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»Guten Morgen! Es ist 13 Uhr, Samstag, 3. November!«, tönt die Stimme von Phils persönlicher Assistentin durchs Apartment.

Phil versteckt sich unterm Kopfkissen.

»Du hast heute zwei Termine«, fährt die Assistentin ungerührt fort. »Einer ist als wichtig markiert: 15 Uhr, Beginn doofe Silberhochzeit doofer Eltern.«

»Scheiße«, murmelt das Kopfkissen gedämpft.

»Zweiter Termin: 14 Uhr, Geschenk für doofe Silberhochzeit doofer Eltern besorgen.«

»Scheiße!« Phil springt auf.

Er sieht an sich runter. Immerhin: Er muss sich nicht anziehen. Denn offenbar ist er vergangene Nacht bekleidet ins Bett gekrochen.

Ist wohl spät geworden.

Phil erinnert sich vage. Erst hat er ein paar Runden Cosmic Hero gezockt. Als er dafür zu müde geworden ist, hat er im Netz zugesehen, wie andere Gamer Cosmic Hero zocken, und ab und an einen witzigen Kommentar eingeworfen.

Dabei wurden einmal mehr unterschiedliche Auffassungen von Humor deutlich.

Auf »Lol, schieb ihm lieber die Fehlprogrammierte Kampfdrohne quer in den Hintern, macht drei Schaden mehr« antwortete irgendein Random User doch glatt: »Nee, dir in die Fresse, Angeber«.

Danach hat Phil sich lieber mit anderen Themen beschäftigt.

Phil schiebt sich einen doppelten Toast mit Echt künstlichem Honig in die Fresse und sucht gleichzeitig online nach einem Geschenk für seine Eltern, die ihren 25. Hochzeitstag für einen Grund zum Feiern halten. Phils Meinung nach hätte es so weit gar nicht kommen dürfen. Aber seine dringende Empfehlung, sich endlich scheiden zu lassen, ist immer wirkungslos geblieben. Vermutlich glauben seine Eltern nicht, dass sie nochmal neue Partner finden würden, und sie wollen ungern einsam sterben. Im Grunde kann Phil beides nachvollziehen, einen Anlass zum Feiern vermag er trotzdem nicht zu erkennen.

Um den Eltern nicht den furchtbaren Tag zu verderben, sollte Phil ihnen also ein hübsches Geschenk beschaffen.

Bestellbar mit Drohnen-Lieferzeit unter 60 Minuten findet er auf die Schnelle:

ThermoPrint, der Essensdrucker mit eingebautem Ernährungsberatungsassistenten. Heute besonders günstig im Bundle mit Psalmen und Gebeten zum Mitsingen oder Nachsprechen.

Okay, das ist auf den zweiten Blick der Versandhandel einer evangelikalen Sekte. Phil schüttelt sich und sucht weiter.

»Wie du mir«, die neueste Ausgabe des beliebten Retro-Kartenspiels für die fortgeschrittene Partnerschaft, jetzt mit lustiger App und bunten Würfeln mit zufälligem Wohlgeruch!

Ein Kartenspiel aus echter Pappe? Phil hat gar nicht gewusst, dass es dergleichen noch gibt. Die armen Bäume!

Probierpackung Fart++ (18 Zäpfchen plus zwei umwerfende Extra-Bonus-Überraschungen): Werden auch Sie Teil der wachsenden Community, deren Darmwinde nicht mehr als Belästigung, sondern frische Brise empfunden werden! Düfte ferner Länder erwarten Sie, exotisch und frei.

Phil kann sich einfach nicht entscheiden.

Planlos schaut er aus dem Fenster. Eine Lieferdrohne mit Pizza-Fähnchen surrt vorbei, und er begreift, dass andere Leute schon zu Mittag essen.

So ein Jobverlust nagt nicht nur an Kontostand und Selbstwert. Phils Leben ist jetzt wie Busverkehr ohne Fahrplan: Irgendwann geht’s hoffentlich weiter, bis dahin heißt es warten.

Jetzt, wo Annies Lächeln weit mehr als einen Schreibtisch entfernt ist, fehlt es ihm mehr denn je. Die Bedeutung mancher Dinge fällt oft erst auf, wenn sie nicht mehr da sind. Das gilt für Busfahrpläne, monatliche elterliche Mietzuschüsse und für Phils Arbeit. Er sieht den klaren Novemberhimmel, strukturlos und streng genommen nur ein atmosphärischer Lichteffekt, der von dem unendlichen Nichts dahinter ablenkt.

