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ОглавлениеGeschichte 2 - Koffer auf dem Bauernhof
Kapitel 1 - Bauernhofallüren
Seit zwei Jahren lebte Koffer nun schon bei Constanze auf dem
Bauernhof. Er hatte es richtig gemütlich auf der Küchenbank und um ihn
herum tobte das Leben. Was hatte er doch zu Anfang für eine Angst
gehabt, als er hierher kam. Nun, kein Wunder wenn man zunächst in
einem dunklen Lederwarengeschäft bei einem nörgelnden Herrn
aufwächst, es einen dann mit einer alten Dame auf eine Kreuzfahrt
verschlägt und man nach einem Krankenhausaufenthalt der alten Dame
zunächst sein Dasein in einem dunklen Schrank im Keller fristet. Zuletzt
stand Koffer schon beim Sperrmüll auf der Straße. Zum Glück kam gerade
im letzten Moment Constanze vorbei und schnappte sich Koffer. So ist es
zumindest in Koffers Gedächtnis hängen geblieben, obwohl bestimmt alles
gar nicht so dramatisch war. Seine beiden Besitzerinnen sprachen immer
von Schicksal, wenn es um ihn ging.
Allmählich glaubte Koffer das auch. Schließlich war er kein gewöhnlicher
Koffer. Er konnte denken, reden, wenn er sich anstrengte auch rechnen.
Schön war er nicht, durch ein paar Knuffs von Constanze, wenn die ihre
Lachattacken bekam, auch schon ein wenig verbeult. Constanze war eine
junge Frau Ende 20, trug immer alte Kleider und ihre Haare hätten auch
dringend einmal eine Schere von Nahem sehen müssen. Sie
bewirtschaftete den Bauernhof ihres alten Onkels und kümmerte sich um
die Hühner, Kühe und Pferde. Sie war eine Seele von Mensch, immer
fröhlich und gut gelaunt.
Koffer liebte Fernsehen, seit er bei der alten Frau Schuster abends immer
einen Krimi geguckt hatte. Doch Constanze hatte keinen Fernseher,
gerade mal ein Radio, was auch den ganzen Tag in der Küche dudelte. Ob
Constanze nun da war oder im Stall oder wer weiß wo. Koffer fand es
lustig und war so über das Weltgeschehen besser informiert als seine
Besitzerin. So konnte er ihr abends
immer die neusten Nachrichten erzählen und Constanze dagegen erzählte
von ihrer Arbeit mit den Tieren. So hatte Kurt, das Pferd, eines Tages alle
seine Sinne verloren und war einfach über den Zaun gesprungen. Kurt war
immerhin schon 12 Jahre alt, ein stolzes Alter für ein Pferd. Außerdem war
Kurt sonst zu faul, um auch nur vom Stall auf die Weide oder umgekehrt zu
gehen. Ob es die Frühlingsgefühle waren, die ihn dazu brachten, oder der
Sonnenschein, man weiß es nicht. Es kostete Constanze auf jeden Fall zwei
Stunden, um Kurt wieder einzufangen. Ihr Freund Alex half ihr dabei.
Alex war sowieso oft da und half Constanze, wo es nur ging. Eigentlich arbeitete
Alex in einer Bank, aber seit er Constanze kannte, arbeitete er nur noch
halbtags dort und half ihr den Rest des Tages auf dem Hof. Nicht selten
saßen sie zu dritt auf der Küchenbank und erzählten sich ihre
Tageseindrücke. Verreist waren sie eigentlich nur einmal in der ganzen
Zeit. Constanze hatte so viel Arbeit auf dem Hof, die Tiere konnten nicht
alleine gelassen werden und das Geld reichte sowieso vorne und hinten nicht. Das
erzählte Constanze zumindest an jedem Monatsende, wenn sie mal wieder nicht
wusste, wie sie die ganzen Rechnungen bezahlen sollte. Letztendlich
tauchte urplötzlich aber immer genau so viel Geld auf, wie sie brauchte.
