Читать книгу Hexenhammer 2 - Alles Leid währt Ewigkeit - Uwe Voehl - Страница 7

Prolog

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»Tu es nicht! Geh nicht hinein!«, flüstert die Stimme in meinem Kopf.

»Tu es!«, flüstert eine andere.

Ich weiß nicht, auf welche der Stimmen ich hören soll. Welcher ich vertrauen kann.

Das Haus steht einsam in der Landschaft. Wie ein Würfel, der, vom Teufel geworfen, zufällig hier zum Liegen gekommen ist.

Gehetzt schaue ich mich um. Das Wolfsgeheul ist näher gekommen. Das Rudel ist ausgehungert. Der Winter ist kalt und frostig. Eine dichte Schneedecke liegt über der Landschaft wie ein Leichentuch.

Die ersten Wölfe tauchen auf dem Hügel auf. Wie Scherenschnitte wirken ihre schwarzen Schatten auf dem weißen Grund.

Ich zögere nicht länger und öffne die Tür. Warum wundere ich mich nicht, dass sie nicht verriegelt ist?

»Weil du hier willkommen bist!«, flüstert die zweite Stimme.

»Weil es eine Falle ist«, warnt die erste.

Rasch schließe ich die Tür hinter mir. Keinen Augenblick zu früh, denn schon wirft sich ein Wolf von außen dagegen. Sein Wutgeheul dringt mir durch Mark und Bein.

Doch dann vergesse ich die Wölfe und die Gefahr, in der ich bis eben noch schwebte. Zu wunderlich ist der Raum, den ich betreten habe.

Flackernder Kerzenschein erhellt ihn. Das Licht fällt auf die dicht gedrängten Bilder. Kaum ein Platz an den Wänden ist mehr frei.

Ich trete näher und betrachte die Bilder. Sie alle müssen von demselben Maler stammen. Sie tragen eine Handschrift.

Und sie alle zeigen Kinder. Mädchen und Jungen unterschiedlichen Alters.

Aber es sind keine fröhlichen Gesichter. Die Kinder weinen, und in ihren Mienen spiegeln sich Trauer und Leid.

Leid, wie auch ich es empfinde.

Und alles Leid in mir währt Ewigkeit.

Wer sind all die Kinder? Wer hat ihnen wehgetan? Was müssen sie erlitten haben?

Ein Schluchzen.

Es kommt von oben.

Zögernd gehe ich die knarrenden Stufen hinauf. Je höher ich gelange, umso schwerer fällt mir jeder Schritt. Mir ist, als würde jemand von hinten an mir ziehen, jemand, der mich schützen möchte vor dem, was mich oben erwartet. Dann aber ist es mir, als würde ich einen Stoß in den Rücken erhalten, der mich weiter hoch befördert.

Und so geht es in einem fort. Ich werde nach hinten gezogen, dann wieder nach oben gestoßen. Wie ein Fetzenball fühle ich mich den unbekannten Kräften, die an mir zerren, ausgeliefert.

Gleichzeitig höre ich erneut die widerstreitenden Stimmen.

»Dort oben erwartet dich die Erkenntnis!«, lockt die eine.

»Dort oben erwartet dich Leid«, warnt die andere. Und sie setzt hinzu: »Das Leid wird nicht allein deins bleiben. Es wird viele treffen. Es wird …«

Die zweite Stimme verstummt. Ich vernehme das triumphierende Lachen der ersten.

Zugleich fühle ich mich emporgetragen. Da ist kein Zurückzerren mehr in meinem Rücken.

Halb fürchte ich mich, halb giere ich nach dem, was mich erwartet.

Dann stehe ich dort oben. Auch dieser Raum ist von Kerzenschein erhellt.

Nur ein einziges Gemälde hängt an der Wand. Es ist winzig, sodass ich näher treten muss, um es zu betrachten.

Doch als ich davorstehe, kommen auch mir die Tränen.

Denn ich sehe –

MICH!

Doch noch während ich das Bild anstarre, beginnt es sich zu verwandeln, und ich schaue in das weinende Antlitz eines Jungen, der mir so ähnlich sieht, als wäre er mein Bruder.

Mein Bruder, den ich niemals hatte.

Hexenhammer 2 - Alles Leid währt Ewigkeit

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