Phils Zukunft ist ein unentdecktes Land, das in Google Maps leider nicht verzeichnet ist. Am Horizont ziehen graue Wolken auf. Wie passend.

Phil beschließt, erratischen Bestellungen unnützen Zeugs im Netz einen Einkaufsbummel in der City vorzuziehen.

Knallhart! Knallhart ist Phil zu sich selbst, meistens jedenfalls. Als Kur gegen seine Nackenverspannungen wegen zu langen nächtlichen Spielens verordnet er sich selbst einen Fußmarsch. Mit 26 Jahren haben Muskeln und Gelenke gefälligst knackig und frisch zu sein wie die Paprika unter den Gemüse-Lampen des Discounters!

Nach einer Viertelstunde bereut Phil die Entscheidung, weil es zu regnen anfängt und seine Schuhe sich als nicht ganz dicht erweisen.

Glücklicherweise gibt es das Einkaufszentrum. Früher nannte es sich schlicht Bahnhof, heute machen die Geschäfte mehr Umsatz als die Fahrkartenautomaten, egal wie einladend die auch lächeln. Das Einkaufszentrum ist komplett überdacht, außerdem muss Phil ohnehin in 44 … nein, 43 Minuten in die S-Bahn zu seinen Eltern springen.

Also genug Zeit, um ein nicht allzu peinliches Geschenk zu finden und womöglich einen Fahrplan für die nächsten paar Lebensjahre. Na gut – Lebensmonate.

Der Buchladen hat immer ein paar Sonderangebote für Leute, die nicht so gerne auf langen Fahrten aus dem Zugfenster starren. Phil streift zwischen den Regalen umher, bis er die Resterampe findet. Er greift wahllos ein Buch heraus, das für den aufgeklebten Preis von 5 Euro ziemlich voluminös wirkt. Der Titel: Verschwörungstheorien der letzten 1000 Jahre.

Phil durchblättert den reich bebilderten Band. Die Pest war eine Folge vergifteter Brunnen, Robespierre guillotinierte anno 1794 unzählige Verschwörer, die gar keine waren, und Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen die sogenannten Protokolle der Weisen von Zion – erstunken, erlogen und durch und durch antisemitisch. HIV, so eine weitere Verschwörungstheorie, ist eigentlich eine Biowaffe der US-Amerikaner, und mit Impfungen gegen gar nicht existierende Viren Anfang der 2020er wollten Tech-Konzerne Kontrolle über alle Menschen erlangen.

Dabei hatten sie die im Grunde längst.

Die Wiederaufforstungen der Gegenwart, so berichtet das letzte Kapitel des Buchs, dienen laut bestens informierter Verschwörungstheoretiker nicht etwa dazu, der Atmosphäre CO2 zu entziehen, sondern dazu, »unerwünschte« Menschen mittels Mobilfunk-Strahlung zu Affen zurückzuentwickeln und massenweise in den neuen Wäldern auszuwildern.

Splitterfasernackt.

Die zugehörige Illustration im Buch irritiert Phil dermaßen, dass er sie geschlagene drei Minuten lang begafft und um ein Haar vollsabbert: auf Bäumen sitzende schmutzige, unbekleidete Affenmenschen – und alle starren auf ihre Smartphones.

Das Buch fasziniert Phil so sehr, dass er erst beim Platznehmen in der S-Bahn bemerkt, dass er es gekauft hat. Dabei hat er offenbar so etwas wie »Und bitte als Geschenk einpacken« gesagt. Phil fragt sich, ob die suggestive Wirkung von heimlich im Buchrücken untergebrachten Substanzen ausgeht oder vom Inhalt.

Vielleicht bleibt sich das aber auch gleich, überlegt Phil, während seine S-Bahn durch die Vorstädte klappert, vorbei an Werbeplakaten für »110 % ehrliche Partnerbörsen«, »Sofortkredite mit Negativzins« und »Sonnenbaden unter Glaskuppeln«.

Phil erschafft eine Art magische Abschirmung, die ihn von allen Umwelteindrücken isoliert. Leider klappt das nur in seiner Vorstellung, weil Magie in der wirklichen Welt genauso wenig funktioniert wie Homöopathie oder Astrologie. Aber manchmal genügt die Macht der Einbildung.

Flach atmend stellt Phil sich vor, dass er die bunte Mixtur aus Gerüchen, Geräuschen und Reklame nicht mehr wahrnimmt. Das schafft Platz im Kopf für die zentrale Zukunftsfrage: Soll er sich einen Anwalt nehmen, um gegen seinen Rauswurf vorzugehen? Oder lieber gleich einen anderen Job suchen?

