatten, ließ er Jennifer und den Weihnachtsbaum einfach stehen und lief durch den Garten nach vorne. Der Mann war verschwunden. Reiner sah nach links und nach rechts, dann schüttelte er den Kopf. Wer weiß, was der Kerl da wollte. Er schaute selbst in den Briefkasten, aber der war leer.

„Was ist denn?“, fragte Jennifer, als er zurück auf dem Parkplatz war.

„Da stand einer an Undines Briefkasten, als wir gekommen sind. Hast du den nicht gesehen?“

„Nein, ich habe nicht darauf geachtet. Was wollte er?“

„Keine Ahnung, er war weg.“

Sie luden den Baum aus dem Auto und Reiner schleppte ihn zuerst unter das Dach am Haus. In diesem Augenblick kam Undine heraus und wollte in die Werkstatt gehen. Sie hatte einen Korb mit Feuerholz dabei.

„Nanu! Mit dir habe ich ja gar nicht gerechnet.“

Sie kam zu ihnen, umarmte Jennifer und küsste Reiner. Dann fiel ihr Blick auf den Baum.

„Oh, ein Weihnachtsbaum. Woher kommt der?“

„Ich habe ihn für uns gekauft.“

Undine sah Reiner und Jennifer an. Die Kommissarin zwinkerte. Undine lobte den Baum in höchsten Tönen, nachdem ihn Reiner vom Netz befreit und mitten im Hof ausgebreitet hatte. Sie lief los und kam mit einem gusseisernen Ständer zurück. Gemeinsam stellten sie den Baum hinein. Die Frauen traten einen Schritt nach hinten.

„Reiner, das war eine tolle Idee. Ich freue mich schon auf Heiligabend. Danke, dass du mitgedacht hast, obwohl wir dann wegfahren.“

Der Kommissar begann zu lachen und winkte Jennifer, ihm zu folgen. Kopfschüttelnd verließ er den Hof. Jennifer verschob ihren Einkauf bei Undine auf einen späteren Zeitpunkt.


Vermisst in Nastätten

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