Читать книгу Stasi-Konzern - Uwe Klausner - Страница 19

5

Оглавление

Ost-Berlin (Stadtbezirk Lichtenberg), Haus 1 des Ministeriums für Staatsicherheit in der Ruschestraße 103 │08:40 h

Er war der Mann, mit dem es sich nicht einmal Ulbricht verderben wollte, und es gab nicht wenige, die ihn als heimlichen Herrscher der DDR bezeichneten. Er selbst, Tschekist aus Überzeugung, hörte es mit Vergnügen, reagierte jedoch ungehalten, wenn er darauf angesprochen wurde. Dass dies der Wahrheit entsprach, wusste er jedoch nur zu gut, doch war er klug genug, sich in Zurückhaltung zu üben. Dies galt vor allem für sein Auftreten gegenüber Spitzenkadern, wo er darauf bedacht war, den aufopferungsvollen Parteisoldaten zu mimen.

Insgeheim jedoch, vor allem im Umgang mit Untergebenen, legte der Minister für Staatssicherheit ein ausgesprochen rüdes, um nicht zu sagen vulgäres Benehmen an den Tag. Erich Mielke, 56 Jahre und zweites von vier Kindern eines KPD-Aktivisten aus dem Wedding, betrachtete dies jedoch nicht als Makel. Um die Körpergröße von 1,63 Metern zu überspielen, hatte er früh gelernt, auf sich aufmerksam zu machen. Eine Angewohnheit, die er auch dann beibehielt, als er die Leitung des MfS übernahm. Umgangsformen, gepaart mit Zurückhaltung, waren seine Sache nicht, die Wutausbrüche, auch solche im kleinen Kreis, allseits gefürchtet. Mielke, seit 1957 Stasi-Chef, war kein Freund langatmiger Diskussionen. Durchgreifen, handeln, nicht lange fackeln – das, verbunden mit einem klaren Feindbild, war seine Devise. Der Arbeitersohn, den die Aura eines Bullterriers umgab, war nicht nur impulsiv, sondern auch verschlagen, trotz wachen Verstandes nicht übermäßig gebildet und jederzeit bereit, seine Gegner, auch solche in den eigenen Reihen, aus dem Weg zu räumen. An ihnen herrschte gewiss kein Mangel, doch wagte niemand, sich mit ihm anzulegen. Erich Mielke war und blieb der meist gefürchtete Mann der DDR, und nichts deutete darauf hin, dass sich dies ändern würde.

»Eins weiß ich genau: Wenn wir die Ratten, die den Tunnel gebuddelt haben, in die Finger kriegen, werde ich sie eigenhändig liquidieren.« Mielke redete nicht bloß daher, er meinte es auch so. Für ihn, Absolvent der Moskauer Lenin-Schule und Stalinist, gab es nur zwei Sorten von Menschen: überzeugte Kommunisten und solche, die man zu ihrem Glück zwingen musste. Was Letztere betraf, war jedes Mittel recht, um sie mundtot zu machen, wenn es sein musste, auch unter Anwendung von Gewalt. Wer nicht für ihn war, wurde liquidiert, nur eine der Lehren, die er aus seinem Aufenthalt in der Sowjetunion gezogen hatte. »Als Tschekist bin ich das unserem Arbeiter-und-Bauern-Staat schuldig.«

Mielke, der hochrangigste der drei Männer im abgedunkelten Dienstzimmer der Ost-Berliner Geheimdienstzentrale, erntete keinen Widerspruch. Dazu war das Thema, um das es sich bei der Diavorführung drehte, viel zu ernst. »Kann mir mal einer sagen, warum kein Schwein etwas davon mitgekriegt hat?«

»Bei allem gebotenen Respekt, Genosse Minister –«, tönte es aus dem hinteren Teil des Raumes, der zum Geheimsten zählte, was die DDR zu bieten hatte, »das frage ich mich auch.« Geheim vor allem deshalb, weil sich unmittelbar hinter Mielkes Schreibtisch der Panzerschrank des VEB-Stahlschrankwerkes ›Feuerfest‹ befand, in dem Mielke Unterlagen aufbewahrte, die nicht in fremde Hände gelangen durften. In diese Rubrik fiel natürlich nicht nur der Klassenfeind und mit ihm ein ganzes Heer von ›Fronstadt-Agenten‹, Diversanten und Saboteuren, sondern in erster Linie auch die eigenen Genossen, an ihrer Spitze Ulbricht und Honecker. Es gab niemanden, dem der Herr der Spitzel vertraute, und schon gar niemand, der von sich behaupten konnte ihn zu kennen. Mielke hütete seine Geheimnisse wie einen Schatz, um sie bei passender Gelegenheit aus dem Ärmel zu ziehen. Darin, im Abpassen des richtigen Moments, lag seine Stärke, und man konnte nie sicher sein, wen er als Nächstes ins Visier nehmen würde.

