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Peter Jischeck saß unter dem großen Kirschbaum und schrieb einen Brief an seine Schwester. Er wusste, dass es per Mail schneller ging, aber er liebte es, wenn der Füller mit einem leisen schabenden Geräusch über das samtige Papier flitzte. Der Pfarrer schrieb mit seiner schönen Schnörkelschrift eine Einladung zu seinem Geburtstag. Wie immer würde die ganze Familie zusammenkommen.

„Hallo, Paps“, ertönte eine weibliche Stimme hinter seinem Rücken.

Er drehte sich um und lächelte einer jungen Frau mit blonden langen Haaren entgegen. Sie war schlank und hatte die gleichen sanften grauen Augen wie ihr Vater.

„Beatrice, schön, dass du mich besuchen kommst. Setz dich. Oder nein, geh bitte rein und mach uns doch eine schöne Tasse Kaffee.“

Beatrice Jischeck-Bröck küsste ihren Vater auf die Wange, strich ihm über die Schulter, stellte ihre Handtasche ab und eilte leichtfüßig ins Haus. Peter beendete seinen Brief, hielt das Blatt schräg, um noch einmal zu kontrollieren, ob die Tinte trocken war, nickte und faltete den weißen Bogen zweimal. Als er ihn in den Umschlag geschoben und alles zusam­mengeräumt hatte, kam Beatrice mit einem Tablett wieder hinaus. Sie goss ein und setzte sich.

„Na, Kind, wie geht es dir? Was kann ich für dich tun?“

Beatrice strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und seufzte.

„Ach Papa, ich war beim Frauenarzt, weil ich dachte, dass ich endlich schwanger bin. Meine Regel ist ausgeblieben.“

„Und?“, fragte Peter neugierig und strahlte bei dem Gedanken daran, vielleicht endlich Opa zu werden.

„Nichts. Nicht schwanger. Dabei habe ich es so sehr gehofft.“

„Meine Kleine, sei nicht traurig, irgendwann wird es funktionieren. Was sagt denn der Arzt? Ist alles in Ordnung bei dir?“

„Ja, einer Schwangerschaft steht nichts im Wege. Es ist eine Kopfsache, sagt Dr. Gramill. Wir sollen die Hoffnung nicht aufgeben, wenn wir weiter an der Gründung einer Familie festhalten wollen.“

Der traurige Blick von Beatrice ging Peter durch und durch, hatte sie ihm doch erzählt, dass sie mit Timur auch nicht mehr so glücklich war wie vor ihrer Hochzeit.

„Willst du denn nicht mehr daran festhalten?“

„Doch, ich will das. Aber ich habe Zweifel, ob mein Mann noch genauso hinter mir steht. Er ist oft nicht zuhause, die Arbeit frisst ihn auf. Weißt du, wenn ich ein Kind hätte, würde mir das nicht so auffallen, aber so. Ich arbeite gerne in der Bücherei, doch wenn ich nach Hause komme, bin ich allein. Timur kommt spät und geht früh. Und an den Wochenenden machen wir auch wenig zusammen, da sitzt er im Büro im Keller und arbeitet. Wir essen zusammen, wir schlafen auch zusammen, aber wir verbringen keine Zeit miteinander. Will ich zu viel?“

Peter legte eine Hand auf die seiner Tochter und dachte nach. Er wollte sie nicht verletzen, aber schon, als er Timur Bröck das erste Mal getroffen hatte, wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass es nur eine Liebelei wäre. Er hatte sich später innerlich entschuldigt, denn es war nicht seine Art, einen Menschen von vornherein zu verurteilen, aber der junge Mann, der vor zwölf Jahren vor ihm gestanden hatte, hatte ein ungutes Gefühl in ihm ausgelöst. Irgendetwas stimmte mit Timur nicht, da war er sich heute noch sicher.

„Nein, du willst nicht zu viel, nur glücklich sein. Du weißt, du kannst immer mit mir reden, wenn dich etwas bedrückt. Und wenn es hart auf hart kommt, bist du mir jederzeit willkommen. Hier ist dein Zuhause. Ich bin für dich da. Wie gerne wäre ich Opa einer kleinen Enkelin, aber manchmal soll es nicht sein.“

„Ich weiß, dass ich mich stets auf dich verlassen kann und dafür bin ich dir unheimlich dankbar. Jetzt lass uns mal über etwas anderes reden. Ich habe gehört, dass Bernd in den Rhein gefallen ist. Wie konnte das denn passieren? War er krank?“

Peter erzählte seiner Tochter, dass die Polizei dagewesen war und jetzt im Fall seines Nachbarn ermittelte. Beatrice war entsetzt.