Oder beides? Schließlich kostet so ein Anwalt eine Menge Kohle, die er nicht ohne weiteres aufbringen kann.

»Entschuldigen Sie?« Die raue Stimme direkt neben Phils Ohr zerstört die Magie der Abschirmungsblase wie eine Stecknadel einen Luftballon.

Phil öffnet die Augen. Neben ihm steht ein Mann in einem bunten Overall mit dem poppigen Logo von Mr. Rabatt.

»Oh nein«, entfährt es Phil.

Offenbar nicht laut genug, denn der Mann setzt ein famoses Lächeln auf, das an ein Walross bei der Fütterung erinnert. »Ah, Sie sind wach, sehr gut. Mein Name ist Mr. Rabatt und ich darf Ihnen einmal die neuesten Gutscheine anbieten …« Aus verschiedenen kleinen Taschen an seinem Overall zieht Mr. Rabatt bunte, schmale Zettel hervor. »Heute besonders beliebt«, sagt er, während er vor Phils Gesicht mit zwei glitzernden Hologramm-Gutscheinen winkt, »sagenhafte 5 % auf den Monatsbeitrag bei der zertifiziert 110 % ehrlichen Partnerbörse …«

»Ich will keine Gutscheine«, unterbricht Phil. »Die liegen nur herum, bis sie irgendwann nicht mehr gelten, und dann kommen sie in den Müll.«

»Dafür sind sie zu schade«, sagt Mr. Rabatt. »Sehen Sie nur, es gibt verschiedene Illustrationen. Sie können die Gutscheine sammeln, es gibt sogar Alben dafür.«

»Die man extra kaufen muss.«

»Ja, aber ob Sie’s glauben oder nicht, auch dafür gibt es einen lohnenswerten Rabattgutschein. Und übrigens …« Mr. Rabatt zeigt auf das eingepackte Geschenk auf Phils Schoß. »Und übrigens hätte ich sogar einen Gutschein für Einkäufe im Bahnhofsbuchladen …«

»Dafür ist es offensichtlich zu spät«, erwidert Phil.

»Keineswegs«, erklärt Mr. Rabatt. »Sie haben schließlich ein Rückgaberecht. Tauschen Sie es um, dann kaufen Sie dasselbe Buch einfach noch einmal, mit diesem Gutschein, und sparen …«

»Keine Zeit«, sagt Phil, »ich komme eh schon fast zu spät. Und zum Glück muss ich an der nächsten Haltestelle aussteigen.« Er steht auf.

»Hier«, sagt Mr. Rabatt und steckt ihm einfach einen Gutschein in die Jackentasche, »nehmen Sie wenigstens den hier. 10 % für Neukunden im Schulungszentrum Weg mit dem Stress. Kann ich echt empfehlen. Aus eigener Erfahrung.«

»Danke«, sagt Phil, verdreht die Augen und steigt aus der S-Bahn.

Auf dem Bahnsteig überlegt er so lange, ob er den Antistress-Gutschein wegwerfen oder behalten soll, dass er bei seinen Eltern gerade noch pünktlich zum Anschneiden der Torte eintrifft.

Am Tisch sitzt er zwischen – oh nein – Onkel Ulf, flotte 58, wie er immer betont, dem Bruder seiner Mutter Britta, und der bemitleidenswerten Cousine Lara, Onkel Ulfs Tochter.

Phils Vater James wirft ihm einen traurigen Blick zu. Er ist der einzige Vertreter des US-amerikanischen Zweigs der Familie am Tisch. Seine Verwandten konnten leider nicht über den Großen Teich kommen, weil sie drüben zu sehr mit Überleben beschäftigt sind und die EU derzeit keine Geflüchteten aus den Staaten aufnimmt.

James und Britta feiern ihre Silberhochzeit zwar zuhause, aber stressfrei: Sie haben ein Catering-Unternehmen beauftragt, das neben Kuchen, Torte und Bedienung auch das essbare Geschirr mitgebracht hat. Sogar eine mordsmäßige Monster-Kaffeemaschine auf Rädern wurde an der Esszimmertür aufgefahren.

»Die nehm ich mit nach Hause«, sagt Onkel Ulf im Verschwörertonfall, und es ist unklar, ob er die Maschine meint oder die Catering-Mitarbeiterin mit dem Namensschild Johanna, die gerade fluchend daran herumkonfiguriert. Die in ein altmodisches Kostüm gehüllte große Frau mit den blau-blonden Haaren ist mit Sicherheit die jüngste Person in der Wohnung, und zwar abgesehen von Phil mit einigem Abstand.