Koffer hoffte, dass es sich nicht um Raub bei Alex Bank handelte. Er fragte
Constanze auch einmal danach: „Constanze, woher kommt eigentlich
immer das Geld am Monatsende? Alex klaut doch nicht in der Bank?“
„WAS? Hahahahahah.....“ lachte sie nur. Und als sie sich wieder beruhigt
hatte, erzählte sie Koffer: „Nein, du kannst ganz beruhigt sein. Meine
Großmutter ruft immer am 30. jeden Monats an und fragt, wie viel wir
brauchen. Sie überweist es dann und die Rechnungen können bezahlt
werden. Sie lässt sich nicht davon abbringen. Wahrscheinlich hat sie ein
schlechtes Gewissen, weil ich mich für den Hof ihres Bruders aufopfere.
Dabei tue ich es gerne. Auf der anderen Seite würden wir es ohne sie nicht
schaffen. Aber, Koffer, kein Wort zu irgendjemanden. Das ist eine Sache zwischen
Oma und mir.“
Leise fügte sie noch hinzu: „Die würde dir gut gefallen, da bin ich mir
sicher.“
Damit war das Thema Geld für Koffer erledigt. Irgendwann hatte Alex sich
dann bereit erklärt, ein Wochenende alleine die Kühe zu melken, was die
gar nicht gut fanden, und Constanze war mit Koffer zu ihrer Mutter
gefahren. Doch damit fing das Unglück erst an.
Kapitel 2 - In Gangsterhänden
Constanzes Mutter, mit Namen Elvira –was eigentlich schon alles sagt-
war längst nicht so unkompliziert und fröhlich wie ihre Tochter. Den ganzen
Tag lief sie mit einem Staubwedel durch die Wohnung und übersah aber
auch nicht einmal, Koffer von seiner leichten Staubschicht zu befreien.
Komischerweise setzte sich immer wieder ein leichter Staubfilm auf Koffer,
vielleicht als Schutzschild? Selbst Constanzes fing nach wenigen Stunden
an, die Augen zu verdrehen. „Du solltest verreisen, Mutter. Dann kommst
du mal auf andere Gedanken, als den ganzen Tag mit einen Staubwedel
durch die Gegend zu ziehen“, sagte Constanze. Nach langem Hin und Her
konnte Constanze Elvira davon überzeugen, eine Woche zu Constanzes
Oma zu fahren. Also lieh sie Koffer an Elvira, damit er auch die
Gelegenheit hätte, Oma kennen zu lernen. Sonntag morgen brachte
Constanze sie beide dann zum Bahnhof und verabschiedete sich von
Koffer mit einem Zwinkern und von ihrer Mutter mit einer Umarmung.
Einmal mussten sie umsteigen. Und damit begann das Unglück. Elvira
schaute auf den Fahrplan, hörte Türengeklapper und Gepfeife und rannte
los. Gerade noch rechtzeitig erreichte sie den Zug. Aber was war mit
Koffer? Der stand hilfesuchend neben dem Fahrplan. Elvira hatte ihn
einfach vergessen und war ohne Koffer in den Zug gesprungen.
Neben Koffer standen nun zwei Herren in Anzügen, die sich leise
miteinander unterhielten.
„Das muss der Koffer sein. Lass ihn uns unauffällig mitnehmen“, sagte der
Eine. „Oh, ich kann es kaum erwarten, die 1 Millionen Euro selber in den
Händen zu haben“, sagte der Andere. Geld! Aber Koffer wusste doch, er
hatte nur so schrecklich geblümte Nachthemden, ein paar Wollsocken,
selbstgestrickte kratzende Pullover in sich. Geld war da nun wirklich nicht
und schon gar nicht 1 Millionen Euro. Die Männer mussten von einem
anderen Koffer sprechen. Aber Koffer sah weit und breit keinen anderen
Koffer und plötzlich spürte er, wie der eine Mann seinen Henkel griff und
mit ihm die Treppe hinunter in das Bahnhofsgebäude verschwand.
Kapitel 3 - Rettung in letzter Not
Koffer wusste nicht wie ihm geschah. Der Mann rannte mit ihm die Treppe
hinunter, durch die Vorhalle und raus auf den Vorplatz. Dicht hinter ihnen
folgte der zweite Mann, stöhnend vor Anstrengung. Nennen wir die beiden
einfach einmal Fred und Hans.