»Wie dem auch sei, Kamerowski«, erwiderte der Stasi-Chef, den Ellbogen auf der Lehne seines Sessels, und trommelte mit der Linken auf dem blankpolierten Schreibtisch aus volkseigener Produktion herum. »Noch so eine Panne, und ich kann meinen Hut nehmen.«

»Panne?«, echote Mielkes Sekretariatsleiter, vom Schreibtisch aus kaum zu erkennen. »Dagegen sind wir doch wohl …«

»Machtlos?«, vollendete der Stasi-Chef, kurz davor, aus der Haut zu fahren. »Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst, Kamerowski!«

Um nicht anzuecken, verkniff sich der 53-jährige Generalmajor eine Erwiderung und wechselte rasch das Thema. »Bitte um Erlaubnis, meinen Vortrag fortsetzen zu können, Genosse Minister!«, schnarrte er, nach eigenem Empfinden reichlich übertrieben. Bei Mielke, dem Lektor für militärpolitische Fragen an der Moskauer Lenin-Schule und Veteran des Spanischen Bürgerkrieges, kam so etwas jedoch gut an. Umso mehr, weil er Widerspruch auf den Tod nicht ausstehen konnte. »Sie gestatten?«

Mielke machte sich nicht einmal die Mühe zu nicken, sondern stieß einen unwirschen Grunzlaut hervor.

»Wo waren wir stehen geblieben – genau!« Kamerowski betätigte die Fernbedienung, um das nächste Schwarz-Weiß-Dia zu erläutern. Es zeigte ein Treppenhaus, von dessen Wänden der Putz abblätterte, das Geländer und eine Flügeltür. »Der Hinterausgang«, erläuterte der Sekretariatsleiter und betätigte den Schalter in der rechten Hand erneut. »Dort hat es den armen Teufel erwischt.«

Mielke reagierte nicht darauf.

Kamerowski nahm dies als Aufforderung zur Eile, womit er zweifelsohne richtig lag. »Und hier die gleiche Stelle von außen, also vom Hof«, tat er mit Blick auf die Backsteinfassade und die offen stehende Flügeltür kund. »Dort hat …«

»Dort hat es den armen Teufel erwischt, ich weiß.«

Dies war zwar nicht das, was Kamerowski hatte sagen wollen, aber es genügte, um ihn aus dem Konzept zu bringen. »Und … und hier, Genosse Minister –«, unternahm der 53-Jährige einen weiteren Versuch, seinen Herrn gnädig zu stimmen, indem er einen Zeigestock zur Hand nahm und auf die betreffende Stelle deutete, »kam es zu der folgenschweren Schießerei.«

»Schießerei?«

»Wie Sie wissen, hat das Gutachten unserer Ballistik-Abteilung ergeben, dass die Waffe von Unteroffizier Schultz nicht zum Einsatz gekommen ist.« Kamerowski gab ein Verlegenheitsräuspern von sich. »Er hat keinen Schuss abgegeben. Keinen einzigen.«

»Und die Frontstadt-Saboteure?«

»Mindestens ein halbes Dutzend.«

»Wie? Nicht mehr?«

»Soweit ich informiert bin, hat die Spurensicherung insgesamt sieben Patronenhülsen gefunden, die aus der Waffe des Fluchthelfers …«

