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Prolog

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Gamira schleppte sich mühsam zum Eingang der Hütte, in der sie mit ihrem Mann Lodo und ihrem Sohn Milo wohnte. Wieder mal hatte ihr die Sonne auf dem Feld derart zugesetzt, dass sie fast nur noch kriechen konnte. Erleichtert erreichte sie den sicheren Schatten der Hütte. Sie zog sich innen an der Hüttenwand hoch und lehnte sich mit klopfendem Herzen an.

Milo kam herein gerannt und beugte sich über sie.

„Ist es wieder so schlimm?“, fragte er und Gamira konnte nur mühsam nicken.

„Ich bring dir Wasser, dann wird es wieder besser gehen“, sagte ihr Sohn fast flehentlich.

Gamira nahm dankbar den Krug und trank das Wasser in kleinen Schlucken.

„Vater wird sehr besorgt sein“, sagte Milo. „Er hat erzählt, dass es inzwischen vielen Frauen im Dorf so geht wie dir. Sie alle können die Sonne nicht mehr vertragen. Der Dorfälteste hat schon einen Boten zu den Stammesältesten geschickt, damit eine Versammlung einberufen wird. Er sagt, vielleicht müssen wir fortgehen von hier“.

Gamira schluchzte auf.

„Ich will nicht weg. Ich bin hier geboren, und alle meine Verwandten leben hier“.

„Reg’ dich nicht auf Mutter, du gehst einfach nur noch abends hinaus, dann wird es schon nicht so schlimm werden“, beruhigte ihr Sohn sie.

Gamira blieb an der Hüttenwand sitzen und kam im Schatten langsam wieder zu Kräften. Was war bloß mit ihr los? Sie war immer so stark und kräftig gewesen. Die Feldarbeit hatte ihr nie etwas ausgemacht, aber seit etwa einem Jahr wurde sie zunehmend schwächer, sobald sie in die Sonne kam. Auch anderen Frauen ging es so, und sie hatte darüber reden hören, dass in einem Nachbarort auch schon Männer von dieser seltsamen Erscheinung betroffen waren.

Die Tür ging auf und Lodo, ihr Mann, kam nach Hause. Ihr Herz klopfte, als sie ihn in der Tür stehen sah. Er war ein großer schöner Mann mit dichten blonden Haaren und einem kühnen Gesicht. Lodo sah seine Frau an der Hüttenwand sitzen, und er sah, wie blass sie war.

Langsam streifte er sein Übergewand ab und setzte sich dann neben sie.

„Gamira, es muss etwas passieren. Morgen treffen sich die Männer unseres Stammes mit dem Ältestenrat und beraten. Wir müssen eine Entscheidung treffen. Ich muss jetzt gehen, damit ich morgen pünktlich am Versammlungsort bin. Kann ich dich mit Milo alleine lassen?“

Gamira nickte und Lodo begann sich umzuziehen. Er legte sein Festgewand an. Dann nahm er seine Waffen und steckte sie in den Gürtel.

„Gehst du alleine“, fragte Gamira ängstlich.

„Nein, alle Männer des Dorfes gehen. Ich werde deine Mutter bitten, nach dir zu sehen“.

Gamira nickte erleichtert und winkte ihrem Mann nach.

Milo kam herein und sagte:

„Ich habe Vater versprochen, bei dir zu bleiben, sonst hätte ich ihn natürlich begleitet. Soll ich dir ein Stück Dörrfleisch bringen und ein Glas Milch?“

Gamira nickte und schaute ihren Sohn dankbar an.

Sie kaute gerade auf dem Fleisch, als ihre Mutter Gila hereinkam und sich besorgt zu ihr hinunter beugte.

„Komm Liebling, ich helfe dir auf und dann legst du dich ein wenig auf deine Lagerstatt“.

Gila brach es fast das Herz, ihre Tochter in diesem Zustand zu sehen. Sie war die schönste, größte und stärkste Frau im Dorf gewesen, als sich Lodo, der umschwärmte Mann, für sie entschied. Jetzt war sie abgemagert und blass, ein Schatten ihrer selbst.

„Du hast mir doch versprochen, nicht mehr in die Sonne zu gehen“, sagte die Mutter vorwurfsvoll.

„Aber wir müssen doch die Vorräte für den Winter von den Feldern holen, Milo schafft das nicht alleine“.

„Dann muss eben Lodo helfen“, sagte Gila entschieden.

„Der geht doch mit den Männern auf die Jagd, und außerdem ist die Feldarbeit etwas für Frauen und nicht für Männer. Die anderen würden ihn doch auslachen“, wehrte Gamira ab.

Gila seufzte und strich ihrer Tochter über die blasse Stirn. Hoffentlich würden die Ältesten eine Lösung finden, die ihre Tochter und all die anderen retten konnte.

Die Männer vom Stamme der Asamier kamen aus allen Richtungen zum Versammlungsort, der genau in der Mitte zwischen den Dörfern lag. Das Land der Asamier war so groß, dass fast alle eine Tagesreise oder noch mehr hinter sich hatten.

Sie gingen zunächst zum Versammlungshaus und rollten sich in ihre Decken, um ein paar Stunden zu schlafen. Die Ältesten und ihre Helfer bereiteten die Versammlung vor. Ein Ochse wurde über dem Feuer gebraten, Getränke wurden bereitgestellt, und als die Sonne unterging, ertönte ein Jagdhorn, und die Männer kamen aus dem Haus. Alle setzten sich um das große Feuer und warteten.

Dann erschien der Stammesälteste und setzte sich auf einen erhöhten Platz. Er rief einen Dorfältesten nach dem anderen auf und ließ sich Bericht erstatten. Alle hatten schlimme Geschichten zu erzählen, von Frauen, die gestorben waren, von Männern, die immer schwächer wurden. Selbst Kinder blieben von der furchtbaren Rache der Sonne nicht verschont. Kein Dorf war ohne Probleme und alle hofften auf seinen weisen Ratschlag.

Der Stammesälteste zwirbelte seinen Bart und dachte nach. Auch in seiner Familie waren schon drei Frauen und zwei Männer sonnenkrank. Nachdem er in den ersten Jahren immer noch geglaubt hatte, die Erscheinungen seien vorübergehend, musste er sich jetzt eingestehen, dass die Lage ernster wurde. Alle Heilkundigen hatten versagt, die Zahl der Kranken wurde immer größer, und es schien keine Rettung zu geben. Einige Dorfbewohner trauten sich nur noch nachts aus dem Haus, wenn es dunkel war und die Sonne nicht schien. Es würde nicht mehr lange dauern, bis kaum noch jemand in der Lage wäre, sich gegen Feinde zu verteidigen.

Er musste eine Entscheidung treffen.

„Wir warten auf den Winter und gehen dann nach Norden, dorthin, wo die Sonne nicht mehr scheint“, verkündete er, „das ist meine Entscheidung. Bereitet euch gut darauf vor. Und jetzt lasst uns essen und trinken, bis die Sonne wieder aufgeht“.

Kiras Mission

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