Und dann geschah es. Ein Pfiff ertönte und zwei Polizisten standen neben
Fred, Hans und Koffer. Koffer dachte: „Das ging aber schnell. Woher
wissen die nur, dass ich gar nicht der richtige Koffer bin und das zwei
Verbrecher?“ Koffers Frage sollte bald beantwortet werden. Die Geldjäger
waren erschrocken stehen geblieben. Koffer konnte sehen, wie Fred in
seine Anzugstasche griff und sich dort etwas vorwölbte, was wirklich eine
Pistole hätte sein können. Er war sowieso der Coolere der beiden und
hatte das Sagen, während Hans nur vor Angst schwitzte. „Stehen bleiben!
Sofort stehen bleiben!“ rief der Polizist mit den roten Haaren. Fred zuckte
zwar zusammen, doch sagte er mit scharfer Stimme: „ Was soll das?
Warum halten sie uns auf? Wir müssen schnell zu einer geschäftlichen
Besprechung. Sie müssen mir schon einen guten Grund nennen, dass ich
mich nicht an Ihre Vorgesetzten wende.“ Der blonde Polizist antwortete:
„Oh, den Grund haben wir. Wir haben beobachtet, wie sie ungefähr vor 20
Minuten hier geparkt haben und im Bahnhofsgebäude verschwunden sind.
Seitdem suchen wir sie.“ Jetzt wurde Fred laut: „ Das nennen Sie einen
Grund? Das ist ja lachhaft. Ich werde mich über Sie beschweren!“ Damit
wollte er sich schon auf dem Absatz umdrehen und gehen, wurde dann
aber noch von den Polizisten zurück gehalten. „Sie müssen entschuldigen,
aber sie parken im absoluten Halteverbot und das können wir nicht durch
gehen lassen.“ „HALTEVERBOT?“, schrie Hans. „Das kostet Sie genau
150 Euro und wir müssen Ihre Personalien feststellen“, sagte der Polizist.
Koffer konnte es nicht fassen. Die Polizisten wussten gar nichts von dem
Geld. Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Er überlegte angestrengt,
wie er sich bemerkbar machen konnte. Viel Zeit hatte er nicht mehr. Die
Polizisten schrieben schon die Namen auf, mit Sicherheit nicht die
Richtigen und Fred reichte ihnen gerade das Geld. Koffer musste sich
etwas einfallen lassen, wenn er nicht länger in diesen Gangsterhänden
bleiben wollte. Bevor er jedoch den Polizisten etwas zu flüstern konnte,
war der Moment vorbei und die beiden Geldjäger auf dem Weg zu ihrem
Auto. Die beiden lachten. „Glück gehabt. Das ging ja wirklich noch einmal
gut. Lass uns jetzt schnell in unser Versteck fahren. Allmählich werde ich
immer nervöser“, sagte Hans. „Du bist aber auch blöd, hier im Halteverbot
zu parken. Auf dich kann man sich auch wirklich nicht verlassen. He, was
ist das denn?“ erwiderte Fred.
Koffer ließ seinen Blick über den Bahnhofsvorplatz schweifen. Er glaubte
seinen Augen nicht. Da lief Elvira mit einem Staubwedel über den Platz
und schrie etwas. Wo sie jetzt nur wieder den Staubwedel her hatte. Sie
erregte zu Koffers Glück so viel Aufmerksamkeit, dass sie die Polizisten
schnell überzeugt hatte, Fred und Hans seien Verbrecher, die ihren Koffer
gestohlen hätten. Dies alles passierte in Sekundenschnelle und eh die
Beiden sich versahen, hatte man ihnen Handschellen angelegt und sie
wurden abgeführt. Später stand in der Zeitung, dass die beiden auch eine
Entführung gestanden hatten und sie eigentlich am Bahnhof gewesen
waren, um das Lösegeld in Empfang zu nehmen. Wer konnte schon
ahnen, dass eine ältere Dame mit Staubwedel die zwei Verbrecher stellt.
Elvira wurde natürlich lobend in dem Artikel erwähnt. Richtig berühmt
wurde sie für mehrere Tage. Allerdings war sie von dem Tag an nie mehr
ohne Staubwedel zu sehen. Koffer erfuhr dann auch aus der Zeitung, dass
Elvira in den falschen Zug gestiegen war. Kurzerhand hatte sie dann nach
ein paar Metern noch im Bahnhof die Notbremse gezogen und war einfach
ausgestiegen. Da wurde ihr erst bewusst, dass Koffer nicht mehr da war.