»Das heißt nicht ›Fluchthelfer‹, Kamerowski, sondern ›faschistischer Provokateur‹!«, brüllte Mielke und hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. »Und das von einem meiner engsten Mitarbeiter – nicht zu fassen! Ich will Ihnen mal was sagen, Genosse: Mir ist scheißegal, wer hier auf wen geballert oder welcher Trottel aus den eigenen Reihen diesen Schultz auf dem Gewissen hat. Sei’s drum – ändern lässt sich daran sowieso nichts mehr. Wichtig ist, dass wir den größtmöglichen Nutzen aus dem Schlamassel ziehen. Und dass sich so eine Pleite nicht wiederholt. Alles, was recht ist, Kamerowski: Langsam frage ich mich, weshalb wir jedes Jahr eine halbe Milliarde zum Fenster rauswerfen und über 30.000 Kostgänger durchfüttern, wenn sie zu dämlich sind, dem Abschaum aus dem Westen das Handwerk zu legen. Knapp 10 Prozent des Polizei- und Armeeetats – und wofür? Für nichts, Herr Generalmajor, für nichts und wieder nichts! Ich will Erfolge sehen, Kamerowski – kapiert? Dafür werden Sie und die übrigen Genossen bezahlt.« Der Stasi-Chef holte tief Luft. »Ein Tunnel nach dem andern, so viele, dass man mit dem Zählen nicht mehr hinterherkommt – Sie werden zugeben, dass es so nicht weitergehen kann.« Krebsrot im Gesicht, lockerte Mielke seine Krawatte. »145 Meter lang, und keiner will etwas bemerkt haben. Wissen Sie was, Genosse: Das können diese Jammerlappen von Grenzern ihrer Großmutter erzählen. Aber nicht mit mir, Freunde, nicht mit mir! Wenn dieser Unglücksrabe unter der Erde ist, könnt ihr euch auf was gefasst machen! Da werden Köpfe rollen, glauben Sie mir.«

»Erlauben Sie mir eine Bemerkung, Genosse Minister?«

»Aber nur eine. Je mehr gequatscht wird, desto weniger kommt dabei raus.«

Kamerowski schluckte. »Ich bin überzeugt, die zuständigen Stellen werden alles tun, um die Umstände, die zum Tod von Unteroffizier Schultz geführt haben, restlos aufzuklären.«

»Zu Ihrer Information, Kamerowski: Laut Gutachten sind insgesamt zehn Schüsse auf ihn abgefeuert worden, davon zwei aus der Waffe eines faschistischen Banditen.«

»Höchste Zeit, dass diesen Flucht… dass den faschistischen Provokateuren das Handwerk gelegt wird«, erwiderte der Sekretariatsleiter und schaute derart arglos drein, dass Mielke beschloss, den Versprecher zu ignorieren. »Sonst machen wir uns zum Gespött.«

Der MfS-Chef ging jedoch nicht darauf ein. »Und sein Kamerad, dieser …«

»Maier. Soldat Volker Maier. Was ist mit ihm?«

»Haben Sie dafür gesorgt, dass er zum Schweigen verdonnert wird?« Die Stirn in Falten, ließ sich Mielke in seinen Sessel sinken. »Nicht auszudenken, wenn etwas durchsickern würde – am Ende vielleicht noch nach drüben! Wenn das passiert, Genosse, können wir einpacken.« Der Mann, um den selbst Spitzenkader einen Bogen machten, schürzte die farblosen Lippen. »Dann möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken, Kamerowski!«

Der Angesprochene tat so, als habe er den drohenden Unterton nicht bemerkt. »Die Tür zum Hof«, fuhr er stattdessen mit Blick auf das nächste Dia fort, den Zeigestock, den er wie ein Gewehr präsentierte, in der rechten Hand. »Der linke Flügel offen, der rechte zum Tatzeitpunkt geschlossen. Man beachte die Blutflecken, in erster Linie auf dem Treppenabsatz.«

»Ich habe Augen im Kopf, Genosse. Weiter.«

Klick. Ein Geräusch, das sich wie Entsichern einer Waffe anhörte. Fotos von Einschusslöchern in der Backsteinwand, von Blutflecken auf dem Hofpflaster, herumliegenden Patronenhülsen, Mülltonnen und drei Stufen, die zum nur wenige Schritte von der Hintertür entfernt gelegenen Toilettenhäuschen führen.

Klick.

Das Innere des Toilettenhäuschens. Knopfdruck. Der Einstieg in den Tunnel 57. Ein Klicken. Abermals der Einstieg, diesmal aus der Vertikalen. Ein Knacken, untermalt vom Rauschen des Projektors. Und dann, um die Niederlage perfekt zu machen, die Skizze eines Schachtes, der in schnurgerader Linie Richtung West-Berlin führt.

