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Endlich angekommen: Die Rassismusdebatte in Deutschland

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Auch Deutschland debattiert über Rassismus. Plötzlich könnte man fast meinen. Immerhin. Denn das ist noch gar nicht so lange selbstverständlich. Bis weit in die 1990er Jahre, war der Begriff Rassismus hierzulande quasi Tabu. Operiert wurde stattdessen lieber mit Wortkreationen wie „Ausländerfeindlichkeit“ und „Fremdenfeindlichkeit“, mit „Fremdenhass“ und „Fremdenangst“ oder aber mit „Rechtsextremismus“. Damit wurde Rassismus individualisiert. Man konnte sich vorgaukeln, dass der Tatbestand nur Einzelne oder lediglich Randgruppen betraf. Ein Großteil von strukturell oder institutionell bedingten Diskriminierungen, um die es eben auch, oder vor allem geht, konnten so ausgeblendet werden. (4) Wir haben uns davor ganz schön lange geschont, gewunden und vor dem Wort Rassismus weggeduckt. Warum? Die abwehrende Reaktion war sicher auch Ausdruck einer Ahnung von der strukturellen Präsenz von Rassismus und eine gewisse Angst vor der Auseinandersetzung damit.

In anderen europäischen Ländern dagegen, etwa in den ehemaligen großen Kolonialmächten England und Frankreich, war Rassismus schon früher ein auch öffentlich wahrgenommenes Thema: So wurde beispielsweise in Frankreich bereits 1972 ein „loi sur le racisme“ ein ‚Gesetz bezüglich Rassismus‘ erlassen. Auch konnte sich dort, ähnlich der aktuellen black-lives-matter-Bewegung aus den USA, bereits in den 1980er Jahren eine Vereinigung namens „SOS-Racisme“ bilden, die in der breiten Öffentlichkeit mit dem Slogans “ne touche pas mon pote“, in etwa: „Fass meinen Kumpel nicht an“, sehr präsent war. Auch in England wurde bereits 1999 struktureller bzw. institutioneller Rassismus explizit als Problem bezüglich des Umgangs mit dem Mord an dem schwarzen Stephan Lawrence benannt.(5) Das alles bedeutet nun bei Weitem nicht, dass in Frankreich oder auch in England rassismuskritisch gesehen alles beim Besten sei. Ganz im Gegenteil. Das führen uns nicht zuletzt die immer mal wieder brennenden Vorstädte in den großen französischen Metropolen vor Augen.

Anerkennenswert bleibt dennoch die dabei dort damals schon zum Ausdruck gekommene Herangehensweise, wodurch Rassismus nicht per se geleugnet, sondern als strukturelles Problem klar benannt wird. Zumindest ist offenbar stärker darum gerungen worden. Leugnen und verdrängen blieb auch dort die bevorzugte Betrachtungsweise: So wurde beispielsweise in einem Larousse-Lexikoneintrag zum Stichwort Rassismus etwa aus dem gleichen Zeitraum des verabschiedeten Rassismusgesetzes und der SOS-Rassismus-Bewegung, betont, dass die einst von wissenschaftlicher Seite hervorgebrachte Rassekonstruktion eine besondere Resonanz in Deutschland gefunden habe und darüber hinaus für das Apartheitsregime Südafrikas kennzeichnend (gewesen) sei. Eigene kolonialzeitliche Verstrickungen oder Hinweise auf rassistische Tendenzen in der französischen Gesellschaft jedoch kommen in diesem Eintrag nicht zur Sprache.(6) Auch in Schulbüchern und anderen Werken scheint es auch dort durchaus „ symptomatisch (zu sein), dass in den großen Werken zur Reflexion über die Geschichte oder über die Vergangenheit Frankreichs niemals die Rede ist von den kolonialisierten Gesellschaften: ist dies eine Auslassung, eine lückenhafte Arbeit oder ein Tabu?“(7) Deutschland hatte ja nicht so viele Kolonien wie Frankreich oder England und auch nicht sehr lange. Das hört man oft. Wir möchten uns vormachen, als hätten wir immer schon auf einer Insel der Wohlanständigen gelebt und als sei Rassismus lediglich ein Problem der großen Kolonialmächte und Profiteure des Sklavenhandels. Aber auch wenn Deutschlands „Platz an der Sonne“, wie General Moltke, dem hierzulande nicht wenige Straßennamen und Denkmäler gewidmet sind, seine Besitzansprüche in Afrika nannte, nur von kurzer Dauer war, wurde keineswegs weniger brutal damit umgegangen. Ganz im Gegenteil. Die brutale Kriegsführung der deutschen „Kolonialpioniere“ Carl Peters und Hermann Wissmann und ihr „schneidiges Vorgehen“ in Deutsch-Ostafrika (1889/90) kommentierte Moltke mit den Worten: „Der Mann macht mir Freude. So einen habe ich gern. Der geht doch feste da unten vor und hängt die Schufte auf, da wo sie es verdienen.“(8) Unser Welt- und Menschenbild wurde definitiv nicht weniger stark von Überlegenheitsdenken geprägt, als etwa das von Frankreich oder England. Davor einfach die Augen zu verschließen, wäre tatsächlich eine „zutiefst ignorante Strategie“(9). Auch wir haben beim Thema Rassismus so einiges aufzuarbeiten. Höchste Zeit also, dass die Rassismusdebatte in Deutschland als solche in der breiten Öffentlichkeit angekommen ist. Zu einem Dreh- und Angelpunkt der Debatte ist gerade Paragraph 3 des Grundgesetzes geworden. Da steht: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Vor dem Hintergrund der deutschen NS-Geschichte mit den allerbesten Absichten geschrieben, um vor Diskriminierung und Rassismus zu schützen, hat sich doch der höchstproblematische Begriff „Rasse“ eingeschlichen. Die gibt es nicht, darin sind sich Forscher schon lange einig und das macht den Begriff im Diskriminierungsverbot selbst rassistisch und diskriminierend. Ein Grundgesetz ohne „Rasse“, wäre daher ein wichtiges Zeichen, das der scheinbaren Annahme von Rassekonzeptionen eine Ende setzten könnte. Vorgeschlagen wurde das Wort ganz einfach ersatzlos zu streichen, da mit mit Abstammung, Heimat und Herkunft eigentlich alles gesagt ist. Man könnte es alternativ auch durch "rassistische Zuschreibung“ ersetzen, wie die Grünen vorgeschlagen haben, oder von rassistischer Benachteiligung oder Bevorzugung sprechen. Dennoch stellt sich die Frage, woran es generell liegen mag, dass der Umgang mit dem Thema Rassismus offenbar für uns wie für viele Einwanderungsgesellschaften ein so schwieriger ist. Dazu sollte man einen Blick darauf werfen, was Rassismus im Kern überhaupt ist und wie rassistische Verhältnisse in unseren modernen, freiheitsliebenden Demokratien überhaupt zustande kommen konnten? Zuerst jedoch wollte ich erzählen, aus welcher Perspektive ich persönlich auf die Dinge schaue. Denn „(j)ede und jeder muss sich immer wieder fragen, warum denke ich, was ich denke, warum handle ich, wie ich handle und was hat das mit Macht zu tun.“ (10)

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