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Der Schock

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Ich habe Krebs. Inzwischen ist er nach zehnjähriger Krankheit nicht mehr aktiv. Ich kenne also diese Krankheit aus Erfahrung, und deshalb wage ich, darüber zu schreiben.

Es war im Urlaub 2011 auf der Nordseeinsel Norderney. Das Wetter war gut, das Meer wie immer für mich ein Genuss, die Menschen um mich herum fröhlich. Nur: Da waren die heftigen Rückenschmerzen, die sich immer mehr ausbreiteten. Ich konnte kaum noch gehen. Deshalb schleppte ich mich zu einem Physiotherapeuten, der mich täglich behandelte, allerdings ohne Erfolg. Auch der Besuch im Krankenhaus brachte keine Klärung und also auch keine Hilfe. Man vermutete einen Bandscheibenvorfall. Die Tage und Nächte wurden zur Hölle. Nachts legte sich meine Frau zu mir auf den Teppich, weil ich im Bett nicht mehr liegen konnte. Ihre Nähe tat mir gut.

Solange ich auf der Insel war, kam ich nicht einmal auf die Idee, ich könnte Krebs haben. Und hätte mir jemand eine solche Idee nahe zu bringen versucht, hätte ich ihn schweigend abgewiesen.

Gleich nach unserer Rückkehr nach Hamburg suchte ich einen Arzt auf, der auch als Osteopath einen guten Namen hatte. Nachdem er mich behandelt hatte, legte er mir behutsam nahe, in der Radiologie ein MRT machen zu lassen. Da sich auch durch seine Behandlung keine Besserung einstellte, meldete ich mich in der Radiologie an. Das Ergebnis der Untersuchung war für mich zunächst niederschmetternd. Eine junge Ärztin – sie war nicht mit besonderem Mitgefühl gesegnet – zeigte auf den Bildschirm und sagte: „Sehen Sie hier, das ist Krebs.“ Glücklicherweise war meine Frau bei mir. Wie es vermutlich vielen Leidensgenossen ergeht, verweigerte ich die Erkenntnis der offenbar klaren Diagnose: „Das kann ja gar nicht sein etc. etc. etc.“ Doch die Ärztin ließ sich nicht beirren und entließ uns.

Da sehe ich uns nun auf dem kalten Flur der Radiologie stehen, meine sehr junge Frau und mich. Mit der nicht ausgesprochenen Frage: „Wie lange noch?“ Wir sprachen kaum. Wir umarmten uns lange. Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging, ehe ich noch einem älteren Arzt vorgestellt wurde, der nur sagte: „Dagegen kann man doch ´was tun...“ Was für eine Wohltat war dieser Satz! Trotzdem: Als wir nach Hause kamen, schien alles anders zu sein. Alles schien leer, nicht mehr zu mir gehörig, fremd. Ich fühlte mich von der Welt getrennt. Von allen Seiten kroch die Angst in Körper und Seele. Was sollte ich tun?

Wie von selbst setzte ich mich an den Schreibtisch und arbeitete an dem Buch weiter, an dem ich vor einiger Zeit zu schreiben begonnen hatte: „Machen Sie sich bitte frei! Entdecken Sie Ihre Furchtlosigkeit.“ Erst viel später ging mir auf, dass die Flucht in die Arbeit für mich etwas außerordentlich Hilfreiches gehabt hatte. Das Eintauchen in die mir vertraute Tätigkeit verschaffte mir für einige Stunden – und später immer wieder - einen gewissen Abstand zu meiner Angst.

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