Nach Wedding, wo Mielke aufgewachsen war.

»Wenn ich könnte, würde ich die Bastarde der Reihe nach liquidieren. Persönlich.«

»Ich finde, das ist der falsche Weg.«

Es gab nur wenige, die den Mut besaßen, Mielke zu widersprechen, unter ihnen der Agent, der den Decknamen ›Radek‹ trug. Außer dem Minister, der die Wahrung seiner Identität zur Chefsache erklärt hatte, war sein Name niemandem bekannt. Gemunkelt wurde natürlich viel, auch darüber, dass es eine Sondereinheit gab, an deren Spitze besagter Radek stand. Da Geheimhaltung jedoch oberstes Prinzip war, wagte niemand, den kursierenden Gerüchten auf den Grund zu gehen.

»Es sei denn, so etwas kommt noch öfter vor.« Dem Mann, der mit verschränkten Armen am Türbalken lehnte, war es recht so. Anders als bei Kamerowski, der Mielke verblüffend ähnlich sah, handelte es sich bei ihm um einen gänzlich anderen Typ. Kamerowski war untersetzt, stiernackig und der geborene Speichellecker, Radek das genaue Gegenteil. Vom Aussehen her viel älter, in Wahrheit jedoch knapp zehn Jahre jünger als der Büroleiter, wies er keinerlei besondere Merkmale auf, weder was sein Allerweltgesicht, das stets angefeuchtete Haar, die Geheimratsecken und schiefergrauen Augen noch was den Rollkragenpullover, die dunklen Hosen und das cremefarbene Jackett betraf. Radek war es recht so, denn er wollte – und durfte – auf keinen Preis auffallen. Als Leiter der ›Sektion Omega‹, deren Aufgabe darin bestand, Maulwürfe, Überläufer und Verräter aufzuspüren, war dies oberstes Gebot. Und die halbe Miete, um zu überleben. »Dann, wie ich wohl nicht eigens betonen muss, müssen wir natürlich einschreiten.«

»Soll das heißen, Sie sind dafür, die Angelegenheit auf sich beruhen zu …«

»Damit wir uns nicht falsch verstehen, Genosse Kamerowski: Wenn der Genosse Minister den Befehl erteilt, die Schuldigen zu liquidieren, wird er selbstverständlich ausgeführt. Was mich betrifft, bin ich der Meinung, dass es derzeit Wichtigeres zu tun gibt, als einen Rachefeldzug gegen westliche Saboteure zu führen.«

»So? Und was denn?«, erwiderte der Sekretariatsleiter, zog die Vorhänge zurück und schaltete den Projektor wieder aus. »Ich dachte, es sei alles gesagt.«

»Wenn Sie sich da mal nicht irren, Genosse Generalmajor«, gab Radek zurück, die Augenlider, die von eisgrauen Brauen überwölbt wurden, fast vollständig geschlossen. »Ich habe lediglich gesagt, dass es ratsam wäre, wenn wir uns auf andere Dinge …«

»Und auf welche?«, blaffte Mielke, dem die Art, wie Radek um den heißen Brei herumredete, an den Nerven zehrte. Ein Blick auf seinen Vertrauten, und der Grund hierfür wurde ihm jedoch auf Anhieb klar. »Soll das heißen, es gibt schlechte Nachrichten? Und was Sie betrifft, Kamerowski – tun Sie mir den Gefallen und lassen uns allein. Ich möchte mit Radek unter vier Augen reden.«

»Wie Sie wünschen, Genosse Minister.«

»So, Radek, den wären wir los!«, richtete Mielke das Wort an den 43-jährigen Dresdener, nachdem dieser unaufgefordert Platz genommen und es sich auf dem Sessel vor Mielkes Schreibtisch bequem gemacht hatte. »Und jetzt raus mit der Sprache – was ist passiert?«

Die Rechte über den Augen, mit der er sie gegen das hereinflutende Tageslicht abschirmte, ließ sich Radek mit seiner Antwort Zeit. »Etwas, woran wir möglicherweise zu kauen haben werden«, begann er nach reiflicher Überlegung, der Blick auf den Fingerkuppen und dem darüber streichenden Daumen. »Aber noch ist bekanntlich nicht aller Tage Abend.«

Das Läuten des Telefons, Teil einer links von Mielke befindlichen Apparatur, durch die er führende Funktionäre per Direktleitung erreichen konnte, sorgte dafür, dass Radek seine Ausführungen unterbrach.

