Читать книгу Angst in Nastätten - Ute Dombrowski - Страница 6
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Оглавление„Was ist das denn?“, brummte Günther Betzberger.
Er hatte die Post aus dem Kasten genommen und den weißen Umschlag ohne Briefmarke direkt aufgerissen. Er kramte die Lesebrille aus der Hosentasche und las. Jupp Fröbel, der Nachbar, der ebenfalls an seinem Briefkasten stand, grinste.
„Na, Herr Betzberger, ist es ein Haftbefehl?“
„Nein, du Klugscheißer. Ein Haftbefehl ist meistens rosa. Und der Schwachsinn hier ist weiß.“
„Warum Schwachsinn?“
„Es geht dich zwar nichts an, aber es ist eine Bombendrohung.“
Jupp begann zu lachen.
„Wer droht Ihnen denn?“
Günther zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung, der Brief hat keinen Absender und keine Unterschrift. Da war wohl jemandem langweilig. Hast du auch einen?“
Der Nachbar blätterte seine Post durch und schüttelte den Kopf.
„Das sind nur Rechnungen. Der Absender wird sich schon etwas dabei gedacht haben, ausgerechnet Ihnen eine Bombendrohung zu schicken. Sie haben es sich nun mal in kürzester Zeit mit vielen hier im Ort verscherzt.“
„Ach was. Ihr seid einfach Mimosen.“
„Was soll denn in die Luft gesprengt werden? Ihr Haus?“
„Nein, Nastätten. Also juckt mich das nicht. Aber es ist sicher ein dämlicher Scherz von so einem Lackaffen von Nachbarn.“
Günther sah sein Gegenüber arrogant an, hob die Nase noch ein wenig höher und stapfte auf seinen Hof. Dort warf er die Post auf die Schwelle der Hintertür und startete die Säge. Dass es gerade ein Uhr war, störte ihn überhaupt nicht.
Jupp rollte mit den Augen und ging ins Haus. Wenig später hörte man, wie er alle Fenster schloss, obwohl es brütend heiß war. Die Sonne brachte alles zum Glühen und ein Gewitter würde heute Abend sicher die Luft reinigen. Es war seit Tagen richtiges Sommerwetter, was die meisten Menschen für Juni schon zu heiß fanden. Jetzt ratterten überall die Rollläden herunter.
Günther hatte während seiner Arbeit keine Gedanken mehr an den Brief verschwendet, aber als er sich nach zwei Stunden in den Schatten setzte und einen Eistee trank, fiel ihm die Drohung wieder ein.
„Diesem Witzbold werde ich es zeigen“, rief er, boxte in die Luft und nahm sein Handy.
„Hallo, Polizei?“, fragte er. „Ich bin Günther Betzberger aus Holzhausen, Lindenstraße. Ich habe heute einen Brief mit einer Bombendrohung für Nastätten bekommen. Den Penner, der den geschrieben hat, möchte ich wegen Belästigung anzeigen.“
Am anderen Ende war Reiner und hörte schnaufend zu.
„Ich bin Kommissar Nickich, wir haben uns gestern gesehen. Wann haben Sie den Brief bekommen?“
„Also der war heute im Postkasten, aber er hatte keine Briefmarke. Mein Spürsinn sagt mir, dass den jemand persönlich eingeworfen hat.“
„Warum werfen Sie das Ding nicht einfach in die Papiertonne?“
„Das mache ich noch, aber ich fühle mich belästigt. Sicher war das irgendein Nachbar, dem meine Nase nicht passt.“
„Haben Sie eine spezielle Person in Verdacht?“
„Keine Ahnung, ich bin mit keinem meiner Nachbarn befreundet. Die alten Spießer hassen mich. Aber vielleicht war es auch diese Anna, die mir immer noch nicht alle Schlüssel ausgehändigt hat. Die hat sowas Nerviges, Hartnäckiges. Und der ihr Mann ist auch net ohne. Sieht aus wie ein Waldschrat mit seinem Bart. Denen traue ich alles zu!“
„Wollen Sie tatsächlich, dass ich gegen die beiden eine Anzeige aufnehme?“
„Ja, nein, keine Ahnung. Ach was, lassen wir das. Die Bombe kracht eh in Nastätten und das kann mir auch egal sein, oder?“
„Wie Sie meinen, Herr Betzberger. Wenn Sie möchten, können Sie uns den Brief auch vorbeibringen, dann machen wir ein Protokoll.“
Jetzt lachte Günther laut los.
