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Sinn findet man nicht, wenn man Alkoholiker ist

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Während meines Studiums machte ich in einer Alkoholiker-Klinik für Männer ein langes Praktikum. Das Besondere an diesem Aufenthalt war für mich, dass ich nicht Alkoholiker kennenlernte, sondern Menschen, die an Alkoholismus erkrankt waren. Ich kann sagen, dass ich mich selten in einer Gemeinschaft so wohl gefühlt habe wie in dieser, obwohl ich keine Affinität zum Alkohol habe.

Süchtige Menschen haben kein Vertrauen, weder zu sich noch zum Leben. Deshalb haben sie Angst. Weil sie Angst haben, fühlen sie sich nicht frei. Weil sie sich nicht frei fühlen, haben sie größte Mühe, Sinn im Leben zu finden. Weil aber der Wunsch nach Sinn der stärkste unter allen Wünschen ist und der Sinn selbst das Wichtigste, was wir im Leben brauchen, entwickelt sich in denen, die daran Mangel verspüren, eine starke Sehnsucht. Und deshalb greifen sie nach dem, was ihnen ein Sinngefühl zu versprechen scheint, was es auch sei und wie es damit auch endet.

Wer süchtig ist, kreist nur um das Eine, um sein Suchtmitteln und macht es zur Hauptsache im Leben. Er scheint nichts anderes zu brauchen. Um diese eine Hauptsache kreist er, nicht um sich selbst. Wie merkwürdig sind wir Menschen doch, dass wir die Tendenz haben, auf Freiheit zu verzichten und also auf Sinn und Glück und lieber den schwarzen Vögeln folgen, obwohl wir ahnen, wohin sie uns locken.

Im Speisesaal jener Klinik stand ein Flügel. Wenn ich nicht beschäftigt war, setzte ich mich an das Instrument und spielte. Nach und nach kamen die Männer zu mir und sagten zum Beispiel: „Bei diesem Tango habe ich meine Frau kennengelernt.“ Oder: „Bei diesem Slowfox habe ich mich in meine Frau verliebt.“ Oder … Dabei fiel mir ein Mann auf, der mir nur zulächelte. Irgendwann jedoch fragte er mich, ob wir auch einmal vierhändig spielen könnten. Ich willigte gern ein. Rasch bemerkte ich, dass neben mir ein Künstler sass.

Wir kamen ins Gespräch. Er erzählte mir, dass er auf dem Weg gewesen sei, Konzertpianist zu werden. Dann habe er seine Frau, eine Prostituierte, kennengelernt. Miteinander hätten sie sieben Kinder. Die familiäre Situation habe ihn jedoch überfordert, so dass er zu trinken begonnen habe. Inzwischen sei er süchtig.

Während er von sich erzählte, sah ich, dass er einmal ein schönes Männergesicht gehabt hatte, in das sich jedoch inzwischen die Sucht unverkennbar eingegraben hatte. Ob er Hoffnung für sein Leben nach der Klinik hatte? Er zuckte mit seinen Schultern und lächelte mich müde an. Ich habe ihn sehr gemocht.

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