»Toll«, sagt Cousine Lara, bevor Phil seinem Onkel eine passende Antwort geben kann. Bei ihr ist wenigstens klar, was sie meint: Phils Geschenk für seine Eltern, das sie sich vom Gabentisch unter den Nagel gerissen hat.

»Gut, dass es noch so lehrreiche Bücher gibt«, sagt Lara, »im Internet steht ja nur Bullshit.«

»Ach wirklich?«, entfährt es Phil, während Onkel Ulf eine neue Tasse Kaffee in Empfang nimmt. Es ist seine vierte. »Die Bedienung ist klasse!«, ruft der Onkel und kann nur deshalb Johanna nicht auf den Po klatschen, weil die schnell genug das Weite sucht.

»Steht auch was drin über die geheimen Lager auf den Azoren?« Lara blättert konzentriert durch die bunt bebilderten Seiten.

Phil seufzt. »Du meinst die ausrangierten Öltanker, in denen geflüchtete Amerikaner auf die Rückkehr des wahren Präsidenten warten?«

»Er hat schon mehrfach das Datum getwittert«, sagt Lara, »aber die da oben haben das sofort wieder gelöscht. Das ist Zensur! Aber das hilft ihnen am Ende einen Scheiß!«

»Apropos«, sagt Phil unzufrieden, »ich muss mal aufs Klo.«

Er schiebt den Stuhl nach hinten und sich selbst an Onkel Ulf vorbei. An der Kaffeemaschine kreuzen sich sein Blick und jener der Bedienung. »Hi«, sagt Phil automatisch.

»Hi«, sagt auch Johanna. Mit dem Kinn zeigt sie Richtung Korridor. »Gehst du dich umbringen?«

Phil mustert sie. Tiefe Stimme, verknotete, gefärbte Haare, hellgrüne Augen, beinahe unnatürlich. Womöglich Kontaktlinsen. »Nee, kann mir die Bestattung nicht leisten«, entgegnet er. »Entschuldige mich, aber dein Kaffee …«

Sie entlässt ihn mit einer huldvollen Geste.

Als auf dem Örtchen die Feier zu einem gedämpften Gemurmel anderer Leute wird, lässt Phil sich Zeit und schließt die Augen. Doch statt einer kurzen Entspannung huscht sofort der Zweifel herbei und knabbert an seinem Ego.

Rausgeschmissen! Rausgeschmissen wie ein Verbrecher. Phil fühlt sich nicht wie ein Verbrecher. Er fühlt sich wie ein Arbeitsloser. Er fragt sich, was schlimmer ist. Welche Wertmaßstäbe gelten eigentlich, wenn ein Schwätzchen mit der Catering-Bedienung und das Entleeren der Blase die Highlights des Tages sind?

Auf dem Rückweg von der Toilette kommt es leider zu keiner weiteren erfreulichen Begegnung, Johanna ist mit dem Abräumen des Geschirrs beschäftigt. Dafür verhindert sein Dad, der ebenfalls aufgestanden ist, dass Phil sich wieder auf seinen Platz setzt. »Warte bitte«, raunt er ihm zu und wechselt dann ins Englische. »Tu so, als hätten wir was Wichtiges zu besprechen.«

»Damit wir nicht wieder am Tisch voller Schwiegerverwandtschaft sitzen müssen? Nur zu gerne.«

»Yes«, grinst Dad. »Alles in Ordnung bei dir?«

»Äh, ja, sicher.«

»Wie immer also. Toll, diese Aufforstung, oder?« James ist dafür berüchtigt, mitten im Satz das Thema zu wechseln. Diesmal geht er vergleichsweise langsam zu Werke.

»Nur weg mit dem blöden CO2«, sagt Phil. »Ein Hoch auf Megawälder aus transgenen Superbäumen.«

»Richtig cool sind diese schwebenden Flechtenteppiche«, sagt Dad und zeigt mit der linken Hand, was er meint.

»Ja«, gibt Phil zurück, »bis zu 5000 Meter hoch fliegen die – wie grüne Wolken.«

»Wie es sich wohl anfühlt, darauf zu sitzen?«

»Kalt«, vermutet Phil. »Es gibt YouTube-Videos von Fallschirmspringern, die …«

»Aber das mit den Müllwagen geht wirklich nicht.«

Phil versucht, mental auf den Erdboden zurückzukehren, ohne dabei zu heftig aufzuschlagen. »Müllwagen?«

Dad nickt. »Wir überlegen schon, einen Komposter auf den Balkon zu stellen. Mit Duftgenerator, wegen der Nachbarn.«

»Weil …?«, will Phil helfen.