„Sie spinnen wohl? Ich fahre doch wegen dem Wisch net extra nach Sankt Goarshausen. Wenn Sie den haben wollen, kommen Sie vorbei!“
„Danke für die Information, Herr Betzberger.“
„Wollen Sie gar nicht wissen, was drin steht?“
„Wollen Sie mir alles vorlesen?“
Günther schnaufte und las den Brief langsam vor. Reiner sagte nichts weiter, aber es war schon merkwürdig, dass ausgerechnet dieser Günther Betzberger genau denselben Brief bekommen hatte wie er selbst. Und dazu kam der von Undines Freundinnen. Was war hier los? Hatten etwa noch mehr Leute diesen Unsinn geschickt bekommen?
Nachdem sie aufgelegt hatten, nahm Günther den Brief noch einmal und las.
„Wie der schon schreibt … ist bestimmt ein Studierter … so eine gestelzte Sprache. Klingt schon ein bisschen nach Lehrer. Oder Lehrerin.“
Er kniff die Augen zusammen. Wenn Anna Keusert oder ihr Mann hier nochmal auftauchen würden, dann würde er ihnen auf den Zahn fühlen. Jetzt war er sich vollkommen sicher, dass der Brief von den letzten Bewohnern seines Hauses kam. Wütend warf er alles in eine Ecke und streckte seine Beine aus.
„Die sehen keine andere Möglichkeit mehr, als mich mit solch einem Kram unter Druck zu setzen. Und sicher stecken die Nachbarn mit unter deren Decke. Ich mache denen die Hölle heiß!“
Um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, griff er erneut zur Säge. Jupp hatte sich nach der Mittagsruhe auf den Weg gemacht, den anderen Anwohnern in der Umgebung von der Neuigkeit zu berichten.
„Kein Wunder“, sagte eine ältere Dame drei Häuser weiter. „So ein Ekel hätte einen Denkzettel verdient.“
Vor dem alten Dorf-Bäcker hatten sich mehrere Leute versammelt und sprachen über das Wetter.
„Gude, Jupp. Was schleichst du denn hier herum?“, fragte ein alter Herr mit Hut und Dackel.
„Ich wollte ein Brot holen.“
„Es ist noch Mittag und geschlossen. Seit wann gehst du einkaufen? Das macht doch sonst die Hilde? Ist sie etwa krank?“
„Nein, es ist alles in Ordnung. Hast du schon gehört? Der Günther Betzberger hat eine Bombendrohung geschickt bekommen.“
„Na, das ist ja mal eine gute Nachricht“, sagte der alte Herr mit einem schelmischen Grinsen. „Wenn ich die Säge schon höre, möchte ich mich aufregen. Und dabei ist mein Gehör nicht mehr das Beste. Woher weißt du das denn?“
„Wir waren gleichzeitig am Briefkasten und er hat laut geflucht. Bestimmt hat er die Polizei angerufen, obwohl er das Ganze für einen Scherz hält.“
„In der heutigen Zeit macht man darüber doch keine Scherze!“, mischte sich nun eine weitere Passantin ein, die bisher schweigend zugehört hatte.
„Wer weiß, wer ihm den bösen Streich gespielt hat“, sagte Jupp und wanderte weiter, um seine Neuigkeiten zu verbreiten.
Günther sägte nach einer Tasse Kaffee weiter, bis in der Ferne der Donner grollte.
„Na endlich, diese Hitze hält ja kein Mensch aus.“