„Das heißt doch wohl nicht, dass er ermordet wurde? Bitte nicht Bernd!“

„Davon haben die beiden nichts gesagt. Aber wenn ich an diese Männer denke, kann ich es mir schon vorstellen. Er hatte ihnen gedroht, die Polizei und seinen Anwalt einzuschalten.“

„Hast du denn keine Angst? Sie waren ja auch bei dir.“

„Gott wacht über mich, da brauche ich keine Angst zu haben. Vielleicht kann ich auch etwas für den Erhalt unserer Häuser tun, auf meine Stimme hören die Menschen doch.“

„Pass bloß auf dich auf. Wenn ich mir vorstelle, dass der Bernd … oh, Papa, ich mache mir schon Sorgen um dich. Leg dich bitte nicht mit solchen Leuten an.“

„Ich lege mich nicht mit ihnen an, ich kämpfe nur für meine Rechte und die Menschen, die mir wichtig sind.“

Beatrice seufzte und hoffte insgeheim, dass ihr Vater keine Zeit haben würde, um sich mit diesem Thema intensiver auseinanderzusetzen. Sie erhob sich, umarmte Peter und machte sich auf den Heimweg. Der blieb nachdenklich zurück und lief langsam durch seinen Garten. Hier blühten Blumen, dort wuchsen Kräuter, im Nachbargarten gackerten die Hühner und kamen an den Zaun gelaufen, denn Peter warf ihnen manchmal etwas Leckeres hinüber. Heute hatte er leere Hände und zeigte sie den Tieren, die lange Hälse machten.

Am Ende des Weges öffnete er das kleine Türchen und trat auf die Stufen hinaus, die in das schmale Ufer des Baches eingelassen waren. Früher hatte er die Tür fest verschlossen, denn die kleine Beatrice war verrückt nach Wasser gewesen. Er hätte es sich niemals verziehen, wenn sie in Gefahr geraten wäre. Bei dem Gedanken daran fiel ihm sofort wieder Timur ein und seine Machenschaften, die niemand durchschauen konnte.

Die beiden hatten sich auf einem Weinfest kennengelernt und bei Beatrice war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie schwärmte von ihrem Traummann, der nicht nur gut aussah, sondern auch ein richtiger Mann war. Gerne las sie ihm jeden Wunsch von den Augen ab und schon damals hatte Peter gedacht, dass es falsch war. Timur scheuchte seine Frau hin und her und ließ sich bedienen wie ein Pascha. Der Pfarrer konnte es kaum mit ansehen, aber er hatte große Angst, dass sich seine Tochter von ihm abwendete, wenn er gegen den Freund intervenieren würde. Also schaute er zu und sah, wie sich seine kluge und selbstständige Tochter immer mehr zu einem kleinen Hausmütterchen entwickelte.

„Wenn das mal kein böses Ende nimmt“, murmelte er leise und sah dem Wasser zu, das heute sanft in seinem Bachbett dahinfloss.

Es hatte schon Jahre gegeben, da stand das Wasser im hinteren Teil seines Gartens. In diesem Jahr allerdings herrschte eine große Trockenheit und der Bach war zu einem kleinen Rinnsal geworden. Manchmal, wenn sein Beruf zu stressig war, saß er nach Feierabend auf den Stufen und schloss die Augen, um dem Plätschern zuzuhören und das stimmte ihn dann milde und gab ihm die innere Ruhe zurück.

Früher hatte er mit seiner Frau hier gesessen. Ines Jischeck und er hatten zwanzig wunderbare Jahre gehabt, bis die Krankenschwester bei einem Autounfall getötet wurde. Peter hatte lange getrauert, aber der Gedanke, dass sie bei Gott war und er so guten Kontakt zu ihm hatte, hatte ihm geholfen, das Unveränderliche zu ertragen. Er ging sonntags mit Beatrice auf den Friedhof und brachte Ines eine Rose.

Als der Unfall vor zehn Jahren ihr Leben veränderte, hatte Beatrice gerade angefangen zu studieren, weil sie unbedingt Deutschlehrerin werden wollte. Timur hatte sie davon überzeugt, das Studium abzubrechen. Peter wollte sich nicht einmischen, denn der Verlust von Mutter und Ehefrau wog schwer. Heute sagte er sich oft: Wäre ich doch dagegen angegangen.

Der Pfarrer schloss das kleine Türchen und ging ins Haus.

Mörderischer Handel

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