Koffer war sehr froh, als Elvira sich entschied, ihre Reise zur Oma zu
verschieben und er sich schon am dem Abend wieder auf der Küchenbank
auf dem Bauernhof wieder fand. Aber wie immer in Koffers Leben,
erwartete ihn dort neues Unheil.
Kapitel 4 - Ein neues Schicksal
Koffer musste Constanze und Alex von dem ganzen Tag und der
Aufregung berichten. Immer wieder wollten sie hören, wie Elvira mit dem
Staubwedel über den Bahnhofsvorplatz gelaufen war. Wie sie allerdings
daran gekommen war, blieb ihr Geheimnis. Elvira weigerte sich sogar
Constanze gegenüber zu erzählen, was es mit dem Staubwedel auf sich
hatte. So hatte jeder seine eigenen Vermutungen. Alex und Constanze
hatte sich entschieden zu heiraten. Sie erzählte Koffer: „Weißt du Koffer,
es war ganz romantisch. Wir waren bei den Kühen. Alex hat Trude
gemolken und ich saß eine Box weiter bei Hella. Da fragte er mich
plötzlich, ob ich mir vorstellen könnte, auch Wurstlaub zu heißen.“ Koffer
wusste, dass Alex Wurstlaub mit Nachnamen hieß. Nicht selten hatten sie
alle drei über den Nachnamen gelacht. „Sehr romantisch“, erwiderte Koffer
trocken. Ein Grinsen konnte er sich nicht verkneifen. Auf jeden Fall war es
nun beschlossene Sache und die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren.
Koffer wusste gar nicht, dass eine Hochzeit so viel Arbeit machte, es war
schließlich seine Erste. Abends saßen die drei auf der Küchenbank und
planten das bevorstehende Fest in der alten Scheune. 40 Leute waren
eingeladen; Freunde, Verwandte, Arbeitskollegen von Alex und ein paar
Nachbarn aus dem Dorf sollten kommen. Alle hatten zugesagt. Und dann
war es so weit. Tagelang hatten Constanze, Alex und Koffer darüber
gegrübelt, wie Koffer an der Hochzeit teilnehmen könnte. Es sähe
sicherlich komisch aus, wenn die Braut mit einem Koffer vor den Traualtar
treten würde. So hatten sie sich entschieden, dass Koffer zwar in der
Scheune stehe könnte, aber den Rest eben erzählt bekommen würde. Und
so wurde es gemacht. Koffer hörte sich immer wieder die Erzählungen an
von dem rauschenden Fest. „Das werde ich nie vergessen“, dachte Koffer
bei sich. Doch einen traurigen Punkt hatte das Ganze. Alex und Constanze
hatten ein riesiges Kofferset bekommen. Helles, neues Leder, kleine und
große Koffer, keine Beulen, mit Schlössern. Koffer war traurig und
Constanze erklärte ihm: „ Koffer, wir gehen auf Hochzeitsreise. Und wir
nehmen die neuen Koffer mit, das gehört sich doch so. Und ich habe noch
nie so etwas Edles besessen. Das verstehst du doch, oder?“ Natürlich
verstand Koffer, er war ja nicht blöd, nur eben etwas traurig. Schließlich
hört man nicht gerne, wenn man überflüssig ist. Was würde nun mit ihm
passieren? Aber Constanze ließ Koffer nicht im Stich und stellte ihn auch
nicht auf den Müll. Sie verschenkte Koffer an ihre Oma.
Nun sollte Koffer doch noch Constanzes Oma kennen lernen. Und er wusste, es
würde mit Sicherheit genauso schön und spannend wie bei Constanze. Er war
mächtig gespannt und freute sich trotz allem Abschiedsschmerz auf sein
neues Abenteuer. Koffer war gespannt, wie er es nun antreffen würde.
Sicherlich würde es auch dort nicht langweilig werden. Und ein bisschen
Ruhe könnte ihm eigentlich auch nicht schaden, nach all der Aufregung.