Читать книгу Vermisst in Nastätten - Ute Dombrowski - Страница 6

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Am nächsten Morgen war es ein bisschen milder, aber dicke Wolken kündigten etwas an, was es lange nicht mehr gegeben hatte: Schnee. Undine streckte ihre Na­se in den Morgen, als sie sich mit Zorro auf die übliche Runde machte und nickte.

„Es wird schneien. Es riecht förmlich nach Schnee. Komm Zorro, hol das Stöckchen!“

Sie warf den Ast von gestern, den der Hund aus dem Garten mitgeschleppt hatte, weit weg und Zorro raste los. Fröhlich hechelnd kam er zurück und legte den Ast in Undines Hände.

Jetzt fielen ihr Michelles Verletzungen ein. Das Mädchen war aufgeblüht, nachdem sie ihre belastenden Gedanken losgeworden war, hatte Freunde gefunden und war aktiver und ausgeglichener. Sie bereitete sich auf das Abitur vor und wollte Biologie studieren. Eigentlich sollte sie doch zuhause sitzen und lernen, wie konnte es denn passieren, dass sie sich so sehr verletzte?

Dann schüttelte Undine den Kopf.

„Quatsch, sie muss ja auch mal raus. Und in Nastätten kann man gut mit dem Fahrrad unterwegs sein. Wahrscheinlich hat sie bei einer Freundin gelernt.“

Sie wischte die Idee weg, dass jemand dem Mädchen etwas angetan hatte.

„Ach Zorro, da ist wohl die Fantasie mit mir durchgegangen. Ich werde einfach Sabine am Donnerstag fragen.“

Zorro sah sein Frauchen verständnisvoll an und rannte weiter. Als die beiden zurück waren, kochte sich Undine Kaffee und machte sich auf die Suche nach Geschenkpapier. Reiner wollte zum Mittagessen kommen und sie plante, vorher die Geschenke einzupacken. Für Reiner hatte sie einen Bildband über den Rheingau gekauft, denn er mochte diese Gegend und den Wein sehr. Für Jasmin hatte sie ein hübsches Seidentuch ausgesucht und Lene sollte einen neuen Krimi bekommen. Den hatte sie im Bücherland bestellt und musste ihn noch bei Anja Liefelt-Brünn abholen.

„Das mache ich nach dem Frühstück.“

Sie fand das Geschenkpapier hinten im Regal. Als alles eingepackt war, belegte sie eine Scheibe Brot mit Käse und knabberte daran herum.

„Ich brauche noch frisches Brot. Am besten schreibe ich mir einen Zettel, damit ich nichts vergesse. Also … Brot, Buch …“

Nachdenklich knabberte sie nun am Bleistift und schüttelte sich.

„Bäh, das schmeckt nicht. Ach, ich muss auch noch zu Günther und das Brettchen abholen.“

Während sie schrieb, dachte sie an die Überraschung, die sie noch für Reiners Mutter geplant hatte: Ein großes rundes Brett aus einer Baumscheibe, die Günther polieren und lackieren wollte. Das hatte sie beim letzten Mal bei ihm gesehen und es passte zur Tischdecke und dem bisschen Deko-Kram, den sie mitnehmen wollte.

Ihr Blick fiel auf die Uhr und sie stöhnte. Halb zehn, sie musste los, sonst würde sie nicht pünktlich zum Mittagessen zurück sein. Da es noch nicht schneite, fuhr sie zuerst nach Holzhausen.

Günther war wie erwartet in der Werkstatt. Er hatte sich über die kleine Tischkreissäge gebeugt und war ganz versunken. Undine ging auf die andere Seite der Säge und fuchtelte mit den Armen, damit er sie sehen konnte.

Günther hob den Kopf und schaltete die Säge aus.

„Was willst du denn schon so früh hier?“, begrüßte er sie gewohnt mürrisch.

„Hast du das Brett fertig?“

Auch Undine sparte sich die Begrüßung. Günther wischte sich die Hände an der Hose ab und ging zum Regal. Zum Vorschein kam ein glänzendes Brett von vierzig Zentimeter Durchmesser.

„Hier! Macht zwanzig.“

„Gut, das gefällt mir sehr.“

Undine kramte im Portemonnaie und gab ihm einen Zwanzig-Euro-Schein. Günther nickte und wollte sich wieder der Arbeit zuwenden, aber dann schien ihm etwas einzufallen.

„Was macht dein Kommissar? Fängt er noch Verbrecher? Ich habe lange nichts mehr gehört.“

„Er fängt noch Verbrecher, doch nur kleine. Im Moment ist es ruhig, aber das sollte auch zu Weihnachten so sein.“

„Pah! Weihnachten! Lass mich mit dem Gedusel in Ruhe. Es ist ein Tag wie jeder andere, nur dass mehr gefressen wird.“

„Ach komm, ein bisschen Besinnlichkeit würde dir auch mal guttun. Dann findest du vielleicht mal eine Frau.“

Günther lachte und winkte ab.