»Wegen der Sensoren in den Müllwagen. Die unseren Bioabfall untersuchen und daraus unsere Vorlieben ermitteln.«

»Furchtbar«, entfährt es Phil. Er fragt sich, ob er das Buch mit den Verschwörungstheorien besser schnell wieder verschwinden lassen sollte.

»Wir essen schon keinen Käse mehr«, beklagt Dad. Phil verzichtet darauf, sich nach einer Begründung zu erkundigen. Sein Vater wird ohnehin in wenigen Sekunden das Thema wechseln. Oder hat er das schon?

»Ach!«, ruft Dad aus. »Gestern hab ich auf der Straße deinen alten Schulfreund Richard getroffen. Der ist jetzt schwul!«

»Ja, und?«

»Das liegt an diesen Duftwässerchen.«

»Nein, er …« … war schon immer schwul, will Phil sagen, aber Dad zieht ihn in die Küche. »Da, schau dir das an«, sagt er und zeigt auf den Drucker.

»Ein GOURMET 400XL. Ja, und?«

»Gehackt«, sagt Dad.

»Gehacktes?« Phil bemüht sich, seine Verwirrung im Zaum zu halten.

Dad versetzt dem Gerät eine Ohrfeige. Das solide Gehäuse zeigt sich davon unbeeindruckt. »Die Kiste druckt heimlich Drogen in mein Essen, die mich davon abhängig machen! Früher habe ich Bratlinge mit Himbeergeschmack gehasst, und jetzt plötzlich …«

»Ich …« Phil zögert. »Ich habe noch Kuchen auf dem Teller, und mein Kaffee wird kalt«, sagt er dann und lässt Dad stehen. Cousine Lara schaut ihm sehnsüchtig entgegen.

»Alle sind so fröhlich«, säuselt sie, als Phil sich hingesetzt hat.

Phil schluckt, dann greift er nach seiner Tasse. »Auf die Klimarettung«, sagt er.

Sie prosten einander zu.

Der Kaffee ist kalt.

Zum Glück haben Britta und James das Catering nur bis 17:30 Uhr gebucht, die Festgesellschaft geht also vor dem Abendessen auseinander. Nach der vielfachen fröhlichen Versicherung, einander in 25 Jahren wiederzusehen, verabschieden sich die letzten Gäste.

Phil geht als Letzter, nachdem er beim Wiederherstellen der Möbelanordnung geholfen hat.

Unten vor dem Haus trifft er auf Johanna, die gerade das nicht ganz aufgegessene Geschirr in den kleinen E-Van ihrer Firma schmeißt.

»Na, Feierabend?«, fragt Phil.

»Denk nichts Falsches«, gibt Johanna zurück.

»Niemals, ich …«

»Ich finanziere mit dem Job mein Studium.«

Phil stöhnt. »Ach so. Ich hab meinen gestern verloren.« Ihm fällt auf, dass er seiner Familie kein Wort davon erzählt hat. Aber jetzt einer Fremden. Was zum Geier stimmt nicht mit ihm?

»Trifft sich gut«, sagt Johanna. »Mein Chef sucht ständig Leute, die als Dienstmädchen verkleidet Senioren beim Kaffeetrinken helfen.«

»Ich werde ernsthaft drüber nachdenken.«

»Mach das. Der Job ist aber scheiße, um ehrlich zu sein. Such dir lieber was anderes.« Sie knallt die Hecktür des Minivans zu und steigt vorne ein. »Ist ein Einsitzer«, sagt sie und zuckt mit den Schultern. »Aber du findest sicher alleine nach Hause.«

Phil nickt. »Tschüss dann«, sagt er noch.

Als er in die S-Bahn Richtung Innenstadt steigt, hält er Ausschau nach einem Mr. Rabatt, aber die Bahn ist stadteinwärts um diese Zeit meist recht leer, also kein vielversprechendes Terrain für einen Gutscheinverschenker.

Müde denkt Phil darüber nach, was heute alles schiefgelaufen ist. Als er merkt, dass die Liste erstens lang und zweitens voller unwichtiger Dinge ist, setzt er lieber seinen Jobverlust auf Prio eins und streicht den Rest.

Während draußen zig leuchtende Werbebanner für Singlebörsen an ihm vorbeiziehen, fällt ihm sein letztes größeres Projekt wieder ein. Sollte TriffMichNochHeuteSüßer tatsächlich mit der Entlassung zu tun haben? Hätte er doch nur einen Rabattgutschein für Geistesblitze …

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