»In Ordnung – stellen Sie durch.« Mielkes Miene sprach Bände, und man musste nicht Radek heißen, um zu erkennen, dass ihm der Schreck in sämtliche Glieder gefahren war. »›Verdächtig‹?«, rief er stirnrunzelnd aus, den Hörer am rechten Ohr. »Inwiefern, Herr Professor? Ach was, wer kommt denn auf so eine Idee! Wie? Unsinn! Major Czerny genießt mein vollstes Vertrauen. Er hat auf meinen ausdrücklichen Befehl gehandelt. Wieso? Das lassen Sie mal lieber meine Sorge sein. Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig. Wenn Sie wollen, wenden Sie sich an den Generalstaatsanwalt. Oder an das Ministerium des Inneren. Auf Anfrage wird es sicherlich bereit sein, Ihnen eine Kopie … ›Ohne mich zu informieren‹ – was, bitte schön, soll das heißen? Damit Sie Bescheid wissen, Herr Professor Prokop: Um das Obduktionsprotokoll ausgehändigt zu bekommen, muss ich niemanden um Erlaubnis fragen. Am allerwenigsten Sie. ›Ein ungeheurer Vorgang‹? Überlegen Sie sich genau, was Sie sagen. Sie haben es hier nicht mit einem Ihrer Assistenzärzte zu tun. Aber natürlich können Sie Beschwerde einlegen. Ich frage mich nur, bei wem. Unter uns, Herr Professor: Wenn ich Sie wäre, würde ich die Angelegenheit auf sich beruhen lassen. Es sei denn, Sie ziehen es vor, Scherereien zu bekommen. Kein Bedarf? Na also, warum nicht gleich! Was Sie jetzt tun sollen, fragen Sie? Na, was wohl – den Mund halten! Zu niemandem ein Wort, kapiert? Nichts für ungut – und danke für den Anruf. Wiederhören!«

»Schwierigkeiten?«

»Nicht, dass ich wüsste!«, erwiderte Mielke und warf Radek, der ihn mit hochgezogenen Brauen musterte, einen unwirschen Seitenblick zu. Dann erhob er sich, durchquerte den Raum und riss die Tür zum Vorzimmer auf, wo er auf einen erstaunt dreinblickenden Kamerowski traf. »Czerny soll kommen!«, bellte er, eine Vorahnung, die sich alsbald bestätigte, im angespannt wirkenden Gesicht. »Aber dalli!«

Kamerowski, nicht minder ahnungsvoll, senkte den Blick. »Bedaure, das wird nicht gehen.«

»Und wieso nicht?«

»Hier, Genosse Minister«, antwortete der Generalmajor, einen Umschlag, der an Mielke adressiert war, in der ausgestreckten Hand. »Er hat Ihnen eine Nachricht …«

Mielke wartete die Antwort nicht ab, gebot Kamerowski zu schweigen und öffnete das Couvert. Dann überflog er den darin befindlichen Brief.

Ein Brief, der es wahrhaftig in sich hatte.

Wie lange er dagesessen, vor sich hin gestarrt und sämtliche Racheszenarien, die ihm in den Sinn kamen, durchgespielt hatte, war dem Stasi-Chef hinterher nicht bewusst. »Schlechte Nachrichten?«, fragte der Leiter der Sektion Omega, ein rätselhaftes Lächeln im Gesicht. Und ergänzte: »Czerny, hab ich recht?«

Mielke nickte, in Gedanken immer noch bei dem Mann, dem er wie keinem Zweiten vertraut hatte. Dann, nach einem Kopfschütteln, das seine ganze Ratlosigkeit ausdrückte, reichte er den Brief über die rechte Schulter.

Die Reaktion fiel jedoch anders aus als erwartet. »Kopf hoch, Genosse Minister«, tönte es hinter seinem Rücken, optimistischer als erwartet. »Ich weiß, wo der Verräter steckt!«

Stasi-Konzern

Подняться наверх