„Wer braucht schon Weiber? Die machen ja sowieso nur, was sie wollen. Keine will mehr auf einen Mann hören und es muss alles nur gut und teuer sein. Nein, nein, Weiber kommen mir nicht ins Haus.“

„Das ist schade, denn du verpasst etwas.“

„Was denn? Sowas wie dich oder diese Anna?“

Kaum hatte er den Namen ausgesprochen, da stieg ihm die Zornesröte ins Gesicht.

„Rede mir nicht von der! Die denkt, sie hat das Sagen, seit sie im Gemeinderat mitmischt. Aber Politik ist Männersache, basta!“

Undine hatte keine Lust mehr, Günthers Sprüchen zuzuhören, also nickte sie und verließ das Grundstück. In diesem Moment kam Anna aus dem Kindergarten.

„Nanu? Habe ich etwas verpasst?“, fragte Undine lachend.

„Nein, absolut nichts. Ich habe meine Nichte weggebracht, weil meine Schwägerin einen frühen Termin hat. Wie geht es dir? Was machst du hier?“

„Ich habe deinen Lieblingsmenschen besucht und ein Geschenk für Reiners Mutter abgeholt.“

Undine zeigte Anna das Brett.

„Naja, das kann er wirklich gut, aber ansonsten ist der Mann eine Plage. Ich bin immer froh, wenn ich ihn nicht sehen muss. Letztens auf der Gemeindesitzung hat er sich wieder wichtig gemacht und in einem Anlauf alle Fettnäpfchen genommen. Die anderen, die zum öffentlichen Teil gekommen waren, haben nur den Kopf geschüttelt. Aber vergessen wir mal Günther. Ich freue mich so auf Donnerstag!“

Jetzt strahlte Anna, als würde sie in zwei Tagen in die Südsee fliegen. Undine konnte sie gut verstehen. Waren doch die Mädelstreffen voller Wärme und Fröhlichkeit, dazu kam das gute Essen.

„Ich zehre auch immer tagelang von der entspannten Stimmung. Hoffentlich kommen dieses Mal alle.“

„Es wäre schade, schließlich ist das unser Abschluss für dieses Jahr. Denkst du dabei an Sabine?“

Undine nickte.

„Ich finde es schon immer merkwürdig, dass ihr Robert sie so früh abholt. Als könne sie nicht selbst heimgehen.“

„Ja!“, rief Anna. „Ich mag den Kerl nicht, auch wenn er gut aussieht, höflich und charmant ist. Ich finde, er strahlt … ähm, … so eine eigenartige Kälte aus.“

„Genau, ich mag den auch nicht. Je länger ich ihn kenne, desto unangenehmer ist er mir.“

„Denkst du, er ist gut zu Sabine und Michelle?“

Undine zuckte mit den Schultern. Darüber hatte sie sich schon so viele Gedanken gemacht, und seit Jasmin von Michelles Verletzungen berichtet hatte, spukten ihr böse Bilder im Kopf herum. Sollte sie Anna davon erzählen? In Gedanken sah sie Lene und Jasmin vor sich, die empört den Kopf schüttelten und entschied sich dagegen. Sie würde Sabine am Donnerstag ein bisschen auf den Zahn fühlen.

„Ich hoffe es. Wir können ja Sabine fragen, wie er ist.“

Jetzt schaute Anna auf die Uhr.

„Oh, ich muss los, die Schule fängt sonst ohne mich an.“

Sie lachten.

„Dann beeil dich! Die Kinder müssen etwas lernen.“

„Bis übermorgen!“

Undine sah ihr nach, bis sie in ihr Auto geschlüpft war. Dann fuhr sie zurück nach Nastätten. Im Buchladen hielt sie ein Schwätzchen mit Anja Liefelt-Brünn und machte sich danach auf den Weg zum Bäcker.

Kornelia Krinkmann begrüßte sie freundlich.

„Hallo Undine, wie geht es dir? Was machen die Verbrecher?“

„Guten Morgen, meine Liebe. Die Verbrecher haben auch Advent, da müssen sie sich zusammenreißen. Machst du mir einen Kaffee?“

Undine lag gut in der Zeit, also konnte sie sich auch ein Schwätzchen mit Kornelia gönnen. Vielleicht wusste die etwas Spannendes über Robert und Sabine.

Aber leider hatte Kornelia keine Zeit zum Reden, denn ständig kamen Kunden. Missmutig machte sich Undine auf den Heimweg.


Vermisst in Nastätten

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