Читать книгу Gestaltung von Veränderungsprozessen im Krankenhaus - Uwe Wieland - Страница 7
1 Einleitung
ОглавлениеPlus ça change, plus c’est la même chose. (Französisches Sprichwort)
Nachdenklichkeit heißt: Es bleibt nicht alles so selbstverständlich, wie es war. (Hans Blumenberg)
Zahlreiche Diskussionen und Veränderungen charakterisieren die Krankenhauslandschaft der vergangenen Jahre. Wir sehen eine beschleunigte Entwicklungsdynamik zwischen Aufbruchstimmung und Krise. Erreichtes wird rasch überholt, Vorhersehbarkeit weicht Unvorhersehbarem.
Das Management von Krankenhäusern muss dieser Dynamisierung Rechnung tragen, um im Wettbewerb mit anderen Krankenhäusern bestehen zu können. Spezialisierungen, Erweiterungen des Leistungsspektrums und ggfs. damit zusammenhängende bauliche Veränderungen, personelle Entscheidungen auf der Chefarztebene, das Gewinnen und Halten von qualifiziertem ärztlichen und pflegerischen Personal u. v. m. sind Entwicklungen, von denen die Zukunft des einzelnen Hauses abhängt.
Gestaltet werden diese Veränderungen von unterschiedlichen Akteuren – Vorstand, Geschäftsführung, Chefärzt*innen, mittlerer Führungsebene und Mitarbeiter*innen – die jeweils eigene Vorstellungen ins Spiel bringen. Laufende und geplante Entwicklungen bringen Bewegung in einen bis dahin bestehenden Status quo zwischen den handelnden Akteur*innen. Allen ist bewusst, dass jede getroffene Entscheidung nicht nur die erwünschten Wirkungen, sondern auch manche vorhersehbare, in manchen Fällen auch unerwartete Nebenwirkung hat. Das Erstrebenswerte und Nützliche für den einen kann zur Last oder gar zum Hindernis für die anderen werden.
Diese Problematik ist in den Veränderungsprozessen allgegenwärtig; um so wichtiger wird die Frage, wie diese Differenzen verstanden und verhandelt werden. Die vielbeschworene »Win-Win«-Formel geht leider nicht immer auf und im ungünstigen Fall kommt es zu zwischenmenschlichen Verwerfungen und Verhärtungen. Neid, Missgunst und Revanchismus sind hartnäckige Überbleibsel entgleister Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse. Diese psychologischen Niederschläge neigen dazu, eine kooperative Grundhaltung zu beschädigen, die für Veränderungsprozesse wesentlich ist.
Um Veränderungen konstruktiv zu gestalten, müssen Entscheidungsträger*innen miteinander ins Gespräch kommen, damit die unterschiedlichen Vorstellungen, Interessenlagen und Zielsetzungen austariert werden können. Macht- und Interessenkonstellationen müssen sich neu justieren und einen neuen, belastbaren »Common Ground«1 (Clark und Schaefer 1989) bilden. Diese Prozesse müssen strukturiert ablaufen, bedürfen der Steuerung und Kultivierung. Die Gestaltung der Aushandlungsprozesse ist zuerst eine Anfrage an die Organisation und ihr Selbstverständnis. Gibt es eine organisierte Kommunikation, in die solche Aushandlungsprozesse eingebettet sind und die das Nebeneinander von Kooperation und Konkurrenz funktional regeln? Über die Hierarchie- und Professionsgrenzen hinweg sind ausgeprägte kommunikative Kompetenzen notwendig, um Veränderungsprozesse so zu gestalten, dass Reibungsverluste reduziert werden, möglicherweise sogar Synergieeffekte entwickelt werden können.
Wie löst das Krankenhausmanagement diese Anforderungen an Weiterentwicklung ein? Wie interagieren die relevanten Akteur*innen – Management und Leitungskräfte – im Geflecht divergierender Interessenkonstellationen? Welche zentrale Bedeutung kommt dabei einer organisierten Kommunikation zu und welche Anforderungen an die kommunikative Kompetenz von Führung lassen sich daraus ableiten?
Bei der Erörterung des vielschichtigen Zusammenspiels von Organisation und Mensch in der Gestaltung von Veränderungsprozessen werden zwei idealtypische Organisationsformen – das Inselmodell und das Verbundmodell – diskutiert. Mit diesen beiden Modellen sind spezifische Kommunikationsstrukturen und -muster verbunden, die Einfluss auf das interaktionelle Geschehen zwischen allen Beteiligten haben. Darüber hinaus wird die Rolle der Führungsebenen problematisiert. Sie haben den relativ größten Hebel für die Gestaltung erfolgreicher Veränderungsprozesse.
Anhand von Fallbeispielen aus dem Krankenhaus wird veranschaulicht, wie Veränderungsprozesse gelingen können. Es werden aber auch diejenigen Beispiele in den Blick genommen, wo Veränderung stagniert oder gar scheitert.
1 Das Konzept des »Common Ground« beruht auf der Erarbeitung gegenseitigen Wissens, gegenseitiger Überzeugungen und Annahmen als Vorausetzung für erfolgreiche Kommunikationsprozesse. Es erfordert von allen Beteiligten ein sowohl inhaltliches als auch prozessorientiertes Handeln.